Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Fall 4 Die Schausteller A und B sind konkurrierende Inhaber jeweils eines Riesenradbetriebes. Jährlich findet in der Innenstadt von Wuppertal ein Weihnachtsmarkt statt, bei dem – aus zwingenden räumlichen Gründen – lediglich ein Standplatz für ein Riesenrad vorgesehen ist. Der Weihnachtsmarkt wird vom Oberbürgermeister (Referat Volksfeste und Sonderveranstaltungen) der kreisfreien Stadt Wuppertal als Spezialmarkt nach den §§ 68 Abs. 1, 69 GewO festgesetzt. Veranstalter ist danach die Stadt Wuppertal selbst. Die Bewerbungsfrist beginnt in jedem Jahr jeweils am 1. März. Die Auswahlentscheidung über die Zulassung trifft der Oberbürgermeister. Nach der in Wuppertal üblichen jahrelangen Verwaltungspraxis werden vor der Auswahlentscheidung die ansässigen Schaustellerverbände zu den Vorstellungen der Behörde angehört. Seit 2005 war B stets einziger Bewerber um den Standplatz des Riesenrades und wurde jeweils zum Weihnachtsmarkt zugelassen. Schon während des Weihnachtsmarktes 2011 kommt B zu Ohren, dass sich sein Konkurrent A im Jahr 2012 erstmals in Wuppertal bewerben wolle. Bereits im Januar 2012 meldet sich B deshalb telefonisch bei dem zuständigen Sachbearbeiter, dem Beamten Z, in der Stadtverwaltung. Er vergewissert sich, dass die Stadtverwaltung auch im Jahr 2011 wie auch in den vorherigen Jahren mit seinem Riesenradangebot zufrieden gewesen sei. Z bestätigt, dass der Besucherzuspruch zum Riesenrad wieder einmal herausragend gewesen sei. B fragt Z, ob man angesichts der jahrelangen Zufriedenheit mit seinem Riesenrad für 2012 nicht Nägel mit Köpfen machen könne und ihm die Zulassung für den Weihnachtsmarkt 2012 nicht schon zusagen könne. Z sagt ihm daraufhin: „Ich könnte ja was für Sie tun. Für so eine frühe Zusage müssten Sie sich dann aber auch erkenntlich zeigen. Sie wissen schon. Meine Kontonummer lautet …“ B überweist daraufhin 1.000,00 Euro auf das Privatkonto des Z. Mit Schreiben des Oberbürgermeisters vom 10.02.2012 – gezeichnet von Z – wird B die Zulassung für den Weihnachtsmarkt 2012 zugesagt. Im März 2012 beantragen sowohl A als auch B beim Oberbürgermeister die Zulassung für den Weihnachtsmarkt 2012. 1 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Im Mai 2012 hört der Oberbürgermeister die Schaustellerverbände zur Auswahl der Schausteller für den Weihnachtsmarkt an. Der Erste Vorsitzende des Schaustellerverbandes Bergisches Land e.V. ist C. C ist der Bruder des B. Im Namen des Schaustellerverbandes erklärt C, dass aus fachlicher Sicht des Schaustellerverbandes Bergisches Land e.V. das Riesenrad des B dem des A an Attraktivität weit überlegen sei. Das Riesenrad des A weise zudem Sicherheitsmängel auf. Der Schaustellerverband Bergisches Land e.V. empfehle, wieder das Riesenrad des B auszuwählen. Nach ordnungsgemäßer Anhörung lehnt der Oberbürgermeister mit Bescheid vom 15.05.2012 den Zulassungsantrag des A ab. Zur Begründung führt er § 70 Abs. 3 GewO an. Der Festplatz reiche nicht für alle Bewerber aus. Dem B sei die Zulassung bereits verbindlich zugesagt worden. Man habe nicht anders entscheiden können. Die Behörde sei bei der Zusage schlicht davon ausgegangen, es werde sich wie in den Vorjahren kein weiterer Riesenradbetreiber bewerben. Der Bescheid ist mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Mit Bescheid vom 18.05.2012 wird B zum Weihnachtsmarkt zugelassen. A erhebt persönlich fristgerecht Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 mit dem Antrag, ihn zum Weihnachtsmarkt zuzulassen. Zugleich erhebt er Klage gegen den Zulassungsbescheid zugunsten des B vom 18.05.2012. Er beantragt schließlich Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Anträge des A zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden vom zuständigen Verwaltungsgericht mit der Begründung rechtskräftig zurückgewiesen, die Auswahlentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Weihnachtsmarkt findet schließlich vom 01.12. bis zum 26.12.2012 ohne Beteiligung des A statt. A nimmt nun die Anfechtungsklage gegen den Zulassungsbescheid für B vom 18.05.2012 zurück. Seine Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 verfolgt er indes weiter, weil er sich auch zukünftig für die Weihnachtsmärkte in Wuppertal bewerben will. Er macht u.a. geltend, er habe einen Anspruch auf Zulassung aus §§ 70 Abs. 1, 68 Abs. 3, 60b Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 GewO. Jedenfalls sei aber 2 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy die Auswahlentscheidung der Behörde ermessensfehlerhaft. Es könne außerdem doch nicht angehen, dass C im Namen des Schaustellerverbandes für den Betrieb seines Bruders