Endbericht_TourBO_TS_Esens - ADAM

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TourBO meets Europe
Teilbericht der Betriebswirtschaftlichen Fachschule – Schwerpunkt Tourismuswirtschaft
Esens der Berufsbildenden Schulen des Landkreises Wittmund (Niedersachsen/
Deutschland) zu Projektergebnis/Work Package 8:
„Modelle modularer Lerneinheiten und Zertifizierungsvorschläge
von non-formal und informell erworbenen Teilleistungen“
Inhalt
1.
Einführung in das Arbeitspaket..................................................................................................... 2
2.
Vergleich von touristischen Weiterbildungsgängen ..................................................................... 2
2.1
Analyse der Rahmenbedingungen der touristischen Weiterbildungsgänge ................................ 2
2.2
Vergleich der Lehrplaninhalte ....................................................................................................... 4
2.3
Vergleich der Praxisphasen ........................................................................................................... 6
2.4
Art, Umfang und Inhalte der Abschlussprüfungen ....................................................................... 7
2.5
Zusammenfassende Bemerkungen zum Vergleich der Weiterbildungen .................................... 9
2.6
Entwicklung einer Kompetenzmatrix an den TS Klessheim ........................................................ 10
3.
Überprüfung der Anerkennung und Anrechnung von Leistungen und Kompetenzen ............... 11
3.1
Anerkennung von Leistungen für einen Einstieg in die Weiterbildung ...................................... 11
3.2
Anerkennung von Leistungen aus vergleichbaren Bildungsgängen ........................................... 12
3.3
Anerkennung von Leistungen aus fachspezifischen modularen Weiterbildungsangeboten ..... 13
3.4
Anrechnung für ein Studium an einer Hochschule ..................................................................... 14
4.
Nutzung und Weiterentwicklung der Projektergebnisse für die eigene Bildungsarbeit ............ 16
Anlagen
A-1
Analyse der Rahmenbedingungen der touristischen Weiterbildungsgänge
A-2
Vergleich des Lehrumfanges (Unterrichtsstunden) der touristischen Weiterbildungen
A-3
Analyse der Lehrplaninhalte der touristischen Weiterbildungen
8-1
1.
Einführung in das Arbeitspaket
Die Tourismusschulen Salzburg-Klessheim (Österreich), im Weiteren TS Klessheim genannt, sowie die
Betriebswirtschaftliche Fachschule – Schwerpunkt Tourismuswirtschaft der Berufsbildenden Schulen
des Landkreises Wittmund am Standort Esens (Deutschland) als Netzwerkpartner der Touristischen
Bildungsoffensive NordWest (TourBO), im Weiteren TS Esens genannt, beteiligten sich am Leonardoda-Vinci Innovationstransfer-Projekt „TourBO meets Europe“ (DE/10/LLP-LdV/TOI/ 147328) im Zeitraum von Oktober 2010 bis September 2012. Maßgaben für die Mitwirkung an diesem Vorhaben
waren, europäische Entwicklungen im Bereich der Berufsbildung aufzugreifen, für die Gestaltung der
eigenen Bildungsarbeit zu prüfen und mittels eigener vorliegender Erfahrungen und Kompetenzen
weiter zu entwickeln sowie im Sinne einer zukunftsorientierten modernen und europäisch ausgerichteten Berufsbildung im eigenen Hause zu nutzen.
Gemäß den Vereinbarungen zwischen allen Projektpartnern sollte die TS Esens einen Abgleich der an
der eigenen Schule angebotenen Weiterbildung zum/zur „Staatlich geprüften Betriebswirt/Staatlich
geprüfte Betriebswirtin – Schwerpunkt Tourismuswirtschaft“ mit der vergleichbaren Weiterbildung
zum/zur Tourismuskaufmann/-kauffrau am Kolleg für Tourismus – Schwerpunkt Tourismusorganisationen der Tourismusschulen Salzburg-Klessheim durchführen. Zudem bestand die Absicht, über die
Bildung von geeigneten Lernabschnitten bzw. Lerneinheiten eine Zertifizierung von erbrachten Teilleistungen zu erreichen. Hierbei waren sowohl theoretische Lerneinheiten als auch die erworbenen
Kompetenzen im Rahmen der betrieblichen Arbeitserfahrungen einzubeziehen.
Ergänzend hierzu sollte geprüft werden, welche bereits vorliegenden Qualifikationen aus vorgelagerten Bildungsniveaus sowie eigenen beruflichen Erfahrungen auf die jeweilige Weiterbildung
angerechnet werden können. Ebenfalls sollte eine mögliche, auch teilweise Anrechnung von an der
TS Esens und TS Klessheim erworbenen Qualifikationen auf vergleichbare Weiterbildungen sowie auf
ein anschließendes Studium an einer Hochschule berücksichtigt werden. Dies würde einerseits für
mehr Transparenz zwischen den einzelnen Bildungsgängen, aber auch Bildungsniveaus sorgen.
Andererseits könnten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der jeweiligen Weiterbildung hierdurch
ihr angestrebtes Bildungsziel schneller erreichen.
2.
Vergleich von touristischen Weiterbildungsgängen
2.1 Analyse der Rahmenbedingungen der touristischen Weiterbildungsgänge
Einen Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen, insbesondere die Identifizierung der zertifizierbaren und kreditierbaren Kenntnisse und Fähigkeiten bildete der direkte Vergleich der Weiterbildungsgänge an den TS Esens und TS Klessheim. Hierfür wurden die Rahmenbedingungen
analysiert, die die jeweiligen Weiterbildungen kennzeichnen, u.a.:
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
Schulform,
Umfang und Dauer der Weiterbildung,
gesetzliche Grundlagen,
Zulassungsvoraussetzungen,
Konzept der Weiterbildung sowie angestrebte Lernziele,
zukünftige Tätigkeitsfelder,
Weiterbildungsinhalte,
Art und Umfang der Abschlussprüfungen,
Abschluss bzw. Berufsbezeichnung,
Einstufung in NQR-Niveau.
