1/7 Wasser aus der Sicht der Chemie Die physikalischen Eigenschaften von Wasser Factsheet 1 Einführung Wasser besitzt viele ausserordentliche physikalische Eigenschaften (sehr hohe Schmelz- und Siedepunkte, niedrigere Dichte von Eis im Vergleich mit Wasser usw.), welche sich durch die besondere Struktur seiner Teilchen erklären lassen. Genauer betrachtet, resultieren die physikalischen Eigenschaften von Wasser aus den Wechselwirkungen zwischen seinen Teilchen, wobei die Wechselwirkungen ihre Ursache in der Struktur eines Wassermoleküls finden. 2 Zwischenmolekulare Kräfte Der feste sowie der flüssige Zustand von Stoffen tritt auf, wenn die Teilchen, die diese Stoffe aufbauen, zusammen einen Verband bilden. Ein Zuckerkristall oder ein Öltropfen besteht aus einer riesigen Anzahl von Molekülen, die sich gegenseitig anziehen und somit zusammen bleiben. Es gibt also Anziehungskräfte zwischen Molekülen, so genannten „Kohäsionskräfte“, „zwisch enmolekulare Kräfte“ oder „van der Waals Kräfte“, die für den festen (Gitterkräfte) und den flüssigen Zustand von Stoffen verantwortlich sind. Wenn die Moleküle polar sind, ist es ziemlich einfach, die Entstehung dieser Kohäsionskräfte zu verstehen. Im Dokument „Das Wassermolekül“ wurde im Detail erklärt, wie polare Moleküle, die schlussendlich einfach permanente Dipole sind, entstehen. Die polaren Moleküle ordnen sich so an, dass die negativ geladenen Pole mit positiv geladenen Polen in Wechselwirkung komm en können, und umgekehrt (Abb. 2-1). + - + - + - + - + - + - + + - + - + - + - + - + - + + - + - + - + - + - + - + + - + - + - + - + - + - + Abb. 2-1. Ordnung polarer Moleküle im flüssigen Zustand. Dank dieser Anordnung sind elektrostatische Anziehungskräfte zwischen den positiven und negativen Partialladungen möglich. Solche Kohäsionskräfte werden als Dipol-Dipol Wechselwirkungen bezeichnet. Je grösser ihre Dipolmomente sind, desto stärker ziehen sich die Teilchen an. Wie ist nun die Lage bei unpolaren Verbindungen? In diesen Molekülen - wie in allen Molekülen - bewegen sich die Elektronen ( ) ständig (Abb. 2-2a). Das führt dazu, dass sich die Elektronen ungleichmässig verteilen und kurzzeitig mehr auf einer Seite befinden (Abb. 2-2b). Diese Seite wird deswegen leicht negativ und infolgedessen die andere Seite leicht positiv geladen: Es entsteht ein momentaner Dipol (Abb. 2-2c). Interessanterweise werden benachbarte Moleküle durch diesen Dipol beeinflusst: Die leicht negativ geladene Seite neigt dazu, die Elektronen des benachbarten Moleküls abzustossen. Umgekehrt übt die leicht positiv geladene Seite eine Anziehungskraft auf die Elektronen eines anderen benachbarten Moleküls aus ( Abb. 2-3a). E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch a b c + - Abb. 2-2. Entstehung eines momentanen Dipols in einer unpolaren Verbindung. 2/7 a + - b + - c + - + - + Abb. 2-3. Induzierte Polarisation. Daher entsteht auch ein momentaner Dipol in diesen benachbarten Molekülen ( Abb. 2-3b). Dieser Vorgang wiederholt sich weiter, was zur Bildung von weiteren momentanen Dipolen führt ( Abb. 2-3c). Dieser Prozess wird als induzierte Polarisation bezeichnet. Schlussendlich besitzen (fast) alle Moleküle einen Dipol mit kurzer Lebensdauer und können sich daher anziehen. Solche schwachen Anziehungskräfte werden als London Kräfte bezeichnet. Da Elektronen sich aber ständig bewegen, ändert sich auch die Orientierung der momentanen Dipole ständig: Über einen längeren Zeitraum bleiben solche Moleküle unpolar. Zusammengefasst werden unpolare Moleküle dank eher schwachen London-Kräften, und polare Moleküle dank stärkeren Dipol-Dipol Wechselwirkungen und London-Kräften zusammengehalten. 