B Einfluss nehme. C sei nicht nur „angehört“ worden. Vielmehr habe er fachlich Stellung genommen und entgegen den Tatsachen die technische Fehlerhaftigkeit seines – des A – Riesenrads festgestellt. Der Bescheid sei schon wegen der unzulässigen Beteiligung des C für die Behörde rechtswidrig. Erst im Februar 2013 fliegt die Schmiergeldzahlung des B an Z auf. A trägt dies dem Gericht schriftsätzlich vor. Der Oberbürgermeister räumt den Sachverhalt ein, trägt aber im März 2013 im Gerichtsverfahren ergänzend vor, das Riesenrad des A weise laut der Stellungnahme des Schaustellerverbandes Bergisches Land e.V. Sicherheitsmängel auf und hätte schon deshalb nicht berücksichtigt werden können. Er ist außerdem der Ansicht, der Klage fehle bereits das Rechtsschutzinteresse, da das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens bereits in den Eilverfahren geklärt habe. Das Gericht holt zur Frage der Sicherheitsmängel ein Sachverständigengutachten ein. Dieses kommt zu dem eindeutigen und überzeugenden Ergebnis, dass das Riesenrad des A die vom Schaustellerverband Bergisches Land e.V. angenommenen Sicherheitsmängel zu keinem Zeitpunkt aufgewiesen habe. Aufgabe: Prüfen Sie in einem Rechtsgutachten, wie das Verwaltungsgericht über die Klage des A gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 entscheiden wird (Entscheidungszeitpunkt 24.06.2013)! Gehen Sie dabei auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen – ggf. auch hilfsgutachtlich – ein! Bearbeitervermerk: 1. Es ist davon auszugehen, dass die behördlichen und gerichtlichen Zuständigkeiten gewahrt sind. 2. Es ist davon auszugehen, dass A die für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme am Weihnachtsmarkt im Sinne von § 70 Abs. 1 GewO erfüllt. 3 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Vorbemerkung: Der vorliegende Fall beruht auf diversen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zur Marktzulassung (u.a. VG Stuttgart, Urt. v. 21.03.2002, 4 K 449/02; VG Bremen, Beschl. v. 02.10.2012, 5 V 1215/12, VG Bremen, Beschl. v. 02.10.2012, 5 V 1031/12). Lösung: Die Klage des A hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit 1. Verwaltungsrechtsweg Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO müsste eröffnet sein. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben ist und keine abdrängende Sonderzuweisung vorliegt. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidende Norm ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet (Sonderrechtstheorie bzw. modifizierte Subjektstheorie).1 Nach der Festsetzung der Veranstaltung gem. §§ 69 Abs. 1, 68 Abs. 1 GewO ist streitentscheidende Norm zur Frage der Zulassung zum Weihnachtsmarkt § 70 GewO. Veranstalter i.S.d. § 70 Abs. 3 GewO kann jedoch auch ein Privater sein. § 70 Abs. 3 GewO als streitentscheidende Norm berechtigt oder verpflichtet demnach nicht notwendig einen Träger der öffentlichen Verwaltung. Eine eindeutige Zuordnung nach der Sonderrechtstheorie ist folglich nicht möglich.2 Bei der Frage der Zulassung zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen wird die Zweistufentheorie angewendet.3 Danach richtet sich die Entscheidung über die Zulassung zur Benutzung der Einrichtung, 1 Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 4. Auflage, Rn. 4. Vgl. OVG Koblenz, NVwZ 1987, 519, 519 f. 3 Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 61. Ergänzungslieferung (2012), § 70 Rn. 27. 2 4 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy also das „Ob“ der Zulassung, grundsätzlich nach öffentlichem Recht, während die Ausgestaltung der Benutzung, also das „Wie“, sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich geregelt sein kann.4 Ein von einer Gemeinde betriebener Markt ist eine öffentliche Einrichtung, sodass die Zwei-Stufen-Theorie Anwendung findet. Der Oberbürgermeister hat hier über das „Ob“ der Zulassung zum Weihnachtsmarkt hoheitlich durch einen ablehnenden Verwaltungsakt entschieden. Dies wird insbesondere durch die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung deutlich. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt mithin vor. Die Streitigkeit ist mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Abdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist demnach eröffnet. Anm.: Als streitentscheidende Norm kommt auch noch § 8 GO in Betracht. Bei nach § 69 GewO festgesetzten Märkten wird allerdings § 8 GO verdrängt. 2. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich gem. § 88 VwGO nach dem klägerischen Begehren. a. Verpflichtungsklage A hat Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 erhoben mit dem Ziel, zum Weihnachtsmarkt zugelassen zu werden. A begehrte demzufolge den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts. Statthafte Klageart war die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO in Form der Versagungsgegenklage. Der Weihnachtsmarkt hat jedoch vom 01.12. bis zum 26.12.2012 ohne Beteiligung des A stattgefunden. Mit der Durchführung des Weihnachtsmarktes ist der Regelungsgehalt des Ablehnungsbescheides entfallen, und die Zulassung zum Weihnachtsmarkt 2012 ist nicht mehr möglich. Daher ist eine Verpflichtungsklage hier unstatthaft und damit unzulässig geworden. Anm.: Erledigung ist keinesfalls durch Bestandskraft des Zulassungsbescheids zugunsten des B vom 18.05.2012 eingetreten. Soweit teilweise vertreten wird, in der Konkurrenzsituation sei neben der Verpflichtungsklage auch eine Drittanfechtung der Begünstigung des Konkurrenten erforderlich (Nachweise bei Pietzcker/Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 42 Rn. 146), konnte die formelle 4 Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 40 Rn. 16. 5 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Bestandskraft nicht eintreten, da A die Anfechtungsklage jedenfalls erhoben hat. Zwar folgt die überwiegende Rechtsprechung dieser Ansicht nicht und betrachtet derartige Anfechtungsklagen als offensichtlich unzulässig (so VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83); im Gegenzug tritt aber jedenfalls seit BVerfG-K, NJW 2002, 3691, auch nicht Erledigung durch bestandskräftige Vergabe des Kontingents an Mitbewerber ein, da es Sache des Marktanbieters sei, die gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung durch Widerruf oder Rücknahme umzusetzen. b. Fortsetzungsfeststellungsklage Bei Erledigung des Verwaltungsakts kommt die Fortsetzungsfeststellungsklage als statthafte Klageart in Betracht. Ein Verwaltungsakt hat sich erledigt, wenn er keine Rechtswirkungen mehr entfaltet.5 Hier hat sich der Ablehnungsbescheid nach Beendigung des Weihnachtsmarktes als dessen Regelungsobjekt durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO stellt das Gericht auf Antrag fest, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn er sich vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat. Direkt anwendbar ist § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nur für den Fall der Erledigung des Verwaltungsaktes nach Erhebung der Anfechtungsklage. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO gilt analog für die Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens. 6 Zwar hat A seinen Klagantrag nicht ausdrücklich umgestellt, jedoch kann vor dem Hintergrund der Klagebegründung in der Tatsache, dass er trotz der Erledigung seine Klage nicht zurückgenommen oder für erledigt erklärt hat, eine stillschweigend-konkludente Umstellung des Klageantrags gesehen werden.7 Die Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog ist statthaft. 5 Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 4. Auflage, Rn. 83. Kopp/Schenke, VwGO; 18. Auflage, § 113 Rn. 109. 7 Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 113 Rn. 122. 6 6 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht 3. Prof. Dr. Christoph Gusy Klagebefugnis Da es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage um eine Klageart handelt, die systematisch auf das engste mit der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage verwandt ist, müssen grundsätzlich alle sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Klagearten erfüllt sein.8 A müsste gem. § 42 Abs. 2 VwGO analog geltend machen, durch die Ablehnung der Zulassung zum Weihnachtsmarkt in seinen Rechten verletzt gewesen zu sein. A hat grundsätzlich einen Anspruch auf die Zulassung zu dem nach § 69 GewO festgesetzten Weihnachtsmarkt aus § 70 Abs. 1 GewO. Der aus dem Grundsatz der Marktfreiheit abzuleitende Anspruch aus § 70 Abs. 1 GewO ist bei sachlich gerechtfertigten Gründen durch § 70 Abs. 3 GewO eingeschränkt.9 Ist die Kapazität beschränkt und übersteigt die Zahl der Interessenten die zur Verfügung stehenden Plätze, wandelt sich der Zulassungsanspruch des einzelnen Teilnehmers nach § 70 Abs. 1 GewO in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zulassungsantrag.10 Es ist zumindest möglich, dass A einen Anspruch auf den von ihm begehrten Verwaltungsakt in Form der Marktzulassung hatte. Er ist somit klagebefugt gem. § 42 Abs. 2 VwGO analog. 4. Vorverfahren gem. § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO Das Vorverfahren ist nach § 110 Abs. 1 JustG entbehrlich. 5. Klagefrist Die Verfristung der Verpflichtungsklage führt gem. § 74 VwGO analog zur Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage.11 A hat jedoch fristgerecht Klage erhoben. 