1 2 Ökopsychoanalyse und Urverdrängung Neben der klassischen Psychoanalyse hat man immer schon verschiedene andere Bereiche mit ihrem Namen verknüpft. Bekannt ist z. B. die Ethnopsychoanalyse, in der Psychoanalytiker Feldforschungen und Gespräche in den unterschiedlichsten Ethnien betrieben und festgestellt haben, dass man psychoanalytische Grundprinzipien etwas abgewandelt verwenden und ausdrücken muss. So hat man erkannt, dass es auf Samoa und anderen Südseeinseln einen anders gearteten Ödipuskomplex (Rivalität zum gleichgeschlechtlichen, erotisches Begehren zum gegengeschlechtlichen Elternteil) gibt als bei uns. In diesen Ländern wirken z. B. frühkindlichere Phänomene in den Ödipuskomplex hinein, die sich noch vor dem dritten, vierten Lebensjahr etabliert haben und für das Leben dieses Individuums wesentlich sind. Es beherrschen dann Hexen- und Monstervorstellungen (meist auf eine Mutter-Frauen-Figur bezogen) das Kindes- und auch Erwachsenenleben dieser Menschen, in denen zwar auch erotische Elemente des Gegengeschlechtlichen eine Rolle spielen, die sich jedoch erheblich komplexer und vielschichtiger darstellen. In S. Freuds Psychoanalyse spielt der Mechanismus der Verdrängung eine große Rolle. Was ins Unbewusste verdrängt wird, kann aber bewusst und somit die Verdrängung rückgängig gemacht werden. Wie etwas verdrängt wird, kann man der Freudschen Konzeption folgend jedoch nur verstehen, wenn man eine tiefer zugrunde liegende Urverdrängung annimmt, die nicht aufgelöst werden kann. Freud nannte sie auch eine Gegenbesetzung. Ein Gegenstand oder ein Mensch kann mit Bedeutungen, Gefühlen etc. besetzt werden und diesem Vorgang konträr, gegenbesetzend, ist eben die Urverdrängung. Man kann diese Urverdrängung auch mit den Spiegelneuronen im Gehirn erklären, die auch nichts anderes tun, als eine spiegelnde Gegenbesetzung zu erzeugen und auch J. Lacans Spiegelstadium ist nichts anderes (hier spiegelt sich das Ich im anderen und kommt sozusagen nicht wirklich zu sich selbst). Nun kommt man also mit der klassischen Psychoanalyse an die Urverdrängung als solche nicht heran. Weder der Patient kann so „urfrei“ assoziieren, wie dies nötig wäre um an die verdrängtesten Inhalte heranzukommen, noch kann der Psychoanalytiker so rasch und präzise entsprechende Übertragungsdeutungen liefern (Der Psychoanalytiker muss Einfälle des Patienten nicht nur dem geäußerten Material entsprechend deuten, sondern dieses in Bezug zu seiner Position, zu seiner Bedeutung und Wertung, also was auf ihn „übertragen“ wird, interpretieren). Für die Behandlung der herkömmlichen Neurosen hat dieses Freudsche Konzept dennoch vollkommen genügt. Schwieriger wird es, wenn 3 Menschen körperliche Beschwerden haben, die mehr psychischen Ursprungs sind oder psychotisch sind. Dann müsste man auch ein bisschen an der Urverdrängung rütteln können. Und dies geht eben nur mit so etwas wie der Ökopsychoanalyse. Wie ich an anderen Stellen schon oft erklärt habe, muss man dazu das Freudsche Konzept etwas umformulieren, so wie es J. Lacan getan hat. Dann sind nicht nur ein Eros-Lebens-Trieb und ein Todestrieb die zwei hauptsächlichen Mit- und Gegenspieler im Gesamt-Organismischen, sondern ein der Wahrnehmung und ein der Entäußerung angelehnter Grundtrieb. Der Freudsche Oraltrieb z. B., die Mund- , Gaumen- und Verschlingungslust, lehnt sich an das Bedürfnis der Nahrungsaufnahme an. Andere Triebe wieder benötigten andere Wege ihrer Entstehung, während der Todestrieb stets ein Rätsel geblieben ist. Nach J. Lacan ist dagegen der Tast-Schautrieb ein Grundtrieb, der sich an das Bedürfnis der Wahrnehmung anlehnt und der Invokations- Sprechtrieb ein grundlegender Triebvorgang, der sich vom Bedürfnis der Entäußerung herleitet. Damit ist ein einfaches Konzept geschaffen, das viele Schwierigkeiten der Freudschen Theorie umgeht. Man muss sich nicht so grundsätzlich mit der an der männlichen Sexualität orientierten Triebdynamik beschäftigen, der dann ein Todestrieb gegenübersteht. Vielmehr kann man sich an zwei Grundtriebe halten, die zwar auch einem basalen und primären Eros genügen, das Tödliche liegt aber in ihrer Kombinatorik. Wenn diese falsch, zu komplex und unglücklich aufgebaut ist, tritt das ein, was man den Tod nennen kann. Gelingt eine ideale Kombination der beiden, erreicht das Leben seine Erfüllung (wenn ich dies vorerst einmal so pauschal sagen darf). Es wird im Lacanschen Konzept und damit auch in der Ökopsychoanalyse kein aktiver, mit Lust und Kraft besetzter Vorgang mehr benötigt, der zum Tode führt. Der Tod ist dann vielmehr etwas, das ständig mit dem Leben konkurriert und es nunmehr daran liegt, wie die beiden neu benannten Triebkräfte zu- und gegeneinander arbeiten, um ihm, dem Tod, nur eine geringe Chance zu geben. Das hat nichts damit zu tun, dass ständig Lebewesen sterben, denn gleichzeitig überleben sie ja auch, und hier beginnt die Ökopsychoanalyse. Nur mit einer derartigen neuen Wissenschaft ist es heutzutage möglich, ein Höchstmaß an Liebesfähigkeit und