Grammatikbehandlung im schulischen Russi[...]

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Grammatikbehandlung im schulischen Russischunterricht
Die grammatischen Mittel (Wortformen, Funktionswörter, Wortfügungen, Satzstrukturen,
Satzverflechtungs- und Textverknüpfungsmittel) und die grammatischen Operationen des
Erkennens bzw. Reproduzierens sowie rezeptiven bzw. produktiven Kombinierens der
grammatischen Mittel bilden den sprachpraktischen, das Regelwerk ihres natürlichen
Funktionierens im Prozess der sprachlichen Verständigung und die grammatischen Termini
den sprachtheoretischen Aspekt des grammatischen Stoffes. Fremdsprachige Kommunikation
ohne Aneignung von Grammatik ist für Lernende außerhalb des Geltungsbereichs einer
Zielsprache folglich nur mit Einschränkungen und auf einer nur sehr geringen
Entwicklungsstufe der Sprachausübung vorstellbar. Die Grammatikvermittlung und aneignung bildet immer ein notwendiges Zwischenstadium auf dem Weg der Entwicklung
kommunikativen Könnens, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie geht aus der
mitteilungsbezogenen Kommunikation und den sich daraus ableitenden kommunikativen
Zielen des Russischunterrichts hervor, fungiert im Prozess der Spracherlernung zeitweise als
eine Art Navigationssystem beim Generieren und Verstehen sprachlicher Äußerungen und
mündet schließlich wieder in die mitteilungsbezogene Kommunikation ein. Ihre dienende
Rolle ist darauf gerichtet, den Lernenden den Weg zur Erreichung der kommunikativen Ziele
des Russischunterrichts zu ebnen, ihnen dabei die nötige Hilfe und Anleitung zu geben, um
die Mittel der Zielsprache in ihren Strukturen, Funktionen und Bedeutungen schneller, besser
und dauerhafter verstehen und anwenden zu lernen. Dabei war, ist und wird es immer ein
wichtiges Anliegen des Russischunterrichts sein, das Verhältnis und die Gewichtung von
Grammatik und Kommunikation in Übereinstimmung mit den Lernzielen zu optimieren,
dabei sowohl jede Unterschätzung als auch Überschätzung systematischer
Grammatikbehandlung zu vermeiden.
Die Grammatik dient bei der Sprachvermittlung in ihrer rationalisierenden und ordnenden
Funktion als Orientierungsgrundlage und Handlungsanleitung dazu, um die Entwicklung der
praktischen Sprachbeherrschung solange angemessen zu organisieren und zu steuern, bis die
zunächst regelgeleiteten Operationen mit dem grammatischen Material zunehmend
automatisiert verlaufen. Diese Entwicklung vollzieht sich in einem Prozess, in dem sich der
Lernende anfangs noch sehr stark auf die Form bei notwendiger Beachtung des Inhalts
konzentriert, dann zunehmend der Inhalt in den Vordergrund seiner Betrachtung rückt, dabei
aber auch die Formgebung noch seine Aufmerksamkeit beansprucht, bis der Schüler sich
nahezu ausschließlich auf den Inhalt konzentrieren kann und die dafür notwendigen Formen
und Strukturen weitestgehend automatisiert hervorbringt bzw. ohne zu analysieren versteht.
Wichtige Triebkraft und Voraussetzung in diesem Lern- und Übungsprozess ist ein
ausgeprägtes Informations- bzw. Mitteilungsbedürfnis, das dazu beiträgt, dass die
Anwendungsbereitschaft der Lerngrammatik im Sprachvollzug ständig zunimmt.
