1. BAROCK Andreas Gryphius (1616 – 1664) Einsamkeit In dieser Einsamkeit der mehr denn öden Wüsten, Gestreckt auf wildes Kraut, an die bemooste See: Beschau ich jenes Tal und dieser Felsen Höh', Auf welchem Eulen nur und stille Vögel nisten. Hier, fern von dem Palast; weit von des Pöbels Lüsten, Betracht ich, wie der Mensch in Eitelkeit vergeh’, Wie auf nicht festem Grund’ all unser Hoffen steh’, Wie die vor Abend schmähn, die vor dem Tag uns grüßten. Die Höhl', der raue Wald, der Totenkopf, der Stein, Den auch die Zeit auffrisst, die abgezehrten Bein Entwerfen in dem Mut unzählige Gedanken. Der Mauern alter Graus, dies ungebaute Land Ist schön und fruchtbar mir, der eigentlich erkannt, Dass alles, ohn’ ein’ Geist, den Gott selbst hält, muss wanken. 2. AUFKLÄRUNG Albrecht von Haller Unvollkommenes Gedicht über die Ewigkeit Ihr Wälder! wo kein Licht durch finstre Tannen strahlt Und sich in jedem Busch die Nacht des Grabes malt; Ihr hohlen Felsen dort! wo im Gesträuch verirret Ein trauriges Geschwärm einsamer Vögel schwirret; Ihr Bäche! die ihr matt in dürren Angern fließt Und den verlornen Strom in öde Sümpfe gießt; Erstorbenes Gefild und grausenvolle Gründe, O daß ich doch bei euch des Todes Farben fünde! O nährt mit kaltem Schaur und schwarzem Gram mein Leid! Seid mir ein Bild der Ewigkeit! Mein Freund ist hin! Sein Schatten schwebt mir noch vor dem verwirrten Sinn, Mich dünkt, ich seh sein Bild und höre seine Worte; Ihn aber hält am ernsten Orte, Der nichts zu uns zurücke läßt, Die Ewigkeit mit starken Armen fest. Kein Strahl vom Künftigen verstörte seine Ruh, Er sah dem Spiel der Welt noch heut geschäftig zu; Die Stunde schlägt, der Vorhang fällt, Und alles wird zu nichts, was ihm so würklich schien. Die dicke Nacht der öden Geister-Welt Umringt ihn jetzt mit schreckenvollen Schatten; Und die Begier ist, was er noch behält Von dem, was seine Sinnen hatten. Und ich? bin ich von höherm Orden? Nein, ich bin, was er war, und werde, was er worden; Mein Morgen ist vorbei, mein Mittag rückt mit Macht, Und eh der Abend kömmt, kann eine frühe Nacht, Die keine Hoffnung mehr zum Morgen wird versüßen, Auf ewig mir die Augen schließen. Furchtbares Meer der ernsten Ewigkeit! Uralter Quell von Welten und von Zeiten! Unendlichs Grab von Welten und von Zeit! Beständigs Reich der Gegenwärtigkeit! Die Asche der Vergangenheit Ist dir ein Keim von Künftigkeiten. Unendlichkeit! wer misset dich? Bei dir sind Welten Tag' und Menschen Augenblicke. Vielleicht die tausendste der Sonnen wälzt itzt sich, Und tausend bleiben noch zurücke. Wie eine Uhr, beseelt durch ein Gewicht, Eilt eine Sonn, aus Gottes Kraft bewegt; Ihr Trieb läuft ab und eine zweite schlägt, Du aber bleibst und zählst sie nicht. Der Sterne stille Majestät, Die uns zum Ziel befestigt steht, Eilt vor dir weg, wie Gras an schwülen Sommer-Tagen; Wie Rosen, die am Mittag jung Und welk sind vor der Dämmerung, Ist gegen dich der Angelstern und Wagen. Als mit dem Unding noch das neue Wesen rung Und, kaum noch reif, die Welt sich aus dem Abgrund schwung, Eh als das Schwere noch den Weg zum Fall gelernet Und auf die Nacht des alten Nichts Sich goß der erste Strom des Lichts, Warst du, so weit als itzt, von deinem Quell entfernet. Und wann ein zweites Nichts wird diese Welt begraben, Wann von dem alles selbst nichts bleibet als die Stelle, Wann mancher Himmel noch, von andern Sternen helle, Wird seinen Lauf vollendet haben, Wirst du so jung als jetzt, von deinem Tod gleich weit, Gleich ewig künftig sein, wie heut. Die schnellen Schwingen der Gedanken, Wogegen Zeit und Schall und Wind Und selbst des Lichtes Flügel langsam sind, Ermüden über dir und hoffen keine Schranken. Ich häufe ungeheure Zahlen, Gebürge Millionen auf; Ich wälze Zeit auf Zeit und Welt auf Welten hin, Und wann ich auf der March des Endlichen nun bin Und von der fürchterlichen Höhe Mit Schwindeln wieder nach dir sehe, Ist alle Macht der Zahl, vermehrt mit tausend Malen, Noch nicht ein Teil von dir; Ich tilge sie, und du liegst ganz vor mir. O Gott! du bist allein des Alles Grund! Du, Sonne, bist das Maß der ungemeßnen Zeit, Du bleibst in gleicher Kraft und stetem Mittag stehen, Du gingest niemals auf und wirst nicht untergehen, Ein einzig Itzt in dir ist Ewigkeit! Ja, könnten nur bei dir die festen Kräfte sinken, So würde bald, mit aufgesperrtem Schlund, Ein allgemeines Nichts des Wesens ganzes Reich, Die Zeit und Ewigkeit zugleich, Als wie der Ozean ein Tröpfchen Wasser, trinken. Vollkommenheit der Größe! Was ist der Mensch, der gegen dich sich hält! Er ist ein Wurm, ein Sandkorn in der Welt; Die Welt ist selbst ein Punkt, wann ich an dir sie messe. Nur halb gereiftes Nichts, seit gestern bin ich kaum, Und morgen wird ins Nichts mein halbes Wesen kehren; Mein Lebenslauf ist wie ein Mittags-Traum, Wie hofft er dann, den deinen auszuwähren? Ich ward, nicht aus mir selbst, nicht, weil ich werden wollte; Ein Etwas, das mir fremd, das nicht ich selber war, Ward auf dein Wort mein Ich. Zuerst war ich ein Kraut, Mir unbewußt, noch unreif zur Begier; Und lange war ich noch ein Tier, Da ich ein Mensch schon heißen sollte. Die schöne Welt war nicht für mich gebaut, Mein Ohr verschloß ein Fell, mein Aug ein Star, Mein Denken stieg nur noch bis zum Empfinden, Mein ganzes Kenntnis war Schmerz, Hunger und die Binden. Zu diesem Wurme kam noch mehr von Erdenschollen Und von des Mehles weißem Saft; Ein innrer Trieb fing an, die schlaffen Sehnen Zu meinen Diensten auszudehnen, Die Füße lernten gehn durch fallen, Die Zunge beugte sich zum Lallen, Und mit dem Leibe wuchs der Geist. Er prüfte nun die ungeübte Kraft, Wie Mücken tun, die, von der Wärme dreist, Halb Würmer sind und fliegen