Hochdosierte orale Gabe von Vitamin A während den ersten 28. Lebenstagen zur Prävention der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) bei extrem unreifen Frühgeborenen (ELBW infants) NeoVitaA Trial - Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG); Aktenzeichen: ME 3827/1-1 Leiter der Klinischen Prüfung (LKP) : Professor Dr. med. Sascha Meyer Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, 66421 Homburg Beschreibung und wissenschaftliche Begründung des Projektes: Ziel dieser multizentrischen, randomisierten, Doppelblind-Studie ist es zu untersuchen, ob die hoch dosierte, orale Gabe von Vitamin A (5000 i.U./kg/Tag vs. Placebo) während der ersten 28 Lebenstagen bei extrem unreifen Frühgeborenen (Geburtsgewicht: < 1000 Gramm) zu einer Reduktion der Rate der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) bzw. Tod führt. Des Weiteren wird die Sicherheit der Gabe von hoch dosierter, oraler Vitamin AApplikation evaluiert. Eine Basis-Supplementierung von 1000 i.U./kg/Tag erfolgt in beiden Gruppen. Die NeoVitaA-Studie ist durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie durch die federführende Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes (Saarbrücken) im Benehmen mit den beteiligten Ethikkommissionen zustimmend bewertet worden. Die Studie wird ausschließlich durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; ME 3827/1-1) und nicht durch die pharmazeutische Industrie finanziert. Leiter der klinischen Prüfung ist Prof. Dr. med. Sascha Meyer, Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes. Das klinische Projektmanagement erfolgt durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Studien (IZKS) in Mainz. 1 Hintergrund: Die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) betrifft bis zu 35% der extrem unreifen Frühgeborenen (ELBW: < 1000 Gramm Geburtsgewicht) (1, 2). Die BPD ist definiert über die Notwendigkeit der Gabe von Sauerstoff im post-menstruellen Alter von 36 Wochen (3). Die Erkrankung ist charakterisiert durch eine respiratorischeBeeinträchtigung und ist assoziiert mit einer hohen Mortalität und erheblicher Langzeit-Morbidität (4-6). ELBW-Frühgeborene haben gewöhnlich niedrige Plasmakonzentrationen an Vitamin A (7, 8), und dies ist mit einer erhöhten Rate an BPD assoziiert (7). Randomisiert-kontrollierte Studien sowie eine Cochrane-Meta-Analyse haben gezeigt, dass die intramuskuläre Gabe von Vitamin A zu einer Reduktion der BPD-Rate sowie zu einer geringeren Mortalität führten (912). Eine große multizentrische, randomisierte, verblindete Studie zeigte, dass die intramuskuläre Gabe (5000 IU/ dreimal/Woche für eine Dauer von 4 Wochen) zu einer Reduktion der Rate an BPD oder Tod führte (55% vs. 62%; Relatives Risiko: 0.89; 95% CI: 0.80-0.99; p=0.03; n=807; NNT: 1:14.3). Die intramuskuläre Gabe ist allerdings aufgrund der damit assoziierten Schmerzen eine Behandlungsform, die sich im klinischen Alltag bisher nicht durchgesetzt hat (13). Daher besteht die jetzige Gabe in der Regel aus der intravenösen Gabe (910 i. U./kg/Tag) im Rahmen der Gabe eines Multivitamin-Supplementation so lange die Neonaten parenteral ernährt werden. Sobald die enterale Ernährung erfolgen kann, erfolgt die orale Gabe von Vitamin A; allerdings scheint die orale, in konventionellen Dosierungen durchgeführte Gabe nicht ausreichend zu sein (14). Eine kürzliche Untersuchung zu dieser Thematik zeigte, dass regelhaft eine Unterdosierung bzw. Mangelversorgung