Es besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers

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Anspruch auf Herausgabe der Mitgliederdaten:
http://www.datenschutz-praxis.de/fachwissen/fachartikel/anspruch-auf-herausgabe-dermitgliederdaten-an-ein-vereinsmitglied/
Nach Meinung der Kölner Richter steht dem Kläger ein Anspruch auf Herausgabe der
Mitgliederliste zu, wenn und soweit er ein berechtigtes Interesse im Sinne der
vereinspolitischen Ziele darlegen kann und diesem Begehren keine überwiegenden Interessen
des Vereins oder der betroffenen Vereinsmitglieder entgegenstehen.
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2011/27_O_142_11_Urteil_20110927.html
Landgericht Köln, 27 O 142/11
Datum:
27.09.2011
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 O 142/11
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine vollständige Liste der Mitglieder des
Beklagten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mit Vor- und Nachnamen, Anschrift
(Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort) und (soweit bekannt) E-Mail-Adresse in Form
einer elektronischen Datei (Excel-Datei) herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 €.
1
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T A T B E S T A N D:
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Der Kläger nimmt den Beklagten, einen überregional bekannten Sportverein mit mehr als
50.000 Mitgliedern, unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschl. v.
21.06.2010 – II ZR 219/09, auf Herausgabe aller Mitgliederdaten in Anspruch.
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Der Kläger ist seit dem 1. Dezember 2001 Mitglied des Beklagten. Nach der letzten
Mitgliederversammlung des Beklagten vom 17.11.2010, bei der 3119 Mitglieder anwesend
waren, bildete sich unter Beteiligung auch des Klägers eine „Mitgliederinitiative FCReloaded“. Der Kläger und die Initiative streben eine umfassende Änderung der Satzung des
Beklagten an, für Einzelheiten auf die Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 9-19 GA, Bezug
genommen wird. Für den Satzungsvorschlag der „Mitgliederinitiative FC-Reloaded“ wird auf
die Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 20-45 GA, Bezug genommen. Zu diesem Zweck streben
der Kläger und die „Mitgliederinitiative FC-Reloaded“ die Einberufung einer
außerordentlichen Mitgliederversammlung an.
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Mit Schreiben vom 10.01.2011 forderte der Kläger den Beklagten auf, dem durch den Kläger
benannten Treuhänder Herrn Rechtsanwalt N, O-Straße, ####1 Köln, die vollständige
Mitgliederliste herauszugeben, um entsprechend für die Einberufung einer außerordentlichen
Mitgliederversammlung und die Satzungsänderung werbend an die Mitglieder herantreten zu
können. Mit der Herausgabe der Mitgliederliste erklärte sich der Beklagte mit Schreiben vom
17.01.2011 grundsätzlich einverstanden, jedoch sollte die Weitergabe nur an einen von dem
Beklagten oder dem Präsidenten des OLG Köln zu benennenden Treuhänder erfolgen, der
sich verpflichtet, die Daten vertraulich und ausschließlich zur Abwicklung des
Minderheitsbegehrens zu verwenden und die von dem Kläger verfassten Mitteilungen vor
dem Versand auf werbenden, abwerbenden oder strafrechtlich relevanten Inhalt zu prüfen.
Mit Schreiben vom 21. Januar und 4. Februar 2011 forderte der Beklagte seine Mitglieder auf,
mitzuteilen, ob sie der geplanten Übermittlung der Mitgliederdaten jeweils widersprechen.
Von dieser Möglichkeit machten bisher rund 14.000 Mitglieder Gebrauch. Eine Übermittlung
der Mitgliederdaten an den Kläger ist bisher nicht erfolgt. Ein Antrag auf Streitentscheidung
gemäß § 25 Abs. 1 c) der Satzung wurde durch den Vereinsbeirat in der Sitzung vom
23.03.2011 nicht zur Entscheidung angenommen; für die Einzelheiten wird auf das Schreiben
des Vorsitzenden des Vereinsbeirats Herr T vom 30.03.2011, Anlage K15 zum Schriftsatz der
früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 05.07.2011, Bl. 151-152 GA, Bezug
genommen.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass er als Ausfluss seines Mitgliedschaftsrechts einen Anspruch
auf Herausgabe der vollständigen Mitgliederliste des Beklagten an sich selbst habe. Der
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Beklagte habe auch kein Mitspracherecht bei der Auswahl und der Ausgestaltung der
Beauftragung eines Treuhänders, wenn man nur einen Anspruch auf Herausgabe an einen
Treuhänder annehme. Ein etwaiger Widerspruch von Vereinsmitgliedern gegen die
Weitergabe der Daten sei unbeachtlich.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die vollständige Mitgliederliste des Beklagten
mit Vor- und Nachnamen, Anschrift (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort) und
(soweit bekannt) E-Mail-Adresse und differenziert nach stimmberechtigten und nicht
stimmberechtigten Mitgliedern in Form einer elektronischen Datei (Excel-Datei)
herauszugeben;
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hilfsweise:
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2. den Beklagten zu verurteilen, an Herrn Rechtsanwalt N, O-Straße, ####1 Köln, als
Treuhänder die vollständige Mitgliederliste des Beklagten mit Vor- und Nachnamen,
Anschrift (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort) und (soweit bekannt) E-Mail-Adresse
und differenziert nach stimmberechtigten und nicht stimmberechtigten Mitgliedern in Form
einer elektronischen Datei (Excel-Datei) herauszugeben;
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hilfsweise:
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3. den Beklagten zu verurteilen, an Herrn Rechtsanwalt N, O-Straße, ####1 Köln, als
Treuhänder die vollständige Mitgliederliste des Beklagten mit Vor- und Nachnamen,
Anschrift (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort) und (soweit bekannt) E-Mail-Adresse
und differenziert nach stimmberechtigten und nicht stimmberechtigten Mitgliedern in Form
einer elektronischen Datei (Excel-Datei) herauszugeben, mit der Maßgabe, dass die bei dem
Beklagten eingegangenen Widersprüche von Mitgliedern gegen ihre Adressweitergabe in der
Datei markiert sind und die Widersprüche (in Form von Postkarten und sonstigen
Dokumenten oder Dateien) ebenfalls an den Treuhänder herausgegeben werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, der Klage fehle im Hinblick auf die in der Satzung vorgesehene
Streitentscheidung durch den Vereinsbeirat das Rechtsschutzbedürfnis, wenn nicht sogar die
Einrede der Schiedsabrede durchgreife.