6. Klagegegner Richtiger Klagegegner ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog der Rechtsträger der Behörde, die den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, also die Stadt Wuppertal. 7. Beteiligten- und Prozessfähigkeit 8 Kopp/Schenke, VwGO; 18. Auflage, § 113 Rn. 118. Vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 16.06.2005, 7 LC 201/03, Rn. 26, zitiert nach juris. 10 Pielow, Beck´scher Online-Kommentar GewO, Stand 01.04.2013, § 70 Rn. 24. 11 Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 74 Rn. 2; Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 4. Auflage, Rn. 91. 9 7 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit des A als natürliche Person ergibt sich aus §§ 61 Nr. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; die der Stadt Wuppertal als juristische Person des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaft) aus §§ 61 Nr. 1, 62 Abs. 3 VwGO. 8. Fortsetzungsfeststellungsinteresse Analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO müsste A ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes haben. Grundsätzlich genügt jedes aufgrund vernünftiger Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, ideeller und wirtschaftlicher Art.12 a. Das Wiederholungsgefahr Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist zu bejahen, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen wieder ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.13 Die bloß theoretische Möglichkeit, irgendwann einmal könne sich wieder dieselbe Rechtsfrage stellen, genügt nicht.14 Der Weihnachtsmarkt findet jährlich statt. Es wird stets nur ein Platz für ein Riesenrad zur Verfügung gestellt. Es besteht vor diesem Hintergrund die Gefahr, dass A auch zukünftig mit der gleichen zuletzt genannten Begründung wie im Jahr 2012 (Sicherheitsmängel) abgelehnt wird. b. Rehabilitationsinteresse Des Weiteren besteht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts, wenn nur so eine im Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt stehende diskriminierende Wirkung beseitigt werden kann.15 Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt zu einer Beeinträchtigung der Menschenwürde, des Persönlichkeitsrechts oder des gesellschaftlichen Ansehens des Betroffenen führt.16 Für die Annahme des 12 Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 113 Rdn. 129. BVerwG NVwZ 1994, 282, 282. 14 BVerwG, NVwZ 1990, 360, 360. 15 BVerwGE 26, 161, 168; 61, 164, 165; BVerwG NVwZ-RR 2010, 154, 155; Martini (Fn. 1), S. 79; Sodan/Ziekow (Fn. 1), § 102 Rn. 8. 16 BVerwG NVwZ-RR 2010, 154, 155; VGH München BayVBl. 1993, 429, 430 f.; Martini (Fn. 1), S. 79; s. ausführlich Ingold JA 2009, 711, 712. 13 8 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Fortsetzungsfeststellungsinteresses genügt es dagegen nicht, dass allein der Kläger die jeweilige Maßnahme als diskriminierend empfindet.17 Die Behörde hat die Ablehnung des Zulassungsantrages im laufenden Verfahren mit Sicherheitsmängeln des Riesenrades begründet. Diese Begründung ist geeignet, das Ansehen des A als Riesenradbetreiber herabzusetzen und ihm auch einen wirtschaftlichen Schaden durch weitere abgelehnte Marktzulassungen zuzufügen. Es besteht somit ein Rehabilitationsinteresse. Anm.: Eine andere Ansicht erscheint unter dem Gesichtspunkt vertretbar, dass sich aus dem Sachverhalt nicht ergibt, dass der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, dass das Riesenrad des A angeblich mangelhaft sei. 9. Allgemeines Rechtsschutzinteresse Fraglich ist, ob das Rechtsschutzinteresse deshalb entfällt, weil das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens bereits in den Eilverfahren geklärt hat. Bedenken gegen eine solche Betrachtung ergeben sich aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Diese gewährleistet zur Verwirklichung lückenlosen Rechtsschutzes einen Anspruch auf vollständige Nachprüfung der strittigen Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.18 Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gewährt nach Maßgabe der Sachentscheidungsvoraussetzungen einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren.19 Im Verhältnis des Hauptsacheverfahrens zum vorläufigen Rechtschutz ist die vollständige Nachprüfung nicht mit dem Abschluss des Eilverfahrens erfüllt. A hat zudem gerade ein berechtigtes Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Rechtsfragen im Hauptsachverfahren, da seine Anträge im Eilverfahren rechtskräftig zurückgewiesen worden waren. 10. Zwischenergebnis Die Klage des A ist zulässig. 17 BVerwG NVwZ 2000, 574; Sodan/Ziekow (Fn. 1), § 102 Rn. 8. BVerfG, NJW 2004, 2510, 2510; Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Rn. 183. 