8-2
Im weiteren Verlauf der Untersuchung ergänzten wir den Vergleich mit den Rahmenbedingungen der
Fortbildung „Geprüfter Tourismusfachwirt/Geprüfte Tourismusfachwirtin“, die als Weiterbildung der
Industrie- und Handelskammern in Deutschland, im Weiteren IHK-Weiterbildung genannt, durch
verschiedene Weiterbildungsträger, u.a. in der Region Ostfriesland durch die VHS Papenburg gGmbH
angeboten wird. Die Gegenüberstellungen finden sich ausführlich in der Anlage A-1 „Analyse der
Rahmenbedingungen der touristischen Weiterbildungsgänge“.
Eine Basis für einen direkten Vergleich der oben genannten Weiterbildungen bieten die Zielstellungen der entsprechenden Bildungsangebote, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Einstieg
in die mittlere bis höhere Führungsebene von Unternehmen bzw. für eine berufliche Selbstständigkeit in der Tourismuswirtschaft zu qualifizieren sowie die zukünftigen Tätigkeitsfelder der Absolventen. Grundsätzlich verfügen alle drei Weiterbildungsgänge dabei über eine durchaus vergleichbare Grundstruktur. Sie werden geregelt durch Bundes- bzw. Landesgesetze mit Vorgaben zur
Organisation, zur Ausgestaltung und zum Abschluss der Weiterbildung. Über schulautonome Lehrplanbestimmungen können darüber hinaus bei den TS Esens und TS Klessheim individuelle
Ausrichtungen der Weiterbildungsinhalte vorgenommen werden. Dies erhöht zwar den Freiraum der
Schulen bei der Gestaltung der Bildungsarbeit, erschwert aber zugleich eine Vergleichbarkeit
zwischen den Schulen bereits auf nationaler und in Folge dessen auch auf europäischer Ebene.
Alle drei Weiterbildungen werden im Regelfall mit einer Dauer von zwei Jahren angeboten. Während
die TS Esens und TS Klessheim ihre Weiterbildung grundsätzlich als vollzeitschulisches Angebot im
Umfang von ca. 2400 Unterrichtsstunden (Theorie) zuzüglich Praktikumszeiten vorhalten, läuft die
IHK-Weiterbildung als berufsbegleitendes Angebot (Abendkurse) mit einem Umfang von 550 Unterrichtsstunden (Theorie). Die TS Esens konzipierte ihren Bildungsgang im Rahmen eines genehmigten
Schulversuches so, dass die verpflichtenden Unterrichtsstunden geblockt in drei Semestern, jeweils
im Winter angeboten werden. In den Sommermonaten hingegen befinden sich die TeilnehmerInnen
der Weiterbildung in den Praxisphasen. So ergibt sich an der TS Esens ein Gesamtumfang der Weiterbildung von drei Jahren.
Die Inhalte sowie der Umfang der zu vermittelnden Kompetenzen weichen bei allen drei Weiterbildungen zum Teil erheblich voneinander ab (siehe auch Abschnitt 2.2). Einerseits ist dies darauf
zurückzuführen, dass bereits unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen ein unterschiedliches
Einstiegsniveau der TeilnehmerInnen verlangen. Während die TS Klessheim neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung bereits die allgemeine Hochschulreife (Matura) als Zulassungsvoraussetzung vorsieht, ist diese bei der TS Esens sowie bei der IHK-Weiterbildung nicht notwendig. Bei der
IHK-Weiterbildung spielt dagegen eine mindestens einjährige Berufspraxis in einem Ausbildungsberuf
der Tourismuswirtschaft eine wichtige Rolle für die Zulassung, während diese bei der TS Esens im
Rahmen der Weiterbildung in den Praxisphasen erworben wird (siehe auch Abschnitt 2.3). Voraussetzung für alle Weiterbildungen ist in jedem Fall eine für das Fachgebiet relevante abgeschlossene
Berufsausbildung.
Mit Blick auf die zu erzielenden Berufstitel ist hervorzuheben, dass es keine einheitliche Verwendung
von Begriffen gibt. Auch die Niveaustufenzuordnung in Anlehnung an den EQF weicht zumindest
derzeit noch von den vergleichbaren Kompetenzbeschreibungen ab. Nach einem erfolgreichen
Abschluss am Kolleg für Tourismus an der TS Klessheim erhält man den Titel „Tourismuskaufmann/
Tourismuskauffrau“ mit einer Niveaustufenzuordnung NQR 5 (Österreich). Im dualen Berufsschulsystem in Deutschland wird dieser Titel bereits als erster berufsqualifizierender Abschluss nach einer
dreijährigen Berufsausbildung erworben, voraussichtlich mit einer Einstufung im NQR 4 (Deutsch-
8-3
land). Hingegen der Abschluss an der TS Esens als „Staatlich geprüfter Betriebswirt/Staatlich geprüfte
Betriebswirtin“ soll ebenso wie der Abschluss der IHK-Weiterbildung „Geprüfter Tourismusfachwirt/
Geprüfte Tourismusfachwirtin“ voraussichtlich in Niveaustufe NQR 6 erfolgen1. In diesem Kontext
zeichnet sich in Deutschland eine Tendenz zur Abgrenzung der Fachschulen vom bisherigen Begriff
ab, da er von einer ersten berufsvorbereitenden Qualifizierung in der Berufsfachschule (voraussichtlich NQR 3) bis zur Weiterbildung (voraussichtlich NQR 6) reicht. Über eine Positionierung als
Berufskolleg oder Akademie soll dann der Verweis in Richtung einer akademischen Weiterbildung
gegeben sein. In einigen Bundesländern befindet sich dieser Schritt gerade in der Überprüfung.
2.2 Vergleich der Lehrplaninhalte
Die bestehenden Curricula der zu betrachtenden Weiterbildungen ergeben auf den ersten Blick
durch ihre Struktur eine gute Basis für die Bildung vergleichbarer Lerneinheiten. Bei der näheren
Untersuchung der Lehrplansystematik sowie der Lehrplaninhalte ergab sich indes ein etwas anderes
Bild. Eine direkte Gegenüberstellung der Struktur und der zeitlichen Umfänge sowie der
Beschreibung der Weiterbildungsinhalte findet sich in den Anlagen A-2 „Vergleich des Lehrumfanges"
sowie A-3 „Analyse der Lehrplaninhalte“.