mit Vitamin A bei Frühgeborenen vorliegt (15). In Deutschland erhalten Frühgeborene 1000-2000 iU/Tag an Vitamin A Supplementierung (ohne Anpassung an das aktuelle Gewicht). Allerdings scheint die orale Gabe auch von sehr hohen Dosen an Vitamin A nicht immer zu adäquaten Vitamin APlasmaspiegeln zu führen (9, 16). In der ersten beiden Lebenstagen erfolgt in der Regel der Beginn des enteralen Nahrungsaufbaus über eine liegende gastroenterale Sonde (häufig initial in Form von sog. „minimal eneteral feeds“), so dass zu diesem Zeitpunkt die enterale Supplementierung von Vitamin A initiiert werden kann. Zusätzlich kann in den ersten Lebenstagen eine Supplementierung von Vitaminlösungen über einen intravenösen Zugang erfolgen. Die Gabe von Vitamin A oral sowie initial zusätzliche Supplementierung intravenös kann daher ohne 2 Probleme erfolgen, und erspart den kleinen Patienten die wiederholte schmerzhafte Gabe von Vitamin A i.m. Daher besteht aus unserer Sicht die dringende Notwendigkeit, diese Fragestellung in einer prospektiven Studie zu untersuchen. Ziel unserer Untersuchung ist es, die Wirksamkeit einer hoch dosierten, oralen Gabe von Vitamin A in der ersten 28. Lebenstagen im Vergleich zu einer Standardtherapie zu evaluieren. Aufgrund der im Folgenden aufgeführten Gründe kann angenommen werden, dass die Gabe von hochdosiertem Vitamin A oral währen der ersten 28 Lebenstage ausreichend sicher ist: a) Bei Frühgeborenen liegt regelmäßig ein Mangel an endogenem Speicher-Vitamin A vor (14). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass hohe Dosen an Vitamin A in der ersten Lebenswoche die körpereigenen Speicher „auffüllen“, um somit ein ausreichendes Angebot an Vitamin A für die ersten Lebenswochen zu gewährleisten. b) In den bisher publizierten Studien, in denen sowohl eine hoch dosierte enterale als auch alternativ eine parenterale Gabe von Vitamin A (i.m.) erfolgte, ergab sich kein Anhalt für eine durch die Gabe von Vitamin A hervorgerufene Toxizität bzw. für das Auftreten von Vitamin A-induzierten Nebenwirkungen (16, 17). In der Studie von Wardle et al. (16) wurden vergleichbare Dosierungen gewählt, ohne dass es hierbei zu einer signifikanten Häufung von unerwünschten Nebenwirkungen in der Hochdosisgruppe gekommen war (Pseudotumor cerebri, Erbrechen, nekrotisierende Enterokolitis). c) Die Studienergebnisse (insbesondere von Wardle et al.; (16) zur hoch dosierten Gabe von Vitamin A sind allerdings mit Vorsicht zu interpretieren, da in dieser Studie erhebliche methodische Probleme vorzuliegen scheinen (Applikationsform, Fallzahlanalyse, exzessive Mortalität in beiden Gruppen (Standard- und Interventionsgruppe), etc.), so dass eine abschließende Beurteilung bezüglich der Effektivität der hoch dosierten Gabe von Vitamin A nicht möglich ist. 3 Ein- und Ausschlusskriterien: Einschlusskriterien: Neonaten mit einem Geburtsgewicht von < 1000 Gramm und > 400 Gramm, welche beatmet werden müssen, oder bei welchen die Gabe von Sauerstoff/Atemunterstützung innerhalb der ersten 24 Lebensstunden nach Aufnahme auf die neonatologische Intensivstation erforderlich ist. Das elterliche Einverständnis zur Aufnahme in der Studie muss vorliegend. Ausschlusskriterien: Das Vorliegen kongenitaler Fehlbildungen; kongenitale, nicht-bakterielle Infektionen zum Zeitpunkt der Geburt; schwere peripartale Asphyxie (Nabelarterien-pH-Wert < 6.8 > 2 Stunden oder persistierende Bradykardie (Herzfrequenz < 100 