Biologie-Skript 11/12, Herr Blaurock 3. Energiefreisetzung durch Stoffabbau 3.1 Zusammenhang zwischen äußerer Atmung und Zellatmung Als wesentliches Merkmal aller Lebewesen wird oft die Atmung (respiration) aufgeführt. Beachtet man jedoch, dass die meisten Lebewesen keine Lungen besitzen (Beispiel Regenwurm) wird schnell deutlich, dass unser Begriff der Atmung (die Sauerstoffaufnahme über die Lungen) hier wohl nicht gemeint ist. Entscheidend für alle aeroben (Sauerstoff benötigenden) Organismen ist der Prozess der Zellatmung: Der Abbau von Glucose unter Sauerstoffverbrauch in den Körperzellen unter Erzeugung von ATP aus ADP + P. Glucose kommt hierbei die Aufgabe des Energielieferanten zu, der von autotrophen Organismen selber hergestellt wird (Beispiel: Pflanzen), von heterotrophen Organismen mit der Nahrung aufgenommen werden muss (Beispiel: Tiere). Das entstehende ATP liefert Energie für alle Köpervorgänge. Entscheidendes Zellorganell für den aeroben Glucoseabbau ist das Mitochondrion. Allgemeine Reaktionsgleichung der Zellatmung 6 O2 + C6H12O6 6 CO2 + 6 H2O Biologie-Skript 11/12, Herr Blaurock 3.2 Die Glycolyse Der erste Schritt des Glucoseabbaus läuft im Cytoplasma ab und wird als Gylcolyse bezeichnet. Dabei wird zunächst kein Sauerstoff verbraucht und kein Kohlenstoffdioxid erzeugt, sondern die Glucose zu einem Zwischenprodukt abgebaut: der Brenztraubensäure (auch Pyruvat genannt, ein C3-Molekül). Der Prozess der Glycolyse läuft, ähnlich wie die Dunkelreaktion der Photosynthese, über mehrere Zwischenstufen ab. In einem ersten Schritt werden auf das Glucosemolekül zwei Phosphatgruppen übertragen. Dabei werden zwei Moleküle ATP zu ADP umgewandelt. Das entstandene Zuckerphosphat zerfällt daraufhin in zwei C3-Moleküle, dem aus der Dunkelreaktion bekannten Phosphoglycerinaldehyd (PGA). Dieses wird zur energieärmeren Phosphyglycerinsäure (PGS) oxidiert, pro Molekül wird dabei ein NAD+ zu NADH + H+ umgewandelt und ein ATP aus ADP + P gebildet. Im letzten Schritt der Glycolyse entsteht schließlich aus PGS die energieärmere Brenztraubensäure, wobei ein weiteres Mal pro Molekül ein ATP entsteht. AB: Energiefreisetzung durch Stoffabbau: Der anaerobe Glucoseabbau Reaktionsgleichung der Glykolyse C6H12O6 + 2 (ADP + P) + 2 NAD+ 2 C3H4O3 + 2 ATP + 2 NADH + H+ Übrigens: Im Vergleich zur Fotosynthese wird hier als Elektronenaktzeptor NAD+ verwendet. Dies deutet bereits darauf hin, dass es sich bei der Glykolyse um eine Abbaureaktion handelt. Bei der Fotosynthese kommt der für Aufbaureaktionen typische Elektronenakzeptor NADP+ zum Einsatz. Biologie-Skript 11/12, Herr Blaurock 3.3 Anaerober Abbau der Brenztraubensäure durch Gärung Steht kein Sauerstoff für die Zellatmung zur Verfügung, endet die Energiegewinnung beim Glucoseabbau mit der Glycolyse. Das dabei entstandene ATP (2 Moleküle pro Glucosemolekül) kann für energieaufwändige Prozesse eingesetzt werden. Allerdings können die entstandenen Reduktionsäquivalente (NADH + H+) nicht ohne weiteres verbraucht werden. Bei der Gärung wird NADH + H+ ohne Sauerstoff (anaerob) verbraucht, indem die Brenztraubensäure weiterverarbeitet wird. Das entstehende NAD+ steht nun wieder für die Glykolyse zur Verfügung. Die zwei häufigsten Typen der Gärung sind die Milchsäuregärung und die alkoholische Gärung. Ausgangspunkt: Reaktionsgleichung der Glykolyse C6H12O6 + 2 (ADP + P) + 2 NAD+ 2 C3H4O3 + 2 ATP + 2 NADH + H+ 1. Milchsäuregärung Reaktionsgleichung C3H4O3 + NADH + H+ C3H6O3 + NAD+ (Milchsäure) Summengleichung (aus Glykolyse und Gärung) der Milchsäuregärung C6H12O6 + 2 (ADP + P) 2 C3H6O3 + 2 ATP (Reduktion) Vorkommen In der Muskulatur bei O2-Mangel (-> Muskelübersäuerung), Joghurtherstellung, Sauerkrautherstellung 2. Alkoholische Gärung Reaktionsgleichung C3H4O3 + NADH+H+ C2H4O + CO2 + NADH + H+ C2H5OH + CO2 + NAD+ (CO2-Abspaltung) (Reduktion) Summengleichung (aus Glykolyse und Gärung) der alkoholischen Gärung C6H12O6 + 2 (ADP + P) 2 C2H5OH + 2 CO2 + 2 ATP (Ethanol) Vorkommen Produktion von alkoholischen Getränken, Backen mit Hefe, Bioethanolproduktion Biologie-Skript 11/12, Herr Blaurock 3.4 Die Zellatmung Als Zellatmung bezeichnen wir den aeroben Abbau von Glucose in Zellen. Dieser Vorgang schließt die Glykolyse im Zellplasma sowie die weiteren Schritte in den Mitochondrien mit ein. Ablauf 1. Schritt: Glykolyse (im Zellplasma) NADH + H+ und Pyruvat/Brenztraubensäure werden in das Mitochondrium transportiert 2. Schritt: Zitronensäure-/Citratzyklus (im Innenraum der Mitochondrien) C3H4O3 + 3 H2O + ADP + P 3 CO2 + ATP + 4 (NADH + H+) + FADH2 Beim Abbau von Pyruvat zu CO2 entstehen neben einer kleinen Menge ATP vor allem Reduktionsäquivalente in Form von NADH + H+ und FADH2 [ein neues Molekül mit der exakt selben Funktion wie NADH+H+!] 3. Schritt: Chemiosmotische ATP-Gewinnung (an der inneren Mitochondrienmembran) Wie bei der Fotosynthese wird auch hier ein Membranraum (in diesem Fall der Zwischenraum zwischen innerer und äußerer Mitochondrienmembran) mit einem Überschuss an H+-Ionen gefüllt. Diese werden durch einen Ionenkanal mit einer ATP-Synthase („Turbine“, siehe Lichtreaktion der Fotosynthese) in den H+-armen Raum auf der anderen Seite der Membran (in diesem Fall der Innenraum des Mitochondriums) durchgelassen. Beim Durchströmen wird ATP erzeugt. H+-Erzeugung im Zwischenraum durch NADH+H+/FADH2-Abbau im Innenraum und Transport der entstehenden H+-Ionen durch die Mitochondrienmembran NADH + H+ NAD+ + 2 e- + 2 H+ FADH2 FAD + 2 e- + 2 H+ H+-Verbrauch im Innenraum durch Wassersynthese mithilfe der freigewordenen Elektronen ½ O2 + 2 H+ + 2 e- H2O P.S.: Die Wassersynthese verbraucht Sauerstoff und ist der Grund dafür, dass die Zellatmung ein aerober Vorgang ist.