3 Schmelz- und Siedepunkt von Wasser Es wurde schon erwähnt, dass Wasser im Vergleich mit ähnlichen Verbindungen viel höhere Schmelz- und Siedepunkte besitzt. Um dies konkret zu visualisieren, wurden Schmelz- und Siedepunkte der einfachsten Wasserstoffverbindungen mit den Elementen der vierten (XH4), fünften (XH3), sechsten (H2X) und siebten (HX) Hauptgruppen in Graphiken aufgetragen (Abb. 2-4). Schmelzpunkte Siedepunkte 100 100 °C Verbindungen der 4. Hauptgruppe Verbindungen der 5. Hauptgruppe Verbindungen der 6. Hauptgruppe Verbindungen der 7. Hauptgruppe 50 H2O °C 50 HF H2O 0 NH3 H2S HF HCl HBr -50 NH3 HI SbH3 -100 CH4 SiH4 2 3 H2S AsH3 HCl HBr PH3 GeH4 HI SnH4 SiH4 AsH3 PH3 -150 SbH3 H2Se H2Te H2Se -50 -100 H2Te 0 SnH4 -150 CH4 GeH4 -200 -200 Periode 4 5 2 3 Periode 4 5 Abb. 2-4. Graphische Darstellung der Schmelz- und Siedepunkte der Wasserstoffverbindungen mit den Elementender Hauptgruppen vier bis sieben. E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch 3/7 Die x-Achse gibt die Periode der Elemente wieder. Die Verbindungen werden von links nach rechts grösser und daher schwerer. Folglich ist eine Zunahme der Schmelz- und Siedepunkte innerhalb einer Hauptgruppe von links nach rechts zu erwarten. Für die vierte Hauptgruppe (CH 4, SiH4, GeH4, SnH4) wird diese Zunahme tatsächlich beobachtet. Das vorausgesehene Verhalten ist für die weiteren drei Hauptgruppen auch fast perfekt vorhanden. In den Graphiken erscheint jedoch in jeder dieser Hauptgruppen eine klare Ausnahme: NH 3 bei der fünften, H2O bei der sechsten und HF bei der siebten Hauptgruppe zeigen ausserordentlich hohe Schmelz- und Siedepunkte. Für diese drei Verbindungen können wir ihren theoretischen „normalen“ Schmelz- und Siedepunkt abschätzen, indem wir das ziemlich lineare Verhalten der anderen Wasserstoffverbindungen ihrer Gruppe extrapolieren: Verlängern wir die „Gerade“ von SbH 3 über AsH3 zu PH3, würde für NH3 ein Schmelzpunkt von ca. -150°C und ein Siedepunkt von ca. -120°C erwartet werden. Tatsächlich schmilzt (-78°C) und siedet (-33°C) Ammoniak viel höher. Verlängern wir die „Gerade“ von H2Te über H2Se zu H2S, würde für H2O ein Schmelzpunkt von ca. -120°C und ein Siedepunkt von ca. -100°C erwartet werden. Tatsächlich schmilzt (0°C) und siedet (100°C) Wasser sehr viel höher. Verlängern wir die „Gerade“ von HI über HBr zu HCl, würde für HF ein Schmelzpunkt von ca. 150°C und ein Siedepunkt von ca. -120°C erwartet werden. Tatsächlich schmilzt (-83°C) und siedet (20°C) Fluorwasserstoff viel höher. Wie werden diese riesigen Unterschiede erklärt? Damit eine Substanz schmilzt, müssen die Gitterkräfte gespalten werden, was Energie benötigt. Je grösser die Gitterkräfte, desto mehr Energie (Wärme) ist nötig und desto höher wird der Schmelzpunkt. Analog dazu müssen beim Siedepunkt die Kohäsionskräfte gespalten werden, was auch Energie braucht. Je grösser die Kohäsionskräfte, desto mehr Energie (Wärme) ist nötig und desto höher wird der Siedepunkt. Die abnormal hohen Schmelz und Siedepunkte von NH 3, H2O und HF können nur mit speziellen, zusätzlichen zwischenmolekularen Wechselwirkungen erklärt werden. Die Elemente Stickstoff (N), Sauerstoff (O) und Fluor (F) besitzen alle eine sehr hohe Elektronegativität und einen kleinen Atomradius (sie befinden sich in der zweiten