Kirchliche Geldanlage - Grundsätzliche Überlegungen

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Kirchenvorstand
Kirchliche Geldanlage - Grundsätzliche Überlegungen
1. Grundsatz
Kirchliche Geldanlage muss sowohl ökonomischen wie auch ethischen Anforderungen genügen. In der
Geldanlage der kirchlichen Arbeitszweige muss etwas von der biblischen Hoffnung auf Gerechtigkeit erkennbar werden. Die Arbeitszweige werden eingeladen, eine konkrete Verpflichtung für eine langfristige
ethische Diskussion ihrer Geldanlage einzugehen. Eine solche Diskussion soll als Hilfe für diese Arbeitszweige wie auch für den/die Spender/-in und Investor/-in dienen.
2. Einleitung
Kirchliche Geldanlage ist nicht von vornherein als gut zu bezeichnen. In den letzten Jahren hat sich verstärkt die Meinung durchgesetzt, dass gerade die Geldanlage der Kirche neu ausgerichtet werden muss,
oder zumindest deren Folgen und Mitwirkungen im Wirtschaftskreislauf näher betrachtet werden sollten.
Im vorliegenden Papier, welches durch den vom Kirchenvorstand beauftragten Ausschuss "Anlageethik"
verfasst wurde, werden einige grundsätzliche Überlegungen dargestellt.
3. Theologische Überlegungen
Von allem Anfang an geht es Gott um Befreiung und Gerechtigkeit. So verhalf Gott zum Beispiel Sklaven
zur Flucht, also zur Freiheit.
Diese biblische Erinnerung muss zu kritischen Fragen an die Ziele menschlichen Wirtschaftens führen.
Orientiert sich unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem und unser Verhalten als Kirchen und als Christen
innerhalb dieses Systems an der biblischen Ausrichtung der Befreiung und des Wohlergehens der ganzen
Schöpfung?
Wir erkennen dabei, dass unsere bestehende Wirtschaftsordnung vielfach lebensfeindlich ist. Ganze Völker verarmen, die natürlichen Ressourcen werden in wenigen Jahrzehnten ausgebeutet, und an den "Gesetzen des Marktes" leiden Menschen tagtäglich sowohl physisch wie auch psychisch. Wer überleben will,
muss die Mitgeschöpfe als Konkurrenten betrachten. In diesem System, wie wir es heute praktizieren,
liegt etwas "Böses", dem man sich nicht entziehen kann.
Die oben angesprochene göttliche Perspektive zeigt uns aber einen anderen Weg; nicht Lebensfeindlichkeit, sondern Lebensförderung steht im Vordergrund. Im "System Gottes" werden Menschen zu Mitmenschen und zu Nächsten; nicht die Konkurrenz bestimmt das Denken und Handeln. Die gegenseitige Hingabe - das Dienen - ist aber so anders, dass wir es allzu oft als nicht gangbaren Weg betrachten.
Als Glaubende sind wir berufen, die Akzente des "ganz anderen Systems" zu setzen. Dabei geht es um
echte Zeichen der Hoffnung und nicht um das Einfügen anfälliger christlicher Elemente im bestehenden
System. Es geht darum, einen Herrschaftswechsel zu signalisieren. Gott will uns, will die gesamte Schöpfung befreien und uns mitnehmen zu einer lebensfördernden Wirtschaft. Wir sind aufgefordert, unser
Wirtschaften und Handeln nach dem auszurichten, was im Sinne von Gottes schöpferischer Liebe Leben
fördert.
4. Sozialethische Überlegungen
Zwei Aspekte prägen die Diskussion um die Problematik der kirchlichen Geldanlage unter sozial ethischen
Gesichtspunkten:
a)
Die meisten kirchlichen Institutionen und Organisationen müssen Geldanlagen tätigen, um ihren
finanziellen Verpflichtungen, die sich aus ihren Zielen und allenfalls aus gesetzlichen Vorschriften erge-
ben, nachkommen zu können. Sie brauchen zum Beispiel Mittel für Besoldungen, Altersvorsorge oder
auch für den Ausbau der notwendigen Infrastruktur. Dieser erste Aspekt bezieht sich also auf die Verantwortung gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie auf den Organisations- und Institutionszweck. Die Betrachtung der Geldanlage unter diesem Aspekt allein genügt jedoch nicht.
b)
Jede Geldanlage und jede Geldverwaltung beinhaltet auch immer Auswirkungen sozialer, ökologi-
scher und entwicklungspolitischer Art. Die Verantwortlichen müssen sich deshalb die Frage stellen, inwieweit die oft bedrohlichen und zerstörerischen Wirkungen der üblichen Wirtschaftsweise durch kirchliche Geldanlagen verstärkt bzw. abgeschwächt werden. Geldwerterhaltung und Sicherung des Besitzes
sind daher für sich allein keine legitimen Ziele. Sie müssen durch Ziele ergänzt werden, welche dem
Wohlergehen der Schöpfung dienen.
5. Anlageethische Überlegungen
Kirchliche Geldanlage und -Verwaltung kann durchaus ökonomische Überlegungen, das heißt Werterhaltung, Sicherheit, Liquidität und falls notwendig Wertvermehrung beinhalten. Ebenso gilt, dass Christen
und christliche Gemeinschaften immer wieder die Erfahrung machten, dass wenn Gott ihnen eine konkrete Aufgabe stellt, er ihnen auch die notwendigen Mittel schenkt.
Die kirchliche Geldanlage muss jedoch auch dem Anspruch der Ethik gerecht werden. Überlegungen zur
Anlageethik führen uns zum Begriff Gerechtigkeit. Können wir als Christen mit den uns zur Verfügung
stehenden finanziellen Mitteln zur Vermehrung der Gerechtigkeit beitragen? Fragen nach Sinn und Zweck
von produzierten Gütern, Fragen des Verhältnisses zwischen Nord und Süd sowie Fragen des Schutzes
und der Erhaltung unserer Schöpfung werden damit angesprochen. Wenn wir einen an der biblischen
Gerechtigkeit orientierten Umgang mit dem uns zur Verfügung stehenden Geld anstreben, müssen wir
uns immer die Frage stellen, ob damit dem Wohlergehen (= Shalom) der Erde und ihren Geschöpfen
gedient wird.
Die heute geforderte Anlageethik will nicht eine seriöse Geldanlage unter ökonomischen Gesichtspunkten
über Bord werfen. Sie will jedoch ergänzende Ziele in die Diskussion einbringen und auch ökonomische
Kriterien hinterfragen.
6. Kriterien und Beispiele
Im folgenden sollen nun Möglichkeiten der Umsetzung der vorangehenden Aussagen aufgezeigt werden.
Dabei muss man sich von allem Anfang an klar darüber sein, dass verschiedene Tatbestände, welche aus
der Perspektive einer ethischen Position zunächst bedenklich erscheinen, sich bei näherem Hinsehen
eventuell doch rechtfertigen lassen und dass andererseits die "ethisch saubere Anlage" real kaum existiert. Bei allen Anlagearten besteht aber eine entsprechende Gestaltungsaufgabe. Diese Einwirkungsmöglichkeit sollte aktiv wahrgenommen werden. Im gleichen Sinne müssen auch unsere Beziehungen zu den
Banken überprüft werden.
Von dieser Einschätzung ausgehend ist es heute üblich, für Geldanlagen einen Negativkatalog aufzustellen, das heißt eine Liste von Bereichen, in die keinesfalls investiert wird. Inbezug auf Arbeitszweige und
Organe unserer Kirche schlagen wir folgenden minimalen Negativkatalog vor:

