Leseprobe

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1.Einleitung
Die Christdemokratie
hat
in
den westeuropäischen
Parteiensystemen eine
lange
Erfolgsgeschichte aufzuweisen. Aus dem ursprünglichen Konflikt zwischen Kirche und Staat
um die religiösen Freiheiten entstand zunächst der politische Katholizismus, welcher als
klassen- und schichtübergreifende Bewegung die Grundlage für die Etablierung der
christdemokratischen Parteien nach dem zweiten Weltkrieg bildete. Als erste schriftliche
Quelle der christdemokratischen Ideologie gilt die Enzyklika „Rerum Novarum“ von Papst
Leo dem XIII aus dem Jahr 1891, welche bereits das Prinzip der Subsidiarität enthält. Die
Unterstützung durch den Staat im Falle eines Versagens seiner Individuen oder
gesellschaftlichen
Gruppen
ist
ein
wesentliches
Merkmal,
das
die
meisten
christdemokratischen Parteien miteinander teilen. (vgl. Liedhegener/Oppelland 2012 : 101f)
Als klassen- schicht- und teilweise auch konfessionsübergreifende Parteien haben die
christdemokratischen Vertreter in den Parlamenten Europas insgesamt eine starke Stellung,
wobei hier nach Regionen unterschieden werden muss, wie beispielsweise im Norden
Europas,
wo
konservative
Parteien
stärker
sind
als
christdemokratische.
Die
christdemokratischen Parteien in Europa zeichnen sich dabei durch die Wahl ihres Namens
aus, durch eine vergleichbare Programmatik, sowie durch ihre internationale Kooperation,
welche sich in der Gründung der gemeinsamen Europäischen Volkspartei (EVP) im
europäischen Parlament niederschlägt. (vgl. Frey 2009 : 22f).
Die Anfänge der christdemokratischen Politik in Italien lassen sich nicht erst mit der
Gründung der Democrazia Christiana(DC) im Jahr 1943 feststellen. Die DC nutzte eher die
Strukturen und die Wählerbasis ihrer Vorläuferpartei der Partito Popolare Italiano (PPI), um
sich als klassen- und schichtübergreifende Partei erfolgreich in der Parteienlandschaft Italiens
zu etablieren. Der Gründung der PPI im Jahre 1919 waren Jahrzehnte des Konflikts zwischen
der katholischen Kirche und dem geeinten italienischen Staat vorausgegangen. Die DC konnte
im italienischen Parteiensystem eine Schlüsselrolle einnehmen, die im Vergleich mit anderen
westeuropäischen Parteiensystemen einzigartig war.
Neben der 40 Jahre andauernden Regierungsbeteiligung konnte die Partei alle wichtigen
Schaltstellen des Staates besetzen und ihren Einfluss auch aufgrund der Besetzung des
Mediensektors durchsetzen. Während ihres Bestehens konnte sie stets mit einem großen
Stammwählerpotential rechnen, und sich somit ihre Koalitionspartner aussuchen. Diverse
Faktoren hatten die Entwicklung zu einer allumfassenden Volkspartei ermöglicht, wie
beispielsweise der Ausschluss der kommunistischen Partei Partito Comunista d’Italia(PCI)
von jeglicher Regierungsverantwortung. Erst Mitte der 1970er Jahre verzeichnete die Partei
erste Stimmeneinbußen, welche sie zu einer Koalition mit den Sozialisten zwang, sowie zur
Ernennung des ersten sozialistischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi. Die Ermittlungen
gegen die politische Elite Italiens, initiiert von Mailänder Staatsanwälten Anfang der 1990er
Jahre, kann als der Anfang vom Ende der DC angesehen werden. Durch die ,mani pulite
(weiße Hände) genannten, juristischen Untersuchungen, wurden zahlreiche Politiker der DC
verhaftet und aufgrund von Korruptionsvorwürfen, Amtsmissbrauch und illegaler
Parteienfinanzierung zu hohen Haftstrafen verurteilt. Nach der Umbenennung zum alten
Namen PPI zersplitterte die Partei 1994 in diverse kleinere Ableger, die es allesamt nicht
geschafft haben, sich das enorme Wählerpotenzial der DC anzueignen. Dies konnte zumindest
in einem gewissen Umfang die Forza Italia, welche von Medienmogul Silvio Berlusconi
gegründet worden war. Mit Hilfe seines Unternehmens Fininvest schaffte es Berlusconi, auch
aufgrund einer ausgeklügelten Marketingstrategie, die Forza Italia innerhalb eines halben
Jahres zum Gewinner der Parlamentswahlen 1994 zu machen. (vgl. Ulrich 2009 : 669f; vgl.