19 BVerfG, NJW 2004, 2510, 2511. 18 9 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht B. Prof. Dr. Christoph Gusy Begründetheit Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog begründet, wenn die Ablehnung der begehrten Marktzulassung rechtswidrig und der A dadurch in seinen Rechten verletzt gewesen ist. I. Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides vom 15.05.2012 Der Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 ist rechtswidrig, wenn A einen Anspruch auf die Zulassung zum Weihnachtsmarkt gehabt hat. 1. Anspruchsgrundlage Anspruchsgrundlage für die Zulassung zum Weihnachtsmarkt ist § 70 GewO. Nach § 70 Abs. 1 GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. Nach § 70 Abs. 3 GewO kann der Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Anbieter von der Teilnahme ausschließen. 2. Formelle Anspruchsvoraussetzungen Formelle Anspruchsvoraussetzung ist ein Antrag auf Zulassung bei der zuständigen Behörde. A hat beim zuständigen Oberbürgermeister einen Antrag auf Zulassung zum Weihnachtsmarkt gestellt. 3. Materielle Anspruchsvoraussetzungen Gem. § 70 Abs. 1 GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der Teilnahmebestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. Bei Platzmangel kann der Veranstalter gem. § 70 Abs. 3 GewO einzelne Anbieter von der Teilnahme ausschließen. a. Festsetzung der Veranstaltung Es handelt sich bei dem Weihnachtsmarkt um einen nach §§ 69 Abs. 1, 68 Abs. 1 GewO festgesetzten Spezialmarkt. b. Teilnehmerkreis 10 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy A müsste zum Teilnehmerkreis der Veranstaltung gehören. Die Stadt Wuppertal hat den Weihnachtsmarkt als Spezialmarkt gem. § 68 Abs. 1 GewO festgesetzt. Zum Teilnehmerkreis zählen gem. § 68 Abs. 1 GewO Anbieter, die bestimmte Waren feilbieten. Gem. § 68 Abs. 3 GewO können auf einem Spezialmarkt auch Tätigkeiten i.S.d. § 60b Abs. 1 GewO ausgeübt werden. Gemeint sind damit unterhaltende Tätigkeiten i.S.d. § 55 Abs 1 Nr. 2 GewO. A betreibt ein Riesenrad und ist somit Schausteller i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 GewO. A gehört damit zum Teilnehmerkreis der Veranstaltung. Laut Bearbeitervermerk erfüllt A auch die für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen i.S.v. § 70 Abs. 1 GewO. c. Gebundener Anspruch gem. § 70 Abs. 1 GewO Der gebundene Zulassungsanspruch aus § 70 Abs. 1 GewO scheitert daran, dass der zur Verfügung stehende Platz nicht für alle Bewerber ausreicht. Mit seinem ursprünglichen Antrag auf Zulassung wäre A mithin gescheitert. d. Zulassung nach Ermessen gem. § 70 Abs. 3 GewO Der Zulassungsanspruch des Einzelnen wandelt sich in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zulassungsantrag gem. § 70 Abs. 3 GewO, wenn die Kapazität beschränkt ist und die Zahl der Bewerber die zur Verfügung stehenden Plätze übersteigt.20 A hatte folglich ursprünglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung gem. § 70 Abs. 3 GewO. Dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist erloschen, falls der Oberbürgermeister bereits rechts-, insbesondere ermessensfehlerfrei über die Zulassung entschieden hat. 20 BVerwG, Urt. v. 27.04.1984, 1 C 26/82; VG Stuttgart, Urteil v. 21.03.2002, 4 K 449/02, Rn. 18; VG Bremen, Beschl. v. 02.10.2012, 5 V 1215/12, jeweils zitiert nach juris. 11 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht aa. Prof. Dr. Christoph Gusy Verfahrensfehler Das Verfahren zur Auswahlentscheidung der Behörde könnte gem. § 20 VwVfG21 dadurch rechtswidrig sein, dass C als Erster Vorsitzender des Schaustellerverbandes und Bruder des Mitbewerbers B durch die Anhörung an der Auswahlentscheidung beteiligt gewesen ist. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer Angehöriger eines Beteiligten ist. Die Vorschrift ist Ausprägung des Grundsatzes des fairen Verfahrens.22 Ziel des § 20 VwVfG ist es, das Verwaltungsverfahren von sachfremden persönlichen Einflüssen freizuhalten.23 Die Ausschlusstatbestände der Vorschrift dienen der unparteilichen Verfahrensgestaltung.24 Die Auswahlentscheidung zur Vergabe der Standplätze des Weihnachtsmarktes ist auf den Erlass von Verwaltungsakten (§ 35 S. 1 VwVfG), der Zulassung bzw. Ablehnung der Anträge, gerichtet. Es ist damit gem. § 9 VwVfG ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 20 VwVfG. (1) Tätigwerden Der Begriff des Tätigwerdens für eine Behörde ist in einem weiten Sinne zu verstehen.25 Ein Tätigwerden liegt nur bei aktivem Handeln, nicht bei bloß passivem Verhalten vor. Untersagt sind alle schriftlichen und mündlichen Äußerungen oder sonstigen Handlungen, die zur Meinungsbildung der zuständigen Behörde über das Verfahren oder über die Sachentscheidung beitragen sollen.26 Ein Tätigwerden liegt demnach in der Anhörung des Schaustellerverbandes, der im Rahmen der Anhörung eine eindeutige Empfehlung zu Ungunsten des A ausgesprochen hat. (2) Für eine Behörde Die Tätigkeit müsste für eine Behörde ausgeübt worden sein. 21 Einschlägig ist das Landesverwaltungsverfahrensgesetz NRW. VG Stuttgart, Urteil v. 21.03.2002, 4 K 449/02, Rn. 23, zitiert nach juris. 