wollen. Ich starrte jedes Ding als fremde Wunder an; Ward reicher jeden Tag, sah vor und hinter heute, Maß, rechnete, verglich, erwählte, liebte, scheute, Ich irrte, fehlte, schlief und ward ein Mann! Itzt fühlet schon mein Leib die Näherung des Nichts! Des Lebens lange Last erdrückt die müden Glieder; Die Freude flieht von mir mit flatterndem Gefieder Der sorgenfreien Jugend zu. Mein Ekel, der sich mehrt, verstellt den Reiz des Lichts Und streuet auf die Welt den hoffnungslosen Schatten; Ich fühle meinen Geist in jeder Zeil ermatten Und keinen Trieb, als nach der Ruh! 3. EMPFINDSAMKEIT Friedrich Gottlieb Klopstock Frühlingsfeier Nicht in den Ozean der Welten alle Will ich mich stürzen! schweben nicht, Wo die ersten Erschaffnen, die Jubelchöre der Söhne des Lichts, Anbeten, tief anbeten! und in Entzückung vergehn! Nur um den Tropfen am Eimer, Um die Erde nur, will ich schweben, und anbeten! Halleluja! Halleluja! Der Tropfen am Eimer Rann aus der Hand, des Allmächtigen auch! Da der Hand des Allmächtigen Die größeren Erden entquollen! Die Ströme des Lichts rauschten, und Siebengestirne wurden, Da entrannest du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen! Da ein Strom des Lichts rauscht', und unsre Sonne wurde! Ein Wogensturz sich stürzte wie vom Felsen Der Wolk' herab, und den Orion gürtete, Da entrannest du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen! Wer sind die tausendmal tausend, wer die Myriaden alle, Welche den Tropfen bewohnen, und bewohnten? und wer bin ich? Halleluja dem Schaffenden! mehr wie die Erden, die quollen! Mehr, wie die Siebengestirne, die aus Strahlen zusammenströmten! Aber du Frühlingswürmchen, Das grünlichgolden neben mir spielt, Du lebst; und bist vielleicht Ach nicht unsterblich! Ich bin heraus gegangen anzubeten, Und ich weine? Vergieb, vergieb Auch diese Thräne dem Endlichen, O du, der seyn wird! Du wirst die Zweifel alle mir enthüllen, O du, der mich durch das dunkle Thal Des Todes führen wird! Ich lerne dann, Ob eine Seele das goldene Würmchen hatte. Bist du nur gebildeter Staub, Sohn des Mays, so werde denn Wieder verfliegender Staub, Oder was sonst der Ewige will! Ergeuß von neuem du, mein Auge, Freudenthränen! Du, meine Harfe, Preise den Herrn! Umwunden wieder, mit Palmen Ist meine Harf' umwunden! ich singe dem Herrn! Hier steh ich. Rund um mich Ist Alles Allmacht! und Wunder Alles! Mit tiefer Ehrfurcht schau ich die Schöpfung an, Denn Du! Namenloser, Du! Schufest sie! Lüfte, die um mich wehn, und sanfte Kühlung Auf mein glühendes Angesicht hauchen, Euch, wunderbare Lüfte, Sandte der Herr! der Unendliche! Aber jetzt werden sie still, kaum athmen sie. Die Morgensonne wird schwül! Wolken strömen herauf! Sichtbar ist, der komt, der Ewige! Nun schweben sie, rauschen sie, wirbeln die Winde! Wie beugt sich der Wald! wie hebt sich der Strom! Sichtbar, wie du es Sterblichen seyn kanst, Ja, das bist du, sichtbar, Unendlicher! Der Wald neigt sich, der Strom fliehet, und ich Falle nicht auf mein Angesicht? Herr! Herr! Gott! barmherzig und gnädig! Du Naher! erbarme dich meiner! Zürnest du, Herr, Weil Nacht dein Gewand ist? Diese Nacht ist Segen der Erde. Vater, du zürnest nicht! Sie komt, Erfrischung auszuschütten, Über den stärkenden Halm! Über die herzerfreuende Traube! Vater, du zürnest nicht! Alles ist still vor dir, du Naher! Rings umher ist Alles still! Auch das Würmchen mit Golde bedeckt, merkt auf! Ist es vielleicht nicht seelenlos? ist es unsterblich? Ach, vermöcht' ich dich, Herr, wie ich dürste, zu preisen! Immer herlicher offenbarest du dich! Immer dunkler wird die Nacht um dich, Und voller von Segen! Seht ihr den Zeugen des Nahen den zückenden Strahl? Hört ihr Jehova's Donner? Hört ihr ihn? hört ihr ihn, Den erschütternden Donner des Herrn? Herr! Herr! Gott! Barmherzig, und gnädig! Angebetet, gepriesen Sey dein herlicher Name! Und die Gewitterwinde? sie tragen den Donner! Wie sie rauschen! wie sie mit lauter Woge den Wald durchströmen! Und nun schweigen sie. Langsam wandelt Die schwarze Wolke. Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen, den fliegenden Strahl? Höret ihr hoch in der Wolke den Donner des Herrn? Er ruft: Jehova! Jehova! Und der geschmetterte Wald dampft! Aber nicht unsre Hütte! Unser Vater gebot Seinem Verderber, Vor unsrer Hütte vorüberzugehn! Ach, schon rauscht, schon rauscht Himmel, und Erde vom gnädigen Regen! Nun ist, wie dürstete sie! die Erd' erquickt, Und der Himmel der Segensfüll' entlastet! Siehe, nun komt Jehova nicht mehr im Wetter, In stillem, sanftem Säuseln Komt Jehova, Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens! 4. STURM UND DRANG Matthias Claudius Abendlied Der Mond ist aufgegangen, Die goldnen Sternlein prangen Am Himmel hell und klar; Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget Der weisse Nebel wunderbar. Wie ist die Welt so stille Und in der Dämmrung Hülle So traulich und so hold! Als eine stille Kammer, Wo ihr des Tages Jammer Verschlafen und vergessen sollt. Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen Und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, Die wir getrost belachen, Weil unsre Augen sie nicht sehn. Wir stolze Menschenkinder Sind eitel arme Sünder Und wissen gar nicht viel; Wir spinnen Luftgespinste Und suchen viele Künste Und kommen weiter von dem Ziel. Gott, laß uns dein Heil schauen, Auf nichts Vergänglichs trauen, Nicht Eitelkeit uns freun! Laß uns einfältig werden Und vor dir hier auf Erden Wie Kinder fromm und fröhlich sein! Wollst endlich sonder Grämen Aus dieser Welt uns nehmen Durch einen sanften Tod! Und, wenn du uns genommen, Laß uns in Himmel kommen, Du unser Herr und unser Gott! So legt euch denn, ihr Brüder, In Gottes Namen nieder; Kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott! mit Strafen, Und laß uns ruhig schlafen! Und unsern kranken Nachbar auch! Ludwig Hölty Frühlingslied Die Luft ist blau, das Tal ist grün, die kleinen Maienglocken blühn und Schlüsselblumen drunter; der Wiesengrund ist schon so bunt und malt sich täglich bunter. Drum komme, wem der Mai gefällt, und freue sich der schönen Welt und Gottes Vatergüte, die diese Pracht hervorgebracht, den Baum und seine Blüte. Johann Wolfgang von Goethe An den Mond Füllest wieder Busch und Tal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz; Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Über mein Geschick. Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh und trüber Zeit Wandle zwischen Freud und Schmerz In der Einsamkeit. Fließe, fließe, lieber Fluß! Nimmer werd ich froh, So verrauschte Scherz und Kuß, Und die Treue so. Ich besaß es doch einmal, Was so köstlich ist! Daß man doch zu seiner Qual Nimmer es vergißt! Rausche, Fluß, das Tal entlang, Ohne Rast und Ruh, Rausche, flüstre meinem Sang Melodien zu. Wenn du in der Winternacht Wütend überschwillst, Oder um die Frühlingspracht Junger Knospen quillst. Selig, wer sich vor der Welt Ohne Haß verschließt, Einen Freund am Busen hält Und mit dem genießt Was, von Menschen nicht gewußt Oder nicht bedacht, Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht. Auf dem See Und frische Nahrung, neues Blut Saug ich aus freier Welt; Wie ist Natur so hold und gut, Die mich am Busen hält! Die Welle wieget unsern Kahn Im Rudertakt hinauf, Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unserm Lauf. Aug, mein Aug, was sinkst du nieder? Goldne Träume, kommt ihr wieder? Weg, du Traum! so gold du bist; Hier auch Lieb und Leben ist. Auf der Welle blinken Tausend schwebende Sterne, Weiche Nebel trinken Rings die türmende Ferne; Morgenwind umflügelt Die beschattete Bucht, Und im See bespiegelt Sich die reifende Frucht. 5. KLASSIK Friedrich Schiller Der Spaziergang Sei mir gegrüßt, mein Berg mit dem röthlich strahlenden Gipfel! Sei mir, Sonne, gegrüßt, die ihn so lieblich bescheint! Dich auch grüß' ich, belebte Flur, euch, säuselnde Linden, Und den fröhlichen Chor, der auf den Ästen sich wiegt, Ruhige Bläue, dich auch, die unermeßlich sich ausgießt Um das braune Gebirg, über den grünenden Wald, Auch um mich, der, endlich entflohn des Zimmers Gefängniß Und dem engen Gespräch, freudig sich rettet zu dir. Deiner Lüfte balsamischer Strom durchrinnt mich erquickend, Und den durstigen Blick labt das energische Licht. Kräftig auf blühender Au erglänzen die wechselnden Farben, Aber der reizende Streit löset in Anmuth sich auf. Frei empfängt mich die Wiese mit weithin verbreitetem Teppich; Durch ihr freundliches Grün schlingt sich der ländliche Pfad. Um mich summt die geschäftige Bien', mit zweifelndem Flügel Wiegt der Schmetterling sich über dem röthlichten Klee. Glühend trifft mich der Sonne Pfeil, still liegen die Weste, Nur der Lerche Gesang wirbelt in heiterer Luft. Doch jetzt braust's aus dem nahen Gebüsch: tief neigen der Erlen Kronen sich, und im Wind wogt das versilberte Gras; Mich umfängt ambrosische Nacht; in duftende Kühlung Nimmt ein prächtiges Dach schattender Buchen mich ein. In des Waldes Geheimniß entflieht mir auf einmal die Landschaft, Und ein schlängelnder Pfad leitet mich steigend empor. Nur verstohlen durchdringt der Zweige laubigtes Gitter Sparsames Licht, und es blickt lachend das Blaue herein. Aber plötzlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald gibt Überraschend des Tags blendendem Glanz mich zurück. Unabsehbar ergießt sich vor meinen Blicken die Ferne, Und ein blaues Gebirg endigt im Dufte die Welt. Tief an des Berges Fuß, der gählings unter mir abstürzt, Wallet des grünlichten Stroms fließender Spiegel vorbei. Endlos unter mir seh' ich den Äther, über mir endlos, Blicke mit Schwindel hinauf, blicke mit Schaudern hinab. Aber zwischen der ewigen Höh' und der ewigen Tiefe Trägt ein geländerter Steig sicher den Wandrer dahin. Lachend fliehen an mir die reichen Ufer vorüber, Und den fröhlichen Fleiß rühmet das prangende Thal. Jene Linien, sieh! die des Landmanns Eigenthum scheiden, In den Teppich der Flur hat sie Demeter gewirkt. Freundliche Schrift des Gesetzes, des menschenerhaltenden Gottes, Seit aus der ehernen Welt fliehend die Liebe verschwand! Aber in freieren Schlangen durchkreuzt die geregelten Felder, Jetzt verschlungen vom Wald, jetzt an den Bergen hinauf Klimmend, ein schimmernder Streif, die Länder verknüpfende Straße; Auf dem ebenen Strom gleiten die Flöße dahin. Vielfach ertönt der Heerden Geläut' im belebten Gefilde, Und den Wiederhall weckt einsam des Hirten Gesang. Muntre Dörfer begrenzen den Strom, in Gebüschen verschwinden Andre, vom Rücken des Bergs stürzen sie gäh dort herab. Nachbarlich wohnet der Mensch noch mit dem Acker zusammen, Seine Felder umruhn friedlich sein ländliches Dach; Traulich rankt sich die Reb' empor an dem niedrigsten Fenster, Einen umarmenden Zweig schlingt um die Hütte der Baum. Glückliches Volk der Gefilde! Noch nicht zur Freiheit erwachet, Theilst du mit deiner Flur fröhlich das enge Gesetz. Deine Wünsche beschränkt der Ernten ruhiger Kreislauf, Wie dein Tagewerk, gleich, windet dein Leben sich ab! Aber wer raubt mir auf einmal den lieblichen Anblick? Ein fremder Geist verbreitet sich schnell über die fremdere Flur. Spröde sondert sich ab, was kaum noch liebend sich mischte, Und das Gleiche nur ist's, was an das Gleiche sich reiht. Stände seh' ich gebildet, der Pappeln stolze Geschlechter Ziehn in geordnetem Pomp vornehm und prächtig daher. Regel wird Alles, und Alles wird Wahl und Alles Bedeutung; Dieses Dienergefolg meldet den Herrscher mir an. Prangend verkündigen ihn von fern die beleuchteten Kuppeln, Aus dem felsigten Kern hebt sich die thürmende Stadt. In die Wildnis hinauß sind des Waldes Faunen verstoßen, Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein. Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen. Enger wird um ihn, Reger erwacht, es umwälzt rascher sich in ihm die Welt. Sieh, da entbrennen in feurigem Kampf die eifernden Kräfte, Großes wirket ihr Streit, Größeres wirket ihr Bund. Tausend Hände belebt ein Geist, hoch schläget in tausend Brüsten, von einem Gefühl glühend, ein einziges Herz, Schlägt für das Vaterland und glüht für der Ahnen Gesetze; Hier auf dem theuren Grund ruht ihr verehrtes Gebein. Nieder steigen vom Himmel die seligen Götter und nehmen In dem geweihten Bezirk festliche Wohnungen ein; Herrliche Gaben bescherend erscheinen sie: Ceres vor allen Bringet des Pfluges Geschenk, Hermes den Anker herbei, Bacchus die Traube, Minerva des Ölbaums grünende Reiser, Auch das kriegrische Roß führet Poseidon heran, Mutter Cybele spannt an des Wagens Deichsel die Löwen, In das gastliche Thor zieht sie als Bürgerin ein. Heilige Steine! Aus euch ergossen sich Pflanzen der Menschheit, Fernen Inseln des Meeres sandtet ihr Sitten und Kunst, Weise sprachen das Recht an diesen geselligen Thoren; Helden stürzten zum Kampf für die Penaten heraus. Auf den Mauern erschienen, den Säugling im Arme, die Mütter, Blickten dem Heerzug nach, bis ihn die Ferne verschlang. Betend stürzten sie dann vor der Götter Altären sich nieder, Flehten um Ruhm und Sieg, flehten um Rückkehr für euch. Ehre ward euch und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurücke; Eurer Thaten Verdienst meldet der rührende Stein: »Wandere, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest »Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.« Ruhet sanft, ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen, Grünet der Ölbaum, es keimt lustig die köstliche Saat. Munter entbrennt, des Eigenthums froh, das freie Gewerbe, Aus dem Schilfe des Stroms winkt der bläulichte Gott. Zischend fliegt in den Baum die Axt, es erseufzt die Dryade, Hoch von des Berges Haupt stürzt sich die donnernde Last. Aus dem Felsbruch wiegt sich der Stein, vom Hebel beflügelt; In der Gebirge Schlucht taucht sich der Bergmann hinab. Mulcibers Ambos tönt von dem Takt geschwungener Hämmer, Unter der nervigten Faust spritzen die Funken des Stahls. Glänzend umwindet der goldene Lein die tanzende Spindel, Durch die Saiten des Garns sauset das webende Schiff. Fern auf der Rhede ruft der Pilot, es warten die Flotten, Die in der Fremdlinge Land tragen den heimischen Fleiß; Andre ziehn flohlockend dort ein mit den Gaben der Ferne, Hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz. Siehe, da wimmeln die Märkte, der Krahn von fröhlichem Leben, Seltsamer Sprachen Gewirr braust in das wundernde Ohr. Auf den Stapel schüttet die Ernten der Erde der Kaufmann, Was dem glühenden Strahl Afrika's Boden gebiert, Was Arabien kocht, was die äußerste Thule bereitet, Hoch mit erfreuendem Gut füllt Amalthea das Horn. Da gebieret das Glück dem Talente die göttlichen Kinder, Von der Freiheit gesäugt, wachsen die Künste der Lust. Mit nachahmendem Leben erfreuet der Bildner die Augen, Und vom Meißel beseelt, redet der fühlende Stein. Künstliche Himmel ruhn auf schlanken jonischen Säulen, Und den ganzen Olymp schließet ein Pantheon ein. Leicht wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil von der Sehne, Hüpfet der Brücke Joch über den brausenden Strom. Aber im stillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel Sinnend der Weise, beschleicht forschend den schaffenden Geist, Prüfet der Stoffe Gewalt, der Magnete Hassen und Lieben, Folgt durch die Lüfte dem Klang, folgt durch den Äther dem Strahl, Sucht das vertraute Gesetz in des Zufalls grausenden Wundern, Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht. Körper und Stimme leiht die Schrift den stummen Gedanken, Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt. Da zerrinnt von dem wundernden Blick der Nebel des Wahnes, Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht. Seine Fesseln zerbricht der Mensch. Der Beglückte! Zerriss' er Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham! Freiheit ruft die Vernunft, Freiheit die wilde Begierde, Von der heil'gen Natur ringen sie lüstern sich los. Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der fluthende Strom; Ins Unendliche reißt er ihn hin, die Küste verschwindet, Hoch auf der Fluthen Gebirg wiegt sich entmastet der Kahn; Hinter Wolken erlöschen des Wagens beharrliche Sterne, Bleibend ist nichts mehr, es irrt selbst in dem Busen der Gott. Aus dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glauben und Treue Aus dem Leben, es lügt selbst auf der Lippe der Schwur. In der Herzen vertraulichsten Bund, in der Liebe Geheimniß Drängt sich der Sykophant, reißt von dem Freunde den Freund. Auf die Unschuld schielt der Verrrath mit verschlingendem Blicke, Mit vergiftetem Biß tödtet des Lästerers Zahn. Feil ist in der geschändeten Brust der Gedanke, die Liebe Wirft des freien Gefühls göttlichen Adel hinweg. Deiner heiligen Zeichen, o Wahrheit, hat der Betrug sich Angemaßt, der Natur köstlichste Stimmen entweiht, Die das bedürftige Herz in der Freude Drang sich erfindet; Kaum gibt wahres Gefühl noch durch Verstummen sich kund. Auf der Tribüne prahlet das Recht, in der Hütte die Eintracht, Des Gesetzes Gespenst steht an der Könige Thron. Jahre lang mag, Jahrhunderte lang die Mumie dauern, Mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn, Bis die Natur