Eine starke inhaltliche und vom Lernumfang her zeitliche Übereinstimmung der Lerngebiete und der
Lernsystematik findet sich bei den beiden Tourismusschulen TS Esens und TS Klessheim. Insbesondere in den thematischen Schwerpunkten „Betriebs- und Volkswirtschaftslehre“, „Rechnungswesen/ Controlling“, „Recht“ sowie „Wirtschaftsinformatik bzw. Informations- und Officemanagement“ sind in beiden Lehrplänen keine nennenswerten Abweichungen zu verzeichnen.
Unterschiede werden deutlich vor allem im Bereich der allgemeinbildenden und kommunikativen
Grundlagen sowie teilweise in der Ausgestaltung des touristischen Schwerpunktes So bietet die TS
Esens im Gegensatz zur TS Klessheim auch die Fächer „Mathematik/ Naturwissenschaften“ und
„Politik“ an, verzichtet dagegen auf das Fach „Religion“. Dieser Umstand ist vor allem auf die
unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen (siehe Abschnitt 2.1) zurückzuführen. An der TS Esens
wird die Fachhochschulreife (Matura) erst im Laufe der Weiterbildung erworben, während sie bei der
TS Klessheim bereits beim Einstieg in die Weiterbildung durch die Teilnehmer nachzuweisen ist.
Bei der Vermittlung kommunikativer Kompetenzen zeigen sich Unterschiede bei der Ausrichtung des
Faches „Deutsch/Kommunikation“. Hier liegt ein Schwerpunkt der TS Esens bislang bei der schriftlichen Kommunikation, während die TS Klessheim die mündliche Kommunikation, und hierbei
besonders den direkten Kundenkontakt berücksichtigt. Signifikante Abweichungen sind in der
Dimension der Fremdsprachenkompetenzen zu erkennen. Die TS Klessheim hebt sich bei der
Förderung fremdsprachlicher und interkultureller Kompetenzen deutlich von der TS Esens ab.
Während die Vermittlung der ersten Fremdsprache „Englisch“ bei beiden Weiterbildungen noch
identisch ist, zeigt sich mit einem zeitlichen Umfang von 560 Unterrichtsstunden für den Erwerb
weiterer Fremdsprachen („Französisch“ und „Italienisch oder Spanisch“) die eindeutige internationale Ausrichtung der Weiterbildung an der TS Klessheim. Ein entsprechendes Angebot bei der
TS Esens liegt in diesem Bereich nicht vor.
1
in Anlehnung an DQR-Büro (Hrsg.): „Expertenvotum zur zweiten Erarbeitungsphase des Deutschen Qualifikationsrahmens“, hier insbesondere AG Handel, Berlin 2010
8-4
Bei den grundlegenden touristischen Weiterbildungsinhalten zeigen sich weitgehende Übereinstimmungen zwischen dem „Zentralfach Tourismuswirtschaft“ der TS Esens und dem Angebotsfeld
„Tourismus, Marketing und Reisebüro“, zuzüglich des Seminars „Tourismus- und Destinationsgeografie“ der TS Klessheim. Hier werden sowohl die Basisqualifikationen des Tourismus, des
Marketings und der Fremdenverkehrsgeografie abgedeckt. Während darüber hinaus an der TS Esens
eine eher allgemeine betriebswirtschaftliche Ausrichtung („Mitarbeiterführung/Berufs- und Arbeitspädagogik“, „Personal- und Ausbildungswesen“) erkennbar ist, orientiert sich die TS Klessheim bei
der Vermittlung der vergleichbaren Inhalte im Lerngebiet „Tourismusorganisationen“ sehr stark an
den berufsfeldspezifischen Besonderheiten des Tourismus. Beide Tourismusschulen nutzen zudem
ihren schulautonomen Gestaltungsspielraum, um weiterführende bzw. vertiefende Tourismusinhalte
zu vermitteln. Hierbei stehen bei der TS Esens die Schwerpunkte Gesundheitstourismus/Wellness,
Messe- und Ausstellungswesen, Eventmanagement/Veranstaltungen sowie Sport + Tourismus mit
einem Gesamtumfang von 120 Unterrichtsstunden im Fokus, während die TS Klessheim die Schwerpunkte Städtetourismus, Messeorganisation und Eventmanagement im Umfang von 240 Unterrichtsstunden anbietet. Über die Gestaltung von realen Projekten im Rahmen des touristischen Themenschwerpunktes der Weiterbildung legen beide Tourismusschulen zudem Wert auf eine praxis- und
handlungsorientierte Wissens- und Kompetenzvermittlung.
Ein direkter Vergleich der Tourismusschulen mit der IHK-Weiterbildung zum/zur „Geprüften
Tourismusfachwirt/ Geprüfte Tourismusfachwirtin“ fällt indes schwieriger aus. Allein der zeitliche
Umfang dieser Weiterbildung weicht mit einem Gesamtumfang von 550 Unterrichtsstunden schon
sehr deutlich von den ca. 2400 Unterrichtsstunden der beiden Tourismusschulen ab. Dabei werden
auch inhaltlich einige Unterschiede sichtbar.
Im allgemeinbildenden Bereich bietet die IHK-Weiterbildung, da sie nicht auf das Erzielen der Hochschulreife (Matura) abzielt, keine Lehrangebote. Allerdings finden sich im Rahmenlehrplan auch
keine Angebote zur Förderung der fremdsprachlichen und interkulturellen Kompetenzen. Eine
internationale Ausrichtung, auch mit Blick auf die in einer Region zu betreuenden Gästegruppen fehlt
damit gänzlich.
In den Handlungsbereichen „Unternehmensführung und –entwicklung“ sowie „Betriebswirtschaftliche Bewertung und Steuerung von Geschäftsprozessen“ vermittelt die IHK-Weiterbildung Grundlagen der Betriebs- und Volkswirtschaft sowie des betrieblichen Rechnungswesens, die etwa 1/3 bzw.
1/6 des Unterrichtsstundenumfanges sowie der Inhalte der Tourismusschulen abbilden.
Weiterhin verzichtet die IHK-Weiterbildung auf ein eigenständiges Angebot im Bereich „Wirtschaftsinformatik“ bzw. „Büro- und Officemanagement“. Diese zu vermittelnden Kompetenzen werden auch
nicht in den einzelnen Handlungsbereichen aufgegriffen. Ebenso existiert keine eigenes Lehrangebot
zum Thema „Recht“. Rechtliche Grundlagen werden allerdings als Bestandteil der „Leistungserstellung im Tourismus“ in Grundzügen behandelt.