Zur Bewältigung rezeptiver Hör- und Lesehandlungen müssen die Lernenden Form, Funktion
und Bedeutung grammatischer Mittel im Text erkennen, die Wortformen, Wortfügungen und
Satzstrukturen zueinander in Beziehung setzen, daraus jeweils größere Sinneinheiten
kombinieren und deren Inhalt verstehen können. Zur Sprachproduktion müssen sie darüber
hinaus diese sprachlichen Mittel beim Sprechen und Schreiben entsprechend der eigenen
Mitteilungsabsicht kontext- und situationsadäquat auswählen, reproduzieren und miteinander
zu jeweils größeren Sinneinheiten kombinieren können.
Eine wichtige Grundvoraussetzung, um die Lernenden zur Kommunikation in russischer
Sprache zu befähigen, sind Lehrpläne, die die für das Erreichen der kommunikativen Ziele
notwendigen grammatischen Lernstoffe in Abstimmung mit den zu behandelnden Themen,
Situationen und weiteren Sprachmitteln in der richtigen Dosierung zielgerecht auswählen, sie
über den gesamten Lernkurs auf die einzelnen Lernjahre möglichst ausgewogen verteilen und
folgerichtig anordnen.
Wie eine Analyse zahlreicher Lehrwerke für den schulischen Russischunterricht zeigt, ist es
für jeden Autor nach wie vor schwierig, der Auswahl, Verteilung und Anordnung der zu
behandelnden grammatischen Stoffe den Platz einzuräumen, den sie verdienen. Alles was die
Entwicklung eines ausbaufähigen kommunikativen Grundkönnens nachweislich fördert, was
dazu beiträgt, mit geringem Lernaufwand bei der Arbeit an der Grammatik einen möglichst
großen Zuwachs an kommunikativem Können zu erreichen, soll vermittelt und angeeignet
werden. Um dabei das richtige Maß zu finden, lohnt es, die Auswahl, Verteilung und
Anordnung der Lerngrammatik immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen.
In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage, ob die Lehrwerkautoren immer gut beraten
sind, wenn sie danach streben, bei ihren Entscheidungen über die Auswahl der zu
behandelnden grammatischen Stoffe den Vorgaben der Lehrpläne ohne Einschränkung zu
folgen. Oft sind diesem Streben schon durch die zum Teil nur schwer vergleichbare Anlage
und Strukturierung der Lehrpläne für Russisch in den einzelnen Bundesländern Grenzen
gesetzt. Deutsche Schulbuchverlage sehen sich allerdings schon deshalb dazu gezwungen,
weil andernfalls ihre Lehr- und Lernmaterialien in jenen Bundesländern nicht zugelassen
werden könnten, wo die eine oder andere dort geforderte grammatische Erscheinung im
Lehrwerk nicht behandelt wird. Sie berücksichtigen deshalb die grammatischen Lernstoffe der
jeweiligen Lern- bzw. Klassenstufe in den Lehrplänen aller Bundesländer möglichst ohne
Ausnahme. Die Verlage bieten in den Lehrwerken dazu passende Inhalte an, statt nur jene
grammatischen Stoffe, die tatsächlich für die Bewältigung der im jeweiligen Lehrwerk
behandelten Themen und Sachverhalte notwendig und dem Fassungsvermögen der jeweiligen
Zielpersonen angepasst sind, zur Behandlung im Unterricht auszuwählen und sich darauf zu
konzentrieren. Bei der zurzeit praktizierten Herangehensweise geschieht es eben, dass
grammatische Lernstoffe in einer Reihe von Fällen nur um des Lehrplans willen vermittelt,
aber eigentlich noch gar nicht benötigt werden. So werden aus diesem Grund z. B. im ersten
Lernjahr im neuen Lehrwerk «Конечно» des Klett Verlags außer dem Nominativ zusätzlich
der Genitiv und Präpositiv der Adjektive mit hartem Stammauslaut, die Possessivpronomen
его, её und их und die ersten nichtpräfigierten Verben der Fortbewegung eingeführt. In
anderen Lehrwerken wird auf eine Behandlung dieser Lernstoffe im ersten Lernjahr noch
verzichtet, ohne dass dadurch die Erreichung wichtiger kommunikativer Ziele für diese
elementare Lernstufe gefährdet scheint.