erwacht, und mit schweren, ehernen Händen An das hohle Gebäu rühret die Noth und die Zeit, Einer Tigerin gleich, die das eiserne Gitter durchbrochen, Und des numidischen Walds plötzlich und schrecklich gedenkt. Aufsteht mit des Verbrechens Wuth und des Elends die Menschheit Und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur. O, so öffnet euch, Mauern, und gebt den Gefangenen ledig! Zu der verlassenen Flur kehr' er gerettet zurück! Aber wo bin ich? Es birgt sich der Pfad. Abschüssige Gründe Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt. Hinter mir blieb der Gärten, der Hecken vertraute Begleitung, Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hände zurück. Nur die Stoffe seh' ich gethürmt, aus welchen das Leben Keimet, der rohe Basalt hofft auf die bildende Hand. Brausend stürzt der Gießbach herab durch die Rinne des Felsen, Unter den Wurzeln des Baums bricht er entrüstet sich Bahn. Wild ist es hier und schauerlich öd'. Im einsamen Luftraum Hängt nur der Adler und knüpft an das Gewölke die Welt. Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder Den verlorenen Schall menschlicher Mühen und Lust. Bin ich wirklich allein? In deinen Armen, an deinem Herzen wieder, Natur, ach! und es war nur ein Traum, Der mich schaudernd ergriff mit des Lebens furchtbarem Bilde; Mit dem stürzenden Thal stürzte der finstre hinab. Reiner nehm' ich mein Leben von deinem reinen Altare, Nehme den fröhlichen Muth hoffender Jugend zurück. Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig Wiederholter Gestalt wälzen die Thaten sich um. Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz! Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Händen dem Manne, Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling vertraut, Nährest an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter; Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter, Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt nach uns. 6. ROMANTIK Joseph von Eichendorff Sehnsucht Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht. Abschied O Täler weit, o Höhen, O schöner, grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächtger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saust die geschäftge Welt, Schlag noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Tun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte, schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Wards unaussprechlich klar. Bald werd ich dich verlassen, Fremd in der Fremde gehn, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird deines Ernsts Gewalt Mich Einsamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Mondnacht Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Frische Fahrt Laue Luft kommt blau geflossen, Frühling, Frühling soll es sein! Waldwärts Hörnerklang geschossen, Mutger Augen lichter Schein; Und das Wirren bunt und bunter Wird ein magisch wilder Fluß, In die schöne Welt hinunter Lockt dich dieses Stromes Gruß. Und ich mag mich nicht bewahren! Weit von euch treibt mich der Wind, Auf dem Strome will ich fahren, Von dem Glanze selig blind! Tausend Stimmen lockend schlagen, Hoch Aurora flammend weht, Fahre zu! Ich mag nicht fragen, Wo die Fahrt zu Ende geht! Heinrich Heine Loreley Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Und ruhig fließt der Rhein; Der Gipfel des Berges funkelt Im Abendsonnenschein. Die schönste Jungfrau sitzet Dort oben wunderbar, Ihr goldnes Geschmeide blitzet, Sie kämmt ihr goldnes Haar. Sie kämmt es mit goldnem Kamme, Und singt ein Lied dabey; Das hat eine wundersame, Gewaltige Melodey. Den Schiffer, im kleinen Schiffe, Ergreift es mit wildem Weh; Er schaut nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh'. Ich glaube, die Wellen verschlingen Am Ende Schiffer und Kahn; Und das hat mit ihrem Singen Die Loreley getan. 7. BIEDERMEIER Eduard Mörike Im Frühling Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel: Die Wolke wird mein Flügel, Ein Vogel fliegt mir voraus. Ach, sag' mir, alleinzige Liebe, Wo d u bleibst, dass ich bei dir bliebe! Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus. Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen, Sehnend, Sich dehnend In Liebe und Hoffen. Frühling, was bist du gewillt? Wann werd ich gestillt? Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss, Es dringt der Sonne goldner Kuss Mir tief bis ins Geblüt hinein; Die Augen, wunderbar berauschet, Tun, als schliefen sie ein, Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet. Ich denke dies und denke das, Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was: Halb ist es Lust, halb ist es Klage; Mein Herz, o sage, Was webst du für Erinnerung In golden grüner Zweige Dämmerung? - Alte unnennbare Tage! Die schoene Buche Ganz verborgen im Wald kenn ich ein Plaetzchen, da stehet Eine Buche, man sieht schoener im Bilde sie nicht. Rein und glatt, in gediegenem Wuchs erhebt sie sich einzeln, Keiner der Nachbarn ruehrt ihr an den seidenen Schmuck. Rings, soweit sein Gezweig der stattliche Baum ausbreitet, Gruenet der Rasen, das Aug still zu erquicken, umher; Gleich nach allen Seiten umzirkt er den Stamm in der Mitte; Kunstlos schuf die Natur selber dies liebliche Rund. Zartes Gebuesch umkraenzet es erst; hochstaemmige Baeume, Folgend in dichtem Gedraeng, wehren dem himmlischen Blau. Neben der dunkleren Fuelle des Eichbaums wieget die Birke Ihr jungfraeuliches Haupt schuechtern im goldenen Licht. Nur wo, verdeckt vom Felsen, der Fusssteig jaeh sich hinabschlingt, Laesset die Hellung mich ahnen das offene Feld. – Als ich unlaengst einsam, von neuen Gestalten des Sommers Ab dem Pfade gelockt, dort im Gebuesch mich verlor, Fuehrt' ein freundlicher