Der berufsfeldspezifische Handlungsbereich „Leistungserstellung im Tourismus“ zuzüglich des
Handlungsbereiches „Gestaltung des Marketingprozesses“ decken sich in Umfang und Inhalt in etwa
mit dem Angebot der Tourismusschulen in den Lerngebieten „Zentralfach Tourismuswirtschaft“ (TS
Esens) und „Tourismus, Marketing und Reisebüro“ (TS Klessheim). Eine tourismusgeografische
Kompetenzvermittlung findet indes nicht statt. Ebenso fehlt eine weiterführende Vertiefung
einzelner Marktsegmente und/oder Leistungsträger, wie sie über die optionalen Lernangebote der TS
Esens oder die Ausbildungsschwerpunkte der TS Klessheim erfolgt.
8-5
Das Lehrangebot der IHK-Weiterbildung wird abgerundet durch den Handlungsbereich „Personalführung und-entwicklung“, der in den mündlichen Prüfungen als besonderer Schwerpunkt gesehen
wird, sowie durch den Handlungsbereich „Qualitäts- und Projektmanagement“. Beide Bereiche
decken zeitlich etwa 1/3 der vergleichbaren Lehrangebote der Tourismusschulen ab.
Die IHK-Weiterbildung setzt letztendlich in ihrer Grundkonzeption eines berufsbegleitenden Kurssystems mit Abend- und Wochenendseminaren eine starke Beteiligung der Teilnehmer über selbst
organisiertes Lernen, das heißt über eine eigenständige Vorbereitung und Vertiefung der Lerninhalte,
voraus. Eine starke Praxisorientierung bei der Kompetenzvermittlung wird durch den Verbleib und
die Betätigung im Betrieb während der Weiterbildung sichergestellt (siehe hierzu auch Abschnitt 2.3).
2.3 Vergleich der Praxisphasen
Die drei Weiterbildungsgänge verfolgen in Bezug auf den Erwerb praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten sehr unterschiedliche Konzepte. Bezüglich der Art und des Umfanges der im Rahmen der
Weiterbildung zu absolvierenden Praktika stellen sich die drei Weiterbildungsgänge wie folgt dar:
TS Esens




3 Praxisphasen mit einer Dauer von 5 bis 6 Monaten (jeweils Sommersemester) im Umfang
von insgesamt 2400 Stunden
Es gibt verbindliche Richtlinien für die Durchführung eines Praktikums.
Nach dem Abschluss des Praktikums erstellen Praktikanten einen schriftlichen Praktikumsbericht über das geleistete Praktikum, welcher bewertet wird.
Der Praktikumsbetrieb erstellt verpflichtend nur einen Stundennachweis über die geleistete
Praktikumszeit.
TS Klessheim:




Betriebspraktikum während der Theoriephasen im Umfang von insgesamt 160 Stunden +
Pflichtpraktikum mit einer Dauer von 12 Wochen vor Eintritt in das 3. Semester im Umfang
von insgesamt 480 Stunden
Es gibt strukturierte Vorgaben für die Praktikanten für das zu leistende Praktikum sowie
Lernvereinbarungen zwischen den Praktikanten und dem Praktikumsbetrieb.
Nach dem Abschluss des Praktikums findet eine Selbst- und Fremdbewertung über das
geleistete Praktikum statt, die sowohl das, im Rahmen des Projektes entwickelte Stufenmodell zur output-orientierten Kompetenzerfassung im Praktikum (STOOKD-P) als auch die
Evaluationsplattform des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und
Kultur (BMUKK) www.qibb.at nützt.
IHK-Weiterbildung



Als Zulassungsvoraussetzung besteht eine mindestens einjährige Berufspraxis, die je nach
Vorbildung auch bis zu 5 Jahre betragen kann.
Die Weiterbildung erfolgt berufsbegleitend, d.h. während einer regulären Berufstätigkeit in
der Branche, über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Weiterbildungsbegleitend erfolgt kein Nachweis über die Art und den Umfang der
geleisteten Tätigkeiten.
8-6
Aus dem direkten Vergleich der drei Weiterbildungen kann im ersten Augenblick nur der Umfang der
praktischen Betätigungen abgeleitet werden, der erhebliche Unterschiede aufweist. Der tatsächliche
Wert, also der eigentliche Kompetenzzuwachs für die angestrebte Weiterbildung lässt sich daraus
nicht zwingend erkennen. Eine direkte Vergleichbarkeit ist damit nicht gewährleistet. Dies liegt
vorwiegend an den bislang fehlenden oder zu geringen Vorgaben für einen Nachweis der über die
praktische Betätigung tatsächlich erworbenen Kompetenzen.
Bereits hier wird deutlich, dass die Notwendigkeit einer strukturierten Vorgabe für die durchzuführenden Praktika besteht. Diese sollten praktischerweise den Kompetenzstand vor dem Praktikum
wiedergeben, Anforderungen im Sinne von Lernvereinbarungen an das Praktikum formulieren und
am Ende des jeweiligen Praktikums den Kompetenzzuwachs ausweisen. Eine ausführliche
Beschreibung dieser Verfahrensweise findet sich im Projektteil der TS.
2.4 Art, Umfang und Inhalte der Abschlussprüfungen
Ein besonderer Blick wird auf die Art, den Umfang und die Inhalte der Abschlussprüfungen zu werfen
sein, da sie momentan im Wesentlichen den Lernerfolg der jeweiligen Weiterbildung messen und
würdigen. So gesehen dienen sie bislang als ein wesentliches Instrument der Kompetenzfeststellung.
Gemäß § 4 der ergänzenden und abweichenden Vorschriften für die Fachschule (Anlage 8 zu § 33 der
Verordnung über berufsbildende Schulen Niedersachsen – BbS VO/Stand: Februar 2012) besteht die
Abschlussprüfung an der TS Esens aus vier Klausurarbeiten im Umfang von jeweils drei Zeitstunden.