Da sich deutsche Schullehrpläne sowohl bei der Auswahl als auch in ihren Festlegungen zum
Beherrschungsgrad grammatischer Lernstoffe von Bundesland zu Bundesland mehr oder
weniger unterscheiden, da sie außerdem die Lernstoffe meistens auf jeweils zwei Lernjahre
verteilen, führt das zwangsläufig zur Überfütterung der Schüler mit Grammatik in einzelnen
Jahrgangsstufen. Es wird mehr Lerngrammatik als notwendig in vielen Lehrwerken angeboten
und im Unterricht behandelt. Die vorhandene Zeit wie auch der begrenzte Platz in den
Schülerbüchern und Arbeitsheften reichen folglich oft nicht aus, damit die Lernenden sich die
tatsächlich notwendigen grammatischen Stoffe so sicher aneignen können, dass bei ihnen die
grammatische Formgebung und Strukturierung sowie das Kombinieren des Sprachmaterials in
der freien Kommunikation weitgehend automatisiert verlaufen und sie sich bei der
Realisierung ihrer Verständigungsabsichten hauptsächlich auf den Inhalt ihrer Äußerungen
konzentrieren können.
Jedes Übermaß an grammatischem Lernstoff lässt viele Schüler die Beschäftigung mit der
Grammatik
zudem als zumindest fragwürdig, kommunikationsfern, theoretisch und
uninteressant erleben. Will man der Überfütterung der Schüler mit grammatischem Lernstoff
ernsthaft Einhalt gebieten, ist es m. E. zwingend erforderlich, für den Russischunterricht in
allen Bundesländern einheitlich angelegte und miteinander vergleichbare Lehrpläne
einzuführen, die untereinander kompatibel sein sollten. Zu einer solchen „Vereinheitlichung“,
die bundesweit den gegenseitigen Wechselbeziehungen der lexikalischen und grammatischen
Lernstoffe wenigstens bei deren Auswahl, Verteilung und Anordnung hinreichend Rechnung
trägt, gibt es m. E. keine Alternative. Wenn ein deutsches Bundesland dennoch auf eigenen
Schullehrplänen beharrt, kann es für die Fremdsprachen neben einheitlichen Regelungen, so
unbedingt zur Lerngrammatik, in engen Grenzen auch regional begründete unterschiedliche
Ziele und Inhalte für sich beanspruchen. Das kann überall dort begründet sein, wo z. B. die
Sprache als Nachbarsprache gelernt wird oder aber der Anteil der Immigranten, Exilanten
oder Asylbewerber einer bestimmten Nationalität besonders groß ist.
Mit bundesweit einheitlichen Regelungen in den Lehrplänen für den schulischen
Fremdsprachenunterricht bei der Auswahl, Verteilung und Anordnung der Lerngrammatik
wäre schon sehr viel erreicht. Doch allein dadurch ist die Gefahr der Überfütterung der
Schüler mit Grammatik noch nicht gebannt. Die Entscheidung, wie viel und was an
Lerngrammatik auf welcher Lernstufe wann in welcher Abfolge und mit welchem
Beherrschungsgrad zu vermitteln und anzueignen ist, muss in jedem Fall mit Augenmaß
getroffen werden. Dabei geht es darum, nicht zu früh, aber auch nicht zu spät nur soviel an
Grammatik zu vermitteln, wie für die Erreichung der kommunikativen Unterrichtsziele
unbedingt notwendig, hinreichend und von den Lernenden real zu bewältigen ist.
