1. Aufsuchkarten und Beobachtungsbericht Am 19.11.2009 gegen 19 Uhr trafen sich Herr Prof. Pühringer, Christoph Schwaiger und ich (Robert Reischl) um wieder einmal Sterne zu beobachten. Christoph Schwaiger brachte sein nagelneues Teleskop auf der CG-5 Montierung mit. Herr Pühringer und ich versuchten in der Zwischenzeit, das Schulteleskop, ein Celestron CPC925 GPS einzurichten. „Versuchten“ deshalb, weil das GPS-Modul aus irgendeinem Grund fehlerhafte Zeit und Koordinaten lieferte. Nach dem 3. Versuch gaben wir die Standortkoordinaten per Hand ein. Nach erfolgreichem Justieren mittels 2 Sternen, haben wir die Koordinaten des Sterns CY-Aquarii eingegeben und das Teleskop bewegte sich zum angegebenen Koordinatenpunkt. Als das erste Bild mit einer Hand voll Sternen auf dem Bildschirm erschien, war die erste Aufgabe herauszufinden, ob dieses Sterngebiet auch das richtige war. Am einfachsten stellt man das an, in dem man den Bereich um den Stern herum auf einer Planetariumssoftware einstellt. Links sieht man das mit „Cartes du Ciel“ erstellte und rechts das erste aufgenommene Bild. Man könnte sagen: „Ein richtiger Glückstreffer!“ Ich konnte sofort die Sternkonstellation erkennen und nach Drehung der Stenkarte um 180° war der veränderliche Stern CY Aquarii einwandfrei zu identifizieren. Anbei befinden sich noch zwei weitere Aufsuchkarten: Die Kreise sind von innen wie folgt bemaßt: 0,5°, 1°, 2°, 5° und das viereckige Feld ist die Größe des Aufnahmechips. Rechts befindet sich noch ein vergrößerter Bereich. Die roten Pfeile zeigen Norden an. Der Stern CY-Aquarii befindet sich, wie der Name unschwer vermuten lässt, im Sternbild Wasserman. Genauer gesagt im nördlichen Teil an der Grenze zum Sternbild Pegasus. Koordinaten: RA: 22h37m47.86s DE: +01°32'03.8" Equipment: CPC925 GPS, Atik16ICS, Astronomik L-Filter 2. Allgemeines über Veränderliche Veränderliche sind Sterne, die ihre Helligkeit mehr oder weniger periodisch ändern. Es gibt drei grundverschiedene Typen von Veränderlichen. Hier sind nur die wichtigsten Vertreter jeder Gruppe aufgelistet: Bedeckungsveränderliche Algol-Sterne Beta-Lyrae-Sterne W-Uma-Sterne Eruptivveränderliche Novae Zwergnovae R-Coronae-Borealis-Sterne Pulsationsveränderliche RR-Lyrae-Sterne Delta-Scuti-Sterne (DSCT) SX-Phoenicis-Sterne Delta-Cephei-Sternen RV-Tauri-Sterne Diese drei Typen unterscheiden sich ganz erheblich in der Ursache ihrer Pulsation. B e d e c k u n g s v eränderliche: Bei Bedeckungsveränderlichen lässt der Name schon vermuten, was die Ursache ihrer Helligkeitsschwankungen ist. Diese Sterne sind Doppelsterne, deren Rotationsebene direkt auf die Erde zeigt. Wandert nun einer der Sterne vor seinen Partner, verändert sich ihre Gesamthelligkeit. Im Bild rechts kann man diesen Vorgang gut erkennen. Die Untertypen der Bedeckungsveränderlichen sagen nur etwas über die Entfernung der beiden Sterne zueinander aus. Ein „Algolpaar“ ist im rechten Bild erkennbar. Bei Beta-Lyrae-Sternen sind sich die beiden Komponenten so nahe, dass sie sich durch ihre gegenseitige Gravitation verformen. W-Uma-Sterne sind Doppelsterne, bei denen sich beide Komponenten gegenseitig berühren und schon teilweise verschmelzen. Eruptivveränderliche: Novae und Zwergnovae sind ebenfalls Doppelsterne, jedoch ist eine der beiden Komponenten bereits zu einem Weißen Zwerg „verkommen“ und zieht Masse von seinem Partner ab (Bild rechts). Wenn eine bestimmte Menge an Masse erreicht ist, zündet ein Wasserstoffbrennen, jedoch nicht im Inneren des Zwergs, sondern an seiner Oberfläche, was zu einem explosionsartigen Helligkeitsanstieg führt. R-Coronae-Borealis-Sterne sind Einzelgänger und erzeugen keine Helligkeitsausbrüche, sondern stoßen in unregelmäßigen Abständen eine dichte Wolke aus Kohlenstoff