Leben zu gewinnen, auch wenn die Psychoanalyse sogenannter „infantiler Sexualstrebungen“ weiterhin ein ganz wichtiger Bestandteil jeder Beschäftigung mit dem psychischen, sozialen und unbewussten Leben bleibt. Aber für die Ökopsychoanalyse ist es also nicht nur wichtig, welche individuellen Erfahrungen aus der frühesten Kindheit oder sonst woher wieder 4 erinnert oder treffend rekonstruiert werden können und müssen, sondern auch welche Umwelteinflüsse ständig auf uns positiv und negativ einwirken. Könnten wir uns einfach hinsetzen und warten (wie in einer Meditation) ob und wie die Umwelt mit uns zusammenwirkt, könnten wir nämlich bis zur Urverdrängung zurückkehren und spüren, wahrnehmen, wo und welche Vorgänge in und um uns in diese oben erwähnte Gegenbesetzung eintreten. Wir könnten unsere Entäußerung (das Sprechen) benutzen und perfekt von uns geben, um was es hier und dort, das- oder diesbezüglich, insbesondere oder allgemein geht. Doch so einfach ist es natürlich nicht. Ein Buddha mag dies vielleicht gekonnt haben. Er soll schon bald nach seiner Geburt ausgerufen haben: Erde unten, Himmel oben, ich bin der alleinig Geehrte. Wir sind also keine Buddhas und brauchen Ökopsychoanalyse. Tatsächlich müssen wir uns hinsetzen und warten (wie in einer Meditation), jetzt jedoch zusätzlich mit einer Hilfe, die sich mit dem psychoanalytischen Vokabular erklären lässt, jedoch „anders herum“ vorgeht. Der Tast-Schautrieb ist beim Menschen durch seine Sinnesapparate einerseits und durch eine eben triebartige Struktur andererseits definiert. Freud selbst drückte sich so aus, dass es das Unbewusste Bild von T. Heydecker, das rein bildhaft das Wesen der Ökopsychoanalyse ausdrückt, nämlich das Ineinandergreifen von Flora und Fauna bis hin zum Menschen. selber ist, das „mittels des Systems W-Bw [Wahrnehmung - Bewusstsein] der Außenwelt Fühler entgegenstreckt“, dass es also ein primäres Tasten, Schauen, Erfühlen, gibt, als könnte die Seele sich aus- und vorstülpen und so eine direkte Erfahrung der Welt haben. Aber wenn jeder und auch evtl. jedes Lebewesen solche seelischen Fühler hat, müsste man ja sagen, dass wir uns in einer Welt ständig sich ausstülpender Fühlerseelen befinden, dass es also ein „Es Fühlt“ gibt, in dem wir ständig baden. Ich habe dies auch als ein „Es Strahlt“ bezeichnet, weil diese Fühler wie Strahlen sind und vor allem beim Menschen ja 5 das Optisch-Visuelle sehr im Vordergrund steht und da passt der Ausdruck „Strahlt“ besser dazu. Wir sitzen also in einem „Fühlt-„ oder besser „Strahlt-Raum“ und merken normalerweise nichts davon. Im Grunde genommen ist dies auch nichts Neues. Gerade die frühen Philosophen und Mystiker haben sich gerne so ausgedrückt und man musste dann eben die eigene Empfänglichkeit für diesen „StrahltRaum“ so erhöhen, dass man ihn und seine Besonderheiten wahrnahm. Nun, soweit muss man heutzutage nicht gehen. Diese Mystiker haben nichts davon gewusst, dass es – entsprechend den obigen Erklärungen über das Wesen der Triebkräfte – natürlich auch ein „Spricht“ geben muss, oder noch besser und ergänzend zum „Strahlt-Raum“ die „Spricht-Zeit“. Denn genau das ist es doch, was in der Psychoanalyse so wesentlich ist: die Zeit des Sprechens, die schnell vergeht, wenn die Assoziationen gut laufen, wenn die Übertragungsdeutungen zutreffen usw., und die langsam dahin schleicht, wenn man aneinander vorbeiredet. Überhaupt, die ganze Psychoanalyse ist eine „Spricht-Zeit“ (Assoziationen, Übertragung und Deutung), die in einem „Strahlt-Raum“ (Verdrängung und Urverdrängung) stattfindet. Und so auch die Ökopsychoanalyse, nur dass hier eben der „Strahlt-Raum“ wir selbst und unsere Umwelt sind und die „Spricht-Zeit“ – nun die muss auch etwas anders aussehen, und man muss sie etwas umständlicher beschreiben. Da wir ja alleine mitten in der Umwelt sitzen, muss der Analytiker durch das ersetzt werden, was er ohnehin eigentlich ist, nämlich ein „Übertragungsobjekt“. Er ist das Objekt, auf das der Patient oder Analysand die Bedeutungen und Gefühle etc. „überträgt“, wie es es oben schon erwähnt habe. Er tut dies, indem er frei assoziativ, quasi spontan von sich weg plappernd spricht, wobei der Analytiker in Bezug auf sich Elemente darin erkennen kann, die aus dieser „Übertragung“ heraus gedeutet werden können. Er kann z. B. sagen. „Sie erzählen mir jetzt Ihre Empörung über einen Diebstahl, weil Sie glauben, dass auch ich Ihnen ihre Worte stehle, ja gar Ihre Seele.