Notwendig ist die systematische Behandlung vor allem derjenigen grammatischen Stoffe,
ohne die die auf der jeweiligen Lernstufe angestrebten kommunikativen Kompetenzen gar
nicht oder allein bei lexikalischer Vermittlung und Aneignung oft nur mit einem nicht
vertretbar hohen Aufwand realisierbar sind. Diese sollten sich aber in der Regel auf die
Bewusstmachung jener Formen, Strukturen, Bedeutungen und Funktionen beschränken, die
von den den Schülern aus der Mutter- oder einer gelernten Fremdsprache bereits bekannten
abweichen und mit deren Hilfe das geforderte sprachliche Können ohne Umwege effektiv und
erfolgreich zu entwickeln ist. Dabei hängen Zeitpunkt, Zielstellung, Inhalt und Methoden der
Behandlung grammatischer Lernstoffe u. a. davon ab,
- welche russischen Wortformen und Strukturen für die Bewältigung der jeweiligen
kommunikativen Ziele bereits bekannt bzw. neu zu vermitteln und anzueignen sind,
- auf wie viele den Schülern bereits bekannte Wörter und Wortkombinationen der jeweilige
grammatische Lernstoff anwendbar ist, was bedingt, dass z. B. die gebrauchshäufigeren
Singular- vor den nicht so oft verwendeten Pluralformen der Substantive und Adjektive
zu vermitteln sind, dass für die Aneignung und den Gebrauch der ersten 2-3
Imperativformen zur russischsprachigen Verständigung im Unterricht die Schaffung
eines lexikalischen Vorlaufs zunächst ausreicht, aber bei einer größeren Anzahl von
Imperativformen deren Bildungs- und Gebrauchsweise bewusstgemacht werden muss,
- ob zwischen alternativen Sprachmitteln gewählt werden kann, was zu entscheiden
erfordert, welche grammatische Erscheinung vor welcher erarbeitet wird und in welchem
Lernjahr das jeweils geschehen soll, ob z. B. für die Wiedergabe von als zunächst чем
oder der Vergleichsgenitiv eingeführt wird, ob sich für die Erarbeitung dieses Lernstoffes
mehr die Behandlung der deklinierten oder der nicht deklinierten Komparativformen
anbietet,
- ob die anzueignenden Sprachmittel und deren Gebrauch für die Entwicklung
kommunikativen Könnens in allen Sprachtätigkeiten oder wie z. B. die meisten
Partizipien und der Adverbialpartizipien nur für das Leseverstehen beherrscht werden
müssen,
- welche grammatischen Erscheinungen in Abhängigkeit von ihrer kommunikativen
Relevanz und methodischen Bedeutsamkeit im Lernprozess Basisstoffe und welche als
darauf aufbauende Stoffe sind, was zur Folge hat, dass z. B. die Deklination der
Adjektive mit hartem Stammauslaut als Basisstoff vor den Adjektivformen mit weichem
Stammauslaut erarbeitet und bei den Basisstoffen in der Regel induktiv-deduktiv, bei den
Aufbaustoffen aber deduktiv vorgegangen wird,
- welche Möglichkeiten des Transfers mutter- und fremdsprachlicher Erfahrungen der
Lernenden einerseits genutzt werden können und welche derartigen Interferenzwirkungen
andererseits beim Operieren mit den jeweiligen Sprachmitteln zurückgedrängt und
möglichst ganz ausgeschaltet werden müssen, was begründet, dass z. B. zuerst die
Possessivpronomen его, её und их und erst später das Possessivpronomen свой zu
behandeln ist.
Insbesondere schon im Anfangsunterricht müssen folgende Arten von grammatischen
Lernstoffen hinreichend bewusstgemacht und sicher angeeignet werden:
- Stoffe, die für die elementare Kommunikation vor allem in einfachen und einfach
erweiterten Sätzen unverzichtbar und nicht durch andere Sprachmittel kompensierbar
sind, wie z. B. die Grundparadigmen der e- und и-Konjugation und der I. und II.
