Wie kommt es, dass bei einer männerdominierten Regierung regelmäßig insbesondere die Frauen das Nachsehen haben? Monika Christann Das rot-grüne Märchen von mehr sozialer Gerechtigkeit Wer noch 1998 bei der Bundestagswahl an einen Politikwechsel geglaubt hatte, musste erkennen, dass die Rot-Grüne Regierung lediglich einen Machtwechsel meinte. So wie es begann - indem z. B. die berechtigten Anliegen von Frauen als "Gedöns" abgetan wurde - ging es gerade weiter. Nicht etwa Abkehr von ungerechtem, patriarchalem Denken, sondern Fortführung der alten Politik der "Kohl"-Ära mit geringfügigen Änderungen. Der neoliberale Kurs mit der Unterwerfung aller Ziele einer Verteilungsgerechtigkeit unter den "freien" Markt wurde fortgesetzt. Die neue Regierung hatte nicht den Mut, einen grundlegenden Kurswechsel vorzunehmen, sondern drehte weiter an der Schraube der sozialen Ungerechtigkeiten. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter, so ist es in den Zahlen des Statistischen Bundesamtes und des ersten, bis heute nur schwer zugänglichen Armutsberichtes nachzulesen. "Riester-Rente" und "Niedriglohnsektor" sind nur zwei Begriffe aus dem neoliberalen Katalog der Verteilungsungerechtigkeit Riester-Rente - von der geringfügigen Sicherheit ganz sicher in die grössere Armut Mit der Einführung der Riester-Rente hat die Regierung eine Umverteilung zugunsten der Arbeitergeber und der privaten Versicherungswirtschaft geschaffen. Insbesondere Frauen haben hier wieder einmal das Nachsehen. Unumkehrbar wird die von ArbeitnehmerIn und Arbeitgeber zu gleichen Teilen geleistete Finanzierung der Alterssicherung aufgegeben. Die freiwillige private Altersvorsorge von z. Zt. ca. 4 % des Bruttoentgelts trifft Frauen besonders hart, denn 4 % sind für einen niedrigen Lohn härter abzuzwacken als von einem sog. "Ernährerlohn" eines Mannes. Wer nichts verdient, kann auch für 4 % nichts aufwenden. Wer wenig verdient, kann vielleicht etwas sparen, wer viel verdient, ggfs. etwas mehr. Auch 2002 erhalten Frauen immer noch rund ein Viertel bis ein Drittel weniger Gehalt für die gleiche Arbeit, viele typische Frauenberufe sind unterbewertet und unterbezahlt (von der unbezahlten Arbeit ganz zu schweigen!!!). Hinzu kommt, dass viele Frauen auf Grund ihrer Kinder unterbrochene Erwerbsbiografien haben bzw. als potentielle Mütter gar nicht erst eingestellt werden. Erwerbslose Zeiten bleiben in der privaten Altersvorsorge unberücksichtigt und Familienarbeit wird nicht anerkannt. Hinzu kommt, dass viele der privaten Versicherungsgesellschaften die Rentenvorsorgebeiträge in Aktien bzw. Aktienfonds anlegen werden. Die ungezügelten und unkontrollierten globalen Finanzspekulationen, die ganze Länder in den Konkurs treiben können, tragen zu einer weiteren Unsicherheit in diesem privaten Vorsorgesystem bei: Ganze Generationen werden zittern müssen, dass ihre Aktien gerade hoch im Kurs stehen, wenn sie diese in Bargeld umwandeln wollen. Reales Geld existiert übrigens nur noch zu etwa 5 %; der Rest ist nur eine Ziffer auf einem (Aktien-)papier oder auf dem Bildschirm des Computers.... Auch heute noch und gerade in Zeiten des neoliberalen Credos vom angeblich "freien Markt" erleben Frauen verstärkt Erwerbslosigkeit, Lohndiskriminierung, Altersarmut durch Teilzeitarbeit und fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Die "Klasse" der "geringfügig Beschäftigten" - meist Frauen - wird noch einmal enorm anwachsen durch die geplante Heraufsetzung von 630,- DM auf (umgerechnet) ca. 1.050,- DM. Wie wir wissen, führt eine geringfügige Beschäftigung direkt in die Altersarmut und nichts, aber auch gar nichts hat sich Jahren daran geändert, dass die Armut weiblich ist. Niedriglohnsektor und Kombilöhne - Logik des Neoliberalismus Papageienhaft plappern die Schröder-Gefährten und auch etliche Teile der Grünen die Litanei der neoliberalen Wirtschaft nach: Die regulierten Löhne seien zu hoch im Vergleich zu niedriger Produktivität von Langzeitarbeitslosen und schlechter Qualifikation von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Das Arbeitslosengeld sei zu hoch und/oder die Anrechnung von möglichen zusätzlichen Erwerbseinkommen zu restriktiv, dadurch sei kein ausreichender Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit oder ein zusätzliches Erwerbseinkommen vorhanden (sog. "Sozialstaatsfalle"). Die Nebenkosten für Arbeitgeber