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Auch wenn er grundsätzlich zur Herausgabe der Mitgliederdaten an den Kläger verpflichtet
sei, müssten die Belange des Datenschutzes bei der konkreten Ausgestaltung der Herausgabe
der Daten gewahrt werden. Dies sei bei einer Herausgabe an den Kläger oder einen von ihm
benannten Treuhänder nicht ausreichend sichergestellt.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind,
ergänzend Bezug genommen.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
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Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.
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Die Klage ist zulässig.
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Dabei kann dahinstehen, ob die Regelung in § 25 Abs. 1 c) der Satzung („Der Vereinsbeirat
entscheidet … über Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und Organen des Vereins betreffend
Angelegenheiten des Vereins, wenn und soweit ein Antrag an ihn herangetragen wird“) als
Einrichtung eines Schiedsgerichts im Sinne der §§ 1029 ff. ZPO verstanden werden muss und
den Erklärungen des Beklagten als Erhebung der Einrede des Schiedsgerichts zu verstehen ist.
In diesem Falle wäre für den vorliegenden Streit eine Kompetenz des Verwaltungsbeirats zur
Streitentscheidung nicht vorgesehen, denn es fehlt an einem Streit zwischen Mitgliedern und
Organen des Vereins betreffend Angelegenheiten des Vereins, handelt es sich doch um einen
Anspruch eines Vereinsmitglieds gegen den Verein, nicht gegen eines seiner Organe. Zudem
hätte sich die Schiedsvereinbarung als undurchführbar im Sinne von § 1032 Abs. 1 ZPO
erwiesen, weil der Vereinsbeirat, wie sich aus dem Schreiben seines Vorsitzenden vom
30.03.2011 ergibt, die Anrufung eines staatlichen Gerichts als vorrangig ansieht und eine
eigene Entscheidung endgültig abgelehnt hat.
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Der Klage fehlt danach auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Möglichkeit einer
vereinsinternen Streitentscheidung nicht besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht
deshalb, weil der Beklagte seine Pflicht zur Herausgabe der Mitgliederdaten an den Klägern
grundsätzlich einräumt, denn die Parteien haben sich – zuletzt auch in der mündlichen
Verhandlung – über die hier entscheidende Ausgestaltung im Einzelnen nicht einigen können.
Der Kläger hat danach ein Interesse an einer gerichtlichen Klärung des Anspruchsumfangs.
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Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Herausgabe der
Mitgliederdaten, allerdings nur soweit die Mitglieder stimmberechtigt sind.
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Dem Mitglied eines Vereins steht ein Anspruch auf Offenbarung der Namen und Anschriften
der Mitglieder des Vereins zu, wenn es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein
überwiegendes Interesse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder
entgegenstehen. Ein berechtigtes Interesse eines Vereinsmitglieds, Kenntnis von Namen und
Anschriften der übrigen Mitglieder zu erhalten, kann auch außerhalb des unmittelbaren
Anwendungsbereichs des § 37 BGB bestehen, wenn das Mitglied nach dem Umständen des
konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise
benötigt, um das sich aus seiner Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der
Willensbildung im Verein wirkungsvoll ausüben zu können. Vereinsmitglieder müssen sich
auch nicht darauf verweisen lassen, mit anderen Mitgliedern über Internetforen oder die
Mitgliederzeitung in Kontakt zu treten oder auf anderem Wege zu verfolgen. Vielmehr muss
es dem Mitglied überlassen bleiben, auf welchem Weg und an welche Mitglieder es
herantreten will, um - aus seiner Sicht - Erfolg versprechend auf die vereinsrechtliche
Willensbildung Einfluss nehmen zu können. Sind die Informationen, die sich das Mitglied
durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer
Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann es zum Zwecke der Unterrichtung einen
Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in elektronischer
Form verlangen (BGH, Beschl. v. 21.06.2010 – II ZR 219/09; zustimmend Schöpflin in:
BeckOK BGB (Bamberger/Roth), Stand: 01.03.2011, § 38 BGB Rn. 19; zweifelnd: LG Köln,
Beschl. v. 21.01.2011 – 13 S 294/10, n.v.).
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Dabei ist es dem Mitgliedern eines Vereins grundsätzlich nicht verwehrt, auch selbst Einsicht
in die Mitgliederliste zu nehmen bzw. die Übermittlung der dort enthaltenen Informationen in
elektronischer Form an sich selbst zu verlangen, sofern sie ein berechtigtes Interesse darlegen
und ihrem Interesse nicht überwiegende Interessen des Vereins oder berechtigte Belange der
Vereinsmitglieder entgegen stehen (BGH, Beschl. v. 25.10.2010 – II ZR 219/09, Juris Tz. 6).
