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Haushaltsausbringungsrede 19.12.12
Seit der HH-Einbringung haben sich keine wesentlichen Änderungen in der Großwetterlage der Politik
und der Finanzmärkte ergeben. Die Lage ist nach wie vor angespannt.
Ulm hat wieder einen starken Haushalt aufgestellt, Schulden rückgeführt und viele große
Investitionen stehen dort drin. Ulm steht richtig gut da, andere Kommunen hingegen können nur
noch den „Notstand“ verwalten. Das ist das Resultat der Entscheidungen der letzten Jahre, die in Ulm
die richtigen Entscheidungen waren. Eine weitere Entscheidung, die ansteht, ist die Frage wie es in
der Energieversorgung und damit bei den Stadtwerken weitergeht.
Ja, wir wollen über Energie diskutieren, öffentlich. Wir wollen darüber diskutieren und streiten, wo
diese Stadt in 10 Jahren bei der kommunalen Energieversorgung stehen soll. Wir wollen darüber
diskutieren, ob wir in den Ausbau der Netze investieren oder in die regionale Erzeugung der Energie.
Wir wollen darüber diskutieren, mit welchen Partnern wir uns in der Region zusammentun um eine
Energiemodellregion hinzubekommen und was wir dafür bringen und leisten müssen. Natürlich
müssen sich die Stadtwerke als einer hundertprozentigen Tochter der Städte Ulm und Neu-Ulm dann
an dieser Strategie ausrichten, aber erst muss klar sein, wo es in den nächsten Jahren langgehen soll.
Und wir wollen nicht nur diskutieren, sondern am Ende eine belastbare Strategie vorweisen können.
Wir machen das ganze Jahr hindurch Haushaltsplanberatungen, im Juli die Eckwerte und im
Dezember sitzen wir dann zwei Tage zusammen und beraten den Entwurf für das nächste Jahr.
Bewegt wird so gut wie gar nichts mehr, die beiden Tage dienen Gemeinderat und OB (oder
Verwaltung) für grundsätzliche Meinungsäußerungen. Was sind denn nun die Ergebnisse der
diesjährigen Beratungen?
1. Angesprochen wurde gleich zu Beginn des ersten Tages die Sanierung des Flüchtlingswohnheims in
der Römerstraße, dessen Belegung bei derzeit 110% liegt und aus allen Nähten platzt. Der
Vermutung, dass hier Mitnahmeeffekte und Missbrauch vorliegen, widersprechen die
Flüchtlingsorganisationen entschieden. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg schrieb im November,
dass die erhöhten Leistungen in den meisten Stadt- und Landkreisen in Ba-Wü bislang lediglich das
Taschengeld betreffen und dass praktisch in allen anderen EU-Staaten und der Schweiz die Zahl der
Roma aus Serbien und Mazedonien ebenfalls gestiegen ist, obwohl es dort keine erhöhten
Leistungen gibt. Grund dafür sind die nicht mehr zumutbaren Lebensbedingungen gerade für Roma
in diesen Ländern und einer systematischen Diskriminierung. An dieser Stelle gilt es anzusetzen und
da möchte ich Sie, Herr Oberbürgermeister, auffordern, Ihre guten Beziehungen als Präsident des
Rats der Donauländer zu nutzen und daran mit zu arbeiten , die Lebensbedingungen der Roma in den
Balkanländern zu verbessern.
2. Donaustrategie
3. Mit der Eröffnung der Synagoge am 2. Dezember 2012 wurde uns 74 Jahre nachdem in
Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei in der Nacht vom 9. auf den 10.11.38 die
Synagogen brannten, wieder bewusst gemacht, was damit auf der Grundlage des
nationalsozialistischen Gedankenguts in Gang gesetzt wurde: Antisemitismus und Rassismus bis hin
zum Mord war staatsoffiziell geworden. Diese Nacht war das offizielle Signal zum größten und
schlimmsten Völkermord in der Geschichte der Menschheit.
Die Eröffnung der Synagoge ist deshalb das wichtigste gesellschaftliche und kulturpolitische Ereignis
in unserer Stadt seit Ende des 2. Weltkriegs.
