Okuli, Predigt zu 1. Kön. 19, -13a - Pastor Marcus Antonioli Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Liebe Gemeinde, wir durften in dieser Woche als Eltern einen wunderbaren Abend in der Schule unserer Tochter erleben. Die jungen Leute hatten ein tolles Programm auf die Beine gestellt. - In den verschiedenen künstlerischen Darbietungen jedoch, kam immer wieder der Stress zur Sprache, sich ständig für dieses oder jenes entscheiden zu müssen. Manchmal sind die Erwartungen der Eltern aber auch der eigenen Freunde so groß, dass es nur noch wenig Freiheit übrig bleibt! Da ging es am Ende der Schulzeit darum, welche Ausbildung man denn nun machen soll oder ob man vorher noch ins Ausland geht. Für alle, die wie ich schon etwas älter sind, klingt das wie eine unwahrscheinliches Problem. Aber mir ist es an diesem Abend deutlich geworden, ein Leben mit zu vielen Optionen kann tatsächlich eine Überforderung sein! - Nur so kann ich mir erklären, dass mir unsere Konfirmanden in dieser Woche sehr glaubhaft erklärten, dass für sie das Internet die größte Freiheit überhaupt bedeutet. Da kann man herum klicken, scheinbar ohne dass es irgendwelche Folgen hat! Auswählen ohne mich wirklich entscheiden zu müssen das ist voll im Trend! Eine zweite Beobachtung unserer Zeit hat der münsteraner praktische Theologe Christian Grethlein gemacht: er meint, dass heute nicht mehr um Wahrheit, sondern um Aufmerksamkeit geht. Was nicht relevant ist, ist auch nicht mehr der Rede wert. Darum kann der Fortgang einer TV-Serie interessanter sein, als die Frage nach dem eigenen Glauben. Und im Zweifelsfall fällt schon die Auseindersetzung mit den eigenen Glaubensfragen flach, weil einfach immer anderes unser Aufmerksamkeit beansprucht! - Schön, dass Sie sich heute Zeit für diesen Gottesdienst genommen haben! Liebe Gemeinde, wenn das beides auch nur ein wenig zutrifft, dann ist der Predigttext von heute eine echte Zumutung! Denn hier tritt uns eine Welt entgegen, in der es um Leben und Tod, Licht und Dunkel, wahr oder falsch geht. Mit dem Propheten Elia begegnet uns ein Eiferer vor dem Herrn, der um jeden Preis den Bund zwischen Israel und seinem Gott erneuern will! Wieso war das nötig geworden? Nun, das Volk Israel hatte die großen Befreiungstaten Gottes im Sklavenhaus Ägyptens längst vergessen, so wie viele Menschen hier auch. Und es war auch schon lange her, dass Israel sich im gelobten Land niederlassen konnte, wo Milch und Honig fließt, man gewöhnt sich halt schnell an das gute Leben. - Und irgendwie schien der Wüstengott der Väter nicht mehr in dieses Land des Überflusses zu passen. Bei ihm war weniger mehr! - Wie anders der Fruchtbarkeitsgott Baal! Da konnte man sich im Tempel berauschen und es floss richtiges Blut, jeder Tempelbesuch ein Erlebnis! Auch für den König Ahab, der standesgemäß mit einer phönizischen Prinzessin verheiratet war, hatte dieser Baal seine Vorteile, er konnte sich alles nehmen, denn die lästigen Gebot des Mose galten für ihn nicht mehr! Liebe Gemeinde, dieses Lebensgefühl, ich nehme mir, was mir Spaß macht, kommt unserem Zeitgeist recht nahe. Damals ging das mit Despotismus und sozialer Kälte einher! Deshalb wollten die Frommen Israels zurück zu den Wurzeln, zum Wüstengott Jahwe, bei dem alle gleich waren! Darum machte sich Elia, der selbstberufene Prophet, auf, den Bund mit Jahwe zu erneuern. Und weil es hier nicht nur um private Glaubensfragen, sondern