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4 Netzwerk Sprache 3 – Kapitel 2
Korrekturtext 2
T38 Kommentar: Grenzenlos positiv sein
20. Juli 2010, 18:35
Warum das HI-Virus ein Indikator für die Menschlichkeit einer Gesellschaft ist
Dass alles immer mit allem zusammenhängt, ist grundsätzlich eine unangenehme Nachricht
für die Politik. Was hat ein sexuell übertrgbares Virus, das sich ursprünglich in bestimmten
Randgruppen der Gesellschaft verbreitete, eigentlich mit dem Gros der Bevölkerung zu tun?
Warum sollen wir uns hier für Menschen in Afrika engagieren und immer mehr Geld für ihre
HIV-Behandlung bezahlen, wenn uns gerade die Finanzkrise und ihre spürbaren Folgen zu
schaffen machen? Und warum, bitte schön, ist bei alldem immer von Menschenrechten die
Rede?
Zwei einfache Antworten: Verantwortungsgefühl und Hausverstand. Zum einen geht es
darum, Menschen zu helfen, denen es weniger gut geht, den Ausgegrenzten, den Armen,
jenen, die weder Mittel noch Energie haben, sich für eine Verbesserung ihres Zustandes
einzusetzen, und auch keine Lobby, die für ihre Rechte kämpft.
Zum anderen: Warum sollte sich ausgerechnet das Virus an Grenzen halten, wenn sich
sonst überall Grenzen auflösen? Es ist fatal, dass sich das HI-Virus besonders gerne die
Randgruppen der Gesellschaft aussucht. In geschwächten Organismen vermehrt es sich am
besten, gedeiht dort, wo es totgeschwiegen wird, weil es mit Tod, Homosexualität oder
Drogen assoziiert wird - in den Ländern des ehemaligen Ostblocks zum Beispiel. Schwul zu
sein darf dort niemand zugeben.
Um Menschenrechte geht es deshalb, weil die reichen Staaten dieser Erde wissen, wie man
das Virus in Griff bekommen kann. Es gibt Medizin, es gibt gut erprobte soziale Maßnahmen,
das Virus einzudämmen, es gibt Gay-Parades, um Stigmatisierung entgegenzuwirken. All
das könnte in jedem Land der Welt etabliert werden und würde die Zahlen der HIV-Infizierten
massiv senken. Staaten dabei zu helfen bedeutet kollektives Verantwortungsbewusstsein.
Wer die Welt-Aids-Konferenz in Wien besucht, kann spüren, wie groß, wie völkerverbindend
und wie euphorisierend der Kampf gegen ein Virus sein kann und auf welch
unterschiedlichen Ebenen er zu führen ist. Ein Staat, der HIV in den Griff bekommen will,
muss an vielen Stellen ansetzen. Gesundheit ist ministerienübergreifend und muss, um
effizient zu sein, zur Chefsache gemacht werden. Der Effekt auch für Politiker wäre: Es ist
schlicht und ergreifend ein gutes Gefühl, Gutes zu tun, Know-how weiterzugeben und zu
© Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2013. | www.oebv.at | Netzwerk Sprache 3 | ISBN: 978-3-209-06686-2
Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet.
Die Kopiergebühren sind abgegolten. Für Veränderungen durch Dritte übernimmt der Verlag keine Verantwortung.
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Korrekturtext 2
sehen, dass eine liberale Einstellung und das Engagement einer Gesellschaft für Schwache
nicht nur moralisch Pluspunkte bringt, sondern auch Menschenleben rettet.
Es ist schade, dass Österreichs Politiker sich diese Chance auf ein gutes Gefühl im globalen
Kontext der Staatengemeinschaft immer wieder selbst vergeben: kein Geld für den Globalen
Fonds, wenig Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit, fehlendes Engagement über
die Landesgrenzen hinaus. Und es ist peinlich, am Rande der Welt-Aids-Konferenz zu
verkünden, dass sich daran in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich auch nichts ändern
wird.
In einer Zeit, in der es politisch in erster Linie um Wählerstimmen geht, bleibt das
Engagement gegen HIV/Aids auf der Strecke. Menschenrechtsaktivisten sind als Mahner
deshalb wichtiger denn je. Es wäre schön, wenn ihre Beharrlichkeit es erreichte, aus den
aktuellen Lippenbekenntnissen von Politikern Realitäten zu schaffen, die HIV-Positive
unterstützen – egal wie und wo.
(Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 21.7.2010,
http://derstandard.at/1277338558324/Kommentar-Grenzenlos-positiv-sein, [2010-08-05])
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