Dieses Ereignis müssen wir aber auch zum Anlass nehmen unsere freiheitliche demokratische
Grundordnung als den zentralen Wert des menschlichen Zusammenlebens zu begreifen. Das
Miteinander aller Menschen in unserer Stadt, unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Religiosität, ihrer
Weltanschauungen braucht unser tagtägliches Engagement. Es kann und darf nicht sein, dass
nationalsozialistische Umtriebe und Aufmärsche Rechtsradikaler in unserer Stadt wieder stattfinden.
Die Nachrichten dazu sind alarmierend: „Verstecken statt Farbe zu bekennen in Dänemark“, wo
Juden zunehmend Angst haben, „Gefährliche Kapuzenträger“, der Ku-Klux-Klan, das Morden der
NSU-Gruppe, Neonazis locken mit Maskenumzügen. Da sind wir alle gefordert, unser demokratisches
Gemeinwesen durch Denken und Handeln zu fördern, damit diese rechtsradikalen, rassistischen
Umtriebe gestoppt werden.
4. Ein wichtiges kommunalpolitisches Projekt ist die Straßenbahn. Bereits im Masterplan
Wissenschaftsstadt Ulm wird sie als das zentrale Verkehrsprojekt genannt. Die Linie 2, ein längst
überfälliges Verkehrsinfrastrukturprojekt, dessen städtischen Anteil wir bereits auf dem Sparbuch
haben. Bleibt zu hoffen, dass das Land dies auch hat. Einen wichtigen Platz nimmt hierbei auch der
Umbau des City-Bahnhofs ein. Rund um den Bahnhof kann man fast sagen: da bleibt kein Stein mehr
auf dem anderen. Das ist eine Aufgabe für mindestens die nächsten zehn Jahre, deshalb müssen wir
heute die Weichen dafür richtig stellen für eine veränderte Mobilität in der Zukunft. Doch zunächst
sind alle Maßnahmen, die den Bahnhof direkt betreffen zurückgestellt: die Bahn muss erst ihre
Hausaufgaben machen, bevor irgendetwas im direkten Bereich des Bahnhofs angepackt werden
kann. Die Absichten der Stadt Ulm, den Bahnhofsbereich mit Halle, besserer Anbindung ins
Dichterviertel etc. umzugestalten kennt die Bahn allerdings bereits seit 2007. Dass die Bahn hier ein
äußerst unzuverlässiger Partner ist, erfahren wir aktuell bei einem anderen Projekt, fast täglich neue
Kosten. Deshalb ist es für jede weitere Kooperation mit der Bahn absolut nötig, für klare
Beteiligungen, aber auch für klare Konsequenzen in den weiteren Verhandlungen und Festlegungen
mit der Bahn zu sorgen.
Weitere wichtige Punkte:
1. Ja, wir haben letzte Woche 245 neue Plätze für unter 3-jährige Kinder mit einem
Investitionsvolumen von knapp 13 Mio. € auf den Weg gebracht, heute entscheidet der gesamte GR
darüber. Damit erfüllen wir den Rechtsanspruch, der Mitte nächsten Jahres greift, mit 43 %. Richtig
gut sind wir da, in vielen Gemeinden und Kommunen sieht die Bilanz deutlich schlechter aus. Damit
werden wir dem Anspruch vieler Männer und Frauen gerecht, die beides wollen: Familie und Beruf
unter einen Hut bringen, die Nachfrage zeigt das. Damit reagieren wir auf einen gesellschaftlichen
Wandel der letzten Jahre. Da spielen viele Umstände mit eine Rolle: z.B. sind alleinerziehende
Frauen und Männer darauf angewiesen zu arbeiten und brauchen eine Betreuung für ihr Kind, oder
das Gehalt eines Verdieners in der Familie reicht oft nicht mehr aus, die Frau arbeitet mit, und wir
können es uns volkswirtschaftlich nicht mehr leisten, unsere gut ausgebildeten Frauen mit der
Geburt eines Kindes aus dem Erwerbsleben auszubuchen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht
immer weiter auseinander, Kinder sind ein Armutsrisiko, deshalb ist die Schaffung von
Betreuungsplätzen eine soziale Aufgabe. Gut ausgebildeten Frauen und Männern mit Kindern
weiterhin zu ermöglichen ihrer Arbeit nachzugehen, ist auch ein Wirtschaftsfaktor, fehlen in etlichen
Bereichen doch immer mehr Arbeitskräfte. Die Einführung des Betreuungsgeldes halten wir für einen
Fehler. Das Geld fehlt im weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen.
