Julija_Redewettbewerb_Europa,eine_Erfolgsgeschichte

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31.Oktober 1991
Frankfurt an der Oder
Fachkongress „Kulturgemeinschaft Europas“ der CDU
Helmut Kohl, damaliger Bundeskanzler Deutschlands, hält eine Rede mit dem Titel: „ Die Idee Europa
– die Zukunft des Kontinents“
„Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören für uns unauflöslich zu Europa. Unser Ziel ist
es den Menschen von Jekaterinburg bis Dublin, von Oslo bis Rom ein friedliches Zusammenleben in
freier Selbstbestimmung zu ermöglichen.“
7. Mai 2014
Wien, Rathaus
Redewettbewerb
Julija Pitzek, eine Schülerin des Gymnasiums HIB 3 Boerhaavegasse hält eine Rede mit dem Titel:
„Europa – eine Erfolgsgeschichte?“ und begrüßt ihr Publikum.
Sehr geehrtes Publikum!
Um die Frage „Europa - eine Erfolgsgeschichte?“ beantworten zu können, muss ich mich zunächst
mit einer anderen Frage beschäftigen.
Was ist eigentlich Europa?
Geographisch gesehen ist Europa ein Erdteil, welcher sich auf der eurasischen Landmasse befindet,
es ist ein Subkontinent, der mit Asien zusammen den Kontinent Eurasien bildet, wird aber wegen der
Geschichte und Kultur als eigenständiger Kontinent gesehen.
Für mich ist Europa aber etwas anderes.
Europa ist für mich Essen: Kalamari, Schnitzel, Croissant…
Europa ist Kunst: Klimt, Picasso…
Europa ist: Goethe, George Orwell…
Europa sind für mich Menschen, und meine Freunde, wie Elody in Frankreich und Vasia in
Griechenland.
Jean Monnet gilt als einer der Gründerväter der europäischen Gemeinschaften und wird als Vater
Europas bezeichnet. Seine Worte aus dem Jahr 1952 sind für mich die Grundvoraussetzung für die
Erfolgsgeschichte Europas: “Wir einigen keine Staaten, wir bringen Menschen einander näher.“
Und natürlich ist ein Teil von Europa auch die Europäische Union. 1992 entstanden ist die EU,
eines der Dinge die einem sofort zu Europa einfallen. Mittlerweile gehören schon 28
Mitgliedstaaten der Europäischen Union an. Obwohl Europa schon immer und auch heute
noch mit den verschiedensten Problemen kämpfen muss, hat die EU es geschafft, viele dieser
Probleme zu lösen oder zumindest zu verbessern.
Einer der wichtigsten Punkte ist hier sicher der Frieden. Seit der Gründung der Europäischen Union
hat es keinen Krieg mehr zwischen den Mitgliedsstaaten gegeben. Vermutlich war das vor der
Gründung der EU undenkbar, denn sehr viele Kriege prägten Europa in der Geschichte. Deshalb
können wir uns hier glücklich schätzen, weil wir nicht mehr in der Angst leben müssen, dass jeden
Tag ein neuer Krieg ausbrechen könnte.
Auch die Reisefreiheit ist im Zusammenhang mit der Europäischen Union anzuführen, früher war es
nicht so einfach in andere Länder zu reisen. Wenn ich heute vom Schloss Hof hinüber nach Bratislava
blicke und kein „eiserner Vorhang“ mehr da ist, denke ich, dass es auf die Frage „Ist Europa eine
Erfolgsgeschichte?“ nur eine Antwort geben kann: „Ja“. Nicht alle, aber viele Grenzen sind
verschwunden. Heute kann man meist ohne Probleme in ein anderes Land reisen, außerdem kann
man in der „EU-Schlange“ am Flughafen stehen, die deutlich schneller vorangeht als die, die man in
London Stansted unter „Rest of the World-Schlange“ so schön finden kann.
Auch können wir problemlos Pakete oder Geldbeträge in andere Länder der EU verschicken, oder sie
empfangen. Das weiß man zu schätzen, erst wenn man versucht hat, ein Paket in ein nicht EU Land
zu schicken und erlebt hat, wie kompliziert oder gar unmöglich das sein kann.
Doch wie auch die positiven Seiten der EU sind auch die negativen zu erwähnen, die mich bei diesem
Thema beschäftigen.
Eine davon ist die Arbeitslosigkeit. Dabei denke ich nicht nur an Spanien oder Griechenland, sondern
auch an andere Länder Europas, wo viele Jugendliche keine Arbeit finden können. Und ohne Arbeit
kann man nur schwer zu Geld kommen, welches in der heutigen Zeit überlebenswichtig ist.
Außerdem müssen wir mit ansehen, wie täglich Flüchtlinge vor den „wunderschönen Toren“ Europas
sterben müssen, oder immer wieder abgeschoben werden. Dies geschieht wegen des Dublin 2
Abkommens, welches meiner Meinung nach nicht besonders gut durchdacht ist. Es besagt, dass jeder
Flüchtling in jenes Land zurückgeschoben werden muss, in welchem er/sie zuerst den europäischen
Boden betreten hat. So entsteht die Ungleichheit, dass die ohnehin schon überforderten Staaten im
Süden Europas von Flüchtlingen überflutet werden, während andere Länder, die sich bereit erklärt
hätten diese Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, diese Aufgabe nicht annähernd erfüllen können.
Europa rühmt sich damit, Menschenrechte zu achten. Doch wie menschlich ist es, 3 Meter hohe
Stacheldrahtzäune an der Grenze zu Afrika zu errichten, an denen sich Menschen vor Verzweiflung
trotz des Schmerzes und der Lebensgefahr hinüber kämpfen?
Zu diesen Überlegungen stellt sich nun die Frage: „Ist Europa wirklich eine Erfolgsgeschichte?“ Ja. Ich
beantworte diese Frage mit „Ja“, denn wenn man sich das Leben von Mutter Courage oder die
schrecklichen Ereignisse des 2. Weltkrieges vor Augen führt, ist klar, dass wir heute einen Erfolg
feiern. Doch wir sollten diesen Erfolg nicht als selbstverständlich hinnehmen - und Europa wird erst
dann eine ganz große Erfolgsgeschichte sein, wenn sie nicht im gut überwachten und geschlossenen
Raum der Europäischen Union bleibt, sondern der Frieden und die Freiheiten jeden Kontinent der
Welt erreicht haben.
Der schon erwähnte Jean Monnet wurde 1976 zum ersten Ehrenbürger Europas ernannt. Das ist eine
Auszeichnung, die bisher nur an zwei Personen verliehen wurde, nämlich nach Jean Monnet noch ein
weiteres Mal 1998 an am Anfang meiner Rede zitierten Helmut Kohl. Ehrenbürger Europas! Ich
denke, dass nicht nur Politiker Europa verbessern können, sondern auch jeder von uns! Sei es mit
einer Stimme bei der Europawahl, sei es mit Kontakten und Freundschaften, die wir mit Menschen in
verschiedenen Ländern Europas pflegen. Sei es indem man eine Rede zum Thema „Europa – eine
Erfolgsgeschichte?“ im Rathaus hält.
Aber Europa wird erst dann eine wahre Erfolgsgeschichte sein, wenn die Frage „Europa – eine
Erfolgsgeschichte?“ nicht mehr gestellt werden muss.
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