Die Lehrkräfte, die den Prüfling planmäßig unterrichtet haben, konzipieren die Klausurarbeiten sowie
beurteilen die erbrachten Leistungen (§ 10 BbS VO). Die Endnote in den entsprechenden Fächern
bildet sich dabei aus einer Vornote aus den regulär im letzten Schuljahr erbrachten Leistungen (60 %)
und der Prüfungsleistung (40 %). Eine mündliche Prüfung ist nicht verpflichtend vorgesehen. Sie soll
nur durchgeführt werden, wenn Sie zur Klärung der Endzensur erforderlich ist (§ 12 BbS VO)2.
Darüber hinaus erfolgt eine Schülerbeurteilung in den einzelnen Fächern, die im Abschlusszeugnis
ausgewiesen werden über schriftliche Nachweise, die letztendlich zu 60 – 70 % die jeweilige
Fachnote bestimmen sowie über eine Beurteilung der mündlichen Mitarbeit, die mit 40 – 30 % den
jeweiligen Rest der Fachnote beeinflussen. Eine detaillierte Kompetenzfeststellung, entsprechend
unterteilt nach den drei Deskriptoren Kenntnisse (knowledge), Fertigkeiten (skills), Kompetenz
(competences), findet noch nicht statt. Erschwerend zeigt sich in der Schulgesetzgebung, dass die
Festsetzung der Noten zum Ende eines Schuljahres ausschließlich die im jeweiligen Schuljahr
erbrachten Leistungen berücksichtigt (§ 22 BbS VO). Demzufolge bilden die Ergebnisse des dritten
Theorieblocks an der TS Esens eine erhebliche Grundlage für die Leistungsbewertung zum Abschluss
der Weiterbildung, ohne die Ergebnisse und damit den Kompetenzzuwachs der ersten zwei Theorieblöcke ausreichend zu würdigen.
Die Prüfungsdurchführung an den Tourismusschulen Klessheim richtet sich nach den gesetzlichen
Erfordernissen der Prüfungsverordnung über abschließende Prüfungen an berufsbildenden Schulen3
und dem Schulunterrichtsgesetz (SchUG) als Rahmengesetz. § 34 des SchUG lautet:
2
3
Verordnung über berufsbildende Schulen Niedersachsen (BBS-VO) vom 10. Juni 2009 (Nds. GVBl. S. 242, SVBl. S. 206),
geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 5. Oktober 2011 (Nds. GVBl. S. 336, SVBl. S. 419)
vgl. http://www.hum.at/images/Unterrichtsqualitaet/Abschließende_Pruefungen/HandreichungHUMHLFS_AbschlPR_12_
Zwischenversion_Feb_2012.pdf
8-7
(1) Abschließende Prüfungen bestehen aus
1. einer Hauptprüfung oder
2. einer Vorprüfung und einer Hauptprüfung (dies gilt für Tourismusschulen).
(2) Vorprüfungen bestehen aus mündlichen, schriftlichen, grafischen und/oder praktischen
Prüfungen oder aus einer Fachbereichsarbeit.
(3) Hauptprüfungen bestehen aus
1. einer Klausurprüfung, die schriftliche, grafische und/oder praktische Arbeiten umfasst, und
2. einer mündlichen Prüfung.
Die Vorprüfung an Tourismusschulen umfasst in viersemestrigen Kollegs und fünfjährigen Ausbildungsgängen jeweils praktische Prüfungen im Ausmaß von 5 Stunden in Küchenorganisation und
Servicemanagement mit integrierten Fachgesprächen, wobei standardisierte Bereiche evaluiert und
in einem Punkte-/Kriterienschema erfasst werden. In gleicher standardisierter Form wird am Kolleg
der Fachrichtung Tourismusorganisation, welche der Ausbildung in Esens am nächsten steht, die
Prüfung über die Bereiche Tourismusmarketing und Organisationslehre durchgeführt. Dadurch wird
ein hohes Maß an Vergleichbarkeit erzielt. Die Gewichtung der Kriterien wurde schulintern festgelegt, ebenso wie die standardisierte Beurteilung der Projektpräsentationen der Diplomarbeiten.
Dabei werden 40 % der Bewertung der Präsentation des Praxisprojekts (z.B. Erstellung eines Messekonzepts für einen professionellen Partner) und 60 % der Beantwortung zweier Fragen aus dem
fachlichen Umfeld des Gegenstands zugewiesen.
Das Prüfungsverfahren der IHK-Weiterbildung erweist sich als ebenfalls sehr komplex. Es berücksichtigt alle unterrichteten Handlungsbereiche und besteht aus einem schriftlichen Teil sowie einer
mündliche Prüfung. Im schriftlichen Teil sind auf der Grundlage einer betrieblichen Situationsbeschreibung zwei aufeinander abgestimmte, bundeseinheitlich geltende Aufgabenstellungen zu
bearbeiten. Die gesamte Bearbeitungsdauer beträgt mindestens 600 Minuten, jedoch maximal 630
Minuten. Beide Teilergebnisse fließen gleichgewichtig in das schriftliche Prüfungsergebnis ein. Im
mündlichen Teil findet eine 10-minütige Präsentation statt, die nachweisen soll, dass eine komplexe
Problemstellung der betrieblichen Praxis erfasst, dargestellt, beurteilt und gelöst werden kann. Sie
ergibt ein Drittel der Bewertung der mündlichen Prüfung. Zudem wird ein 20-minütiges Fachgespräch
geführt, in dem ausgehend von der Präsentation nachgewiesen werden soll, dass auch in weiteren
Handlungsbereichen der Tourismuswirtschaft Wissen angewendet und Lösungen vorgeschlagen
werden können. Das Gesamtergebnis der Prüfung ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel der
schriftlichen und mündlichen Prüfung (§ 3 + § 6 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten
Fortbildungsabschluss Geprüfter Tourismusfachwirt und Geprüfte Tourismusfachwirtin)4.
Aus dem Vergleich wird deutlich, dass es bislang sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen und
Herangehensweisen gibt, um den Kompetenzstand der Teilnehmer einer Weiterbildung zu prüfen.
Damit wird jedoch ein direkter Vergleich von tatsächlich erworbenen Kompetenzen erschwert, da die
bisherigen Prüfungen vom Aufbau und Umfang her auch unterschiedliche Messergebnisse liefern.
