Dieser Bericht beschreibt die ganze Problematik welches auch das Wasserschutzgebiet Holsterhausen/Üfter Mark betrifft Nitrate in privaten Brunnen: "Man riecht und schmeckt es nicht" Von Anna-Lotta Liss Weil sie nicht an das Netz der Wasserwerke angeschlossen ist, hat eine Familie in Bocholt ihren eigenen Brunnen vor der Tür. Doch das Wasser, das daraus sprudelt, ist nicht trinkbar: Der Nitratgehalt ist viel zu hoch. In ländlichen Gebieten ein häufiges Problem. Wenn Annemarie Seggewiss zuhause ihren Wasserhahn aufdreht, darf sie das, was dort herauskommt, nur zum Duschen oder für den Abwasch benutzen. Denn das Wasser, das der hauseigene Brunnen liefert, ist gefährlich hoch mit Nitrat belastet. Dabei sieht es Drumherum geradezu idyllisch aus: Mitten im Grünen, in Bocholt-Barlo, wohnt die Familie Seggewiss, die im Nebenerwerb Landwirtschaft betreibt. Einen Anschluss an ein Wasserwerk gibt es in dieser Gegend nicht, und so schöpft die Familie ihr Wasser für den Hausgebrauch aus einem eigens gebohrten Brunnen. Nitrat-Wert doppelt so hoch wie zulässig Dass das hauseigene Wasser alles andere als gesund sein könnte, weiß die Familie schon seit bald 30 Jahren. Irgendwann in den 1980ern kam bei den vorgeschriebenen, regelmäßigen Untersuchungen heraus, dass der Nitrat-Wert doppelt so hoch war wie zulässig. Als Ursache vermutet die Familie zu viel nitrathaltigen Dünger auf den Feldern - auch auf den eigenen. Ehemann Wilhelm Seggewiss wusste, was zu tun war: „Ich habe etwa vier Hektar zum Wassergewinnungsgebiet erklärt", sagt er. Auf dieser Fläche rund um den Brunnen wurde fortan nicht mehr mit Gülle gedüngt. Ursache des Übels: Gülledünger Es funktionierte: Der Nitratwert im hauseigenen Trinkwasser sank nach mehr als zehn Jahren bis unter den Grenzwert von 50 mg pro Liter. Aber: Auf die Äcker, die weiter weg vom Brunnen liegen, wurde weiter Gülle ausgebracht, dabei passierte im Jahr 2003 ein verhängnisvoller Fehler. Um den Anwohnern den unangenehmen Geruch frisch güllegedüngter Felder zu ersparen, benutzten die Bauern moderne Güllefassanlagen, die die Gülle mit hohem Druck unter die Erdoberfläche spritzen. Durch dieses neue, effektive Verfahren aber wurden plötzlich größere Mengen tiefer in die Erde injiziert. Das, sagt Wilhelm Seggewiss, hatte man so nicht einkalkuliert. Brunnenwasser sieht klar und frisch aus Die Kontrollen zeigten, dass das Brunnen-Wasser nicht mehr trinkbar, der Nitratgehalt zu hoch war. "Das war die absolute Niederlage", sagt Wilhelm Seggewiss, "und wenn man das selber mitverursacht hat, ist es umso schlimmer.“ Dabei sieht das Brunnenwasser klar und frisch aus, "man kann es nicht riechen, man schmeckt es nicht", schüttelt Annemarie Seggewiss den Kopf. Wieder beschloss die Familie, ihr selbsternanntes Wasserschutzgebiet um den Brunnen herum noch zu vergrößern. Dort düngten sie nicht mehr mit Gülle. Zum Kochen und Trinken muss die Familie dennoch bis heute Wasser aus Flaschen kaufen. Mit etlichen Fünf-Liter-Kanistern stehe sie oft an der Kasse im Supermarkt - "eine Riesenschlepperei“, sagt Annemarie Seggewiss, die im Monat etwa 40 Euro koste. Experten hätten der Familie erklärt, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis die Nitrat-Werte wieder sinken. "Problem ist gravierend" Ob selbst verschuldet oder nicht: Dies sei kein Einzelfall, sagt die Grünen-Politikerin Monika Ludwig aus Bocholt, "nur viele wollen damit nicht an die Öffentlichkeit, weil sie Angst haben vor Repressalien, oder dass die Nachbarn ja dumm reden könnten". 40 Prozent der Grundwasserkörper im Kreis Borken seien "in einem schlechten chemischen Zustand", das Problem sei "gravierend". Folgen der Landwirtschaft: Gülleflut bedroht Trinkwasser Ursache sei vor allem die Massentierhaltung in der Region. Im Kreis Borken leben so viele Rinder und Schweine wie in kaum einem anderen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Dadurch, dass die Bauern heute das Futter für ihre Tiere nicht mehr selber anbauen müssen, sondern zu günstigen Preisen zum Beispiel in Südamerika kaufen können, lassen sich mit relativ wenig Fläche mehr Tiere halten, als früher. "Und dann kommt natürlich das Problem: Wo bleib ich mit der Gülle?“, sagt Ludwig, einige Böden könnten die Nährstoffe kaum noch aufnehmen. Hinzu kämen nitrathaltige Abfälle aus Biogasanlagen, die auch als Dünger ausgebracht werden.