Deklination der Substantive sowie die Regeln für die semantisch-syntaktischen
Gebrauchsweisen der Kasus,
- Stoffe, die eine Basisfunktion für andere, darauf aufbauende grammatische Lernstoffe
haben und das methodische Anfangsglied der Vermittlung analoger Regelmäßigkeiten
bilden, z. B. die formbildenden Morpheme der adjektivischen Singulardeklination mit
hartem Stammauslaut als Ableitungsbasis für Pronomen wie etwa какой, такой, каждый,
целый, любой, самый und die Grundmodelle für die unpersönlichen Satzkonstruktionen
etwa vom Typ Кому + надо/нужно/... + Infinitiv,
- Stoffe von hoher kommunikativer Relevanz, die in Form bzw. Struktur, Bedeutung
und/oder Funktion in der Ausgangs- und Zielsprache nicht übereinstimmen, damit nicht
von der einen auf die andere Sprache übertragbar sind und deshalb auch nicht lexikalisch
angeeignet werden können, so beispielsweise die vom Deutschen abweichende
Struktur der Wiedergabe von „haben“ im Russischen,
- Stoffe, die auf relativ viele vermittelte Wörter und Wörterkombinationen anwendbar sind,
sich folglich durch einen hohen Verallgemeinerungsgrad auszeichnen und eine stark
ausgeprägte rationalisierende Wirkung bei der Sprachaneignung haben, so z. B. der
Formenbestand der Verben,
- Stoffe, deren Bedeutungen, Strukturen und/oder Funktionen vor allem mithilfe der
Vorleistungen aus der Muttersprache bzw. aus dem Muttersprachunterricht zu erfassen
und zu verstehen sind, so beispielsweise die mit dem Deutschen übereinstimmenden
Kongruenzbeziehungen.
Erst später, auf fortgeschrittener Lernstufe können dann folgende grammatische Lernstoffe
behandelt werden:
- Stoffe mit einer relativ großen Interferenzwirkung, z. B. der Gebrauch des
Possessivpronomens свой und der Indefinitpronomen, der Aspekte im Imperativ,
Infinitiv und bei Verneinung,
- Stoffe von geringer kommunikativer Relevanz, z. B. die Deklination der Grundzahlwörter
und der Gebrauch der Bruchzahlwörter,
- Stoffe von geringer methodischer Bedeutsamkeit im Lernprozess, z. B. die Deklination
der Familiennamen und der Neutra auf –мя,
- Stoffe, die zu bereits bekannten Sprachmitteln alternativ verwendet und diesen in
bestimmten Sprachsituationen vorgezogen werden, z. B. die inoffizielle neben der
offiziellen Uhrzeitangabe,
- Stoffe, mit deren Hilfe sprachlich komplizierter strukturierte Sachverhalte ausgedrückt
werden können, als das in aller Regel im Anfangsunterricht möglich und notwendig ist,
so z. B. der Gebrauch der Partizipien und Adverbialpartizipien, die Wiedergabe einer
Reihe von adverbialen Beziehungen in Satzgefügen,
-
ein Teil der auf Basisstoffen, z. B. auf den Adjektiven mit hartem Stammauslaut,
aufbauenden Stoffen mit analogen Regelmäßigkeiten wie etwa die meisten adjektivisch
deklinierten Pronomen.
Grammatische Basisstoffe sollten größtenteils sprachtätigkeitsorientiert konzentrisch, darauf
aufbauende
Stoffe
sprachsystemorientiert
linear
angeordnet
werden.
Sprachtätigkeitsorientierte (funktionsbezogene) Konzentrik äußert sich im wiederholten,
komplettierenden Aufgreifen und Erweitern ganz bestimmter Kommunikationsgegenstände, situationen und –verfahren sowie in der Konzentration nur auf die für ihre Bewältigung
notwendigen syntaktischen Konstruktionen, lexikalischen Einheiten, morphologischen
Wortformen, Verknüpfungsregeln, -operationen usw. Dabei ist darauf zu achten, dass
Zusammengehöriges wie z. B. der unpersönliche Gebrauch von надо und нужно oder die
Demonstrativpronomen этот und тот nicht getrennt behandelt werden, denn die häufige
Umstellung auf andersartige Anforderungen wirkt sich erfahrungsgemäß nachteilig auf die
Lernergebnisse aus.
