Sachverhaltsdarstellung (DOCX 66.9 KB)

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An die
Staatsanwaltschaft St. Pölten
Schießstattring 6
3100 St. Pölten
Wien, 18.2.2013
Sachverhaltsdarstellung
Anzeiger:
Dieter Brosz, MSc
Abgeordneter zum Nationalrat
Löwelstraße 12, 1010 Wien
Tatverdächtige:
1. Mag. Gerhard Karner
2. Volkspartei Niederösterreich
3. u.T.
Wegen: § 263 StGB, u.U. § 264 StGB
Sachverhaltsdarstellung
1. Am 5.2.2013 hat der Landesgeschäftsführer der Volkspartei Niederösterreich,
Mag. Gerhard Karner, im Wege der Austria Presse Agentur folgende OTSMeldung veröffentlicht:
„OTS0064 5 II 0110 NNV0001
Di, 05.Feb 2013
Politik/VPNÖ/Niederösterreich/Wahl/Reaktion
Karner: Wer LH Dr. Erwin Pröll will, kann ihn auch direkt wählen!
Utl.: Modernes Persönlichkeitswahlrecht in NÖ ermöglicht Direktwahl =
St. Pölten (OTS/NÖI) - "Wer Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll weiter
als Landeshauptmann will, kann ihn auch direkt wählen. Das moderne
Persönlichkeitswahlrecht - Name vor Partei - ermöglicht bereits jetzt die
Direktwahl des Landeshauptmannes", stellte heute VPLandesgeschäftsführer LAbg. Mag. Gerhard Karner erneut deutlich klar.
"Kein Wunder, dass sich die anderen Parteien vor diesem
Persönlichkeitswahlrecht so fürchten. Sie waren fünf Jahre im Land
nicht zu sehen, haben nichts gearbeitet und verstecken sich jetzt hinter
Parteien", so Karner.“
Mag. Karner behauptet somit explizit, "Wer Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll
weiter als Landeshauptmann will, kann ihn auch direkt wählen. Das moderne
Persönlichkeitswahlrecht - Name vor Partei - ermöglicht bereits jetzt die
Direktwahl des Landeshauptmannes“ Damit wird suggeriert, es bestünde die
Möglichkeit der Landeshauptmann-Direktwahl, wenn man für Dr. Pröll eine
Vorzugstimme gebe.
Tatsächlich widerspricht dies aber eindeutig der bestehenden Rechtslage:
Gemäß Art 35 Abs. 4 der Landesverfassung von Niederösterreich wird der
Landeshauptmann nicht bei der Landtagswahl von den Wählerinnen und
Wählern, sondern vom niederösterreichischen Landtag gewählt:
Artikel 35 (4): Der Landeshauptmann wird vom Landtag in einem
eigenen Wahlgang mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Bei
Stimmengleichheit gilt derjenige als gewählt, der von der
mandatsstärksten Partei vorgeschlagen worden ist. Bei
Mandatsgleichheit gilt derjenige als gewählt, der von jener Partei
vorgeschlagen worden ist, die bei der vorangegangenen Landtagswahl
die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Es geht bei der Landtagswahl definitiv nicht um die Wahl des
Landeshauptmannes. Wer für Erwin Pröll eine Vorzugsstimme vergibt, wählt
ihn nicht zum Landeshauptmann, sondern bewirkt allenfalls eine Umreihung
auf der ÖVP-Landesliste für die Landtagswahl und gibt automatisch seine
Stimme für die ÖVP ab, auch wenn die Wahlpartei ÖVP gar nicht angekreuzt
wird (siehe dazu auch unten Pkt.2).
2. Von Seiten der niederösterreichischen ÖVP werden
Landtagswahlkampf Plakate mit folgendem Text affichiert:
im
laufende
„Sie wollen keine Partei wählen? Müssen Sie auch gar nicht:“
Darunter findet sich ein angekreuzter Kreis neben dem Namen „Pröll“
Damit wird suggeriert, es sei möglich, bei der Landtagswahl eine
Vorzugsstimme zu vergeben, ohne damit eine Partei zu wählen. Tatsächlich
widerspricht dies aber eindeutig der bestehenden Rechtslage:
§ 78 Abs. 3 der NÖ Landtagswahlordnung sieht betreffend die Abgabe von
Vorzugsstimmen und Parteistimmen vor, dass jede gültige Vorzugsstimme als
Stimme für die Partei des mit einer Vorzugsstimme Bedachten zu werten ist:
„(3) Wenn eine gültige Vorzugsstimme für Bewerber der selben
Parteiliste (Abs. 2) abgegeben wurden, so gilt der Stimmzettel als
gültige Stimme für diese Partei, selbst wenn eine andere Partei
bezeichnet wurde.
Somit ist die Darstellung auf den ÖVP-Plakaten falsch und irreführend, weil
eine Vorzugsstimme für „Pröll“ jedenfalls dazu führt, dass auch die Partei
Volkspartei Niederösterreich gewählt wird (auch wenn diese gar nicht
angekreuzt wurde).
In beiden Fällen werden die Wählerinnen und Wähler gezielt über die Auswirkungen
der Vergabe von Vorzugstimmen für den Landeshauptmann Dr. Pröll getäuscht. Im
ersten Fall wird irreführend der Eindruck erweckt, eine Vorzugsstimme bei der
Landtagswahl sei eine Stimme dafür, dass LH Pröll in seiner Funktion als
Landeshauptmann wiedergewählt wird („…Direktwahl des Landeshauptmannes“). Im
zweiten Fall wird irreführend der Eindruck erweckt, bei der Vergabe einer
Vorzugsstimme werde keine Stimme für die entsprechende Partei abgegeben („Sie
wollen keine Partei wählen? Müssen Sie auch gar nicht.“). Somit sind der Inhalt der
Aussagen von Mag. Karner sowie die affichierten ÖVP-Plakate geeignet, aufgrund
einer Täuschung über Tatsachen (nämlich die Auswirkungen der Vergabe von
Vorzugsstimmen) dazu zu führen, dass Wählerinnen und Wähler bei der
Stimmabgabe über den Inhalt ihrer Erklärung irren und anders abstimmen, als sie
dies bei Kenntnis der tatsächlichen Rechtslage tun würden
Gemäß § 263 StGB ist Täuschung bei einer Wahl oder Volksabstimmung strafbar:
§ 263 StGB: „(1) Wer durch Täuschung über Tatsachen bewirkt oder zu
bewirken versucht, daß ein anderer bei der Stimmabgabe über den Inhalt
seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen eine ungültige Stimme abgibt,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360
Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer durch Täuschung über einen die
Durchführung der Wahl oder Volksabstimmung betreffenden Umstand bewirkt
oder zu bewirken versucht, daß ein anderer die Stimmabgabe unterläßt.“
Die Staatsanwaltschaft wird ersucht, vorstehenden Sachverhalt auf seine
strafrechtliche Relevanz (insbesondere hinsichtlich § 263 StGB, uU.
hinsichtlich § 264 StGB) zu prüfen und den Anzeiger über alle
verfahrensrelevanten Schritte zu informieren.
Dieter Brosz, MSc
Wien, 18.2.2013
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