Schläge/Minute) assoziiert mit Hypoxie > 2 Stunden. Diese Ausschlusskriterien wurden gewählt, um die Wahrscheinlichkeit eines frühen Todes, der nicht ursächlich mit der Gabe von Vitamin A in Zusammenhang steht, zu vermeiden. Primärer Endpunkt: Der primäre Endpunkt ist die Erfassung derjenigen Frühgeborenen, welche vor der 36. Lebenswoche versterben, bzw. im post-menstruellen von 36. SSW eine BPD (moderate oder Schwere Form) entwickeln. Die BPD wird nach den Kriterien von Jobe und Bancalari definiert (3), d.h. Notwendigkeit der Gabe von Sauerstoff im Alter von 36 Schwangerschaftswochen (p.m.). Der primäre Endpunkt wird daher im Alter von 36 Wochen (p.m.) erhoben. Sekundäre Endpunkte: Sekundäre Endpunkte der Studie sind die Rate an leichter BPD, an intrakraniellen Blutungen (IVH), die Rate an Frühgeborener Retinopathie (ROP) sowie nekrotisierender Enterokolitis (NEC). Zudem ist geplant eine Verlaufsbeurteilungen im Alter von 12 und 24 Monaten zur Beurteilung der Lungenfunktion und der neurologischen Entwicklung im Alter von 2 Jahren mittels der Bayley-Skala. Zudem erfolgt eine Beurteilung der Sicherheit und Verträglichkeit der Gabe von Vitamin A bei ELBW Neonaten. Zeichen der Vitamin A-Intoxikation sind: Gespannte Fontanelle, Lethargie, Erbrechen, Blässe, trockene Haut oder ungewöhnliche Pigmentierung. Die eingeschlossenen Neonaten werden täglich zweimalig durch einen erfahrenen Neonatologen untersucht und klinisch beurteilt, insbesondere auch auf Zeichen einer möglichen Vitamin AIntoxikation. Bei klinischen Auffälligkeiten ist es Aufgabe des betreuenden Neonatologen zu 4 entscheiden, ob diese Auffälligkeiten/klinischen Besonderheiten auf die Gabe von Vitamin A zurückzuführen sind oder ob diese ursächlich mit anderen Faktoren in Zusammenhang stehen. Insbesondere wird bei der täglichen klinischen Untersuchung auch auf Zeichen einer nekrotisierenden Enterokolitis geachtet und ggf. weitergehende Untersuchungen entsprechend einem etablierten Algorithmus durchgeführt. Eine Übersicht der Studie ist in den Abbildungen 1-3 dargestellt. Insgesamt werden 914 Patienten in beide Therapiearme randomisiert. Im Februar 2015 hat nun bereits die Rekrutierung der ersten Studienpatienten begonnen. Z. Z. liegen die Zusagen zur Teilnahme von 25 großen neonatologischen Zentren in Deutschland (sowohl universitäre als auch nicht-universitäre Kliniken) vor. Um eine adäquate Rekrutierung von ELBW-Neonaten und somit den Erfolg der NeoVitaA-Studie sicherzustellen, würden wir uns auch über eine Teilnahme Ihres Zentrums an der NeoVitaAsehr freuen. Eine Kontaktaufnahme ist jederzeit über unsere Studienzentarale in Homburg oder das IZKS in Mainz möglich: 5 Kontaktdaten: Professor Dr. Sascha Meyer, LKP NeoVitaA-Studie Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Gebäude 9, 66421 Homburg Telefon : 06841-1628313 Fax: 06841-1628452 Email: [email protected] Johannes Bay, Wissenschaftlicher Studienassistent, NeoVitaA-Studie Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Gebäude 9, 66421 Homburg Telefon : 06841-1628387 Fax: 06841-1628452 Email: [email protected] Professor Dr. med. Ludwig Gortner Direktor der Klinik für Allegemiene Pädiatrie und Neonatologie, Gebäude 9, 66421 Homburg Telefon : 06841-1628301 Fax: 06841-1628452 Email: [email protected] IZKS Mainz: Frau Dr Anne Ehrlich Studienkoordination UNIVERSITÄTSMEDIZIN der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Interdisziplinäres Zentrum Klinische Studien (IZKS) Langenbeckstraße 2 55131 Mainz · www.izks-mainz.de Telefon +49 (0) 6131 17-9909 Telefax +49 (0) 6131 17-9914 E-mail [email protected] 6 Appendix: Abbildung 1: 7 Abbildung 2: 8 Abbildung 3: 9 Literatur: 1. Smith VC, Zupancic JA, McCormick MC, et al. Trends in severe bronchopulmonary dysplasia rates between 1994 and 2002. J Pediatr 2005;146(4):469-73. 