hier die Predigt von Pfarrerin Karin Pöhler

Werbung
14. Juni 2015
Komm, bau ein Haus das uns beschützt
Ökumenischer Gottesdienst zur Einweihung des Bürgerhauses
in Kernen
Liebe Festgemeinde!
[…] Dass eine Gemeinde [ein Bürgerhaus,] einen solchen Ort
der Begegnung braucht, dass es sinnvoll und gut ist, steht
außer Frage und dazu, dass dies gelingt kann Kirche einen
wertvollen Betrag leisten.
Die Kollegen mögen es mir verzeihen, dass ich an dieser Stelle
auf den 35. Evang. Kirchentag verweise, der exakt vor einer
Woche mit einem großen Abendmahlsgottesdienst auf dem
Cannstatter Wasen zu Ende ging.
Tim Schleider, Leiter des Kulturressorts der StZ
schrieb dazu am vergangenen Montag (.06.15) in der
StZ
„Der Kirchentag führt vor, dass es möglich ist, mit
sehr unterschiedlichen Meinungen und Positionen,
religiösen Werten und Gefühlen, Wünschen und
Ängsten doch unter einem großen Dach beisammen
zu sein – wenn denn Respekt und Zuhören, echtes
Interesse füreinander und Wertschätzung den
Umgang miteinander prägen. Offen gestanden, es
fallen uns leider nicht viele Orte und Termine im
Kalender unseres Gemeinwesens ein, wo und bei
denen diese Utopie moderner, demokratischer, vielkultureller Gesellschaft so gut zu spüren wäre. Und
dann auch noch auf so ungezwungene Art die
Ernsthaftigkeit eines Gesprächs übergehen kann ins
gemeinsame Feiern.“
Das wäre schön, wenn unser Bürgerhaus auch ein
solcher Ort sein könnte!
Ich denke, ich kann das auch im Namen der Kollegen
sagen: Wir Kirchen leisten sehr gerne unseren Beitrag
dazu!
Gerne nutze ich die Gelegenheit, dies an einem Punkt
auch inhaltlich zu verdeutlichen; an einem Thema,
das hier in Kernen die Gemüter bewegt und auch auf
dem Kirchentag eines der großen Themen war:
Das Thema „Flüchtlinge“
Wir haben es im Evangelium (Lk 1416-23) gehört: Alle
sind eingeladen, auch die an den Landstraßen und
Zäunen, auf den Straßen und Gassen; die Armen,
Verkrüppelten, Blinden und Lahmen. Das sind die,
deren Anblick nicht gerade unsere Feierlaune
steigert. Deren Gegenwart nicht unbedingt unsere
Stimmung hebt. Die nicht in das festliche Bild zu
passen scheinen. Sie gehören auch dazu, so die
biblische Botschaft.
Tritt jetzt die Kirche als Spielverderberin und
Moralapostel auf?
NEIN, das ist nicht meine Intention! Aber ich sehe
eine unserer vielfältigen Aufgaben als Kirchen in der
Gesellschaft darin, die Stimme derer zu sein, die sich
nicht selbst Gehör verschaffen können.
Dafür zu sorgen, dass auch die gesehen werden, die
nicht im Rampenlicht, sondern auf der Schattenseite
des Leben stehen.
Darauf zu achten, dass die beachtet werden, die man
gerne übersieht.
Die Frage ist doch:
Warum tun wir uns schwer mit bestimmten
Personengruppen?
Es ist ganz oft die Angst vor dem Fremden, die Angst
vor dem eigenen sozialen Abstieg, die viele Menschen
in unseren Tagen umtreibt.
Es ist ganz normal, dass etwas Fremdes uns
verunsichert, aber Angst braucht es uns nicht zu
machen. Klar, bei manchem überwiegt auch die
Neugierde, aber häufig ist zumindest ein mulmiges
Gefühl mit etwas Neuem, Fremdem verbunden. Das
kennen wir vom ersten Schultag in einer neuen
Schule oder dem ersten Arbeitstag in einem neuen
Betrieb, der ersten Schwangerschaft oder der
Ankunft an einem fremden Urlaubsort.
Ja, es ist anstrengend, etwas Neues auszuprobieren,
zu lernen, kennen zu lernen. Egal, ob es das
Klavierspielen, Inliner-fahren, eine neue Sprache oder
sonst etwas ist.
Aber Angst brauchen wir keine zu haben. Die Bibel ist
voll von dieser Zusage: „Fürchtet Euch nicht!“ „Habt
keine Angst!“ „… ich weiß wohl, was ich für Gedanken
über Euch habe. Gedanken des Friedens, dass ich
Euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ So haben wir es
vorhin in der alttestamentlichen Lesung gehört.
Den Fremdling zu achten, ist ein sehr hohes Gebot in
der Bibel. Weil Israel selbst in der Fremde gelebt hat
und weiß, wie das ist und dies auch immer in
Erinnerung behalten soll.
Viele von uns waren auch Fremde hier in Kernen, sind
vor wenigen oder vielen Jahren hierhergezogen. Die
allermeisten freiwillig, glücklich darüber, hier eine
Wohnung oder ein Haus gefunden zu haben.
Viele Ältere sind aber auch nach dem Krieg auf der
Flucht in Kernen gelandet und waren froh, hier eine
Bleibe zu finden. Das sollten wir nicht vergessen.
Eine ganz kurze Geschichte, wie ein Fremder sogar
zum Segen werden konnte steht im 1. Buch der
Könige in Kapitel 17:
Der Prophet Elia wird sozusagen politisch verfolgt:
König Ahab trachtet ihm nach dem Leben, weil er ihn
kritisiert hatte. Auf der Flucht find er Unterschlupf bei
einer Witwe und ihrem Sohn, die selbst nicht genug
zum Überleben haben. Dennoch nehmen sie den
Flüchtling Elia bei sich auf – und es wird ihnen zum
Segen. Nicht nur, dass das Wunder geschieht und das
wenige Mehl und Öl, das noch da ist nicht ausgeht
und die drei während der ganzen Zeit nährt. Noch
mehr: Als der Sohn der Witwe eines Tages sehr
schwer krank wird, rettet der Flüchtling, der Prophet
Elia, der Zuflucht bei ihnen gefunden hat, dem
einzigen Sohn der Witwe das Leben.
So wird der fremde Zufluchtssuchende zum Segen für
die, die bereit waren ihn aufzunehmen!
Alles, was wir brauchen ist ein bisschen Mut und das
Gottvertrauen, dass das, was wir teilen, für alle
reicht. Und die Offenheit, zu erwarten, dass Fremde
unser Leben bereichern.
Und so schließe ich mit dem Wunsch, dass dieses
Bürgerhaus ein Menschenhaus sein möge. Für alle
Menschen, die in Kernen leben - ohne Ausnahme. Ein
Ort der bunten Vielfalt, der Begegnungen und des
konstruktiven Streits, der gegenseitigen Bereicherung
und des gemeinsamen Feierns.
Und wenn es dadurch uns Kirchen Konkurrenz macht,
dann freuen wir uns darüber. Denn von solcher Art
Konkurrenz profitieren alle.
Dass dies gelinge, dem steht nichts im Wege: Wir
haben es beim Kirchentag vorgemacht und den Segen
bekommt das Haus und alle die ein und ausgehen
auch noch… also, macht was draus!
Amen
Herunterladen