“ Eine knappe, recht heftige Übertragungsdeutung! Mehrere sich „überlappende Bedeutungen“ stecken drinnen. Sie sind so knapp, kompakt und eng verdichtet, dass hier der Analytiker fast an die Urverdrängung herangekommen ist. Fast hat er den „Strahlt-Raum“ angesprochen, so direkt hat das „Spricht“ des Patienten und seines Analytikers geblitzt. Doch auch unabhängig vom ganzen analytischen Vorgang gibt es etwas, das hierher passt und das J. Lacan den „inneren Satz“ genannt hat (Seminar III, S. 135). Es gibt sozusagen immer etwas, das ständig in uns spricht, wenn auch kaum merklich und knapp. Der Philosoph M. Heidegger meinte, es sei die 6 Sprache selbst, „die in uns spricht“, aber ich glaube, Lacan ist hier näher dran mit dem, was er als „inneren Satz“ bezeichnet. Es ist eine Art „Urübertragung“ (Gegenstück zur Urverdrängung), etwas in uns hat sozusagen immer schon einen Satz bereit. Wir sprechen ja auch mit uns selbst. Kurz: die „Spricht-Zeit“ ist immer da, und zwar gerade auch, weil sie ständig in Beziehung steht zum „Strahlt-Raum“. Dies drückt sich bei Lacan auch dadurch aus, indem er sagt, dass dieses „innere Sprechen in vollständiger Kontinuität mit dem äußeren Dialog steht, so dass wir auch sagen können, das Unbewusste ist der Diskurs des anderen.“ Der „innere Satz“ als Formel-Wort Was heißt dies anderes, als dass die „Spricht-Zeit“ sich engstens mit dem „Strahlt-Raum“ verbindet und umgekehrt (vielleicht kann man manchmal sogar von einem „Spricht-Raum“ reden und einer „Strahlt-Zeit“, ich möchte jedoch für die Ökopsychoanalyse die erste Schreibweise beibehalten). Was wir nunmehr brauchen ist also etwas, mit dem wir das Unbewusste des „Strahlt / Spricht“ konfrontieren können, damit es uns antworten kann. Es müsste ein entsprechend knapper, übertragungsbezogener, ja eben urübertragunsgbezogener Satz sein, mit dem wir die „Spricht-Zeit“ zu einer letztlichen definitiven Aussage bringen können, gerade indem dieser urübertragungsbezogene Satz knapp und kompakt ist wie der „Strahlt-Raum“. Knapp und kompakt wie die uns umgebende Umwelt und doch eben auch urübertragungsbezogen, indem viele sich „überlappende Bedeutungen“ drinnen finden. Ich habe solche Sätze, besser Kurz-Formulierungen Formel-Worte genannt und viele solche veröffentlicht. Hier ein neues, das vielleicht ganz gut zum Thema passt. Öko kommt ja vom griechischen Oikos = Haus, lateinisch = Casa. z. B. CA – SA – CE - RA C Gerade wenn man das Formel-Wort im Kreis herum schreibt, zeigt sich sein wahrer Charakter. Casa heißt also Haus, Cera Wachs (Haus aus R S Wachs). Aber beim S angefangen heißt es Sacer, E A heilig, ac, auch, A ( Heilig ist auch der Buchstabe A). Doch zudem steckt Ac, auch, As, die Einheit, C Acer, bitter darinnen (auch die Einheit ist bitter). Und noch einige weitere Bedeutungen sind in diesem Formel-Wort enthalten, die jedoch alle gar nicht so wichtig sind, zudem sind sie ja auch oft recht unsinnig. Wichtig ist allein der „Strahlt / Spricht“ – Aufbau, die knappe urübertragungsbezogene Struktur. Denn wenn man nun diese tatsächlich A A 7 meditiert, während man in der geeigneten Umwelt sitzt, wird sich eine direkte Antwort einstellen. Eine direkte ökopsychoanalytische Antwort. Ich kann das Wesen dieser Antwort am besten wieder mit dem „inneren Satz“ Lacans wiedergeben. Wie gesagt, wir sitzen im „Strahlt-Raum“ und murmeln, reverberieren rein gedanklich, rein mental, dieses eigenartige Formel-Wort CA-SA-CE-RA-CASA usw. in diesem Raum hinein. Langsam, monoton. Irgendwie und irgendwann wird der „Strahlt-Raum“ davon erfasst werden, denn er ist ja auch in uns und gleichzeitig ist die Formel-Formulierung ja so knapp, kompakt wie der „innere Satz“. Er hat selbst etwas „Strahlt“ – Charakter, aber eben auch „Spricht“ – Bezug. Unser „innerer Satz“ wird so zu einem „inneren-und-äußeren Satz“, wie ich es ja schon bei Lacan zitiert habe. Denn es fängt der „Strahlt-Raum“ zu strahlen, schillern, oszillieren an, und auch die „Spricht-Zeit“ bekommt eine besondere Form. Schließlich können wir uns ja aus den Bedeutungen des Formel-Wortes selber keine eindeutige Antwort holen. Im Gegenteil, die einzelnen Bedeutungen wie das Bittere der Einheit und des Wachshauses müssen wieder weggeschoben werden. Die Antwort muss gerade aus der nunmehr ja alleinig wirkenden „Strahlt / Spricht“ – Struktur, die sowohl das Formel-Wort wie auch der „innere Satz“ enthält, herauskommen, herausmeditiert werden. Hier ein Beispiel: Ein dieses Verfahren Übender hatte nach längerer Zeit der Beschäftigung mit der Methode folgende Erfahrung gemacht. Er war fast eingeschlafen als sich ihm wie hörbar, wie eingegeben der „innere Satz“ aufdrängte: „Du nicht!“ Sofort war er natürlich wieder ganz klar und wach und war sich auch der Bedeutung dieser „Antwort“ sicher. Erstens sollte er nicht einschlafen, sondern meditieren. Zweitens war ihm auch klar, dass es tatsächlich so etwas wie eine Antwort aus dem Unbewussten gibt. Es ist etwas ganz anderes ob man in einer Art theoretischen Unterrichts erklärt bekommt, dass es einen „inneren Satz“ gibt, der mit dem allgemeinen Diskurs draußen zusammenhängt usw., oder ob man eine solche Erfahrung direkt selber machen kann. Und drittens – und dies ist also eben die individualpsychologische Seite – hatte das „Du nicht!“ noch eine persönliche Bedeutung für ihn und seine beruflich und private Situation. Wenn so ein „innerer Satz“ direkt nach außen dringt, ist das fast immer sehr eindrucksvoll und auch einsichtig, auf was er sich bezieht, hier eben eine berufliche und privater Veränderung, bei der er sich nicht sicher war, ob er sie tun sollte oder ob andere hier zum Zug kommen würden. Nein, er sollte es eben nicht sein, der diese Veränderung vollzieht, und die Entscheidung stellte sich später als richtig heraus. 