Köppl 2007 71ff)
Die erste Regierung unter Berlusconi zerbrach allerdings bereits nach einem Jahr. Erst 2001
konnte sie mit einer neuen Struktur und einer teilweise neuen Programmatik erneut die
Parlamentswahlen gewinnen und bis 2006 die Regierung stellen. (vgl. Köppl 2007 : 90f) 2009
ging die Forza Italia, gemeinsam mit der Alleanza Nazionale (AN) im Pollo della Liberta
(PDL) auf. Dieses Wahlbündnis konnte
2008 bereits die Parlamentswahlen gewinnen.
Aufgrund von internen Streitigkeiten, in welchen auch die Ermittlungen gegen Berlusconi
eine Rolle spielten, spalteten sich mehrere Gruppierungen vom PDL ab, welche ab 2013 von
Berlusconi wieder zur Forza Italia umbenannt wurde. (vgl. Feldbauer 2014)
1.1 Forschungsstand
Die Christdemokratie ist im Gegensatz zur Sozialdemokratie oder anderen politischen
Ideologien, in der Forschung verhältnismäßig selten zum Betrachtungsgegenstand geworden.
Vermehrte Veröffentlichungen von Forschungsliteratur mit der Christdemokratie zum Inhalt,
lassen sich erst Mitte der 1990er Jahre feststellen. Davor gab es nur vereinzelte Versuche sich
dieses Themengebiet tiefergreifend zu erschließen.
Michael Fogartys Studie „Christian Democracy in Western Europe, 1820 – 1953“ aus dem
Jahr 1957 gilt als erstes bedeutendes Standardwerk über die Christdemokratie, löste aber
keine neue Forschungswelle aus. 1979 veröffentlichte Ronald Irving mit „The Christian
Democratic Parties of Western Europe“ die erste vergleichende politikwissenschaftliche
Studie, in welcher er die Christdemokraten der westeuropäischen Parteiensysteme betrachtete.
Weitere vergleichende Studien und Sammelbänder finden sich bei Hanley (1994), Kalyvas
(1996), van Kersbergen (1995), Van Hecke und Gerard (2004). (vgl. Frey 2008 : 20) Ein
weiteres Werk mit dem Titel „Christdemokratie in Europa im 20. Jahrhundert“ von Kaiser,
Gehler und Wohnout (2001) behandelt neben den Grundlagen christdemokratischer Politik im
20. Jahrhundert, ausgewählte Themenkomplexe zu den einzelnen Entwicklungen der
Christdemokratie und deren Parteien in ganz Europa. Zu den grundlegenden Betrachtungen
existieren des Weiteren Werke, die sich entweder mit einer christdemokratischen Partei
beschäftigen, wie „Die CDU“ von Udo Zolleis (2008), oder einen Überblick über
christdemokratische Parteien in Europa geben, wie die Werke „Christlich-demokratische und
konservative Parteien in Westeuropa“ von Hans-Joachim Veen (1991) und „Konservative und
christdemokratische Parteien in Europa“ von Franz Horner (1981).
Aktuelle Literatur zum Thema Christdemokratie existiert u.a. in Bezug auf ihren
vermeintlichen Niedergang. Hans Zehetmairs Sammelband „Politik aus christlicher
Verantwortung“ (2007) betrachtet den Wandel der
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