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Die Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs liegen hier vor. Der Kläger kann seine
Mitgliedschaftsrechte, hier seine Anregungen zu einer Satzungsänderung in einer
(außerordentlichen) Mitgliederversammlung, angesichts der Mitgliederstruktur des Beklagten
nur effektiv wahrnehmen, wenn er den Mitgliedern außerhalb der Mitgliederversammlung
seine Anliegen bekannt machen kann. Dies ergibt sich aus der großen Zahl der Mitglieder in
Verbindung mit den in der Satzung vorgesehenen Mitgliederquoren. Der Antrag auf
Satzungsänderung kann gemäß § 15 Abs. 2 neben dem Vorstand, dem Verwaltungsrat oder
dem Vereinsbeirat nur von zwei Zehnteln der stimmberechtigten Mitglieder gestellt werden;
er muss zudem so rechtzeitig gestellt werden, dass er mit der Tagesordnung der
Mitgliederversammlung bekannt gemacht werden kann, und muss im Wortlaut bei
Einberufung der Mitgliederversammlung bekannt gegeben werden. Dies bedeutet tatsächlich,
dass ein Vereinsmitglied für eine Satzungsänderung außerhalb der Mitgliederversammlung
die Zustimmung von mehreren Tausend der stimmberechtigten Vereinsmitglieder gewinnen
muss, um überhaupt eine Befassung der Mitgliederversammlung ohne Unterstützung durch
ein Vereinsorgan erreichen zu können. Damit ist die entscheidende Hürde für
Satzungsänderungen benannt, die aus dem Kreis der Mitglieder initiiert werden sollen. Um
dieses Mitgliederquorum erreichen zu können, ist der Kläger darauf angewiesen, an die
stimmberechtigten Mitglieder außerhalb der Mitgliederversammlung gezielt herantreten zu
können. Um sein Mitwirkungsrecht an der vereinsinternen Willensbildung wirkungsvoll
ausüben zu können, bedarf der Kläger hier daher der Kenntnis von Namen und Anschriften
der anderen Vereinsmitglieder. Daneben kommt dem für Satzungsänderungen gemäß § 18
Abs. 1 S. 2 der Satzung bestehende Mehrheitserfordernis von drei Vierteln der abgegebenen
Stimmen keine zusätzliche Bedeutung zu. Ebenfalls keiner Prüfung bedarf, ob die Anliegen
des Klägers eilbedürftig sind und die Einberufung einer außerordentlichen
Mitgliederversammlung erfordern, die nur von zwei Zehnteln der Mitglieder verlangt werden
kann.
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Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs ist nicht rechtsmißbräuchlich. Die angestrebten
Satzungsänderungen, die im Kern auf eine stärkere Beteiligung der anderen Vereinsorgane
neben dem Vorstand zielen, verfolgen keinen sitten- oder gesetzeswidrigen Zweck. Ob die
Satzungsänderungen sinnvoll oder gar notwendig sind, ist nicht Voraussetzung des
Auskunftsanspruchs, der gerade eine Diskussion der Vereinsmitglieder über Sinn und
Notwendigkeit ermöglichen soll, und bedarf daher keiner Prüfung.
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Aus den genannten Grundlagen des Auskunftsanspruchs, der eine wirksame Wahrnehmung
der Mitgliedschaftsrechte ermöglichen soll, folgt zugleich seine Beschränkung auf die Daten
derjenigen Mitglieder, die zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung berechtigt sind.
Gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 der Satzung haben jugendliche Mitglieder kein Stimmrecht; dies sind
gemäß § 7 Abs. 2 der Satzung solche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Sie
können also bei einer Satzungsänderung nicht abstimmen. Minderjährige können zudem
gemäß § 12 Abs. 3 der Satzung nicht den Organen des Beklagten angehören.
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Der Herausgabe der Daten an den Kläger selbst stehen auch Gesichtspunkte des
Datenschutzes nicht entgegen. Solche schützenswerten Belange sind nicht erst dann
ausreichend gewahrt, wenn die Herausgabe der Mitgliederliste an einen zur Verschwiegenheit
verpflichteten Treuhänder erfolgt, das Mitglied selbst also keinen Einblick in die Liste erhält.
Dementsprechend hält etwa der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
im „Faltblatt zum Datenschutz im Verein“, herausgegeben von den Landesbeauftragten für
den Datenschutz der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein, Stand: Februar 2002, die Herausgabe einer Mitgliederliste oder eines
Mitgliederverzeichnisses regelmäßig für im Vereinsinteresse erforderlich. Die
Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Beklagten, der einen bestimmten Zweck
verfolgt, in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten
Mitgliedern des Beklagten getreten. Die anderen Vereinsmitglieder haben es deshalb
jedenfalls hinzunehmen, dass andere Vereinsmitglieder in berechtigter Verfolgung
vereinspolitischer Ziele an sie herantreten. Die Übermittlung der Daten an ein
Vereinsmitglied ist für den Beklagten gemäß § 28 Abs. 8 BDSG i.V.m. § 28 Abs. 6 Nr. 3
BDSG auch ohne Einwilligung der Mitglieder zulässig. Ein Widerspruchsrecht sieht § 28
BDSG nur in Absatz 4 im Falle der Weitergabe für Zwecke der Werbung oder der Markt- und
Meinungsforschung vor. Dabei ist der Auskunftsanspruch nicht auf die Herausgabe an einen
aufgrund seines Amtes, etwa als Rechtsanwalt oder Notar, zur Amtsverschwiegenheit
verpflichteten Treuhänder beschränkt; der Schutz der Daten wird vielmehr dadurch
ausreichend gewährleistet, dass das Vereinsmitglied die Mitgliederdaten nur ihm Rahmen
seines berechtigten Auskunftsinteresses nutzen darf, wie sich aus § 28 Abs. 5 BDSG ergibt
und durch den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 4 BDSG sanktioniert
wird. Im Zivilrecht besteht kein Anlass, durch praeter legem zu entwickelnde Konstruktionen
einen vermeintlich höheren Datenschutzstandard zu sichern, als ihn der Gesetzgeber des
Bundesdatenschutzgesetzes für erforderlich gehalten hat.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
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Streitwert: 6.000,00 €
Datenschutz im Verein: Anspruch auf
Herausgabe der Mitgliederdaten?
„
Wer einem Verein beitritt, muss damit rechnen, dass seine Daten unter Umständen bei
anderen Vereinsmitgliedern landen. Denn ein Verein ist eine Rechtsgemeinschaft, in der jedes
7
Mitglied an alle anderen herantreten kann - sofern es berechtigterweise vereinspolitische Ziele
verfolgt. So entschied zumindest das Landgericht Köln.