Periode) und wirken deshalb stark polarisierend. Die kovalente Bindung zwischen di esen Elementen und Wasserstoff, welches im Vergleich eine kleine Elektronegativität besitzt, ist kurz und stark polar. Daraus folgt eine grosse positive Partialladung, die auf dem winzigen Wasserstoffatom lokalisiert ist. Die Partialladung kann nun mit einem freien negativ geladenen Elektronenpaar von Stickstoff, Sauerstoff oder Fluor in Wechselwirkung kommen: - N + - H N - O + - H - O + F H - F Diese besondere elektrostatische Anziehungskraft wird als Wasserstoffbrücke (H-Brücke) bezeichnet und wie folgt definiert: Wasserstoffbrücken sind Bindungen, die zwischen einem entweder mit Stickstoff (N), Sauerstoff (O) oder Fluor (F) gebundenen Wasserstoffatom und einem freien Elektronenpaar einer dieser drei Elemente erscheinen. Im Vergleich zu kovalenten Bindungen sind Wasserstoffbrücken klar schwächer: die Bindungsenergie einer Wasserstoffbrücke zwischen Wasserstoff und Sauerstoff beträgt nur etwa 4% der Energie einer kovalenten OH-Bindung. Wenn wir alle möglichen H-Brücken in einem Wassermolekül betrachten, ist dieses Molekül wieder ein Sonderfall: O H + + H H - + H H - O + H O H O O H H H E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch 4/7 Jedes Wassermolekül besitzt zwei „aktive“ (bei den H +) und zwei „passive“ (bei den freien Elektronenpaaren des Sauerstoffs) Stellen für H-Brücken. Aktive und passive Stellen stehen in einem 1:1 Verhältnis zueinander. Das bedeutet, dass jedes Wasserstoffatom jedes Moleküls eine Wasserstoffbrücke bilden kann. Anders gesagt besitzen alle Moleküle einer Wasserprobe die Möglichkeit, vier H-Brücken zu bilden, was im festen Zustand erreicht wird. Im Vergleich sind NH 3- und HF-Moleküle für die Bildung von möglichst vielen H-Brücken nicht so gut aufgebaut wie Wasser. Im NH3 sind drei aktive (H +) aber nur eine passive (freies Elektronenpaar des Stickstoffs) Stellen für H-Brücken. In einer Portion Ammoniak kann jedes Molekül deswegen nur 2 H-Brücken machen. Im HF sind drei passive (freie Elektronenpaare des Fluors) aber nur eine aktive (H+) Stellen für H-Brücken. In Fluorwasserstoff kann - + N H H - + + F H H + jedes Molekül nur 2 H-Brücken machen. Temperatur (°C) Die ausserordentlich hohen Schmelz- und Siedepunkte von NH 3, H2O und HF folgen aus der der Anwesenheit von H-Brücken in diesen Verbindungen. Diese H-Brücken werden beim Schmelzen (teilweise) und Sieden (vollständig) getrennt, was zusätzliche Energie benötigt und die Schmelz - und Siedepunkte erhöht. Da Wasser die grösste Menge von H-Brücken pro Molekül bilden kann, ist die Erhöhung seines Schmelz- und besonders jene des Siedepunktes noch stärker ausgeprägt. Wenn Wasser keine Wasserstoffbrücken bilden würde, dann würde es keine Seen, keine Flüsse, keinen Regen und keine Körperflüssigkeiten auf der Erde geben! Nicht nur die Temperaturen der Aggregatzustandsänderungen (Schmelzen und Sieden) aber auch die Energien für diese Vorgänge sind im Wasser ungewöhnlich hoch. Schauen wir genau an, wie viel Energie nötig ist, wenn wir ein Gramm Eis zu Wasserdampf umwandeln wollen (Abb. 2-5). Wasserdampf Wasser Wasser und Wasserdampf 100 Abb. 2-5. Temperaturen und Energien der Aggregatzustandsänderungen von Wasser. Eis und Wasser 0 Eis 335 J 418,6 J 2256 J Wärme Bei 0 °C schmilzt der Eiswürfel. Die Energie während des Schmelzens wird nur gebraucht, um die Kohäsionskräfte (Gitterkräfte) zu zerstören. Deswegen bleibt die Temperatur bei genau 0°C. Erst wenn das gesamte