2. Ja, wir finden, dass das Thema „Bürgerbeteiligung“ auch in unserer Stadt diskutiert werden muss.
Es hat ein grundlegender Bewusstseinswandel in der Bürgerschaft, der Stadtgesellschaft
stattgefunden. Die herkömmlichen Beteiligungsstrukturen genügen den neuen Ansprüchen auf
Teilhabe und Mitgestaltung nicht mehr. Hier ist eine grundsätzliche Neuausrichtung notwendig. Ob
Bürgerbeteiligung auch heißt, dem Bürger stets nachzugeben? Nein, das heißt es nicht. Bevor man
hier aber vorschnell ein Fazit zieht sollte zu mindestens einmal darüber diskutiert werden. Und wer
sich fit für diese Diskussion machen will, dem empfehle ich die 10 Thesen von Baubürgermeister
Wetzig zu lesen: Neue Qualitäten gestalten – Bürgerbeteiligung und Architektenwettbewerbe, da
stehen sehr interessante Dinge drin. Also: wir bleiben dran an diesem Thema.
3. Überhaupt die Debattenschwäche des Ulmer Gemeinderats, wie es ein namhafter Vertreter der
schreibenden Zunft vor kurzem genannt hat. Und das in der Stadt der HfG, die uns lehrt: Diskussion
und Auseinandersetzung sind unverzichtbare Elemente einer demokratischen Gesellschaft. Das hat
mir von Frau Bürgermeisterin Mann sehr gut gefallen beim Bürgerempfang der SPD im September in
der Bill-Bar der HfG. „Wir leben davon, streitbar zu sein“, sagten Sie und das ist richtig. Im
Gemeinderat scheint dieses Vermögen in den letzten Jahren verlorengegangen zu sein.
Wir alle sind hier Gemeinderätinnen und Gemeinderäte. Der Gemeinderat ist die Vertretung der
Bürgerschaft und das Hauptorgan der Gemeinde. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der
Gemeinde fest (§24). Die Gemeinderäte werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
geheimer Wahl von der Bürgerschaft gewählt(§26). Die Gemeinderäte sind ehrenamtlich tätig.
Wir alle arbeiten gerne und mit viel Engagement in diesem Ehrenamt. Wir pflegen einen
partnerschaftlichen Umgang mit der Verwaltung, erwarten im Gegenzug einen ebenso
partnerschaftlichen Umgang mit uns. Sollte dies nicht immer so ganz gelingen, sollten wir daran
arbeiten. Respekt und Anerkennung für dieses Ehrenamt sollte das Miteinander prägen. Emotional
gefärbte unsachliche Reaktionen schaden der sachorientierten Arbeit im Rat und schaden
letztendlich der Stadt.
5. Dies ist ein Auszug der Themen, die uns auch im nächsten Jahr beschäftigen werden: natürlich gibt
es noch ganz viel andere: demographischer Wandel, wir befinden uns da noch am Anfang. Damit
geht einher die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften sowohl in der Verwaltung als auch in der
Wirtschaft wie auch in den sozialen Sicherungssystemen. Internationale Stadt, der ganze
Bildungsbereich, der Klimawandel: da ist es nicht mehr 5 vor 12, es ist 5 nach 12, wir sind mitten drin.
Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion bei allen, die bei Erarbeitung dieses Haushaltes beteiligt
waren und natürlich auch bei allen anderen aus der Verwaltung. Wir wünschen frohe Feiertage und
einen guten Start ins neue Jahr und vor allem: Kommen Sie gesund wieder.
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