Datenschutz im Verein - entscheidend ist nicht nur "auf'm Platz"
Der Kläger, ein Vereinsmitglied des 1. FC Köln mit mehr als 50.000 Mitgliedern, verlangte
vom Verein die Herausgabe der kompletten Mitgliederliste, um eine umfassende Änderung
der Vereinssatzung in die Wege zu leiten.
Unter Beteiligung des Klägers war dazu auf der letzten Mitgliederversammlung des Vereins
von Ende 2010 die „Mitgliederinitiative FC-Reloaded“ ins Leben gerufen worden.
Außergerichtliche Aufforderung, die Mitgliederdaten herauszugeben
Der Kläger forderte den Verein im Januar 2011 auf, einem als Treuhänder fungierenden
Rechtsanwalt die vollständige Mitgliederliste herauszugeben. Ziel sei
es, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen und für
eine Satzungsänderung zu werben.
Zu den geforderten Mitgliederdaten zählten Vor- und Nachnamen, Straße, Hausnummer,
Postleitzahl und Wohnort sowie (soweit bekannt) die E-Mailadresse.
Der Verein ist grundsätzlich einverstanden, aber …
Mit der Herausgabe der Mitgliederliste erklärte sich der Verein kurzfristig vom Grundsatz her
einverstanden. Allerdings sollte die Weitergabe nur an einen Treuhänder erfolgen, den
entweder der Verein oder der Präsident des Oberlandesgerichts Köln benennt.
Der Treuhänder sollte sich weiterhin dazu verpflichten, die Mitgliederdaten vertraulich und
ausschließlich zur Abwicklung des Minderheitsbegehrens zu verwenden. Zusätzlich sollte der
Treuhänder den Inhalt des Minderheitsbegehren vor dem Versand auf werbende, abwerbende
oder strafrechtlich relevante Inhalt prüfen.
Zudem forderte der Verein sozusagen proaktiv seine Mitglieder auf mitzuteilen, ob sie der
geplanten Übermittlung der Mitgliederdaten widersprechen. Von dieser Möglichkeit machten
rund 14.000 Mitglieder Gebrauch.
Herausgabe nur an Treuhänder und nur unter verschärften Bedingungen?
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Da sich die Parteien außergerichtlich nicht einigen konnten, musste das Landgericht (LG)
Köln entscheiden.
Der Kläger ist der Meinung, dass er einen Anspruch auf Herausgabe der vollständigen
Mitgliederliste hat, und zwar an sich selbst. Und selbst wenn man einen Treuhänder verlangen
würde, so stehe dem Verein kein Mitspracherecht bei der Auswahl und der konkreten
Ausgestaltung der Beauftragung zu.
Schließlich sei ein etwaiger Widerspruch von Vereinsmitgliedern gegen die Weitergabe der
Daten nicht wirksam.
Diese Auffassung teilte der Verein nicht. Vielmehr vertritt er die Auffassung, dass – auch
wenn er grundsätzlich zur Herausgabe der Mitgliederdaten an den Kläger verpflichtet sei –
auf jeden Fall die Belange des Datenschutzes gewahrt werden müssten.
Dies sei aber bei einer Herausgabe an den Kläger oder an einen von ihm benannten
Treuhänder nicht sichergestellt.
Die gerichtliche Entscheidung: Der Verein muss die Mitgliederdaten herausgeben
Das LG Köln hat den Kläger in seinem Begehren bestätigt – jedenfalls insoweit, als es sich
um die Herausgabe der Daten stimmberechtigter Mitglieder handelt.
Nach Meinung der Kölner Richter steht dem Kläger ein Anspruch auf Herausgabe der
Mitgliederliste zu, wenn und soweit er ein berechtigtes Interesse im Sinne der
vereinspolitischen Ziele darlegen kann und diesem Begehren keine überwiegenden Interessen
des Vereins oder der betroffenen Vereinsmitglieder entgegenstehen.
Es besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers
Das berechtigte Interesse des Klägers besteht nach Auffassung des LG Köln darin, seine ihm
aufgrund der Mitgliedschaft zustehenden Rechte wirkungsvoll ausüben zu können. Dazu
zähle insbesondere das Recht auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein.
Dabei müssen sich die Vereinsmitglieder nach Meinung des LG Köln auch nicht darauf
verweisen lassen, mit anderen Mitgliedern über Internetforen, die Mitgliederzeitung o.ä. in
Kontakt zu treten. Vielmehr liege es beim Mitglied zu entscheiden, auf welchem Weg und an
welche Mitglieder es wie herantreten will, um auf die vereinsrechtliche Willensbildung
Einfluss zu nehmen.
Initiierung der Wahrnehmung von Mitgliederrechten ist nur außerhalb der
Mitgliederversammlung möglich
Das Bestreben zu einer Satzungsänderung könne der Kläger nach Einschätzugn des LG Köln
angesichts der Mitgliederstruktur des Beklagten nur wahrnehmen, wenn er den Mitgliedern
außerhalb der Mitgliederversammlung seine Anliegen bekannt machen kann.
Dies ergebe sich aus der großen Zahl der Mitglieder und der in der Satzung vorgesehenen
Anzahl an notwendigen Stimmen für eine Satzungsänderung. Dafür seien nämlich zwei
Zehntel der stimmberechtigten Mitglieder erforderlich.
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Das bedeute in der praktischen Konsequenz, dass ein Vereinsmitglied für eine
Satzungsänderung außerhalb der Mitgliederversammlung die Zustimmung von mehreren
Tausend der stimmberechtigten Vereinsmitglieder gewinnen muss, um überhaupt eine
Befassung der Mitgliederversammlung ohne Unterstützung durch ein Vereinsorgan erreichen
zu können.
Der Kläger will seinen Auskunftsanspruch auch nicht anderweitig missbrauchen
Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs sei insbesondere auch nicht
rechtsmissbräuchlich. Denn die angestrebte Satzungsänderung, die im Wesentlichen auf eine
stärkere Beteiligung der anderen Vereinsorgane zielten, verfolgten keinen sitten- oder gar
gesetzeswidrigen Zweck.