Geist, des Hains auflauschende Gottheit, Hier mich zum erstenmal, ploetzlich, den Staunenden, ein. Welch Entzuecken! Es war um die hohe Stunde des Mittags, Lautlos alles, es schwieg selber der Vogel im Laub. Und ich zauderte noch, auf den zierlichen Teppich zu treten; Festlich empfing er den Fuss, leise beschnitt ich ihn nur. Jetzo gelehnt an den Stamm (er traegt sein breites Gewoelbe Nicht zu hoch), liess ich rundum die Augen ergehn, Wo den beschatteten Kreis die feurig strahlende Sonne, Fast gleich messend umher, saeumte mit blendendem Rand. Aber ich stand und ruehrte mich nicht; daemonischer Stille, Unergruendlicher Ruh lauschte mein innerer Sinn. Eingeschlossen mit dir in diesem sonnigen ZauberGuertel, o Einsamkeit, fuehlt ich und dachte nur dich! Um Mitternacht Gelassen stieg die Nacht ans Land, Lehnt traeumend an der Berge Wand, Ihr Auge sieht die goldne Waage nun Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn; Und kecker rauschen die Quellen hervor, Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Das uralt alte Schlummerlied, Sie achtets nicht, sie ist es mued; Ihr klingt des Himmels Blaeue suesser noch, Der fluechtgen Stunden gleichgeschwungnes Joch. Doch immer behalten die Quellen das Wort, Es singen die Wasser im Schlafe noch fort Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Nikolas Lenau Herbsgefühl Mürrisch braust der Eichenwald, Aller Himmel ist umzogen, Und dem Wandrer, rauh und kalt, Kommt der Herbstwind nachgeflogen. Wie der Wind zu Herbsteszeit Mordend hinsaust in den Wäldern, Weht mir die Vergangenheit Von des Glückes Stoppelfeldern. An den Bäumen, welk und matt, Schwebt des Laubes letzte Neige, Niedertaumelt Blatt auf Blatt Und verhüllt die Waldessteige; Immer dichter fällt es, will Mir den Reisepfad verderben. Daß ich lieber halte still, Gleich am Orte hier zu sterben. Wieder ist, wie bald! wie bald! Mir ein Jahr dahingeschwunden. Fragend rauscht es aus dem Wald: ›Hat dein Herz sein Glück gefunden?‹ Waldesrauschen, wunderbar Hast du mir das Herz getroffen! Treulich bringt ein jedes Jahr Welkes Laub und welkes Hoffen. Winternacht 1. Vor Kälte ist die Luft erstarrt, Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart; Nur fort, nur immer fortgeschritten! Wie feierlich die Gegend schweigt! Der Mond bescheint die alten Fichten, Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt, Den Zweig zurück zur Erde richten. Frost! friere mir ins Herz hinein, Tief in das heißbewegte, wilde! Daß einmal Ruh mag drinnen sein, Wie hier im nächtlichen Gefilde! 2. Dort heult im tiefen Waldesraum Ein Wolf; – wie's Kind aufweckt die Mutter, Schreit er die Nacht aus ihrem Traum Und heischt von ihr sein blutig Futter. Nun brausen über Schnee und Eis Die Winde fort mit tollem Jagen, Als wollten sie sich rennen heiß: Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen! Laß deine Toten auferstehn Und deiner Qualen dunkle Horden! Und laß sie mit den Stürmen gehn, Dem rauhen Spielgesind aus Norden! Anette von Droste-Hülshoff Im Grase Süße Ruh', süßer Taumel im Gras, Von des Krautes Arom umhaucht, Tiefe Flut, tief, tieftrunkne Flut, Wenn die Wolk' am Azure verraucht, Wenn aufs müde, schwimmende Haupt Süßes Lachen gaukelt herab, Liebe Stimme säuselt, und träuft Wie die Lindenblüt' auf ein Grab. Wenn im Busen die Toten dann, Jede Leiche sich streckt und regt, Leise, leise den Odem zieht, Die geschlossne Wimper bewegt, Tote Lieb', tote Lust, tote Zeit, All die Schätze, im Schutt verwühlt, Sich berühren mit schüchternem Klang Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt. Stunden, flüchtiger ihr als der Kuß Eines Strahls auf den trauernden See, Als des ziehenden Vogels Lied, Das mir niederperlt aus der Höh', Als des schillernden Käfers Blitz, Wenn den Sonnenpfad er durcheilt, Als der heiße Druck einer Hand, Die zum letzten Male verweilt. Dennoch, Himmel, immer mir nur, Dieses eine nur: für das Lied Jedes freien Vogels im Blau Eine Seele, die mit ihm zieht, Nur für jeden kärglichen Strahl Meinen farbigschillernden Saum, Jeder warmen Hand meinen Druck, Und für jedes Glück meinen Traum. 8. REALISMUS Conrad Ferdinand Meyer Auf Goldgrund Ins Museum bin zu später Stunde heut ich noch gegangen, Wo die Heilgen, wo die Beter Auf den goldnen Gründen prangen. Dann durchs Feld bin ich geschritten Heisser Abendglut entgegen, Sah, die heut das Korn geschnitten, Garben auf die Wagen legen. Um die Lasten in den Armen, Um den Schnitter und die Garbe Floss der Abendglut, der warmen, Wunderbare Goldesfarbe. Auch des Tages letzte Bürde, Auch der Fleiss der Feierstunde War umflammt von heilger Würde Stand auf schimmernd goldnem Grunde. Stapfen In jungen Jahren wars. Ich brachte dich Zurück ins Nachbarhaus, wo du zu Gast, Durch das Gehölz. Der Nebel rieselte, Du zogst des Reisekleids Kapuze vor Und blicktest traulich mit verhüllter Stirn. Nass ward der Pfad. Die Sohlen prägten sich Dem feuchten Waldesboden deutlich ein, Die wandernden. Du schrittest auf dem Bord, Von deiner Reise sprechend. Eine noch, Die längre, folge drauf, so sagtest du. Dann scherzten wir der nahen Trennung klug Das Angesicht verhüllend, und du schiedst, Dort wo der First sich über Ulmen hebt. Ich ging denselben Pfad gemach zurück, Leis schwelgend noch in deiner Lieblichkeit, In deiner wilden Scheu, und wohlgemut Vertrauend auf ein baldig Wiedersehn. Vergnüglich schlendernd, sah ich auf dem Rain Den Umriss deiner Sohlen deutlich noch Dem feuchten Waldesboden eingeprägt, Die kleinste Spur von dir, die flüchtigste, Und doch dein Wesen: wandernd, reisehaft, Schlank, rein, walddunkel, aber o wie süss! Die Stapfen schritten jetzt entgegen dem Zurück dieselbe Strecke Wandernden: Aus deinen Stapfen hobst du