Hieraus wird ersichtlich, dass es durchaus einen Bedarf für kompetenzorientierte Prüfungsstrukturen
im europäischen Kontext gibt, die eine umfassende Kompetenzmessung erlauben und die tatsächlich
vorliegenden Qualifikationen auf dem angestrebten vergleichbaren Niveau darstellen.
4
Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Tourismusfachwirt/Geprüfte Tourismusfachwirtin vom 9. Februar 2012; Bundesgesetzblatt Jahrgang 2012 Teil I Nr. 11, ausgegeben zu Bonn am 1. März 2012
8-8
2.5 Zusammenfassende Bemerkungen zum Vergleich der Weiterbildungen
Aus der Analyse der Zielstellungen, der Rahmenbedingungen, des zeitlichen und inhaltlichen
Umfanges sowie der Prüfungsstrukturen der drei betrachteten Weiterbildungen ergibt sich ein
Ansatz für eine Vergleichbarkeit. Dennoch zeigt sich, dass es sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt, die eine direkte Gegenüberstellung erschweren. Damit wird auch das Identifizieren
gemeinsamer bzw. vergleichbarer Lernergebniseinheiten schwieriger und aufwendiger.
Eine besondere Herausforderung stellt so zum Beispiel die Niveaustufenzuordnung der betrachteten
Weiterbildungen dar. Hier offenbart sich bislang noch ein transnationales Problem. Obwohl eine
starke Übereinstimmung der Niveaustufensystematik im Kontext der europäischen Kompetenzformulierungen nach EQF zwischen Österreich und Deutschland besteht, ist eine Einheitlichkeit der
Niveaustufenzuordnung der betrachteten Weiterbildungen nicht gegeben. Während die Weiterbildung an der TS Klessheim dem Niveau NQR 5 zugerechnet werden soll, befürworten die Experten
eine Zuordnung der Weiterbildung an der TS Esens sowie der IHK-Weiterbildung zum Niveau NQR 6
(siehe hierzu auch Abschnitt 2.1 sowie ausführlich den Projektbericht der Unternehmensberatung
Heffeter „Entwicklung einer Leistungspunktesystematik vor dem Hintergrund ECVET und EQF“).
Jedoch bewegen sich insbesondere die beiden Tourismusschulen (TS Klessheim und TS Esens) in
Ihrem Anspruch und aufgrund der formulierten Zielstellungen für die Absolventen eindeutig auf einer
vergleichbaren Niveaustufe. Einzig der praktische Erfahrungsschatz der Teilnehmer der Weiterbildung weicht bei den Zulassungsvoraussetzungen bzw. während der Weiterbildung voneinander ab
(siehe Abschnitt 2.3). Inwieweit ein echter Kompetenzzuwachs in dieser Praxiszeit tatsächlich
erfolgte bzw. welcher Kompetenzstand erreicht wurde, kann bislang jedoch nur vermutet und
anhand des zeitlichen Umfanges geschätzt werden. Eine reale Kompetenzmessung findet
diesbezüglich nämlich nicht statt und liefert damit keinen Nachweis für ein gegebenenfalls höheres
Kompetenzniveau.
Ein weiteres Problem der Vergleichbarkeit ergibt sich aus der bislang fehlenden Modularisierung der
Lehr- und Lerninhalte in den Weiterbildungen mit eigenständigen Kompetenzfeststellungen und
Leistungsbewertungen, wie sie zum Beispiel beim Bachelor-Studium mit einer Kurssystematik bereits
üblich sind. Eine entsprechende Systematik lässt sich bei den betrachteten Weiterbildungen aber
auch nicht so ohne weiteres abbilden, da vergleichbare Lerninhalte lehrplanbezogen in sehr unterschiedlichen Zeitabschnitten und Abfolgen angeboten werden. Zudem erfolgt eine Bewertung von
erbrachten Leistungen nach sehr unterschiedlichen Maßgaben. So ist zum Beispiel eine Benotung von
Modulen oder Kompetenzbereichen im engen Rahmen der bislang geltenden Landes- und Bundesgesetze an der TS Esens überhaupt nicht möglich. Bei der IHK-Weiterbildung findet hingegen nur eine
zentrale Abschlussprüfung statt, ohne die einzelnen, durchaus modular zu sehenden Handlungsbereiche separat zu bewerten (siehe auch Abschnitt 2.4).
Inwieweit dennoch eine Möglichkeit besteht, Kompetenzzuwächse durch die Weiterbildungen gezielt
zu fördern, zu messen, zu dokumentieren sowie zu zertifizieren, wird im Projektteil der TS Klessheim
ausführlich beschrieben. Hierbei werden Ergebnisse aus non-formalen Lernprozessen in
Zusammenhang mit informellen Lernprozessen, also eigenen betrieblichen Arbeitserfahrungen der
Teilnehmer betrachtet und bewertet sowie in einer sogenannten Kompetenzmatrix zusammen
geführt.
8-9
2.6 Entwicklung einer Kompetenzmatrix an den TS Klessheim
Im Ergebnis des Vergleiches der Weiterbildungsgänge wurde an den Tourismusschulen Klessheim
eine standardisierte Erfassung der Dokumentationsgrundlagen für die zu absolvierenden Praxisphasen in Form einer Kompetenzmatrix entwickelt. Die Zielrichtung dieser Kompetenzmatrix ergibt
sich aus
a- den zuvor genannten bislang nur unzureichend messbaren und zertifizierbaren Kompetenzen
bzw. Kompetenzzuwächsen aufgrund der fehlenden Modularisierung und einer fehlenden
Zurechenbarkeit von Kompetenzen zu den bisherigen Lerneinheiten unter Berücksichtigung
der drei Deskriptoren,
b- der Lernergebnisorientierung betrieblicher Arbeitsphasen mit einem entsprechenden
Nachweis,
c- aus den Rückmeldungen aus der Praxis (über Experteninterviews).