Ob die Satzungsänderungen sinnvoll oder gar notwendig sind, sei gerade nicht Voraussetzung
des Auskunftsanspruchs, sondern Gegenstand der Diskussion der Vereinsmitglieder.
Datenschutz steht der Herausgabe der Mitgliederliste nicht entgegen
Nach Auffassung des LG Köln stehen der Herausgabe auch keine datenschtzrechtlichen
Bedenken entgegen. Denn die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Verein, der einen
bestimmten Zweck verfolgt, in eine Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend
unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten.
Die anderen Vereinsmitglieder hätten es insofern hinzunehmen, dass andere
Vereinsmitglieder in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele an sie herantreten.
Es ist keine Einwilligung nötig
Auch sei die Herausgabe der Daten unabhängig von einem Widerspruch der Mitglieder
zulässig. Dazu bemüht das LG Köln die Regelungen aus § 28 Abs. 8 und 6 BDSG.
Demzufolge sehe § 28 BDSG nur in Absatz 4 eine Widerspruchsmöglichkeit vor – und zwar
im Falle der Weitergabe für Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung.
Ein Treuhänder ist nicht erforderlich
Schließlich könne der Verein auch nicht verlangen, dass die Herausgabe nur an einen zur
Verschwiegeneit verpflichteten Treuhänder erfolge. Denn nach Einschätzung der Kölner
Richter sei der Schutz der Daten bereits dadurch ausreichend gewährleistet, dass das
Vereinsmitglied die Mitgliederdaten nach § 28 Abs. 5 BDSG nur ihm Rahmen seines
berechtigten Auskunftsinteresses nutzen darf.
Würde das Vereinsmitglied die Daten anderweitig nutzen, würde dies durch den
Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 4 BDSG ausreichend sanktioniert.
Fazit
Die Argumentation zu § 28 Abs. 8 BDSG überzeugt nur bedingt. Das liegt zunächst daran,
dass es gar nicht um die Herausgabe besonderer Arten personenbezogener Daten – auf den §
28 Abs. 8 referenziert – ging. Insofern hätte sich eine Abwägung eigentlich an § 28 Abs. 2 Nr.
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2 BDSG orientieren müssen. In einer Abwägung nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 BSG hätten dann
auch die Widersprüche der anderen Vereinsmitglieder berücksichtigt werden müssen.
Weiterhin ließe sich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Datensparsamkeit (nach § 3a
BDSG) auch darüber streiten, ob die Herausgabe der E-Mailadresse erforderlich war. Denn
das Anschreiben des Klägers hätte auch auf dem Postweg verschickt werden können.
Es kommt wie meist auf den Einzelfall an
Die Entscheidung darf – angesichts der vielen unterschiedlichen Ausprägungen von Vereinen
und deren Zielen – nicht als „Freibrief“ für die „unkontrollierte“ Herausgabe von
Mitgliederdaten verstanden werden. Im entschiedenen Fall ging es „nur“ um einen
Sportverein.
Wenn aber z.B. ein politisch orientierter Verein betroffen gewesen wäre, wäre eine
Abwägung zwischen dem Herausgabeanspruch eines Mitglieds und der Rechte der dadurch
betroffenen anderen Mitglieder durchaus komplexer. Denn „politische Überzeugungen“
stellen besondere persönliche Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG dar und unterliegen
besonderem Schutz. Daher ist immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen.
Der Urteil des LG Köln vom 27.09.2011 (Az. 27 O 142/11) ist im Internet unter folgender
Adresse abrufbar:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2011/27_O_142_11_Urteil_20110927.htm
l
„
Datenschutz im Verband: Darf ein Verband
die Mitgliederliste an seine Mitglieder
herausgeben?
Probleme des Datenschutzes
gewinnen auch innerhalb von Verbänden zunehmend an Bedeutung. Dieses Thema wurde
auch in der letzten Sitzung des DGVM-Ausschusses für Recht und Management (ARMA)
behandelt. In dieser Sitzung wurde mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die
Herausgabe von Mitgliederlisten innerhalb der eigenen Organisation rechtlich
11
unproblematisch sei. Angesichts einer (vorläufig nicht rechtskräftigen) Entscheidung des
Oberlandesgerichts Hamburg ist es jedoch erforderlich, diese Problematik kritischer als bisher
zu betrachten.
Der Fall
In einem bundesweiten Verbraucherschutzverein mit mehr als 50.000 Mitgliedern hatte es
internen Krach gegeben. Eine Anzahl opponierender Vereinsmitglieder hatte die Herausgabe
von Mitgliederlisten verlangt. Anlass hierzu war gewesen, dass der Verein eine
Satzungsänderung in der Mitgliederversammlung beschlossen hatte, die nach Ansicht der
Opponenten unwirksam war, weil nach ihrer Meinung nicht alle Vereinsmitglieder zu der
Mitgliederversammlung eingeladen worden waren. Um die Wirksamkeit der Ladung
nachprüfen zu können, verlangten die Opponenten von dem Verein die Herausgabe einer
vollständigen Mitgliederliste mit Anschriften, Telefonnummern und E-Mail-Adressen
sämtlicher Vereinsmitglieder.
Erste Runde: Landgericht Hamburg
Eine entsprechende Klage der Opponenten wies das Landgericht Hamburg mit Urteil vom
3.1.2008 (Aktenzeichen: 319 O 135/07) zunächst ab. Zu dem Herausgabebegehren führte das
Landgericht aus:
“Eine Anspruchsgrundlage für die von den Klägern geltend gemachten Herausgabebegehren
ist nicht ersichtlich. Die Rechtsprechung räumt Vereinsmitgliedern beim Vorliegen
besonderer Umstände lediglich ein Recht auf Einsicht in die Mitgliederkartei ein.