8 Nun könnte man einwenden, dass dies auch eine recht eigenwillige Interpretation sein kann. Gerade im Bereich des unbewusst Psychischen kommen ja oft auch so knappe, kompakte Einfälle und Impulse zustande, die völlig daneben gehen. Aber hier ist natürlich wichtig, dass der Betreffende vorher schon kritisch an einer Entscheidung gearbeitet hatte, zudem wird man mit häufigerem Üben immer mehr Klarheit über den analytisch psychokathartischen Vorgang (so nenne ich das Übungsverfahren auch, wenn es um die rein praktische, praxisbezogene Seite geht) bekommen und anfänglich sich auch mit psychoanalytischer Literatur über alle Zusammenhänge informieren. Denn meine Wissenschaft ist nicht neu, vor allem die Seminare Lacans eigenen sich sehr gut, um tief in die Materie einzusteigen. Diese ökopsychoanalytische Übung kann also auch individualpsychologische Inhalte zu Tage fördern, es müssen nicht gerade spezielle Antworten zu unserer Umwelt auftauchen. Aber hängt andererseits nicht so wie so unser Innen mit der Umwelt so zusammen, dass wir ja individuelle Lösungen für die Umwelt finden müssen? Die Ökopsychoanalyse steht ja in gewisser Weise der rein politischen Ökologie gegenüber, weil die Politik immer nur übergreifende Antworten finden kann, die dann meist nur einer Gruppe hilft und nicht im Besonderen etwas ausrichten kann. Wahre Ökologie kann nur aus jedem einzelnen heraus kommen, die sich dann schon in ihren Gemeinsamkeiten finden werden, aber eben nicht zuerst sich politisch zusammengeschlossen haben, um dann plötzlich merken zu müssen, dass sie alle ganz Verschiedenes wollen. Wanted reformers – heißt ein alter Spruch – not of others but of themselves. Zuerst müssen wir uns selbst ökologisieren, und nicht nur anderen Ökologie predigen. Wir können jedoch von Texten ausgehen, die sich mit von den verschiedenen Seiten her mit der Thematik beschäftigt haben. So hat schon vor fast hundert Jahren G. Hellpach in seinem Buch "Geopsyche" versucht, derartige Umweltbezüge auf den Menschen zu erklären. Er hatte jedoch keine psychoanalytische Ausbildung und konnte so die wesentlichsten, weil besonders unbewussten Zusammenhänge zwischen der Neuro-Psyche (dem Unbewussten) und der Umwelt nicht beschreiben. Meines Wissens hat E. Gartmann als erste den Begriff Ökopsychoanalyse verwandt, obwohl sie ebenfalls keine Psychoanalytikerin ist. Ihre Arbeit gilt jedoch ausschließlich dem Vegetarismus. Zu Recht behauptet sie, dass die Kinder zu unökologischem Verhalten erzogen werden, indem man sie von frühester Kindheit an zum Fleischkonsum anregt, obwohl dieser mehr als das Zehnfache der Proteinressurcen verbraucht, als pflanzliche Nahrung. Aber die Wirkung auf die Psyche ist unklar. Eine Verringerung der Aggressivität ist nicht bewiesen. Hindus, die vegetarisch leben, haben in ihren Auseinandersetzungen mit 9 Moslems die gleichen Gewaltexzesse betrieben. Hier gelten Buddhisten eher noch als Vorbilder, obwohl sie Fleisch essen. Wir müssen die Betrachtung also anders aufziehen. Es kommt offensichtlich nicht nur darauf an, ob vegetarisch gelebt wird oder nicht, sondern wie man die Nahrung zubereitet und zu sich nimmt. Ob man sie mit einer gewissen Ehrerbietung und Wertschätzung zu sich nimmt oder einfach nur als Ware verschlingt. Weltanschauliche Thesen zum Tierschutz gelten hier nicht, aber wer das Bild hier auf der linken Seite betrachtet, wird doch etwas stutzig werden. Es zeigt Schafe, die sehen, wie es den Tieren vor ihnen gerade ergangen ist. Die drei Schafe warten im Schlachthof gerade darauf, dass sie an der Reihe sind, das gleiche Schicksal zu teilen (Bericht der SZ vom 29/30. Mai 2010, S. 22). Natürlich denken sie nicht mit Entsetzen darüber nach, aber dass sie vollkommen unberührt davon sind, glaube ich auch nicht. Sie riechen das Blut, sie sehen die herabhängenden Felle. Na ja, vielleicht werden auch sie nur stutzig. Eben genau hier kann man Ökopsychoanalyse lernen nach der von mir oben angegebenen Methode. Denn die Wahrheit, um die es hier geht, kann man nur mit einer „der Liebe unterstellten Wissenschaft“ erfahren (ein Begriff, den Lacan für die Psychoanalyse verwendet hat). Wie soll man je wissen, was hier wirklich passiert? Ich werde auf diesen Begriff gleich noch zurückkommen. Denn wir sind trotz unserer hoch entwickelten Naturwissenschaften noch weit davon entfernt, trotz Physik, Astronomie, Evolutionstheorie, diese Bereiche des Lebens voll erforscht zu haben. Wir bauen immer größere Teilchenbeschleuniger, die uns wahrscheinlich wieder ein klein wenig über Hadronon und Myonen, Quarks und das berühmte Higgsteilchen an Erkenntnis bringen werden. Doch wird dies fast keine Relevanz für das Leben der meisten Menschen auf dieser Welt haben. Genau so die Evolutionstheorie, wenn man sie alleine und isoliert betrachtet. Eher wird die – diese Theorie sehr