Aus den Experteninterviews lassen sich insbesondere folgende Anknüpfungspunkte für die
Entwicklung der Kompetenzmatrix ableiten (siehe hierzu ausführlich Kapitel 4 im Projektbericht der
Unternehmensberatung Heffeter):
o Die Betriebe wünschen sich eine Beschreibung der bislang in den Theoriephasen erlangten
Kompetenzen. Sie sind bereit über Lernvereinbarungen und ein geeignetes Bewertungssystem
(Selbst- und Fremdbewertung) Kompetenzen der Praktikanten gezielt weiter zu entwickeln.
o Es wird empfohlen, ein Tages- oder Wochenarbeitsbuch zu führen, in dem Aktivitäten und
erworbene Kompetenzen dokumentiert werden. Ein Nachweis von Zusatzqualifikationen wird
möglich.
o Der Praktikumsbericht sowie Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Praktikum sind im
Rahmen des Unterrichtes (in der gesamten Klasse) im folgenden Schuljahr zu präsentieren und
fachlich zu diskutieren.
o Reale Situationen in den Betrieben weichen von der Schul-/Lernsituation (Theorie) ab.
o Unterschiedliche Eingangsqualifikationen sind zu berücksichtigen.
o Individuelle Bildungswege verlangen nach individuellen Prüfungs-/Testvarianten.
Aus der Präsentation des Entwurfes der Kompetenzmatrix in internationalen Expertengremien (z.B.
EUHOFA) durch Franz Heffeter (TS Klessheim) ergaben sich zudem folgende Hinweise zur
allgemeinen Verfahrensweise bei der Erfassung und Entwicklung von Kompetenzen:
o Die Matrix ist in jedem Fall einfach, übersichtlich und praktikabel zu halten.
o Ein Kompetenzraster soll vor Praktikumsbeginn erstellt werden. Daraus sind Lernvereinbarungen zwischen Betrieb und Praktikant (in Abstimmung mit der Schule) abzuleiten. Die
jeweiligen Lernfortschritte sind zu dokumentieren, zu messen und zu bewerten (Selbst- und
Fremdbewertung) sowie zu zertifizieren.
o Die am Lernprozess beteiligten Prüferinnen und Prüfer sind entsprechend vorzubereiten und
zu befähigen.
Eine ausführliche Beschreibung zur Struktur und zur Handhabung der Kompetenzmatrix findet sich
im Projektteil der TS Klessheim „Stufenmodell zur output-orientierten Kompetenzdokumentation im
Unterricht sowie im Praktikum – STOOKD –“.
8-10
3.
Überprüfung der Anerkennung und Anrechnung von Leistungen und
Kompetenzen
Grundlagen für eine Anerkennung und Anrechnung von Leistungen und Kompetenzen im Rahmen
bzw. als Ergebnis einer Weiterbildung bilden einerseits vergleichbare Lerninhalte in einer übereinstimmenden Niveaustufe, andererseits eine entsprechende Nachweisführung über das
tatsächliche Vorliegen der jeweiligen Kompetenzen bei den betroffenen Personen. Dafür müssen ein
geeignetes, von allen am Anrechnungsprozess beteiligten Akteuren akzeptiertes Prüfverfahren und
eine entsprechende Zertifizierung der Leistungen, zum Beispiel über eine Leistungspunktesystematik
vorliegen. Eine ausführliche Beschreibung der Hintergründe und der Verfahrensweise findet sich im
Projektbericht der Unternehmensberatung Heffeter „Entwicklung einer Leistungspunktesystematik
vor dem Hintergrund ECVET und EQF“).
Beim Vergleich der Weiterbildungen (siehe Kapitel 2) wurde deutlich, dass es einige Unterschiede
sowohl im Umfang und in der Gestaltung der Lernprozesse als auch bei der Nachweisführung eines
entsprechenden Kompetenzerwerbs gibt. Vor diesem Hintergrund soll in den nachfolgenden Ausführungen Bezug auf einzelne Anrechnungsmöglichkeiten aus Sicht der TS Esens genommen werden.
3.1 Anerkennung von Leistungen für einen Einstieg in die Weiterbildung
In einem ersten Schritt sind die Voraussetzungen einer Anerkennung von zertifizierten Teilleistungen
(Lerneinheiten) für einen Einstieg in die Weiterbildung an der TS Esens aufgrund bereits vorliegender
Qualifikationen aus vorangegangenen Bildungsniveaus, zum Beispiel aus dem Besuch der Berufsfachschule Wirtschaft – Schwerpunkt Tourismus oder aus einem Berufsabschluss als Kaufmann/Kauffrau
für Tourismus und Freizeit zu prüfen.
Das Bildungsprofil einer einjährigen Berufsfachschule Wirtschaft - Schwerpunkt Tourismus (voraussichtlich NQR 3), das hierfür zugrunde zu legen ist, sieht wie folgt aus. 5 Als Einstiegsvoraussetzung für
diesen Bildungsgang muss ein Sekundarabschluss I/Realschulabschluss vorliegen. Das Ausbildungsziel
liegt in der Vermittlung der Ausbildungsinhalte des ersten Ausbildungsjahres aus dem Freizeit-/
Tourismusbereich und dem Reiseverkehr sowie in der Erweiterung der Allgemeinbildung. Nach
erfolgreichem Besuch des Bildungsganges kann bei einem bestimmten Notendurchschnitt der
erweiterte Sekundarabschluss I erreicht werden, der den Besuch der Oberstufe des Gymnasiums
oder des Fachgymnasiums als weiterführende Schule erlaubt, jedoch nicht den Besuch der Fachschule bzw. des Kollegs. Im Rahmen einer anschließenden dualen fachbezogenen Berufsausbildung,
zum Beispiel zum/zur Kaufmann/-frau für Tourismus und Freizeit, ist eine Anrechnung auf die Dauer
der Berufsausbildung durch die ausbildenden Unternehmen möglich.
Bei der Ausbildung zum/zur Kaufmann/-frau für Tourismus und Freizeit handelt sich um einen
bundesweit anerkannten, nach Berufsbildungsgesetz6 geregelten 3-jährigen Ausbildungsberuf, der
voraussichtlich der Niveaustufe NQR 4 zugeordnet wird (siehe hierzu Abschnitt 2.1). Gemäß § 3 der
Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Tourismus und Freizeit/zur Kauffrau für
5
6
Quelle: Berufsbildende Schule Norden (Deutschland), http://www.bbsnorden.de/schule/schulformen/BFS/bfwt.html,
eingesehen am 29.8.2012
Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 20.
Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist.