ab, welche den Stern umhüllt und für einen gewissen Zeitraum für einen Helligkeitsabfall sorgt. Pulsationsveränderliche: Pulsationsveränderliche Sterne sorgen im Gegensatz zu den anderen Variablen von selbst für ihre Helligkeitsschwankungen. Die meisten Sterne durchlaufen einmal in ihrem Leben einen sogenannten Instabilitätsstreifen auf dem Hertzsprung-Russell-Diagramm* (Bild rechts). In diesem Streifen verliert der Stern sein hydrostatisches Gleichgewicht und beginnt dadurch zu pulsieren. Welcher Vorgang genau zu dieser Pulsation führt, wird später erläutert. Die verschiedenen Arten der Pulsationsveränderlichen unterschieden sich größtenteils durch ihre Periodendauer und Einzelheiten wie z.B. Größe, Generation, Spektralklasse, usw. Die Periode von RV-Tauri sowie die der Delta-Cephei-Sterne liegen im Bereich von mehreren Tagen bis Jahren. Jedoch die der RR-Lyrae Sterne bei einem Tag (RR-Lyrae) bis hin zu wenigen Stunden (Delta-Scuti-Sterne, SX-Phoenicis-Sterne). (*Das Hertzsprung-Russell-Diagramm ist ein Diagramm, in dem man jeden Stern anhand seiner Spektralklasse (X-Achse) und Helligkeit/Größe (Y-Achse) eintragen und ebenso den Verlauf eines Sternenlebens gut darstellen kann. Die Linie von links oben nach rechts unten ist die Hauptreihe. Auf ihr verbringen Sterne den größten Teil ihres Lebens. Wenn sie jedoch ihren Wasserstoffvorrat im Kern aufgebraucht haben, verlassen sie diese Linie und begeben sich zunächst nach rechts oben, wo sie dann einige Zeit in einem der Instabilitätsstreifen „gefangen“ werden.) 3. Die SX-Phoenicis Klasse Diese Unterklasse habe ich deshalb noch einmal aufgeführt, da der Stern CY-Aquarii zu dieser Untergruppe gehört. Die SX-Phoenicis Sterne wurden anfangs als Delta-Scuti-Sterne klassifiziert, jedoch wurde später eine eigene Gruppe für sie angelegt, welche mit nur 30 Sternen recht klein ist (RR-Lyra ~6700). SX-Phoenicis Sterne unterscheiden sich in folgenden Kriterien von anderen Pulsationsveränderlichen: Die Periodendauer liegt bei nur 1-2 Stunden (extrem kurzperiodisch) in welcher die Sterne einen Helligkeitsanstieg um fast 0,7 mag** erreichen. Sie haben eine sehr geringe Metallkonzentration, was darauf schließen lässt, dass sie sehr alte Population-II-Sterne*** sind, und haben Spektralklassen von A5-F2 (Oberflächentemperatur: 6000-8600K)****. Da normale Sterne, welche eine solche Spektralklasse (hohe Masse) haben, eine sehr niedrige Lebenserwartung besitzen, Population-II-Sterne jedoch sehr alt sind, wird vermutet, dass diese Sterne ihre hohe Masse erst sehr spät in ihrem Leben erreicht haben z.B. durch das Verschmelzen mit einem Partner in einem Doppelsternsystem. (**“mag“ für Magnituden; Helligkeitsangabe von Sternen; 1mag= 2,5 Fache Helligkeit) (***Population I: enthalten viele schwere Elemente; befinden sich in den Spiralarmen von Galaxien (unsere Sonne) Population II: sehr wenig schwere Elemente; befinden sich in den Halos von Galaxien, also weit außerhalb der Spiralarme Population III: aller ersten Sterne nach dem Urknall; keinerlei schwere Elemente; extrem massereich sehr kurzlebig; bis heute wurde noch keiner gefunden) (****“K“ Kelvin geht vom absoluten Nullpunkt aus; Celsius=Kelvin-273) 4. Der κ-Mechanismus Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sterne nachdem sie die Hauptreihe verlassen haben, anfangen zu schwingen (pulsieren). Nur verschwindet diese Schwingung nach einiger Zeit durch Reibung im Inneren des Sterns. Damit dies bei Veränderlichen nicht geschieht, greift der κ(kappa)-Mechanismus ein. Der griechische Buchstabe Kappa steht in der Astrophysik für die Opazität der Sternatmosphäre, also das Maß ihrer Undurchlässigkeit für Strahlung. Dies ist jedoch keine Konstante sondern abhängig von Druck, Temperatur und Wellenlänge des