um die Art und Weise des Zusammenlebens ging, wurde daraus eine Machtfrage. Am Ende schafft Elia es sogar, die Wirkmächtigkeit seines Gottes zu beweisen, doch der Preis war hoch, wir würden von heute sagen: zu hoch! Und es zeigt sich, dass Gewalttaten die Menschen Gott nicht näher bringen, ganz im Gegenteil. Am Ende musste Elia vor den Häschern der Königin in die Wüste fliehen und er war seines Lebens nicht mehr sicher! Er verstand die Welt nicht mehr! So kam Elia in einer lebensfeindliche Wüste. Er der Aktivist Gottes war ausgebrannt! - Doch nun erfährt er die Zuwendung Gottes! Und schließlich begegnet Gott Elia wie einst dem Mose. - Hier nun begreift Elia, dass dieser Gott kein Donnergott ist, vielmehr begegnet er im sanften Säuseln! - Und hier lernt der Prophet, dass dieser Gott nicht herbeizuzwingen und zu beweisen ist. Vielleicht ist das die schwerste Lektion, die die Frommen zu allen Zeiten lernen müssen. Immerhin er entdeckt, dass Gott ein fürsorglicher Gott ist, der Augen hat für das, was Menschen zum Leben benötigen! Das ist sehr tröstlich! Doch liebe Gemeinde, ich kann die Wut des Elia am Anfang verstehen, denn es gibt Momente, wo alles unaushaltbar verkehrt ist! Man bekommt gar keine Luft, wenn man es nicht endlich ausspricht. Es gibt Situationen da müssen wir einfach Farbe bekennen, so wie Luther 1521 in Worms: Hier stehe ich und kann nicht anders! Aber Elia hat in seinem Eifer völlig übersehen, dass Gott selbst handelt und dass er allen Menschen wohlwollend begegnet! - Nicht umsonst erinnert uns dieser Sonntag "Okuli" an den liebevollen Blick Gottes auf uns! - Und endlich darf auch der getriebene und ausgebrannte Prophet diese andere Seite Gottes, an sich erfahren! Und vielleicht ist diese Erfahrung notwendig, damit wir selbst mit anderen Augen auf unsere Mitmenschen blicken! - Wenn wir als Christen Gott in dieser Welt zur Sprache bringen wollen, dann müssen wir zuerst lernen, mit seinen Augen zu gucken! Denn Gott zeigt sich nicht demonstrativ oder gewalttätig im Sturm oder im Beben, vielmehr will er durch unsere Augen entdeckt werden - im Angesicht jedes Menschen und in der Liebe mit der Menschen einander begegnen! Liebe Schwestern und Brüder, wo Menschen bei uns spüren, dass sie einmalig und wertvoll sind, werden sie vielleicht auch Augen für das haben, was uns so wichtig ist! (Aber wir sollten uns hüten allzu schnell, die Wahl zwischen schwarz und weiß, wahr und falsch zu stellen!) Und doch, mit diesem Gott zu leben, ist anspruchsvoll. Denn er will uns ganz und gar für sich gewinnen! Es ist wohltuend, wie ernst Gott uns nimmt, denn wir entscheiden selbst, ob er in unserem Leben stattfindet! - Allerdings eine billige Bedürfnisbefriedigung wie bei den Baalen dieser Welt darf bei ihm jedoch nicht erwarten! Es wird auch nicht alles zusammengehen mit diesem Gott, denn er keine beliebige Option! Genau das ist vielleicht eine echte Chance in einer Welt, die sich nicht festlegen mag, weil gleich noch der bessere Deal um die Ecke kommt. Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir uns auf diesen Gott ein - denn er befreit uns aus unguten Bindungen und schenkt uns Geborgenheit, die wir in dieser Welt so oft vermissen! - Wer sich auf diesen Gott Israels und Jesu einlässt, der wird eine neue Welt entdecken! Wer es mit diesem Gott wagt, vielleicht, zunächst probeweise zu leben, wird die Welt mit anderen Augen sehen lernen! Amen