variierende – Epigenetik Auswirkungen auf unseren Alltag und selbst unsere Weitsicht haben. Nicht umsonst sprechen wir von der Psychoanalyse auch als einer Wissenschaft v o m Subjekt, deren 10 Objekt im weitesten Sinne unbewusste erotische Prozesse sind. Und hier genau setzt die Ökopsychoanalyse an: wir lieben manche Dinge und Vorgänge in der Natur, andere hassen wir eher, wir mystifizieren immer noch vieles in unserer Umwelt. Andererseits verfügen wir auch über ein erotisches Verhältnis zu manchen Geschehnissen in der Welt, ja im Universum, weil wir damit gar nicht anders umgehen könnten, als es durch eine eben „der Liebe unterstellten Wissenschaft“ zu ergründen. Ein einfaches Beispiel: das Leben der Neandertaler werden wir niemals „objektiv“ erforschen können, dazu gibt es einfach viel zu wenig, was von ihnen übrig geblieben ist (lediglich ein paar Knochen, ein oder zwei Werkzeuge). Wir müssen sie – so der Paläoanthropologe Appleton - lieben, wenn wir mehr von ihnen wissen wollen. Wir müssen uns in sie hineinversetzen, wie sie gelebt haben könnten, um sie zu verstehen. Hier wird Liebe zur Erkenntniskategorie. Ein anderes Beispiel: das Leben mancher Tiere können wir ebenso nur tiefer erkennen, wenn wir lange mit ihnen zusammenleben, sie beobachten, sich in sie hineinversetzen. Sie nur zoologisch zu sezieren oder nur unter dem Begriff Instinktverhalten zu vermessen, reicht nicht. Hier muss der Mensch selber mit seinen spiegelbildlichen Anteilen in sich auf die Umwelt zugehen, ja sich mit ihr tief in letztlich dem gleichen „Strahlt / Spricht“ verbinden. Unsere Umwelt lebt viel authentischer als wir es sehen, vielleicht ist höchstens ein tonnenschwerer Uranklotz tot, aber sonst regt und lebt in alles in unterschiedlichster Weise. Nur wie das in eine nicht vollkommen willkürliche und sektiererische vielen vermittelbare Form bringen? Schließlich ist das Leben einer Amöbe etwas anderes als das eines Menschen. Es gibt eine horizontale und eine vertikale Achse des Begriffs Leben. Ich habe dies in der folgenden Abbildung dargestellt. 11 Die vertikale Achse ist die, die unten mit dem Prokaryonten beginnt, Zellen ohne Kern, Viren, Prionen. Vielleicht könnte man bei noch undifferenzierteren Formen anfangen. Nach oben hin steigert sich die Komplexität bis hin zum Menschen. Die waagerechte Achse ist die der Bedeutung, des Symbolischen, der Signifikanten. Hier steht links das einfachste nur denkbare Ökosystem, die Beziehung von Wasser, Luft und Erde, also so Ähnliches wie es früher in dem Mythen der vier Elemente schon vorkam, aber heute zählen wir mehr Grundelemente. Ganz rechts außen dagegen steht die Beziehung des Menschen zum Menschen (ich gehe davon aus, dass darin sich auch so etwas wie ein Gott oder die akribischste Vernunft zum Ausdruck bringen kann). Die Ökopsychoanalyse ist nun die Achse, die sich quer durch das ganze Leben und Ökosystem einschließlich psychoanalytischer Grundlagen schräg nach rechts oben zieht. Sie schließt die Mensch / Mensch – Beziehung ein, aber nur am äußersten Rand, so wie sie sich auch nicht so vorwiegend um die Beziehungen früher Formen „primitiven" Lebens kümmert. Ein Gärtner kann ein guter Ökopsychoanalytiker sein, wenn er nicht nur von der Botanik etwas versteht, sondern auch von Gartengestaltung bis hin eben zu den Geheimnissen, mit denen eine seltene Pflanze, ein neu entdecktes pflanzliches Heilmittel, ein besonders ästhetisches Gewächs zwischen den Menschen Harmonie und Verständnis für alles Lebens vermitteln kann. Der Maler tut dies mit der Kunst, und vielleicht könnte dies ja schon ausreichend sein. Möglicherweise gestaltet er es und malt es so wie in dem Bild Ökopsychoanalyse 2 von T. Heydecker. Darin findet sich ein kauernder Mensch, den Pflanzen und Tiere umgeben, während zwei darin eingewobene Hände sich in Gebärdensprache verständigen. Die Vielschichtigkeit der Ökopsychoanalyse könnte fast nicht besser ausgedrückt sein. Der Politiker tut es wie gesagt mit seiner grünen Ideologie, auf die ich hier jetzt nicht so eingehen will, weil dies so viel geschehen geschehen ist. Aber der Maler und nochanderweitig besser der schon Kunsttherapeut kann es ist. vielleicht noch auf intensivere Weise tun. 12 Ich will jedoch auf einem rein wissenschaftlichen Umweg, der auch ein Umweg „anders herum" ist, die Seelen-Signifikanten einfangen um sie zu meinem Hauptthema zu bringen, das keinen herkömmlichen Namen mehr hat. Es soll aber eben doch noch der symbolischen Ordnung angehören, die einfach das entscheidende Merkenzeichen des Menschen ist. Deshalb verwende ich für meine Wissenschaft so etwas wie die Bezeichnung CA-SA-CE-RA oder ENSCIS- NOM (siehe unter www.forum-ens-cis-nom-com) oder Ähnliches, das man nicht ganz verstehen muss und soll, sondern das man eigentlich nur meditieren kann, obwohl es fachlich aufgebaut und daher etwas ganz anderes ist als die bisher üblichen Meditationsformen. Gibt die Natur etwas freiwillig? Es gibt einen luxuriösen Bereich in der Natur, ich brauche hier gar nicht mehr