Lichts. Weiter unten sind alle folgenden Schritte des κ-Mechanismus in der von uns aufgezeichneten Helligkeitskurve eingetragen. Sterne befinden sich für gewöhnlich im sog. Hydrostatischen Gleichgewicht welches besagt, dass alle nach außen wirkenden Kräfte gleich der nach innenwirkenden Gravitation sind (Bild rechts). Wird der Stern jedoch „angestoßen“, verkleinert sich z.B. sein Radius, was zur Folge hat, dass die Gravitation zunimmt (1). Wenn die Gravitation größer wird, steigen Druck und Temperatur im Inneren, was die Kernfusionsrate ansteigen lässt und seine Atmosphäre erhitzt. Die Heliumatome in der Atmosphäre geben durch diesen Temperaturanstieg ihre Elektronen ab. Nun sind sie ionisiert, was zur Folge hat, dass die Opazität steigt. Da jetzt die Atmosphäre noch undurchlässiger für Strahlung geworden ist, erhitzt sie sich stark (2). Unter der Atmosphäre baut sich ein enormer Druck nach außen auf. Hier hat der Stern seinen minimalsten Radius erreicht (3). Irgendwann ist dieser Druck so hoch, dass er die Gravitation überwindet. Der Stern dehnt sich aus (4). Durch dieses Ausdehnen kühlt die Atmosphäre ab und die Heliumkerne nehmen ihre Elektronen wieder auf. Dabei wird dieselbe Energie in Form von Photonen frei, welche zuvor zum Abgeben der Elektronen vom Heliumkern aufgenommen wurde. Diese entweicht dann zusammen mit den Photonen, die beim Kernfusionsprozess erzeugt werden. Hier erreicht der Stern sein Helligkeitsmaximum (5). Der Stern dehnt sich noch weiter aus, wodurch seine Oberflächentemperatur weiter sinkt und seine Helligkeit abnimmt (6). Der Stern erreicht dann seinen maximalen Radius (7). Da jetzt der Druck nach außen fehlt, überwiegt wieder die Gravitation, welche den Stern kollabieren lässt (8). Nun beginnt der Prozess erneut. 5. CY-Aquarii: Infos, Auswertung und Rohbilder Infos: Hier ein paar wichtige Grundinformationen zu CY-Aquarii. Koordinaten: RA: 22h37m47.86s DE: +01°32'03.8" Scheinbare Helligkeit: 10,4-11,2 mag Periodendauer: 0,061038612 Tage (~88 min) Absolute Helligkeit: 2,6mag Spektralklasse: A2-F2 Oberflächentemperatur: 6680-8320K Auswertung: Nachdem ich zuerst CY-Aquarii mit einem anderen Stern auf dem Bild verwechselt habe, kam natürlich nix Gescheites dabei raus! Aber nach der zweiten Auswertung haute es mich fast vom Hocker! Ich hätte nie gedacht, dass die Kurve so deutlich zu sehen sei! Im unteren Diagramm kann man am Kontrollstern gut erkennen, dass er ebenfalls immer schwächer wurde, da sich die beiden während der Beobachtung dem Horizont näherten, wodurch immer mehr Licht in unserer Atmosphäre verloren ging. Bei den weiteren Diagrammen hab ich diese Erscheinung mit einem bestimmten Faktor ausgeglichen und einen zweiten Kontrollstern hinzugefügt. Es kommt mir aber so vor, als ob die Abschwächung durch die Atmosphäre keine lineare sondern eine exponentielle Funktion ist, da man bei genauerem Hinsehen bemerkt, dass die beiden Kontrollsterne in der Mitte leicht nach oben gebogen sind. Die Y-Achse bildet immer die Werte, die bei der photometrischen Auswertung mit Iris herausgekommen sind. Im oberen Diagramm hab ich für die X-Achse die Zeit in Sekunden aufgetragen. Der senkrechte Strich kennzeichnet eine Periode von 88 Min. Im unteren Diagramm habe ich aud der X-Achse die Uhrzeit aufgetragen. Hier hab ich zu guter Letzt noch eine Animation aus einem Bild des Maximums und einem Bild des Minimums zusammengestellt. (Animation) Rohbilder: Unter diesem Link könnt ihr euch die Rohbilder herunterladen: (Hyperlink zu den Rohbildern) Quellen: (außer der Ergebnisse der eigenen Beobachtungen) www.bav-astro.de Understanding Variable Stars, John R.Percy Weißt du wie viele Sterne stehen?, Harald Lesch u. Jörn Müller Der Neue Kosmos, 7. Auflage, A.Unsöld u. B.Baschek © Robert Reischl