Der Printmarkt in Deutschland

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Medien in Deutschland – Hintergrund
Der Printmarkt in Deutschland
Trotz ungewisser Perspektiven präsentiert sich der deutsche
Zeitungsmarkt im internationalen Vergleich wirtschaftlich robust und
publizistisch vielfältig. Noch erreichen knapp 400 Tageszeitungen
fast drei Viertel aller Deutschen über 14 Jahren und sind auch der
wichtigste Werbeträger vor Fernsehen, Radio und Internet.
Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass der Printmarkt in der
digitalen Welt vor großen Herausforderungen steht.
Historisch hat die Lizenz-Vergabe der Alliierten nach 1945 bis heute
Nachwirkungen. So haben sich die überregionalen Qualitätsblätter
Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Welt und
Frankfurter Rundschau eine besonders aufmerksame Wahrnehmung bewahrt
– ungeachtet des ökonomischen Erfolges. Charakteristisch ist für den
Printsektor zudem die stattliche Auflagenhöhe der Zeitungen mit
Lokalausgaben in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet, Köln, Hamburg und
Stuttgart, auf denen FAZ und Welt auch mit bundesweiten
Sonntagsausgaben präsent sind. Gewicht hat zudem die Boulevardpresse. So
findet die Bild-Zeitung täglich immer noch über drei Millionen Käufer.
Auch deutsche Zeitungsverleger haben indes im Internet-Zeitalter mit
rückläufigen Auflagen, Reichweiten und Werbeerlösen zu kämpfen. Zwar
konnten Gratis-Zeitungen, die Verlegern in Skandinavien und der Schweiz
zusetzten, hier keinen Erfolg verbuchen. Wie der öffentlich-rechtliche
Rundfunk haben aber Zeitungen Probleme, ein jüngeres Publikum für ihre
Inhalte zu interessieren, das seinen Medienkonsum zu einem großen Teil im
Internet deckt. Hier sind es große Suchmaschinen wie Google oder Yahoo,
die Informationen aus Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft kostenlos
anbieten, was andere teuer recherchiert haben.
Vor diesem Hintergrund haben (über)regionale Qualitätsblätter ihre OnlineAktivitäten erheblich ausgebaut. Ziel ist es, Profil zu behaupten und Verluste
der Druck-Ausgaben auszugleichen. Allen voran das politische Magazin Der
Spiegel wie Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung oder
Kölner Stadtanzeiger setzen auf aktuelle Ergänzungen im Online-Bereich, um
ihre gedruckten Dachmarken zu stärken. Problematisch ist, dass ein
verlässliches System für die Abrufzahlen im Internet noch fehlt, das der
Werbung treibenden Industrie harte Daten wie bei den Verkaufszahlen der
Druckausgaben liefert. Um auf dem Markt konkurrieren zu können, sind die
Online-Ausgaben kostenfrei und entsprechen teilweise den Volltext-Inhalten
der Zeitungen.
Zugleich blieben die überregionalen Qualitätszeitungen von der Krise im
Printsektor (bislang) verschont. Während anspruchsvolle Regionalblätter pro
Jahr zwei Prozent Auflage verlieren, weil die Leserschaft (2008: 20,4
Millionen) sinkt, konnten überregionale Marktführer Zugewinne Verbuchen.
Die Süddeutsche Zeitung verkaufte im Schnitt fast 450 000 Exemplare
täglich, die FAZ rund 366.000 Exemplare (II. Quartal 2008). Andererseits
setzte sich die Talfahrt der Boulevard-Blätter fort. Die Bild-Zeitung aus dem
Verlagshaus Springer, die einst über fünf Millionen Exemplare verkaufte,
steht nunmehr bei 3,4 Millionen. Mit Blick auf die Boulevardisierung von
Nachrichten bis in öffentlich-rechtliche TV-Sender kann die Entwicklung kaum
überraschen. Das wiederum führte dazu, dass Verlagsgruppen wie Springer
oder WAZ auf andere Geschäftsfelder auswichen und Gewinne mit
Zeitungsprojekten in Ost-Europa realisieren.
Strukturell hat die Konzentration in Krisenzeiten eher zugenommen. Es
dominieren Konzerne wie Springer (Welt, Bild, BZ), Gruner + Jahr (Stern,
Brigitte, Financial Times Deutschland), Holtzbrinck (Zeit, Handelsblatt),
Bauer und Burda, die auch als Buchverleger wie bei privaten TV- und
Radioanbieter aktiv sind. Analog zum Fernsehen, wo mit Rupert Murdoch
beim Bezahlsender Premiere oder der Investment Gruppe Permira (bei
ProSieben.Sat.1) global operierende Gruppen auf den Plan traten,
engagierten sich auch Finanzgruppen wie Mecom mit hohen
Erlöserwartungen bei deutschen Regionalblättern (Berliner Zeitung,
Hamburger Morgenpost). Absehbar ist, dass überrissene Renditeforderungen
nur schwer mit aufwändigen Recherchen und hohen Qualitätsansprüchen in
Einklang zu bringen sind.
Signifikant bleibt zudem die unterschiedliche Rezeption der Printprodukte.
Meinung prägende Qualitätszeitungen und Magazine aus der ‚alten’
Bundesrepublik stoßen auch fast 20 Jahre nach dem Mauerfall in den
östlichen Bundesländern auf geringe Resonanz. Umgekehrt wird Super Illu
als Meinungsführer im Osten im Westen der Republik kaum wahrgenommen.
Die Konzentration auf wenige Verlagsgruppen hat zudem den journalistischen
Ehrgeiz zwischen Halle und Dresden eher gebremst. Schließlich achten
Verleger aus der ‚alten’ Bundesrepublik auch darauf, dass die Kasse stimmt.
Springer hat die Redaktionen von Welt und Morgenpost aus Kostengründen
zusammengelegt, die SZ ihre Regionalausgabe für das Ruhrgebiet eingestellt
wie die FAZ ihre Ambitionen im Radio oder die Zeit ihr Ressort Medien. Wie
es um die Zukunft des Qualitätsjournalismus angesichts knapper Kassen und
hoher Gewinnerwartungen bestellt ist, muss sich zeigen.
Rainer Braun
freier Journalist, Berlin
Foto „Zeitungsleserin“ © Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO
Foto
„Zeitungsständer“ © wrw / PIXELIO
Foto „Zeitungskästen“ © Gerhard
Redmann / PIXELIO
Foto „Zeitungsauswahl“ © Rolf van Melis / PIXELIO
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Haben Sie noch Fragen zu diesem Artikel? Schreiben Sie uns! [email protected] November 2008
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