auf die vielen Artikel hinweisen, die in letzter Zeit zum Thema Humanismus, Tierschutz, Vegetarismus und Ökologie erschienen sind und deren Tenor war, wie sehr die Menschheit Hunger und Umweltprobleme dadurch lösen könnte, wenn sie sich an das halten würde, was die Natur ohnehin im Überfluss produziert und hergibt. Selbstverständlich kann man der Natur nicht unterstellen, dass sie manches „freiwillig“ und manches „unfreiwillig“ dem Menschen zur Verfügung stellt. Psychoanalytisch gesagt geht es um die Übertragung der Natur auf mich und meine Gegenübertragung, die mich in einen fast sprachlich genau zu erfassenden Dialog mit der Natur bringt. Eigentlich ist das nichts Neues, ich drücke es nur anders aus. Denn das, was die Natur im Überfluss und luxurierend verteilt, klingt genau nach den „freien“, meist überschießenden und ausufernden „Assoziationen“, die der Analysand von sich geben muss, damit hie und da einmal etwas herausklingt, das der Analytiker zur Deutung verwenden kann. Natürlich kann ich es nicht verbal interpretieren, aber auch in der üblichen Psychoanalyse benutzen wir die sogenannte Gegenübertragung als Instrument der Deutung. Hier spürt man als Therapeut manchmal einen Druck, eine Schwäche oder sieht ein Bild vor sich und dies hat selbstverständlich auch etwas mit dem Patienten zu tun. Man muss diese Erfahrung dann behutsam in das Gespräch einbringen, ob sich darin nicht doch der Ansatz zu einer Interpretation versteckt und der Analysand dadurch neue Einfälle hereinbringt. Schließlich lässt sich mehr und mehr eine Deutung aus diesen Auseinandersetzungen entnehmen, die Franz von Assisi – der zweifellos schon ein Vorfahr der Ökopsychoanalyse war - vielleicht etwas übertrieben formuliert hat. Übertrieben insofern, als er laut mit den Tieren redete, so dass ihn jeder für verrückt halten musste. Das muss man ja nicht tun. Während Novalis von der 13 blauen Blume der Romantik schwärmte, die es jedoch gar nicht gab, entdeckte der spanische Dichter M. Unamuno eine Blütenpflanze auf einer der Kanarischen Inseln, deren Selten- und Besonderheit er so gut und inbrünstig beschreiben konnte, so dass diese Entdeckung ihn all die belächeln ließ, die sich mit der monotonen Freude an Margriten und Löwenzahn begnügten. Er differenzierte also auch in einer speziellen Weise irgendwie Leben und Leben, Übertragung und Gegenübertragung. Allein eine seltene Pflanze schien ihm mehr Leben zu haben, als die, die nur wild um sich wuchern. Um irgendwie so etwas geht es beim kathartischen Erfahren der kleinen Dinge, die ich Ökopsychoanalyse nenne. Sicher gibt es ein besseres Wort dafür. Ich weiß es nur noch nicht. Vielleicht findet es jemand anderer. Ich fasse nochmals zusammen: Der „Strahlt-Raum“ mag ein kleiner Bereich der Natur, eine Stelle im nahen Park oder sonst wo in der Umgebung als bevorzugter Platz sein, als gerne immer wieder aufgesuchtes Bild, als "Heimat", ja als lebendiges Etwas, das eben durch Beschäftigung damit und meditative Betrachtung als Teil des eigenen Inneren erfasst werden. Das Außen wird dann zu einem Objekt im Inneren und umgekehrt. Ich nehme dann nicht nur wahr, sondern werde auch wahrgenommen, sehe nicht nur, sondern werde auch gesehen. In der Psychoanalyse nennen wir dies dann eine "Objekt-Konstanz". Eine "Objekt" der Welt wird zum Stütz- und Haltepunkt meiner selbst, es ist draußen und drinnen zugleich. Es entwickelt sich dann eine "der Liebe unterstellte Wissenschaft", denn man hat dann zu diesem Anfangsobjekt einen positiven, emotional-intellektuellen, ja fast müsste man sagen "angemessen erotisierten" Bezug. Die Betonung liegt auf "angemessen", aber die positive, warm getönte Grundeinstellung ist das Besondere und Wichtige dieser Wissenschaft. Dadurch kann sie ihr „Objekt“ lange genug betrachten und erforschen, sie kann es vielleicht nicht nach Maßgabe „harter Daten“ messen, aber sie kann es ermessen, sie kann es „objektiv“ genug, im Sinne einer eben nur schwachen aber dafür genau so binären Logik erfassen. Natürlich kann ich dann das "Objekt" ausweiten. Wenn ich mit dem kleinen Anfang, den ich gemacht habe, klar und befriedigt bin, kann ich versuchen weitere Bezüge dazu in der gleichen ökopsychoanalytischen Weise herzustellen. Früher habe ich als Arzt einige Zeitlang Patienten mit homöopathischen Mitteln behandelt. Ich habe diesen Weg später aufgegeben, weil die Homöopathie mir zu sehr vom Suggestiven abzuhängen schien. Die gegenseitige (Arzt und Patient) Überzeugung von der Wirksamkeit der Homöopathie, der ernsthafte Glaube und die gemeinsame Anstrengung nebenwirkungsfrei zu arbeiten, sind sicher gute und wesentliche Elemente eines Heilverfahrens. Dennoch liegt über 14 der Homöopathie der Schatten einer nicht wirklich korrekten Wissenschaftlichkeit. Hier aber möchte ich ein mit der Homöopathie zusammenhängendes Beispiel erwähnen, das für das Verständnis der Ökopsychoanalyse hilfreich sein kann. Vor ca. dreissig Jahren konnte man nämlich noch Uran in homöopathischer Verdünnung verschreiben. Ohnehin