23 VG Bremen, Beschluss v. 02.10.2012, 5 V 1031/12, Rn. 25, zitiert nach juris. 24 VG Bremen, Beschluss v. 02.10.2012, 5 V 1031/12, Rn. 25, zitiert nach juris. 25 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 20 Rn. 13a. 26 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 20 Rn. 24. 22 12 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Der (ausgeschlossene) Personenkreis, der „für eine Behörde tätig wird“, ist relativ weit gezogen, weil eine entscheidungsbezogene Mitwirkung i. S. von § 20 VwVfG unabhängig davon ist, ob die handelnden Personen Amtsträger oder besonders Verpflichtete i. S. von § 11 Nr. 2 und 3 StGB sind. „Für eine Behörde“ i. S. von Abs. 1 tätig sind alle Personen unabhängig von ihrem förmlichen Status – also auch wenn sie nicht Beamte, Angestellte oder Arbeiter sind oder sich in einem sonstigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis zur Behörde befinden –, sofern sie auf Grund einer von der verfahrensführenden Behörde ausgehenden Initiative zur Mitwirkung auf Seiten der Behörde aufgefordert worden sind, um sie bei der Entscheidungsfindung im Verwaltungsverfahren zu unterstützen, etwa als Sachverständiger oder Dolmetscher.27 Der Schaustellerverband Bergisches Land e.V. (im Folgenden: Schaustellerverband) ist von der zur Auswahlentscheidung zuständigen Behörde zur Entscheidungsfindung herangezogen worden. Dabei handelte es sich auch nicht um eine reine Anhörung. Der Schaustellerverband ist quasi-sachverständig tätig geworden, da er nicht nur die Interessen seines Verbandes vertreten hat, sondern vielmehr den Zustand von Fahrgeschäften begutachtet hat. Der Schaustellerverband ist damit für die Behörde tätig geworden. Anm.: Hier kann auch ein formelleres Verständnis des Tatbestandsmerkmals „für eine Behörde“ vertreten werden. Wichtig ist, dass das im Sachverhalt angelegte Problem erkannt und sachgerecht argumentiert wird. (3) Angehöriger eines Beteiligten Ausgeschlossen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist, wer Angehöriger eines Beteiligten ist. B ist als Antragsteller zur Marktzulassung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Beteiligter. C ist als dessen Bruder Angehöriger des B gem. § 20 Abs. 5 Nr. 4 VwVfG. Tätig geworden ist bei formaler Betrachtung der Schaustellerverband. Die bloße Anhörung eines Fachverbandes im Rahmen des Zulassungsverfahrens für eine festgesetzte Veranstaltung ohne Hinzutreten weiterer Umstände begegnet grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken. Allerdings ist ein Verstoß gegen § 20 VwVfG dann anzunehmen, wenn ein Mitbewerber des Antragstellers oder dessen 27 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 20 Rn. 26. 13 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Angehöriger im Rahmen der Auswahlentscheidung mitgewirkt hat.28 Die Stellungnahme ist für den Schaustellerverband abgegeben worden. Sie stammt jedoch von C. Für diesen besteht Personenidentität zwischen Angehörigem eines Mitbewerbers und Verbandsfunktionär. Ein möglicher Interessenkonflikt des C bei der Wahrnehmung der ihm als Verbandsfunktionär für den Schaustellerverband durch die Behörde eingeräumten Anhörungsrechte ist augenscheinlich.29 Tatsächlich hat C mit seiner eindeutigen Empfehlung auch aktiv an der Auswahlentscheidung mitgewirkt und für B Einfluss genommen. Die Behörde hat ihre Entscheidung ausdrücklich auf die Stellungnahme des Schaustellerverbandes gestützt. Es liegt somit ein Verfahrensfehler durch den Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vor. Eine Heilung des Verfahrensfehlers nach § 45 VwVfG ist nicht möglich. Keiner der dort in Abs. 1 genannten Fälle ist einschlägig. Die Folgen von Verfahrensfehlern regelt § 46 VwVfG. Die Geltung des § 46 VwVfG für Verpflichtungsklagen ist umstritten. Nach einer Ansicht gelte § 46 VwVfG nur für Anfechtungsklagen30, so dass der Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 wegen des Verfahrensfehlers rechtswidrig bleibt. Nach anderer Ansicht gelte § 46 VwVfG auch für Verpflichtungsklagen. Danach könne die Verpflichtungsklage nicht erfolgreich sein, wenn ablehnende Verwaltungsakte vorliegen, deren formelle Fehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst haben.31 Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung mit den nachgeschobenen Ermessenserwägungen ausdrücklich auf die Stellungnahme des Schaustellerverbandes gestützt. Der Streit über die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG kann dahinstehen. Anm.: Die Kenntnis dieses Meinungsstreits kann nicht erwartet werden. Zudem ist der Prüfungsstandort des § 46 VwVfG umstritten. Es wird die Ansicht vertreten, dass die Norm im Rahmen der subjektiven Rechtsverletzung zu prüfen sei. Eine Anwendung würde dann bereits daran scheitern, dass auch noch andere Fehler vorliegen („nicht allein deshalb“, vgl. zu den anderen Fehlern unten!). Der Ablehnungsbescheid vom 15.05.2012 ist formell rechtswidrig. 28 Vgl. VG Bremen, Beschl. v. 02.10.2012, 5 V 1031/12, Rn. 26, zitiert nach juris. Vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 21.03.2002, 4 K 449/02, Rn. 23, zitiert nach juris. 30 OVG Münster, Urteil v. 28.10.1980, 18 A 1211/79, zitiert nach juris. 31 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 46 Rn. 44. 29 14 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht bb. Prof. Dr. Christoph Gusy Ermessensfehler Zudem könnte die Entscheidung ermessensfehlerhaft sein. Gem. § 114 S. 1 VwGO prüft das Gericht, ob die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Ermessensentscheidung ist nachvollziehbar, transparent und willkürfrei zu treffen. Der Bedeutung der Marktfreiheit und der Berufsfreiheit ist Rechnung zu tragen. Dem Veranstalter kommt bei der zu treffenden Auswahlentscheidung ein weiter Ermessensspielraum zu.32 (1) Ermessensnichtgebrauch bzw. Ermessensunterschreitung Ermessensfehlerhaft ist eine Entscheidung, wenn die Behörde eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung ihres Ermessensspielraums annimmt.33 Die Behörde war hier der Ansicht, sie habe auf Grund der wirksamen Zusage gegenüber B vom 10.02.2012 diesem den Standplatz zuteilen müssen. Bei dem Schreiben vom 10.02.2012 könnte es sich um eine Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG handeln. Die Zusicherung nach § 38 VwVfG ist eine öffentlich-rechtliche Selbstverpflichtung im Hinblick auf ein bestimmtes künftiges Verhalten. Eine wirksame Zusage begründet für ihren Inhaber einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf das zugesagte Verhalten, und zwar selbst dann, wenn das Gesetz einen solchen Anspruch gerade nicht vorsieht.34 Das in § 70 Abs. 3 GewO der Behörde eingeräumte Ermessen könnte demnach durch eine wirksame Zusicherung nach § 38 VwVfG gebunden gewesen sein. (a) Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG Eine Zusicherung ist nach der Legaldefinition in § 38 VwVfG eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen. Die Behörde müsste eine verbindliche Erklärung abgegeben haben, dass sie einen bestimmten Verwaltungsakt erlassen werde.35 Der Oberbürgermeister hat dem B zugesagt, ihn zum Weihnachtsmarkt 2012 zuzulassen, ihm gegenüber also einen positiven Zulassungsbescheid zu erlassen. Das Schreiben vom 10.02.2012 ist demzufolge eine Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG. 32 VG Bremen, Beschl. v. 02.10.2012, 5 V 1215/12, zitiert nach juris. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 40 Rn. 59; Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14. 34 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 38 Rn. 6. 35 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 38 Rn. 7. 33 15 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Die Zusicherung müsste auch wirksam sein. Der Oberbürgermeister ist laut Bearbeitervermerk die zuständige Behörde. Die Schriftform des § 38 S. 1 VwVfG ist ebenso gewahrt. Die Zusicherung könnte aber gem. § 44 VwVfG nichtig sein. Bei der Zusicherung nach § 38 VwVfG handelt es sich nach herrschender Meinung um einen Verwaltungsakt36, so dass § 44 VwVfG direkt anwendbar ist. Die Anwendbarkeit des § 44 VwVfG ergibt sich unabhängig von der Rechtsnatur der Zusicherung daneben jedenfalls auch aus § 38 Abs. 2 VwVfG. § 44 Abs. 2 VwVfG enthält im Vergleich zu § 44 Abs. 1 VwVfG eine abschließende Aufzählung absoluter Nichtigkeitsgründe, bei deren Vorliegen weder Schwere noch Evidenz des Fehlers geprüft werden müssen.37 Es kommt hier die Nichtigkeit gem. § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG in Betracht. Entgegen der insoweit nicht ganz klaren Fassung der Nr. 6 sind nicht nur Verwaltungsakte als nichtig anzusehen, die selbst nach Inhalt und Zweck gegen die guten Sitten verstoßen, sondern auch solche, die in sittenwidriger Weise herbeigeführt, insbesondere zum Beispiel erschlichen, wurden.38 Sittenwidrigkeit bedeutet, dass der Verwaltungsakt das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt.39 Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist nur dann anzunehmen, wenn die Abweichung von der herrschenden Rechts- und Sozialmoral erheblich ist und der Handelnde sich der Sittenwidrigkeit seines Tuns bewusst war oder bewusst sein musste. Der Umstand, dass der Verwaltungsakt mit sittenwidrigen Mitteln erwirkt wurde, z.B. durch Täuschung, Drohung oder Bestechung, macht den Verwaltungsakt nicht ohne weiteres nichtig.40 Hier hat sich B die Zusicherung vom 10.02.2012 durch die Zahlung von 1.000,00 Euro an den zuständigen Beamten Z erkauft. Die Zusicherung verstößt angesichts dessen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und steht in krassem Widerspruch zu den Zielen des Straf-, Beamten- und Disziplinarrechts. Die Straftatbestände der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und der Bestechlichkeit (§ 332 StGB), mit denen 36 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 38 Rn. 8. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 44 Rn. 31. 38 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 44 Rn. 47. 39 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 44 Rn. 48. 40 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 44 Rn. 49. 37 16 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy der 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches “Straftaten im Amte” beginnt, sollen die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in diese Lauterkeit schützen sowie sicherstellen, dass die Beamten unbeeinflusst von Geldzahlungen ihren Dienst pflichtgetreu erfüllen. Die Unbestechlichkeit der Beamten ist ein Eckpfeiler des Beamtenrechts und gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine geordnete Amtstätigkeit. Lässt sich ein Beamter bestechen, so bewirkt er damit regelmäßig eine so schwere Ansehens- und Vertrauensschädigung, dass er aus dem Dienst zu entfernen ist. Mit diesen Rechtsgrundsätzen wäre es unvereinbar, einer Zusicherung Rechtsverbindlichkeit zuzumessen, die maßgeblich darauf beruht, dass sich der zuständige Sachbearbeiter zuvor hat bestechen lassen.41 Eine korrupte Verwaltung ist stets sittlich-moralisch verwerflich. Sie ist sozialethisch in höchstem Maße missbilligenswert. Die Zusicherung vom 10.02.2012 ist demnach nichtig und damit unwirksam (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Die Behörde fühlte sich zu Unrecht in ihrer Ermessensausübung gebunden. Die Auswahlentscheidung ist insofern ermessensfehlerhaft. Anm.: Mit Blick auf § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 Var. 3 VwVfG erscheint das gegenteilige Ergebnis als ebenso gut vertretbar. Dann müsste jedoch erkannt werden, dass die Behörde nach § 48 Abs. 2 S. 4 VwVfG gehalten ist, den Verwaltungsakt ex tunc zurückzunehmen. Dies müsste sie bereits in ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen. (2) Ermessensfehlgebrauch Der Ablehnungsbescheid könnte außerdem dadurch rechtswidrig sein, dass er auch auf den behaupteten, aber tatsächlich nicht bestehenden Sicherheitsmängeln beruht. Ermessensfehlerhaft ist eine Entscheidung, wenn ein Irrtum über die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen vorliegt.42 Die Behörde hat im März 2013 ihre Ermessenserwägungen dahingehend ergänzt, dass das Riesenrad des A Sicherheitsmängel aufweise. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall. Die Ergänzung der Ermessenserwägungen im März 2013 nach Bekanntwerden der Schmiergeldzahlung während des laufenden Verwaltungsprozesses ist auf Grund der Regelung in § 114 S. 2 VwGO zulässig. 41 42 Vgl. VG Berlin, NVwZ 1988, 757, 757 für eine durch Bestechung erwirkte dienstliche Anordnung. Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 15. 17 Examinatorium Öffentliches Recht/Kommunalrecht Prof. Dr. Christoph Gusy Die Behörde geht allerdings von einem nicht zutreffenden Sachverhalt aus. Die Entscheidung ist auch insofern ermessensfehlerhaft. II. Rechtsverletzung des A A ist durch die rechtswidrige Ablehnung seines Zulassungsantrages in seiner nach § 70 Abs. 1 GewO gewährten Marktfreiheit und damit in eigenen Rechten verletzt. C. Gesamtergebnis Die Fortsetzungsfeststellungsklage des A ist zulässig und begründet und hat damit Aussicht auf Erfolg. Anm.: (1) Es könnt auch noch darauf hingewiesen werden, dass die Klage streng genommen nur teilweise Aussicht auf Erfolg hat: Denn die ursprüngliche Verpflichtungsklage hätte teilweise der Abweisung unterlegen, da ein gebundener Anspruch auf Zulassung nicht bestanden hat, A aber die Zulassung – nicht nur die ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber – beantragt hat. (2) Ebenfalls könnte noch Art. 3, 12 GG als Anspruchsgrundlage erörtert werden. 18