Hin und weg „Uns fehlen Rückzugsorte „ stellt Psychologe Uwe Linke in seinem neuen Buch über Lieblingsorte und Wohlfühlräume fest.“ Unser Lebensraum wird immer öffentlicher, da fehlen die „Kleinen Fluchten“. Ein Spaziergang durch München zeigt, dass es hier immer noch öffentliche Orte gibt, an denen man fern ist, von dieser Welt. Da verbringt man Abende auf einer Südterrasse und glaubt sich an die Loire versetzt, pritschelt mit den Füßen im glasklaren Wasser, mitten in der Stadt, aber dennoch mutterseelenallein oder steigt hinab in glühende Abgründe wie Jules Verne auf seiner Reise zum Mittelpunkt der Erde. Für Ruhesucher Dörnröschenschlaf Die Nazis bauten hier ihre Aufmarschallee. Entlang der Prinzregentenstraße zerstörten sie alles, was ihren Plänen im Wege stand. Die Kriegsjahre erledigten den Rest. Kaum zu glauben, aber seitdem schlummerte hier- immer einsehbar, trotzdem vergessen und vor allem verfallen- hinter den dicken Mauern des Bayerischen Nationalmuseums Münchens einstiger Renaissancegarten. Bis ihn der Münchner Landschaftsarchitekt Rainer Schmidt im Jahre 2009 zu neuem Leben erweckte. “Nicht historisierend sondern zeitgemäß‘“, lautete sein Konzept. Heute betritt man den Garten durch ein schmiedeeisernes Tor neben dem Haupteingang des Museums. Und blickt auf ein monumentales Volutenmuster aus graugelbem Granit, das sich wie eine kostbare Intarsie in die Rasenfläche schmiegt. Alte Rosensorten umwuchern eine höhergelegte Terrasse, gerahmt von niedrigen Buchsbaumhecken. Mächtige Kastanien und Pappeln wiegen sich erhaben im Wind. Ein „Hortus Conclusus“ an einer der meistbefahrenen Verkehrsachsen Münchens. BU: Betreten der Grünfläche erlaubt Für Mystiker „Eingang zur Unterwelt“ Das Münchner Westend beherbergt einen besonderen Schlag Menschen. Sehr entspannt, leicht hippiesk, aber selten hip oder trendy. Es gibt viele Familien, viele Künstler und Kunsthandwerker. So wie Robert Niedermeier, den Kunst-Gießer, der den im Jahre 1902 in der Schwanthalerhöh‘ gegründeten Traditionsbetrieb des Bronzeguss‘ fortführt. An der Nordseite des Gollierplatzes liegt diese moderne „Schmiede des Vulkan“. Mitten in der Stadt, hinter einem unscheinbaren Holzportal, taucht man ab ins Erdinnere: allein der Anblick der wie flüssige Lava rot glühenden 1300 Grad heißen Bronze treibt dem Zuschauer Schweißperlen auf die Stirn. Robert Niedermeier trägt Sicherheitsschuhe, eine schwere Lederschürze und einen Helm mit hitzebeständigem Visier. Mit einer Zange holt er den Tiegel mit der glühenden Bronze aus dem Schmelzofen, der im Boden versenkt ist. Und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Wer die Kunstgiesser in Aktion erleben möchte, kann einen Termin vereinbaren oder an den Open Westend Tagen einfach vorbeischauen. BU: Down under Für Retro-Fans Think big Es muss nicht immer Multiplex sein. Inmitten der ehemaligen „Ami-Siedlung“ am Perlacher Forst, in Münchens Stadtteil Obergiesing steht das Cincinnati Kino. 1954 wurde es von den Amerikanern als typisches Familiy-Theatre für Filme, Buchstabierwettbewerbe oder Schulaufführungen errichtet. Kaum 70 Jahre alt kann man es schon als „historisches Lichtspielhaus“ bezeichnen: Mit seinem großzügigen Foyer und vor allem dem 470 Plätze fassenden Saal, der von einen zentralen Mittelgang geteilt wird, ist es typisch für die glamouröse, amerikanische Kinoarchitektur“, beschreibt Betreiber Thomas Wilhelm sein Haus. „Bevor in der 80er Jahren das Matthäser errichtet wurde, waren wir das größte Kino in München.“ Seit diesem Jahr steht das Cincinnati endlich unter Denkmalschutz. Damit sind alle Umbau- und Abrisspläne gebannt. Und bleibt als Geheimtipp all jenen erhalten, die hier immer einen (Park-) Platz bekommen, wenn alle anderen Kinos ausverkauft sind. BU: Junges Denkmal Für Romantiker Buchtenbader „Sche wars, so sche, so sche wars überhaupts no nia“, resümiert der Häusler Karl alias Charlie in „ Der lange Weg nach Sacramento“ in Folge sieben der legendären Münchner Gschicht‘n .Schaut versonnen in den orangenen Münchner Abendhimmel unterhalb des Maximilianeums und sitzt.., ja wo sitzt er eigentlich? Am Ufer der Isar, in Münchens geheimster Badebucht. Genauer gesagt am nördlichsten Spitz der Praterinsel, an der Maximiliansbrücke, auch Schwindinsel genannt. Ihren Namen verdankt die unbebaute Insel, wo sich die Große und die Kleine Isar vereinigt, dem romantischen Maler Moritz von Schwind. Und auch jetzt, wenn es zum Baden allmählich zu frisch wird, spiegelt sich beim Sonntagsfrühstück immer noch das Sonnenlicht im Wasser, Klarinettenklänge wehen herüber und Charlie hat schon recht: So sche wars überhaupts no nia! BU: Inselglück.