war bei einer Dosierung von D10 oder höher keine physikalische Gefahr von der Radioaktivität dieses Metalls zu erwarten. Trotzdem hat man das Mittel später - im Zeitalter zunehmender atomarer Ängste - verboten. Damals aber hatte ich insbesonders bei Depressiven gute Erfolge. Der Zusammenhang ist leicht zu verstehen und eben typisch für das Vorgehen und die mehr mythische als wissenschaftliche Art der Homöopathie. Gerade ein Metall jedoch, dem nichts von seiner Strahlung ansieht, das weder heiß noch kalt ist, nichts Spürbares auslöst, aber von dem man weiß, dass es eine der interessantesten, stärksten, durchschlagendsten Strahlenarten in sich birgt, hat eine starke Ähnlichkeit mit dem Wesen der Depression. Auch dieser Krankheit sieht man ihre Ursache nicht an, sie entsteht rätselhaft aus dem Inneren heraus und durchstrahlt mit ihrer dunklen Düsterheit das ganze menschliche Individuum. Und eben die Ähnlichkeit ist es ja, mit der man in der Homöopathie arbeitet: similia similibus curantur, heißt ihr Motto, Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt. Eine Eisen und Phosphorvergiftung erzeugt Hitze, Röte, Entzündung. Also kann man mit einer hochgradig verdünnten Lösung von Ferrum phosphoricum Fieber und Entzündungen behandeln. So also auch eine Depression mit einer Verdünnung der Uranlösung. Meine Patienten, denen ich dieses homöopathisch aufbereitete Uranmedikament gab waren auf jeden Fall sehr beeindruckt, dass sie solch einen Stoff bekommen sollten. Wenn ihnen auch klar war, dass sie die eigentliche Radioaktivität hier nicht mehr zu fürchten brauchten, so lag doch das Fluidum des Mächtigen, Geheimnisvollen über dieser Verordnung. Ein Geheimnis koinzidiert mit einem anderen Geheimnis. Eine Unheimlichkeit trifft sich und durchdringt sich mit einer anderen Unheimlichkeit. Es sind doch mehr diese, fast möchte ich sagen: literarischen Elemente, die sich hier in der Behandlung zusammentun. Etwas Ähnliches passiert in der Ökopsychoanalyse. Es ist die Umwelt, die immer schon eine Ähnlichkeit zu uns hat und die sich daher ideal zur Lösung und Heilung unserer Probleme anbietet. Es geht dabei hier nicht um die politische Ökologie, die sicher noch notwendiger ist, als die Ökopsychoanalyse. Dennoch ist es gerade für Menschen, die krank sind (psychisch wie auch durch sogenannten Somatisierungen, also körperlich 15 empfundene Krankheiten, die psychisch mit bedingt sind) wichtig, hier einen besonderen Zugang zu ihrem Problem zu haben. Doch wie genau geht man nun vor? Wir können nicht einfach das Periodensystem der Elemente als Skala einer Ökopsychoanalyse verwenden und damit eben z. B. die Heilwirkung eines Uran D 12 begründen. Wie gesagt, wäre dies nur ein mythisch- mystischer Zugang und die Wirkung zudem mehr von der literarischen Seite her geprägt. Wir wollen hier aber einen wissenschaftlichen Zugang und dafür bietet sich eben die Psychoanalyse an, und so muss eben auch eine derartige psychoanalytische Argumentation in Bezug auf das Ökosystem aufgebaut werden. Dafür habe ich bereits das Modell Übertragung / Gegenübertragung herausgestellt. Ich lasse mich darauf ein, dass etwas, das die Umwelt auf mich überträgt in mir eine Gegenübertragung auslöst, die ich deuten muss. Doch wie soll mich das tun, wenn mir die Natur nicht selbst schon Signifikanten liefert, das nz. B., was Lacan „erste maßgebliche Bilder“ nennt? Könnte ich vielleicht ein Bild, ein Ding meditieren? Nehmen wir wieder ein Beispiel: Die sogenannte „Mutterimago" spielt in der Psychoanalyse der frühesten Kindheit eine große Rolle. Imago heißt Bild, aber das Bild der frühen Mutter ist noch ein sehr zerstückeltes Bild, voll von Gegensätzen und Widersprüchen. Das Kleinkind kann nicht seine Mutter als ganze Persönlichkeit voll erfassen. Einen Teil von ihr, z. B. Ihre Brust bei Stillvorgang, hält es für einen Teil von sich selbst, dann aber wieder nicht, also nimmt es ihren Blick oder sonst etwas in sich auf, um so Teil für Teil etwas in sich zusammenzusetzen, von dem es sich Halt und Hilfe verspricht. Ein tropischer Sandsturm, eine eiskalte Winternacht kann uns an Teile dieser frühen Mutterimago wieder erinnern, die uns halt- und hilflos erscheint. Natürlich kann auch eine wunderbare Landschaft die positive, ja erotisch besetzte Mutterimago vermitteln, und so können wir uns in der Welt der Geologie, Metereologie, Botanik und Biologie eine eigene Imago zusammenzimmern, die uns mit problematischen Resten früherer Erfahrungen versöhnt und verbindet. Ja, die uns für die ökologischen Belange geradezu magnetisiert, erotisiert, also exakt in psychoanalytisch ausdrückbare Spiegelungsvorgänge einführt und wieder daraus entlässt. Das ist vielleicht pauschal betrachtet gar nichts besonders Neues. Mit Heimat, vertrauten oder fremden landschaftlichen Bezügen hat man sich immer auseinandergesetzt und schließlich seine wahre Heimat genau in Form einer derartigen Imago in sich selbst gefunden. Bestimmte Pflanzen, deren Geruch einen betören kann, ein brauner Lehmboden, den man barfuß gehend geradezu umschmeicheln konnte, alles Mögliche weist eine innere / äußere Korrelation auf, die mich das heute im Zusammenhang mit dem gestern verstehen lässt. 