2. Thomas W, Speer CP. Management of infants with bronchopulmonary dysplasia in Germany. Early Hum Dev 2005;81(2):155-63. 3. Jobe AH, Bancalari E. Bronchopulmonary dysplasia. Am J Respir Crit Care Med 2001;163(7):1723-9. 4. Schmidt B, Asztalos EV, Roberts RS, Robertson CM, Sauve RS, Whitfield MF. Impact of bronchopulmonary dysplasia, brain injury, and severe retinopathy on the outcome of extremely low-birth-weight infants at 18 months: results from the trial of indomethacin prophylaxis in preterms. Jama 2003;289(9):1124-9. 5. Ludwig Gortner, Björn Misselwitz, David Milligan, Jennifer Zeitlin, Louis Kollée, Klaus Boerch, Rocco Agostino, Patrick Van Reempts, Jean-Louis Chabernaud, Gérard Bréart, Emile Papiernik, Pierre-Henri Jarreau, Manuel Carrapato, Janusz Gadzinowski, Elizabeth Draper, for the members of the MOSAIC Research Group. Rates of bronchopulmonary dysplasia in very preterm neonates in Europe: Results from the MOSAIC cohort. Neonatology 2011; 99:112-117 6. Zeitlin J, El Ayoubi M, Jarreau PH, Draper ES, Blondel B, Künzel W, Cuttini M, Kaminski M, Gortner L, van Reemopts P, Kollée L, Papiernik E. Impact of fetal growth restriction on mortality and morbidity in a very preterm birth colort. The Journal of Pediatrics 2010; 157:733-739 7. Brandt RB, Mueller DG, Schroeder JR, et al. Serum vitamin A in premature and term neonates. J Pediatr 1978;92(1):101-4. 8. Shenai JP, Chytil F, Jhaveri A, Stahlman MT. Plasma vitamin A and retinol-binding protein in premature and term neonates. J Pediatr 1981;99(2):302-5. 9. Kennedy KA. Epidemiology of acute and chronic lung injury. Semin Perinatol 1993;17(4):247-52. 10. Darlow BA, Graham PJ. Vitamin A supplementation for preventing morbidity and mortality in very low birthweight infants. Cochrane Database Syst Rev 2002(4):CD000501. 11. Shenai JP, Kennedy KA, Chytil F, Stahlman MT. Clinical trial of vitamin A supplementation in infants susceptible to bronchopulmonary dysplasia. J Pediatr 1987;111(2):269-77. 12. Tyson JE, Wright LL, Oh W, et al. Vitamin A Supplementation for Extremely-Low-Birth-Weight Infants. N Engl J Med 1999;340(25):1962-1968. 13. Ambalavanan N, Kennedy K, Tyson J, Carlo WA. Survey of vitamin A supplementation for extremely-lowbirth-weight infants: is clinical practice consistent with the evidence? J Pediatr 2004;145(3):304-7. 14. Mactier H, Weaver LT. Vitamin A and preterm infants: what we know, what we don't know, and what we need to know. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2005;90(2):F103-8. 15. Mactier H, Mokaya MM, Farrell L, Edwards CA. Vitamin A provison for preterm infants: are we meeting current guidelines? Archives Diseases Childhood Fetal and Neonatal Edition 2001; on-line first 16. Wardle SP, Hughes A, Chen S, Shaw NJ. Randomised controlled trial of oral vitamin A supplementation in preterm infants to prevent chronic lung disease. Arch. Dis. Child. Fetal Neonatal Ed. 2001;84(1):F9-13. 17. Ambalavanan N, Wu TJ, Tyson JE, Kennedy KA, Roane C, Carlo WA. A comparison of three vitamin A dosing regimens in extremely-low-birth-weight infants. J Pediatr 2003;142(6):656-61. 10