Pädagogik 13 LK Lernpapier Rollentheorien Datum:____________ Rollentheoretiker gehen davon aus, dass zu jeder soziale Position (z.B. Sohn, Krankenschwester, Freund) eine soziale Rolle gehört, die bestimmte Rollenerwartungen beinhaltet. Es gibt zugeschriebene (Jugendlicher, Frau, etc.) und erworbene (Freundin, Anwalt) Rollen. Die Gesellschaft sorgt durch positive und negative Sanktionen (Zensuren, Geldstrafen, aber auch bspw. Lästern oder Geschenke) dafür, dass wichtige Rollenerwartungen erfüllt werden. Es gibt Muss-, Soll- und Kann-Erwartungen. Jeder Mensch hat viele Rollen (= Role Set). muss also zahlreiche, teilweise widersprüchliche, Rollenerwartungen von unterschiedlichen Erwartungsträgern bedienen. Dabei kann es zu einem Konflikt zwischen zwei Rollen (Inter-Rollenkonflikt) oder sogar innerhalb einer Rolle, zwischen zwei Rollensegmenten (Intra-Rollenkonflikt), kommen. A Parsons hat mit seiner struktur-funktionalen Theorie v.a. die Gesellschaft als System im Blick. Für ihn gibt die übergeordnete gesellschaftliche Struktur den Einzelnen vor, wie sie sich zu verhalten haben. Auf diese Weise funktioniert das komplexe System und wird erhalten. Der Mensch übernimmt durch Nachahmung und Sanktionen Rollen (mit ihren Erwartungen). Diese werden später internalisiert (= verinnerlicht). Identität entsteht durch die einzigartige Zusammensetzung der Rollen und durch den Akt des Ausbalancierens der Rollenerwartungen. SOZIALISATION = VERGESELLSCHAFTUNG B Mead konzentriert sich in seinem symbolischen Interaktionismus auf die Interaktion zwischen zwei Menschen bzw. zwischen der Gesellschaft und Einzelnen. Hierbei sind ihm Symbole (Sprache, Gestik, Schilder, etc.) sehr wichtig. Für die Interaktion führt er die Fachbegriffe Ego (= der Handelnde) und Alter (= das Gegenüber) ein. Die Identität des Einzelnen besteht aus einem Zusammenspiel von I und Me (Self = I & Me). Self: I persönliche Identität = Bild, das ich von mir habe & meine Wünsche und Bedürfnisse BALANCE Me soziale Identität = Bild, das andere von mir haben & Rollenerwartungen man hat mehrere Me, diese müssen zu einem einheitlichen Selbstbild werden SOZIALISATION = ZUSAMMENSPIEL VON VERGESELLSCHAFTUNG UND INDIVIDUATION Für Mead – im Gegensatz zu Parsons – ist Rollenhandeln also ein produktiver und kreativer Prozess. Eine gelungene Identitätsbildung findet für Mead nur dann statt, wenn wir I und Me ausbalancieren, also eigene Bedürfnisse und Eigenschaften mit den Rollenerwartungen in Einklang bringen können! Rollenhandeln besteht aus zwei Komponenten: Role-taking und Role-Making. Role-taking (=Rollenübernahme): Ego ahnt die Erwartungen und Reaktionen von Alter voraus und passt seine Handlungen dem an. Role-making (=Rollengestaltung): Ego nutzt den Rahmen der gegebenen Möglichkeiten (eventuell auch gegen kleinere Sanktionen), um seine Rolle individuell auszugestalten. In unterschiedlichen Situationen haben wir unterschiedliche Grade an Freiheit, Rollengestaltung auszuüben (z.B. Gerichtssaal vs. Treffen mit Freunden). Pädagogik 13 LK Lernpapier Rollentheorien Datum:____________ Für Mead geht Persönlichkeitsentwicklung nicht ohne Interaktion, denn… Alter bietet uns: - Orientierung durch Vorbilder, Normen und Werte (vorzugsweise unterschiedliche => Individuation), - eine Reflexion des eigenen Verhaltens durch Reaktionen/Sanktionen von Einzelnen oder Institutionen etc., - Regeln und Gesetze, die einen Handlungsrahmen abstecken, - Sanktionen, die wir beachten müssen. Genauso wichtig wie diese Faktoren, die uns zu einer Anpassung – aber auch zu einer Auseinandersetzung mit unserem Verhalten und unserer Identität – zwingen, sind Freiräume zur Rollengestaltung. Diese Freiräume sorgen dafür, dass wir uns Ausprobieren können, dass wir eine eigene individuelle Identität entwickeln können. Sie erlauben uns, uns Weiterzuentwickeln, da nicht immer sofort sanktioniert wird => Selbstreflexion anstatt Reflexion von außen. Wir können laut Mead also bewusst (durch den Mind) auf unsere Identität einwirken. Dies machen wir allerdings oft eher automatisch – nicht durch Zielsetzung, sondern indem wir Agieren und Reagieren. Rollenhandeln ist sogar zu einem großen Teil unbewusst. Bereits als Kind lernen wir in Play und Game, wie wir uns zu verhalten haben. Play: In Rollenspielen, wie Vater-Mutter-Kind oder Kaufladen versetzt sich das Kind nacheinander in andere Rollen. Es übernimmt die Verhaltensweisen von signifikanten (=bedeutungsvollen) Anderen. Game: In Regelspielen und Wettkämpfen, aber auch in reglementierten Situationen (Restaurantbesuch, Unterricht, Vorstellungsgespräch etc.) lernen wir, uns regelgemäß zu verhalten. Wir generieren dabei generalisierte Andere, also personenunabhängige Rollenvorstellungen (= z.B. der Arzt an sich). Der umfassende generalisierte Andere ist die Gesellschaft. C Krappmann (JG 13) Krappmann geht von allen Aussagen Meads aus, betont dabei den Identitätsbegriff: Ich-Identität ist nach Krappmann ein strukturelles Erfordernis des Interaktionsprozesses. Ziel der Sozialisation ist der „autonome Mensch“, der auch für die Autonomie anderer eintritt. Zusätzlich betont er vier Kompetenzen, die zur Balance des I und Me im Interaktionsprozess und zur Ausbildung einer Ich-Identität notwendig sind: 1) Rollendistanz: eigene Rollen und damit verbundene Erwartungen aus der Außenperspektive betrachten können; 2) Ambiguitätstoleranz: konkurrierende Erwartungen aushalten und in die eigene Handlungsstrategie einbeziehen können; 3) Identitätsdarstellung: nicht nur eine soziale Rolle optimal spielen, sondern innerhalb einer Interaktion die eigene Identität/Persönlichkeit gegenüber den anderen Interaktionsteilnehmern behaupten; 4) Empathie bzw. Role-taking: die Erwartungen des Partners erkennen oder sogar vorwegnehmen. Pädagogik 13 LK Lernpapier Rollentheorien Datum:____________ Zur Förderung dieser Kompetenzen, können die Erzieher Folgendes beachten: 1) Umgebung, die Interpretationsfreiräume zulässt; Aufklärende Hinweise über Folgen des eigenen Verhaltens; Gleichberechtigte Partnerschaft der Eltern mit ähnlichen Wertvorstellungen 2) Elterliche Hinweise auf die Folgen des Verhaltens für andere; affektive Zuneigung 3) Aneignung eines reflexiven Sprachgebrauchs („Zwischen den Zeilen lesen“ können; Fähigkeit, neben dem Inhalt auch die Einstellung mitteilen zu können), Sprachförderung 4) mäßig unterschiedliche Erwartungen zwischen Vater und Mutter