Ausdrücklich verneint wird jedoch ein Anspruch auf Übersendung sowie auf Herausgabe
einer Aufstellung aller Namen und Anschriften. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht
an. Einzelnen Personen oder auch einer Personengruppe bei Vereinsstreitigkeiten die Namen
und Anschriften sowie Mailadressen aller Mitglieder zu übergeben, verbietet sich schon aus
Datenschutzgründen. Durch eine solche Herausgabe würde ein Verein nämlich jegliche
Kontrolle über die Daten seiner Mitglieder verlieren und diese müssten befürchten, dass ihre
Daten zu Zwecken verwendet würden, mit denen sie nicht einverstanden sind. In
Ausnahmefällen, wie bei der beabsichtigten Einberufung einer Mitgliederversammlung auf
Verlangen einer Minderheit (§ 37 BGB) mag es begrenzte Einsichtsrechte von
Vereinsmitgliedern geben. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch hier nicht vor. Zudem
begehren die Kläger wesentlich mehr als eine Einsicht, sie verlangen in ihrem Antrag . die
Herausgabe der Daten an sich oder einen Treuhänder. Eine Ausnahmesituation, die dies
rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich.”
Zweite Runde: Oberlandesgericht Hamburg
Mit diesem Urteil waren die Opponenten nicht zufrieden und zogen in die nächste Instanz.
Mit einigem Erfolg: Das OLG entschied, dass die Kläger die Herausgabe der Mitglieder an
einen Treuhänder verlangen können (Urteil vom 27.8.2009, Aktenzeichen: 6 U 38/08). Das
OLG begründete die – einigermaßen überraschende – Entscheidung wie folgt
(Hervorhebungen durch die Red.):
“Die Berufung der Kläger hat . Erfolg, soweit sie . die Herausgabe der Mitgliederliste an
einen Treuhänder verlangen.
a) Der Anspruch folgt unmittelbar aus der Mitgliedschaft der Kläger im Verein. Die
Mitgliedschaft verkörpert die Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Mitgliedschaftsrechte
und -pflichten und die Stellung des Mitgliedes im Rechtsverhältnis zu dem Verein (vgl.
Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 38 Rn 15). Aus diesem Rechtsverhältnis gehen die
einzelnen Mitgliedschaftsrechte hervor, insbesondere Mitverwaltungsrechte wie das Recht des
12
einzelnen Vereinsmitglieds auf Teilnahme an der vereinsinternen Willensbildung. Dazu
zählen das Recht auf Teilnahme an den Mitgliederversammlungen und dort das Rederecht,
Auskunftsrecht, Stimmrecht und aktive Wahlrecht sowie das in § 37 BGB geregelte Recht
einer Minderheit, eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Die Mitgliederversammlung als
das oberste Organ des Vereins ist damit das primäre Forum für die Ausübung der
Mitverwaltungsrechte der einzelnen Mitglieder.
Die Rechtsausübung ist aber nicht generell auf die Mitgliederversammlung beschränkt. Der
Senat folgt den Stimmen in der Literatur, die dem einzelnen Vereinsmitglied außerhalb der
Mitgliederversammlung bei einem berechtigten Interesse jedenfalls das Recht auf Einsicht der
Bücher und Urkunden des Vereins einschließlich der Mitgliederliste einräumen (vgl.
Sauter/Schweyer/Waldner, aa0, Rn 336; Reichert, aa0, Rn 1183; Soergel/Hadding, aa0, § 38
Rn 17.) Eine solche Einsichtnahme kann notwendig sein, um das Vereinsmitglied überhaupt
in die Lage zu versetzen, seine Mitverwaltungsrechte in der Mitgliederversammlung geltend
zu machen. Das Einsichtsrecht rechtfertigt sich deshalb aus einem notwendigen
Vorbereitungsanspruch des Mitglieds. Dass sich dieses Recht nicht auf eine Ausübung in der
Mitgliederversammlung beschränkt, erklärt sich schon daraus, dass sich bei dieser
Gelegenheit die Einsicht in die Bücher regelmäßig schon aus technischen Gründen nicht
bewerkstelligen lässt.
Im Hinblick auf die Einsicht in die Mitgliederliste wird zwar oft das Argument herangezogen,
es würde einzelnen Mitgliedern anderenfalls unmöglich, von dem Minderheitenrecht gem. §
37 BGB Gebrauch zu machen, vor allem in größeren Vereinen, in denen sich die wenigsten
Mitglieder persönlich kennen (vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, aaO, Rn 336; Reichert, aaO,
Rn 1183). Daraus lässt sich aber nach Auffassung des Senats nicht der Schluss ziehen, für die
Einsichtnahme in die Mitgliederlisten stets zu verlangen, dass sie für ein bereits konkret
beabsichtigtes Minderheitsverlangen benötigt wird. Denn § 37 BGB gewährt einer Minderheit
nur das zusätzliche Recht, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen zu
lassen. Das kann aber nicht dazu führen, die ansonsten bestehenden Mitverwaltungsrechte
der Mitglieder zu beschneiden. Das gilt erst Recht angesichts der Tatsache, dass § 37 Abs. 1
BGB ein Quorum von 10 Prozent der Mitglieder vorschreibt. § 6 Abs. 2 S. 2 der alten Satzung
des Beklagten . verlangte sogar einen schriftlichen Antrag von mindestens einem Drittel der
Mitglieder. Da der Beklagte rund 50.000 Mitglieder hat, hätten danach für eine
außerordentliche Mitgliederversammlung über 16.000 Mitglieder zu einem schriftlichen
Minderheitsverlangen bewegt werden müssen. Die entsprechende Bestimmung in der neuen
Satzung in § 7 Abs. 1 S. 2 sieht in Übereinstimmung mit § 37 BGB nunmehr zwar nur noch
ein Quorum von mindestens 10 Prozent der Mitglieder vor . . Das sind aber auch noch 5.000
Mitglieder.