Eis zu flüssigem Wasser geworden ist, steigt die Temperatur wieder an. Aus der Graphik ist klar zu erkennen, dass es fast gleich viel Energie braucht, um das Eis zu schmelzen (335 J/g), wie das Wasser von 0°C auf 100°C zu erwärmen (419 J/g)! Bei 100°C siedet das Wasser. Hier wird die Energie während des Siedens wieder nur gebraucht, um die Kohäsionskräfte zu zerstören. Auch wenn die Temperatur unverändert bleibt (100°C), benötigt das Verdampfen über fünfmal mehr Energie (2256 J/g), als das Erwärmen bis zu dieser Temperatur. Es ist bekannt, dass eine Verbrennung mit Wasserdampf viel schlimmer ist als eine mit heissem Wasser. Die Erklärung liegt nun auf der Hand. Bei gleicher Temperatur (100°C) enthält der Wasserdampf unglaublich viel mehr Energie. Beim Kontakt mit der Haut werden die Dämpfe zunächst kondensieren und setzen somit all die Verdampfungsenergie (2256 J/g) wieder frei, was schwere E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch 5/7 Verbrennungen verursacht. Danach wird noch eine im Vergleich kleine Menge Energie beim Abkühlen bis zur Körpertemperatur freigesetzt (ca. 250 J/g). Mit heissem Wasser wird "nur" dieser Beitrag an die Haut abgegeben… Abgesehen von den Verbrennungen mit Wasserdampf ist die hohe Verdampfungsenergie von Wasser eine für den Menschen günstige Eigenschaft. Sobald unsere Körpertemperatur zu hoch wird, beginnen wir zu schwitzen. Die nachfolgende Verdunstung dieses Schweisses verbraucht Wärme, die aus de m Körper genommen wird. Auf diese Weise wird die Körpertemperatur abnehmen. Dieses Phänomen wirkt im Sommer beim Baden besonders stark: Wenn man aus dem Schwimmbecken steigt, verdunstet das Wasser auf der Haut – dies geschieht besonders schnell, wenn es windig ist – und kühlt den Körper merklich ab? 4 Dichte von Wasser Wasser unterscheidet sich bei der Dichteänderung in Abhängigkeit der Temperatur deutlich von anderen Stoffen. Für die meisten Substanzen nimmt die Dichte mit steigender Temperatur stetig ab. Beim Schmelzen gibt es eine sprunghafte Abnahme der Dichte. Daher sind Festkörper schwerer als ihre Schmelze und gehen unter. Beim Sieden (100°C, 1 bar Druck) nimmt die Dichte ebenfalls schlagartig ab, d.h. von 958,35 kg/dm 3 (flüssig) auf 0,59 kg/dm 3 (gasförmig). Die Anomalie des Wassers: beim Abkühlen nimmt die Dichte zunächst, wie bei anderen Stoffen, mit abnehmender Temperatur zu (Abb. 2-6). Vergrösserung 1000 1000 990 980 3 Dichte (Kg/dm ) Wasser Wasser 999 970 960 Eis 950 940 998 -5 930 0 4 5 10 Eis 920 -100 -50 0 4 50 100 Temperatur (°C) Abb. 2-6. Änderung der Dichte von Wasser von -100 bis +100 °C. Bei 4°C erreicht die Dichte des Wassers jedoch ein Maximum und nimmt von da an mit sinkender Temperatur wieder ab. Im Gegensatz zum Verhalten anderer Stoffe zeigt Wasser beim Gefrieren keine Zunahme seiner Dichte. Was beobachtet wird ist eine sprunghafte Abnahme der Dichte. Beim weiteren Abkühlen verhält sich Eis dann wieder normal (Zunahme der Dichte). Wenn Stoffe erstarren (Kristalle bilden), ordnen sich die Teilchen so, dass ihre Anziehungskräfte (Gitterkräfte) maximiert werden. Das wird meist erreicht, wenn die Teilchen so nah wie möglich nebeneinander angeordnet sind. Folglich wird Platz eingespart und die Dichte nimmt erheblich zu. Die Gitterkräfte im Eis sind fast ausschliesslich Wasserstoffbrücken. Beim Maximieren der Gitterkräfte müssen sich deswegen die Wassermoleküle so anordnen, dass die Wasserstoffatome eines Moleküls möglichst nahe an den Sauerstoffatomen