Keine Investition in Staaten mit diktatorischen oder totalitären Regimes.

Keine Investition in Firmen und Konzerne, die in der Kernenergie, Waffenproduktion und roter Gentechnologie (= Gentechnologie an Mensch und Tier) tätig sind.

Keine Investition in Umwelt und Menschen gefährdende Großprojekte.
Hingegen sollten kirchliche Mittel dorthin fließen, wo positive- und lebensfördernde Wirkungen verstärkt
werden können. Wir schlagen folgenden minimalen Positivkatalog vor:

Arbeitszweige und Organe der Kirche, sofern diese offen und transparent über ihre Anlagepolitik informieren.

Investitionen in Unternehmungen und Organisationen, welche Produkte und Dienstleistungen anbieten, die im Sinne der biblischen Gerechtigkeit Zeichen der Hoffnung sind.

Liegenschaften, wenn die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner und Bewohnerinnen angemessen
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berücksichtigt werden.
7. Empfehlung
1.1. Absicht
Mit der untenstehenden Empfehlung werden alle Arbeitszweige und Organe der Evangelischmethodistischen Kirche eingeladen, ihre Geldanlagepolitik zu überprüfen und entsprechend auszurichten.
Die Empfehlung hat zwei Ziele, nämlich einerseits die Initiierung einer Diskussionsrunde im entsprechenden Arbeitszweig und andererseits eine Entscheidungshilfe für die Spender und Investoren, welche Gelder
in die vielfältigen Aufgaben unserer Kirche einsetzen möchten. Wir erwarten, dass diese Empfehlung in
allen Bereichen unserer Kirche einen intensiven Denk- und Entscheidungsprozess auslöst.
1.2. Empfehlung
Wir stehen als Arbeitszweig der EMK auch öffentlich zur Überzeugung, dass unsere Geldanlage und Geldverwaltung auch ethischen Gesichtspunkten genügen muss. Wir anerkennen, dass die Umsetzung ethischer Richtlinien eine Langzeitverpflichtung darstellt und dass wir periodisch unser Geldanlage im Rahmen der fortlaufenden ethischen Diskussion überprüfen werden.
1. Anlageethik: Wir folgen der Empfehlung, unsere Geldanlage nicht nur nach ökonomischen Grundsätzen zu gestalten, sondern unser Geld nach Möglichkeit auch gezielt unter dem biblischen Horizont einer neuen Gerechtigkeit einzusetzen.
2. Offenheit: Wir folgen der Empfehlung, die Finanzpolitik unseres Arbeitszweiges für Anleger und Spender offen und transparent zu gestalten.
3. Diskussion: Wir folgen der Empfehlung, unsere Geldanlage regelmäßig unter dem Gesichtspunkt der
gewünschten oder nicht gewünschten Mitwirkungen zu diskutieren und entsprechend neu auszurichten."
8. Literatur, Hinweise

Schweiz; Katholischer Frauenbund und Evang. Frauenbund der Schweiz, Schritte ins Offene, Nr 3/88,
Der liebe Gott und das liebe Geld, Zürich, 1988

Schweiz. Nationalkommission Justitia et Pax, Wie verantwortlich Geld anlegen, Anstöße zur Diskussion
über kirchliche Geldanlagen, Bern, 1989

Schmidt-Biesalski und G. Banzhaf (Hg.), Geld regiert die Welt, Ein Lese- und Arbeitsbuch, Peter Hammer Verlag, Wuppertal, 1985
Der Text wurde vom Kirchenvorstand der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) der Jährlichen Konferenz
Schweiz-Frankreich 1991 vorgelegt und 1993 in der abgedruckten Form angenommen.
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