dich empor Vor meinem innern Auge. Deinen Wuchs Erblickt ich mit des Busens zartem Bug. Vorüber gingst du, eine Traumgestalt. Die Stapfen wurden jetzt undeutlicher, Vom Regen halb gelöscht, der stärker fiel. Da überschlich mich eine Traurigkeit: Fast unter meinem Blick verwischten sich Die Spuren deines letzten Gangs mit mir. Gottfried Keller Sommernacht Es wallt das Korn weit in die Runde Und wie ein Meer dehnt es sich aus; Doch liegt auf seinem stillen Grunde Nicht Seegewürm noch andrer Graus; Da träumen Blumen nur von Kränzen Und trinken der Gestirne Schein, O goldnes Meer, dein friedlich Glänzen Saugt meine Seele gierig ein! In meiner Heimat grünen Talen, Da herrscht ein alter schöner Brauch: Wann hell die Sommersterne strahlen, Der Glühwurm schimmert durch den Strauch, Dann geht ein Flüstern und ein Winken, Das sich dem Ährenfelde naht, Da geht ein nächtlich Silberblinken Von Sicheln durch die goldne Saat. Das sind die Bursche jung und wacker, Die sammeln sich im Feld zuhauf Und suchen den gereiften Acker Der Witwe oder Waise auf, Die keines Vaters, keiner Brüder Und keines Knechtes Hilfe weiss – Ihr schneiden sie den Segen nieder, Die reinste Lust ziert ihren Fleiss. Schon sind die Garben festgebunden Und rasch in einen Ring gebracht; Wie lieblich flohn die kurzen Stunden, Es war ein Spiel in kühler Nacht! Nun wird geschwärmt und hell gesungen Im Garbenkreis, bis Morgenluft Die nimmermüden braunen Jungen Zur eignen schweren Arbeit ruft. Theodor Storm Abseits Es ist so still; die Heide liegt Im warmen Mittagssonnenstrahle, Ein rosenroter Schimmer fliegt Um ihre alten Gräbermale; Die Kräuter blühn; der Heideduft Steigt in die blaue Sommerluft. Laufkäfer hasten durchs Gesträuch In ihren goldnen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelheide Glöckchen, Die Vögel schwirren aus dem Kraut – Die Luft ist voller Lerchenlaut. Ein halbverfallen niedrig Haus Steht einsam hier und sonnbeschienen; Der Kätner lehnt zur Tür hinaus, Behaglich blinzelnd nach den Bienen; Sein Junge auf dem Stein davor Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr. Kaum zittert durch die Mittagsruh Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten; Dem Alten fällt die Wimper zu, Er träumt von seinen Honigernten. – Kein Klang der aufgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit. 9. NATURALISMUS Julius Hart Berlin Endlos ausbreitest du, dem grauen Ocean gleich Den Riesenleib; in dunkler Ferne stoßen Die Zinnen deiner Mauern ins Gewölk, und bleich Und schattenhaft verschwimmen in der großen Und letzten Weite deine steinigen Massen. Weltstadt, zu Füßen mir! dich grüßt mein Geist Zehntausend Mal, und wie ein Sperber kreist Mein Lied wirr über dich hin, berauscht vom Rauch Und Athem deines Mundes: Sei gegrüßt du, sei gegrüßt! 's ist Sommermittagszeit, und leuchtende Fluth Strömt aus den Himmeln über dich; rings blitzen Und flammen deine Mauern, und in weißer Gluth Erglühn die Dächer und der Thürme Spitzen, Und helle Wolken Staubs, die aus den Tiefen steigen. Gleich einem glüh'nden Riesenkessel liegst du, – Brand Dein Athem! Feuer dein weitfließendes Gewand! Starr, unbewegt, gleich wie ein Felsenmeer, Das nackt mit weißen Rippen aus der Wüste steigt. Erstorben scheinst du, doch du bist es nicht, Erzittert nicht die Luft vom dumpfen Toben Des Meeres, das in deinem Schlund sich bricht Und wühlt und brandet, wie vom Sturm durchstoben Und donnernd tausend Schiffe zusammenschleudert?! Wild gellt der Schrei der Schiffer Tag und Nacht Durch Licht und Nebeldunst, und ewig tost die Schlacht Zu deinen Tiefen; trümmerübersät, Von bleichen Knochen starrt dein dunkler Grund ringsum. Schäum auf, du wilde Fluth und tose an, Die du zerreißend hinfegst und mit gierigem Maule Zehntausende verschlingst; e i n Schrei und dann In dunklen Wirbeln schwemmst du alles Faule Und Schwache tief hinab in deinen Abgrund . . . Dich rührt kein Weinen und kein heiß Gebet, Der Klagenden Geschrei lautlos verweht In deiner Brandung Donnern, aber sanft Und weich umschmeichelst zärtlich du des Starken Fuß. Du ström in meinen Busen deinen Geist, Gieß deine rauhe Kraft in meine Glieder, . . . Gewaltig faßt's an meine Seele, reißt In deiner Schlachten wirr Gedräng mich nieder, Wo Schwert und Lanze auf die Brust mir fahren . . . Erstick die Thräne und den Klagelaut, Der feig von meinen Lippen sonst gethaut, Den Becher trüben Weins, der nur zu lang Die Zeit berauschte, werf' ich heut in deine Fluth. Grämliche Weisheit, die in unsre Brust Den Giftpfeil stößt und uns als Schuldgeborne Ewigverdammte zeichnet, unsre Lust Und Schaffen mordet und gleichwie Verlorne Verachtet macht, hier will ich ihrer lachen. Aus deinen düstren Mauern, Weltstadt, reckt Ein Geist sich mächtig auf und streckt Die Hand gewaltig aus und deiner Fluth Gesang stürmt mir ins Ohr ein bess'res Schlachtenlied. Dich fühl' ich, Menschengeist, dein Schatten steht Gewaltig über der Stadt lichtglüh'nden Mauern, Ich fühl es, wie dein Odem mich umweht Und mich durchrinnt gleich heiligen Liebesschauern, – Gewitter rollen auf, die Sinne dunkeln: Schlachtruf durchgellt die Luft, der Himmel bricht, Durch schwarze Wolken führt ein feurig Licht, Und bleiche Schatten fliehn, ein Antlitz blutbeströmt, Und dort ein anderes versinkt in Nacht. Dich, Kraft, besing' ich, die Natur du zwingst In deinen Dienst, und dumpfen Sinnesträumen, Des Fleisches todtem Kerker uns entringst, – Du Kraft, laß alle meine Adern schäumen Von deinem warmen Blut . . . . Euch Alle sing ich, Arbeiter, Krieger, die der Menschheit Baum Mit ihrem Schweiß und mit dem heiligen Schaum Des Blutes düngen . . . Singen will ich den Kampf Der Menschenkraft mit dir Natur, Fleisch, Staub und Tod. 10. MODERNE Rainer Maria Rilke Aus einem April Wieder duftet der Wald. Es heben die schwebenden Lerchen mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war; zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war,aber nach langen, regnenden Nachmittagen kommen die goldübersonnten neueren Stunden, vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten alle die wunden Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen. Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz in die glänzenden Knospen der Reiser. Herbsttag Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin, und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. Der Panther Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf — Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille — und hört im Herzen auf zu sein. Hugo von Hoffmansthal Vorfrühling Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn. Er hat sich gewiegt, Wo Weinen war, Und hat sich geschmiegt In zerrüttetes Haar. Er schüttelte nieder Akazienblüten Und kühlte die Glieder, Die atmend glühten. Lippen im Lachen Hat er berührt, Die weichen und wachen Fluren durchspürt. Er glitt durch die Flöte, Als schluchzender Schrei, An dämmernder Röte Flog er vorbei. Er flog mit Schweigen Durch flüsternde Zimmer Und löschte im Neigen Der Ampel Schimmer. Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn. Durch die glatten Kahlen Alleen Treibt sein Wehn Blasse Schatten Und den Duft, Den er gebracht, Von wo er gekommen Seit gestern Nacht. 11. EXPRESSIONISMUS Ferdinand Hardekopf Baum Zerdachter Turm, Runenfels, Furchensäule, Gerieftes Bewußtsein: Wagst Weite und Wolken, wie du willst, Dich splitternd in die Nuancen, In die Scheine deiner Dunkelheit. Welchem Geiste gelänge solche Verzweigung, Welcher Weisheit solche Verästelung, Welchem Raffinement solche Zerblätterung? Baum! In zitternde Strahlen zerlegst du Deine Nervosität. Aber deine Äste leimt zart Sphärenblauer Eiter des Mittags, zerschichtet von den kupfer-goldnen Telegraphenhaaren der Spinne. Sehr absichtlich trägst du Epheu, modernes Moos und die auffallende Lyrik einiger Vögel. ... Doch, bitte, Bäume dich, Und wehre dem Einkleid, Zu bedrohen Deine Differenciation. Georg Trakl Vordtadt im Föhn Am Abend liegt die Stätte öd und braun, Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen. Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen –Und Spatzen flattern über Busch und Zaun. Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut, In Gärten Durcheinander und Bewegung, Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung, In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid. Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor. In Körben tragen Frauen Eingeweide, Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude, Kommen sie aus der Dämmerung hervor. Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter. Die Föhne färben karge Stauden bunter, Und langsam kriecht die Röte durch die Flut. Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt. Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben, Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben, Die mit den warmen Winden steigt und sinkt. Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen, Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern. Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern Und manchmal rosenfarbene Moscheen. August Stramm Vorfrühling Pralle Wolken jagen sich in Pfützen Aus frischen Leibesbrüchen schreien Halme Ströme Die Schatten stehn erschöpft. Auf kreischt die Luft Im Kreisen, weht und heult und wälzt sich Und Risse schlitzen jählings sich Und narben Am grauen Leib. Das Schweigen tappet schwer herab Und lastet! Da rollt das Licht sich auf Jäh gelb und springt Und Flecken spritzen – Verbleicht Und Pralle Wolken tummeln sich in Pfützen. Alfred Lichtenstein Sommerfrische Der Himmel ist wie eine blaue Qualle. Und rings sind Felder, grüne Wiesenhügel – Friedliche Welt, du große Mausefalle, entkäm ich endlich dir .. O hätt ich Flügel – Man würfelt. Säuft. Man schwatzt von Zukunftsstaaten. Ein jeder übt behaglich seine Schnauze. Die Erde ist ein fetter Sonntagsbraten, hübsch eingetunkt in süße Sonnensauce. Wär doch ein Wind .. zerriß mit Eisenklauen die sanfte Welt. Das würde mich ergötzen. Wär doch ein Sturm .. der müßt den schönen blauen ewigen Himmel tausendfach zerfetzen. Trüber Abend Der Himmel ist verheult und melancholisch. Nur fern, wo seine faulen Dünste platzen, Gießt grüner Schein herab. Ganz diabolisch Gedunsen sind die Häuser, graue Fratzen. Vergilbte Lichter fangen an zu glänzen. Mit Frau und Kindern döst ein feister Vater. Bemalte Weiber üben sich in Tänzen. Verzerrte Mimen schreiten zum Theater. Spaßmacher kreischen, böse Menschenkenner: Der Tag ist tot ... Und übrig bleibt ein Name! In Mädchenaugen schimmern kräftge Männer. Zu der Geliebten sehnt sich eine Dame. Oskar Loerke Die Einzelpappel Karfreitag. Abend. Gelbes Dukel. Stiemen. Der Wind stürzt hin, springt auf in wüstem Irren. Die Grenzen, Wege zieh´n wie Peitschenstriemen. Darüber stehn wie eiternde Geschwüre Die Wolken. Drin klafft, wie wenn er ewig bluten werde, Ein wunder Spalt von roter Fieberfarbe, Und einen schwarzen Finger reckt die Erde, Der zitternd wühlt und umrührt in der Narbe. Hilf mir, ich lasse dich nicht! Fern heult es weh wie hohles Hundejammern. Ein lila Dunkel wirbelt aus den Schollen. Der Laut haust in der Erde Herzenskammern, Darin die Wurzeln frieren und die Knollen. Hilf mir! Hilf mir! Schon Nacht. Nichts mehr als Sturm. Narr ich! Ich darbe Nach Licht, nur ich! Ich bin der Schrei: Licht, werde! Ich bin der Finger in der Feuernarbe Und gebe meine Qual der ganzen Erde: Hilf mir!