Die Kläger können das für eine Einsicht in die Mitgliederliste notwendige berechtigte
Interesse für sich in Anspruch nehmen. Entgegen der Darstellung des Beklagten geht es den
Klägern nicht darum, allgemeine Meinungsäußerungen an mehr als 50.000 Adressaten zu
verbreiten. Sie haben vielmehr schlüssig ihren Eindruck dargelegt, dass sich der Beklagte
unter der neuen Führung vom Verbraucherschutz immer mehr entferne und sich zunehmend
den Interessen der Versicherungswirtschaft annähere. Ob diese Einschätzung der Kläger
berechtigt ist oder nicht, kann der Senat nicht beurteilen. Es lässt sich jedenfalls nicht
feststellen, dass diese Bewertung nur vorgeschoben und von vornherein ausgeschlossen ist.
Das erklärte Ziel der Kläger ist es, weitere Mitglieder von ihrem Einsatz gegen die ihrer
Ansicht nach falsche Kursänderung zu überzeugen, so dass sie an zukünftigen
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Mitgliederversammlungen teilnehmen und im Sinne der klägerischen Anliegen abstimmen, sei
es zu Einzelfragen der Satzungsänderungen oder bei der Wahl der Führungsgremien.
Der Senat teilt die Ansicht des OLG Saarbrücken, dass ohne Kenntnis der übrigen Mitglieder
die Organisation einer Opposition gegen die Vereinsführung einschließlich einer Kandidatur
für Führungspositionen oder eine vereinsinterne Wahlwerbung nicht möglich ist (OLG
Saarbrücken NZG 2008, 677 f). Auf diese Weise wird im Übrigen auch wieder der
Zusammenhang zur – ordentlichen oder außerordentlichen – Mitgliederversammlung, dem
zentralen Forum des Meinungsaustauschs, hergestellt.
b) Es besteht kein Grund, dem einzelnen Vereinsmitglied zwar die Einsicht in die
Mitgliederliste zu gewähren, aber einen Anspruch auf deren Übersendung zu versagen (so
auch OLG Saarbrücken NZG 2008,677, 678; BayVGH, Beschluss vom 05.10.1998, Az. 21 ZE
98.2707, 21 CE 98.2707, Tz. 13 (zit. nach juris); vgl auch Reichert, aaO, Rn 1183: ” .u.U. auf
einen EDV-Ausdruck”). Soweit sich Sauter/Schweyer/Waldner für ihre gegenteilige Meinung
auf eine Entscheidung des Kammergerichts beziehen (aaO, Rn 336), überzeugt das nicht, weil
das Kammergericht in dem zu § 40 GmbHG ergangenen Beschluss die Zurückweisung auf
den fehlenden Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit stützt (KG, NZG 2005, 83). Jedenfalls
bei einem großen Verein wie dem Beklagten mit rund 50.000 Mitgliedern macht eine bloße
Einsichtnahme in die Mitgliederliste wenig Sinn. Die Rechte des Beklagten und der übrigen
Vereinsmitglieder sind durch die Übersendung der Mitgliederliste überdies nicht wesentlich
mehr berührt als bei einem Einsichtsrecht. Die dadurch anfallenden Kosten hat allerdings
gern. § 811 Abs. 2 BGB analog das Vereinsmitglied zu tragen, das die Herausgabe verlangt
(vgl. OLG Saarbrücken NZG 2008, 677, 678). Die Kostenübernahme haben die Kläger .
bereits berücksichtigt.
c) Dem berechtigten Interesse der Kläger an der Herausgabe der Mitgliederliste stehen keine
überwiegenden schutzwürdigen Belange der übrigen Vereinsmitglieder entgegen. Diese
können zwar in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sein, weil die Mitgliederliste
Angaben über ihre Namen, Anschriften und e-mail Adressen enthalten. Es handelt sich somit
um personenbezogene Daten, die in den in § 1 beschriebenen Anwendungsbereich des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) fallen. Dessen Schutzbestimmungen sind auch dann zu
beachten, wenn man § 31 GenG, der den Mitgliedern einer Genossenschaft ein jederzeitiges
Einsichtsrecht in die Mitgliederliste gewährt, auf den Verein übertragen will (so
Sauter/Schweyer/Waldner, aaO, Rn 336).
§ 31 GenG geht zwar gern. § 1 Abs. 3 BDSG den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes
vor. Das kann aber nicht gleichermaßen bei einer nur entsprechenden Anwendung von § 31
GenG auf das Vereinsrecht gelten (vgl. Reichert, aaO, Rn 2574).
Wie bereits dargelegt, dient die Offenbarung der Mitgliederdaten dazu, den Klägern die
Wahrnehmung ihrer Mitverwaltungsrechte zu ermöglichen. Ob der Verein zur Herausgabe im
Einzelfall unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten berechtigt ist, richtet sich nach § 28
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BDSG. Danach ist das Übermitteln personenbezogener Daten als
Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, wenn es der Zweckbestimmung
eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient, soweit es zur
Wahrnehmung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein
Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem
Ausschluss der Übermittlung überwiegt.
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Nach Ziffer 3.1.3 der Information der Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder
Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zum
Datenschutz im Verein ist die Offenbarung von Mitgliederdaten für solche Zwecke wegen der
Pflicht des Vereins, die Ausübung satzungsmäßiger Minderheitsrechte zu ermöglichen,
regelmäßig im Vereinsinteresse erforderlich, ohne dass überwiegende schutzwürdige
Interessen der betroffenen Mitglieder entgegenstehen . . Der Senat verkennt zwar nicht, dass
sich diese Aussage der Informationsschrift, die auf einem Merkblatt des Innenministeriums
von Baden-Württemberg beruht, unmittelbar auf Regelungen in Vereinssatzungen bezieht, die
für Anträge auf Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung etc. eine
bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern verlangen. Aus den bereits dargelegten Gründen ist
im vorliegenden Fall das berechtigte Interesse der Kläger auf Herausgabe der Mitgliederliste
aber auch ohne eine unmittelbar beabsichtigte außerordentliche Mitgliederversammlung
gegeben. Auf der anderen Seite kann über den Wunsch einzelner Mitglieder, ihre
persönlichen Daten anderen Vereinsmitgliedern grundsätzlich nicht zur Verfügung zu stellen,
nicht hinweggegangen werden. Die Mitgliedschaft bei dem Beklagten, der als
Verbraucherschutzorganisation die Interessen der Versicherungsnehmer vertritt, berührt
zwar keinen sonderlich sensiblen Bereich wie etwa die Mitgliedschaft in einer politischen
Partei, einer Gewerkschaft oder einer Selbsthilfegruppe Suchtkranker. Dennoch muss das
etwaige Interesse einzelner Mitglieder an der Geheimhaltung ihrer Daten respektiert und bei
der Übersendung der Mitgliederliste beachtet werden. Das ist vorliegend dadurch
gewährleistet, dass die Herausgabe an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder
beantragt wird, der zum einen die in den Listen enthaltenen Daten nicht an die Kläger
weitergeben darf und der zum anderen die ihm von einzelnen Mitgliedern aufgegebenen
Untersagungen oder Einschränkungen zu beachten hat .. .