Sprachsystemorientiert linear ist
im
Unterschied zur
sprachtätigkeitsorientierten Konzentrik Stoff nur einer Sprachsystemebene angeordnet, z. B.
ein in sich geschlossener morpho-syntaktischer Stoffkomplex unter Beachtung seiner Spezifik
und des Bedingungsgefüges für seine Vermittlung und Aneignung als relativ vollständiges
System bzw. Teilsystem.
Verzichtet werden kann und sollte hingegen sowohl im Anfangsunterricht als auf
fortgeschrittener Stufe der allgemeinbildenden Schule auf die systematische Behandlung all
jener grammatischen Erscheinungen, die für die angestrebten kommunikativen Ziele
irrelevant und entbehrlich sind.
Hinreichend ist der vermittelte grammatische Stoff dann, wenn er die Lernmotivation der
Schüler genügend fördert und die Lernenden befähigt, alle notwendigen grammatischen
Operationen mit dem Sprachmaterial bei der Kommunikation korrekt auszuführen. Dazu
müssen die grammatischen Instruktionen (Regeln) so viel an konkreter Anleitung und Hilfe
wie nötig geben. Sie müssen
- an Vorkenntnissen aus der Mutter- und den gelernten Fremdsprachen anknüpfen,
- die Lernenden vor typischen Fehlern bewahren, indem sie auf spezielle Fehlerquellen
gezielt hinweisen,
- als Handlungsanleitung formuliert sein,
- auf die richtige Ausführung derjenigen Operationen mit dem Sprachmaterial
konzentrieren, die sich von entsprechenden Operationen insbesondere des deutschen und
englischen Sprachgebrauchs unterscheiden.
Die Übungen müssen
- so dosiert sein, dass nicht nur die Leistungsträger in der Klasse, sondern möglichst alle
Schüler über den gesamten Aneignungsprozess an der Erfassung, Einprägung und
Einübung der Lerngrammatik aktiv beteiligt sind,
- schwerpunktmäßig zur Ausführung derjenigen Operationen befähigen, deren Aneignung
den Schülern die größten Schwierigkeiten bereitet,
- nach Möglichkeit situativ und kommunikativ gestaltet sein, d. h. solche Sprachsituationen
zum Gegenstand haben, die für das Funktionieren der einzuübenden grammatischen
Erscheinung in der Kommunikation typisch sind.
Systematisierungen, nach Möglichkeit ebenfalls in Übungsform, müssen den Lernenden
helfen, die grammatischen Bedeutungen, Formen, Strukturen und/oder Funktionen in das
Sprachsystem einzuordnen und so deren dauerhaftes Einprägen zu unterstützen.
Damit die grammatischen Lernstoffe möglichst auch von allen Schülern zu bewältigen sind,
müssen sie so zielbezogen und adressatengerecht aufbereitet und präsentiert werden, dass sie
ihre Funktion als vollwertige Orientierungsgrundlage für die Erfassung, Einprägung und
Einübung der anzueignenden und letztlich zu automatisierenden grammatischen Operationen
optimal erfüllen können. Das gelingt erfahrungsgemäß immer dann am besten, wenn die
grammatischen Lernstoffe
- linguistisch korrekt und widerspruchsfrei,
- lernpsychologisch einfach, verständlich und einprägsam,
- lernmotivierend, emotional ansprechend, anschaulich und überschaubar,
- situativ-kommunikativ orientiert,
- bei Transfer- oder Interferenzwirkungen im Vergleich mit anderen Sprachen
in altersgemäßen Texten und Situationen, Mustern und Modellen, Übersichten und Tabellen,
Regeln und Merksätzen, Aufgaben- und Problemstellungen aufbereitet sind und entsprechend
dargeboten und geübt werden.
Dr.
Ulf
Borgwardt,
Wackerow
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