seien zu hoch; deswegen würden diese nicht mehr so gerne einstellen, weil sie sonst in einer "Kostenfalle" wären. Nur durch eine Deregulierung von Tarif- und Sozialstandards könnten ungenutzte Beschäftigungspotenziale unterhalb eines "Normalarbeitsverhältnisses" insbesondere in den Dienstleistungen erschlossen werden. Es wäre "sozial", damit Menschen zur Erwerbsarbeit zu verhelfen. Solche Argumentation sind nicht nur falsch, sondern auch perfide und unverschämt. Hier wird bereits der Boden für den derzeit verhandelten Welthandelsvertrag GATS 2000 bereitet; denn dieser sieht vor, Tarif- und Sozialstandards als Handelshemmnisse zu bezeichnen und abzuschaffen. Der subventionierte Lohn (Kombilohn, auch "Mainzer Modell") ist ein Einstieg in die Aufhebung des bisherigen sozialen Sicherungssystems, zu dem auch die Sicherheiten eines Tarif- und Sozialsystems gehören. Es wird begründet, dass Langzeiterwerbslosen und SozialhilfeempfängerInnen der Einstieg in den Erwerbsarbeitsmarkt durch Absenkung des Lohnniveaus (Kostenersparnis für den Arbeitgeber) in der Kombination mit einem staatlichen Zuschuss (z. B. durch einen Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen) erleichtert werden soll. Diese Gruppe macht etwa 25 % der Bevölkerung aus. Viele niedrig bezahlte Jobs werden aber vom weitaus grösseren Teil der "Stillen Reserve" wahrgenommen; also von Menschen, die sich gar nicht erwerbslos gemeldet hatten. Tatsächlich wird der Kombilohn zu einem Lohndumping der Bruttoarbeitslöhne und einem weitreichenden Niedriglohnsektor führen. Dieses System hat eine ungeheure Sprengkraft, da auch die Einnahmen von Staat und Sozialversicherung durch die geringeren Lohnnebenkosten sinken und die Kommunen und öffentlichen Haushalte wiederum stärker zur Kasse gebeten werden. Es ist weiterhin zu befürchten, dass auch Sozialhilfe in der Logik des "Abstandes zum Lohn" weiter nach unten gedrückt wird. Typischerweise werden wir in den Jobs der Kombilöhne Frauen wiederfinden, da sie den überwiegenden Teil der Sozialhilfeempfänger stellen. Sonderprogramm "Mainzer Modell" (Kombilohn durch Sozialversicherungszuschuss) Dieses ursprünglich regionale Programm läuft ab dem 1. März 2002 bis Ende 2003 als bundesweites Sonderprogramm. Besondere Merkmale: Bei der Berechnung des Sozialversicherungszuschusses werden Alleinerziehende (meist Frauen) auf die gleiche Stufe gestellt wie Verheiratete, in einer Lebenspartnerschaft oder in eheähnlicher Gemeinschaft Lebende. Berücksichtigt wird dabei nicht, dass gerade Alleinerziehende darauf angewiesen sind, Unterstützung bei der Kinderbetreuung zu haben, wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen. Bei einem Höchstsatz von 132,57 Euro monatlich (bei einer Obergrenze des Verdienstes von 767 Euro) im Sozialversicherungszuschuss kann sich kaum eine leisten, eine qualifizierte Kinderbetreuung zu bezahlen. So wird, sollte dies dennoch gelingen, die Armut von Frau zu Frau weitergegeben. Auch hier tritt wieder das drängende Problem zu Tage, dass Frauen in wahrsten Sinne des Wortes arm dran sind, wenn keine kostenfreie, staatliche und flächendeckend organisierte Kinderbetreuung vorhanden ist. Alleinerziehende sind auch hier wieder benachteiligt. Bei der Zuwendung des Kindergeldzuschlags wurde realitätsfern gedacht: Zwar gibt es für jedes Kind (je nach "Einkommen") 25, 50 oder max. 75 Euro, aber offenbar geht das Riester-Ministerium davon aus, dass es ein höheres Einkommen gibt bzw. mehr erwerbstätig gearbeitet wird, je mehr Kinder vorhanden sind. In aller Regel verhält es sich genau umgekehrt. Alles in Allem sind Riester-Rente und Kombilohn in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die uns die Rot-Grüne Regierung beschert hat, weitere Meilensteine auf dem Weg in eine Gesellschaft, die unsozial, ungerecht und von sozialem Unfrieden geprägt sein wird. (Die Politik der CDU/CSU und der FDP - andere Parteien aus dem rechtskonservativen Spektrum sind eh' völlig indiskutabel - ist natürlich nicht besser, sondern genauso untragbar. Es sind halt Parteien, die von verstockten, patriarchalen Männern dominiert wird und in der weise Frauen nicht wirklich eine Chance haben. NEIN DANKE, ROT-GRÜN: So haben wir uns eine gerechte Welt nicht vorgestellt. Wir Frauen nehmen Politik besser selbst in die Hand! Zurück zur Startseite / Back to the homepage [email protected] 25.03.02