Um den übrigen Vereinsmitgliedern Gelegenheit zu geben, solche Untersagungen oder
Einschränkungen an den Treuhänder zu erteilen, ist ihnen allerdings vorab eine
Widerspruchsmöglichkeit zu eröffnen (vgl. Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 9.
Aufl., § 28 Rn 27). Dazu wird der Beklagte den Mitgliedern das Urteil bekannt zu geben
haben. Ein gesondertes Schreiben an jedes Mitglied wird hierzu nicht nötig sein. Vielmehr
genügt eine entsprechende Information in den Vereinspublikationen, dem 8.-Info, dem
Newsletter und dem Informationsportal im Internet.
Selbst wenn man die datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht an den Regeln des § 28 Abs.
1 Nr. 1 BDSG für vertragsähnliche Vertrauensverhältnisse messen will, so würde die
Übergabe der Mitgliederliste nicht am Datenschutz scheitern. Die Kläger wären dann zwar
als Mitglieder des Vereins im Verhältnis zum Beklagten als Dritte i.S.v. § 28 Abs. 3 Nr. 1
BDSG anzusehen (vgl. Reichert, aaO, Rn 2574). Auch nach dieser Bestimmung ist aber eine
Datenübermittlung an Dritte zulässig, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen können
und schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht entgegenstehen. Die Abwägung der
widerstreitenden Interessen kann auch in diesem Zusammenhang nicht dazu führen, den
Klägern die Mitgliederliste vorzuenthalten. Die berechtigten Interessen der übrigen
Vereinsmitglieder werden dadurch geschützt, dass ihnen die Verpflichtung des Beklagten zur
Herausgabe der Mitgliederliste bekannt gegeben wird, sie die Möglichkeit haben, der
Offenbarung ihrer Daten zu widersprechen, der Treuhänder diese Weisung zu beachten hat
und die Kläger selbst ohnehin keine Einsicht in die Liste nehmen können.
d) Die auf einem berechtigten Interesse der Kläger beruhende Herausgabe der Mitgliederliste
verletzt auch keine entgegenstehenden Belange des Beklagten selbst. Der Gefahr einer
missbräuchlichen Nutzung der Daten oder einer Verbreitung von rufschädigenden
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Äußerungen wird dadurch begegnet, dass der Treuhänder die Mitteilungen, die die Kläger
den übrigen Mitgliedern des Beklagten zukommen lassen möchten, darauf überprüft, ob sie
einen werbenden Inhalt im Sinne von kommerzieller Werbung oder einer Abwerbung haben
und ob sie gegen Strafvorschriften verstoßen .
e) Die Kläger müssen sich nicht entgegenhalten lassen, sie könnten ihr Anliegen genauso gut
verwirklichen, indem sie ihre an die übrigen Mitglieder gerichteten Informationen in der
Vereinszeitung B.-Info, dem Newsletter und im Internetportal veröffentlichen. Da sich die
Kritik der Kläger gerade gegen die gegenwärtige Vereinsführung richtet, müssen sie die
Gelegenheit erhalten, sich unmittelbar an die Vereinsmitglieder zu wenden, ohne dass eine
vorherige Kontrollmöglichkeit durch den Vorstand besteht, wie dies bei den Vereinsmedien
der Fall ist. Die vom Beklagten aufgezeigten Alternativen sind daher nicht gleichwertig. Das
gilt auch für den neu eingerichteten Mitgliederbeirat. Dort mögen einzelne Probleme intern
beraten werden können, der Beirat bietet aber kein Forum, in dem die Kläger die übrigen
Mitglieder in ihrer Gesamtheit – soweit sie nicht widersprechen – erreichen können.”
Anmerkung
Das OLG Hamburg sieht die Herausgabe der Mitgliederliste an einen Treuhänder als
praktikable Lösung an. Diese Annahme dürfte sehr optimistisch sein. Zwar hat das einzelne
Mitglied nach dem OLG-Urteil ein Widerspruchsrecht gegen die Verwendung seiner eigenen
personenbezogenen Daten, doch muss es diesen Widerspruch auch in geeigneter Weise
geltend machen können. Besonders bei mitgliederstarken Verbänden, die einige
hunderttausend oder sogar Millionen Mitglieder (ADAC!) haben, dürfte diese
Widerspruchsmöglichkeit zu erheblichen Schwierigkeiten führen. In dieser Hinsicht bleiben
viele Fragen offen. Bei großen Organisationen dürften die von den Auskunftssuchenden zu
tragenden Kosten erhebliche Größenordnungen erreichen. Möglicherweise wird diese
Kostenlast eine gewisse Bremswirkung entwickeln.
Das OLG Hamburg hat folgerichtig die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Das
OLG hält die bisher höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob einzelne
Vereinsmitglieder die Offenbarung von Daten der übrigen Mitglieder bei berechtigtem
Interesse auch unabhängig von einem konkreten Minderheitsbegehren verlangen können, für
eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Mit Recht. Auf eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs darf man gespannt sein. (WE)
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