16 Dennoch kann all dies einem wissenschaftlichen Anspruch nicht genügen. Man würde nur wieder allgemeinen ökologischen oder naturmystischen Bereichen verhaftet bleiben. Wir müssen in den Bereich kommen, den ich eingangs mit dem Formel-Wort bereits voreilig eingeführt habe, aber der – und nur etwas in dieser Art – der Schlüssel sein kann für wirkliche Ökopsychoanalyse. „Die Natur liefert Signifikanten“, schreibt Lacan. „Noch bevor die eigentlichen Humanbeziehungen entstehen, sind gewisse Verhältnisse schon determiniert . . Noch vor jeder Erfahrung, vor aller individuellen Deduktion und noch bevor überhaupt kollektive Erfahrungen . . . sich niederschlagen, gibt es etwas, das dieses Feld organisiert und die ersten Kraftlinien in es einschreibt . . die Funktion einer ersten Klassifizierung. Wichtig ist für uns, dass wir hier die Ebene erkennen, auf der es - noch vor jeder Formierung eines Subjekts, das denkt – bereits zählt, auf der gezählt wird. Wichtig ist, dass in diesem Gezählten ein Zählendes schon da ist“ (Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Walter (1980) S. 26). Ein Zählendes, ein menschlich Zählendes, ist auch schon ein Erzählendes, eine „Sprechung“, ein „Spricht“. Dieses „Spricht“ können wir nicht - wie es noch der Mystiker L. Böhme mit seinem Begriff der „signatura rerum“ meinte – aus den Zeichen, die der Natur aufgedrückt erscheinen direkt herauslesen. Nein, die Dinge sind nicht schon von vornherein beschriftet. Wir müssen den Sprung in die Signatur schon selbst tun, und hier bietet sich eben die Psychoanalyse an. Was sonst? Auch die Mathematik kann uns dieses Zählende, das im Gezählten schon da ist, nicht vermitteln. Wir brauchen die schwache binäre Logik, das Topologische, wie es in den Zeichen des Formel-Wortes enthalten ist. In der folgenden Abbildung zeige ich ein Beispiel für ein auf ein Möbiusband geschriebenes Formel-Wort, das diesen Zusammenhang vermittelt. Es zeigt nämlich noch deutlicher wie der „Strahlt-Raum“ mit der „Spricht-Zeit“ verbunden ist, nämlich durch eine dynamische Verknotung. Diese spiegelt vielleicht noch mehr die Vorgänge in der Natur wieder, als es die reine Kreis-Schreibung vermochte, die ich eingangs verwendet habe. Hier gäbe es noch reichlich Möglichkeiten, die Gestaltung der Methode zu verbessern. 17 Nächstenliebe? Vorläufig aber möchte ich sie so belassen. Ökopsychoanalyse ist ein Weg, den jeder für sich allein gehen kann und weitgehendst auch so allein gehen muss. Darin liegt eine besondere Chance. Natürlich hat Ökopsychoanalyse auch etwas mit dem Nächsten zu tun. Ja, es geht geradezu um das, was uns am Nächsten ist und so auch mit dem, wer uns am Nächsten ist. Die Frage, wer denn unter dem Nächsten gemeint ist, haben schon die Jünger an Jesus gestellt, worauf er mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter antwortete. Aber dadurch hat sich in unserer Kultur ein einseitigen Bild der Nächstenliebe eingebürgert. Wir wissen heute zu gut, dass man seinen Nächsten auch lieben kann, weil man ihn dringend braucht: seinen Dank, seine positive Erwiderung oder gar noch mehr materielle und psychologische Gaben. Schon S. Freud hatte sich anläßlich des Satzes „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ zurecht gefragt, warum ausgerechnet die von Selbssucht getragene Eigenliebe ein Vorbild abgeben soll für die Liebe zum Nächsten. Altruismus kann und ist auch oft nur eine andere Form des Narzissmus und der Eitelkeit. Aus übertriebener Nächstenliebe sind oft mehr Fehler gemacht worden, als wenn man seinen Nächsten nur ausreichend wahrnimmt, ihn achtet und erst im wirklichen Bedürfnisfall auch etwas für ihn tut. Genau in diese Richtung bewegt sich auch die Ökopsychoanalyse. Sie nimmt den Nächsten und auch das Nächste sogar mehr wahr, als ein religiös gebundener Mensch es vielleicht tut. Der Psychoanalytiker muss seinen Patienten mit der sogenannten "frei schwebenden Aufmerksamkeit" wahrnehmen, d. h. mit einer tief empfundenen und speziell auf das Besondere und Wesentliche gerichteten Aufmerksamkeit. Man muss den anderen in seinem Sein "visieren", meditativ erfassen, von Unbewusstem zu Unbewussten sozusagen. Man muss seine Grautöne sehen und seine Zwischentöne hören, das ist viel wichtiger als ihn ins eigene narzisstische Feld einzubeziehen und ihm dann das antun, von dem man glaubt, dass es gut sei. Man muss erkennen könne, wie man zusammen in der „Strahlt / Spricht – Raum-Zeit“ existiert, wie die Situation, in der man mit ihm lebt vielschichtig und konstruktiv differenziert werden kann. 18 Empfehlungen für ein weiteres Literaturstudium: Freud, S., Abriss der Psychoanalyse, Fischer Taschenbuch, 1996 Lacan, J., Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Walter,1980 Hummel, G. v., Das konjekturale Denken, BoD, 2010 Webseite des Autors : http://www.analytic-psychocatharsis.com