benachbarter Moleküle angeordnet sind. Wenn jedes Wassermolekül tetraedrisch von vier weiteren Wassermolekülen umgeben ist, kann dieses Ziel erreicht werden (Abb. 2-7). E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch 6/7 Abb. 2-7. Anordnung der Wassermoleküle mit Wasserstoffbrücken (gelb) im Eis. In Abbildung 2-7 ist ersichtlich, dass dank dieser Geometrie jedes Sauerstoffatom durch kovalente Bindungen (weiss) an zwei Wasserstoffatome und durch Wasserstoffbrückenbindungen (gelb) an zwei weitere Wasserstoffatome gebunden ist. Diese Anordnung ist aber nur mit einer Entfernung der Moleküle voneinander vereinbar. Eis ist deshalb viel weniger dicht als Wasser. Auf dem Markt gibt es verschiedene Molekülbaukästen, mit deren Hilfe man die spezifische Anordnung der Wassermoleküle im Eis und die Wasserstoffbrückenbindungen anschaulich darstellen und verstehen kann (Abb. 2-8). Abb. 2-8. Modell von Eis mit einem Molekülbaukasten. Die maximale Dichte von Wasser bei 4°C - und nicht wie man logischerweise erwarten würde bei 0°C - wird mit der Bildung von Eis-Nanokristallen erklärt. Bei Temperaturen nahe am Schmelzpunkt beginnen sich winzige Bereiche zu bilden, die bereits die weniger dichte Eisstruktur übernommen haben. Ab ca. 4°C abwärts überwiegt dieser Effekt gegenüber der normalen Dichtezunahme durch die geringer werdende Molekülbewegung und die Dichte des Wassers nimmt ab. E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch 7/7 5 Wärmekapazität von Wasser Die Wärmekapazität eines Stoffes gibt an, wie viel Energie nötig ist, um die Temperatur von einem Gramm dieses Stoffes um ein Grad zu erhöhen. Vergleichen wir die Wärmekapazität alltäglicher Stoffe (Tabelle 2-1). Tabelle 2-1. Wärmekapazität alltäglicher Substanzen (bei 20 °C) Substanz Ammoniak (bei Sättigungsdruck) Wasser Schokolade Eis Holz Aluminium Glas Eisen Kupfer Silber Gold Wärmekapazität kJ 4,77 Kg C 4,187 3,140 2,06 1,7 0,896 0,6-0,8 0,439 0,381 0,234 0,130 Wasser besitzt eine der grössten Wärmekapazitäten. Es ist eine weitere Konsequenz der Wasserstoffbrücken in dieser Verbindung. Wo liegt zum Beispiel der Unterschied zwischen 1 g Eis bei 10°C und 1 g Eis bei -9°C? Dem Eis mussten 2,06 J zugegeben werden, um diesen Temperaturanstieg von 1°C zu erreichen. Wo ist diese Energie jetzt enthalten? Im festen Zustand besetzen die Teilchen eine bestimmte Stelle im Kristallgitter und können daher nur Schwingungen machen. Die Energiezufuhr bewirkt, dass die Teilchen im Eis bei -9°C stärker schwingen als bei -10°C. Im Wasser können sich die Teilchen zusätzlich innerhalb der Flüssigkeit bewegen. Wassermoleküle bei 21°C schwingen stärker und bewegen sich vor allem schneller als bei 20°C. Die Temperatur ist also ein Mass der Schwingungen und Bewegungen der Teilchen (in Feststoffen können die Teilchen nur schwingen). Wasserstoffbrücken behindern Schwingungen und Bewegungen. Will man nun die Beweglichkeit der Teilchen im Wasser erhöhen, dann muss sicher mehr Wärme zugegeben werden, als wenn man die gleiche Beweglichkeitserhöhung in einem vergleichbaren Stoff erhalten will, dessen Teilchen jedoch keine Wasserstoffbrücken bilden können. Eine der wenigen Substanzen, die eine höhere Wärmekapazität als Wasser besitzt, ist Ammoniak, welcher auch Wasserstoffbrücken bildet! Beide Verbindungen werden als Kälte- oder Kühlmittel gebraucht: zum Beispiel Ammoniak in Eislaufbahnen oder Wasser in Kraftwerken. E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie PHBern 2012, www.phbern.ch