8-11
Tourismus und Freizeit7 besteht die Zielsetzung dieser Berufsausbildung darin, Fertigkeiten und
Kenntnisse so zu vermitteln, dass die Auszubildenden zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen
Tätigkeit befähigt werden, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren
einschließt. Dementsprechend können Kaufleute für Tourismus und Freizeit Kunden beraten und
über touristische Leistungen und Angebote informieren sowie Veranstaltungen organisieren und
Verkaufs- und Marketingkonzepte zur Förderung des regionalen Tourismus umsetzen. In Abhängigkeit vom Notendurchschnitt und dem erfolgreichen Ablegen der Kaufmannsgehilfenprüfung können
mit dem Berufsschulzeugnis der Sekundarabschluss I bzw. der erweiterte Sekundarabschluss I
erreicht werden.
Eine Anrechnung von Leistungen und Kompetenzen aus dem Besuch der zuvor genannten beiden
Bildungsgänge beim Einstieg in die Weiterbildung an der Fachschule bzw. im Kolleg wird grundsätzlich nicht möglich sein, da die jeweils erreichte Niveaustufe und damit das Kompetenzniveau
nicht vergleichbar sind. Zudem stellen der Sekundarabschluss 1 sowie der Berufsschulabschluss
jeweils eine wesentliche Zulassungsvoraussetzung zum Besuch der Fachschule dar. Auf diese
vorliegenden Qualifikationen soll dann bei der Kompetenzvermittlung im Rahmen der Weiterbildung
inhaltlich aufgebaut werden.
3.2 Anerkennung von Leistungen aus vergleichbaren Bildungsgängen
Eine Anerkennung und Anrechnung von Leistungen, die im Rahmen der Weiterbildung in vergleichbaren Bildungsgängen national bzw.im europäischen Ausland erworben wurden, scheint durchaus
sinnvoll. Aufgrund der Vielfältigkeit der einzelnen Weiterbildungen sowie ihrer Systematik und
Schwerpunktbildung, insbesondere der Möglichkeit schulautonomer Regelungen, erweist sich eine
standardisierte Anrechnung jedoch als äußerst komplex.
Grundsätzlich wäre über die Bildung von modularen vergleichbaren Lerneinheiten und eine damit
verbundene Leistungspunktesystematik eine Anrechnung denkbar. Jedoch ergeben sich aus zwei
Blickwinkeln hierbei gravierende Probleme, die beim derzeitigen Stand der Entwicklungen in der
Bildungslandschaft zu einem unverhältnismäßigen Aufwand einer standardisierten Anrechnung
führen würden.
Zum einen erfolgt eine Entwicklung von Lerneinheiten an den Bildungseinrichtungen bislang unter
Berücksichtigung der landesspezifischen Gesetzgebung sowie unter Nutzung schulautonomer
Gestaltungsspielräume. Hierbei wird Wert darauf gelegt, dass Lerninhalte so in die Struktur der
jeweiligen Weiterbildung eingeordnet sind, dass sie sowohl lernsystematisch-logisch als auch ablauforganisatorisch realisierbar sind. Damit ergibt sich das Problem, dass Lerninhalte zu verschiedenen
Zeitpunkten während der Weiterbildung vermittelt und in sehr unterschiedlichen Lernsituationen
eingebettet werden (siehe hierzu auch Abschnitt 2.1 in Verbindung mit Anlagen A-2 und A-3). Erzielte
Leistungen sowie eine entsprechende Bewertung der Kompetenzen sind so zeitlich und inhaltlich
auch unterschiedlichen Lern- bzw. Handlungsbereichen mit unterschiedlicher Wertigkeit zugeordnet.
Eine modulare Anrechnung wäre in diesem Fall nicht möglich, da am Ende eines Bildungsganges zwar
vergleichbare Kompetenzstände erreicht werden, Zwischenstände (also Teilleistungen) aber nicht
direkt vergleichbar sind.
7
Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Tourismus und Freizeit/zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit
vom 18. März 2005 (BGBl. I S. 794)
8-12
Andererseits erweist sich die Vergabe möglicher Kreditpunkte (EC) für modularisierte Teilleistungen
unter den oben genannten Bedingungen als (noch) nicht realisierbar. Folgt man für eine erste Orientierung dem bislang üblichen Ansatz der workload-basierten Punktevergabe gemäß Stundentafel und
Zeitaufwand für den Erwerb von Kompetenzen, so ergibt sich beispielsweise folgendes Bild.
Im Lerngebiet Rechnungswesen/Controlling könnten an der TS Esens 12 EC, an der TS Klessheim 16
EC sowie in der IHK-Weiterbildung 4 EC vergeben werden. Im Handlungsbereich „Personalführung
und –entwicklung“ sind in der IHK-Weiterbildung wiederum 3 EC, an der TS Esens über die zwei Lerngebiete „Mitarbeiterführung“ und „Personal- und Ausbildungswesen“ 8 EC ansetzbar, während an
der TS Klessheim das genannte Thema nicht separat betrachtet, sondern anwendungsorientiert, im
Lerngebiet „Tourismusorganisationen“ (18 EC) integriert, vermittelt wird (siehe Anlage A-2 und A-3).
Nunmehr wäre es notwendig, um eine Vergleichbarkeit und damit Anerkennung zu gewährleisten,
die Lerngebiete so auszudifferenzieren, dass einzelnen zu erwerbenden Kompetenzen auch jeweils
einzelne EC zuzuordnen wären. Über diese Form der Einzelpunktbewertung ließen sich dann auch die
Kompetenzen bei einer Anerkennung und Anrechnung zu unterschiedlichen Lerngebieten (Modulen)
zuweisen. Der Aufwand für eine solche Standardisierung erscheint aufgrund der zuvor genannten,
vielfältigen, zum Teil schulautonomen Ausgestaltung der Lehrpläne als unverhältnismäßig. Verschärft
wird die Übertragungsproblematik zudem durch die bislang fehlende Kompetenzmessung von
informellen Lernprozessen in den Praxisphasen der Weiterbildung (siehe hierzu auch Projektbericht
der TS Klessheim).
Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass sowohl eine Anerkennung als auch eine Anrechnung von
Kompetenzen weiterhin nur über eine Einzelfallprüfung erfolgen kann. Hierfür werden individuelle
Vereinbarungen zwischen dem Auszubildenden und der aufnehmenden Einrichtung notwendig sein.
Eine Vereinheitlichung der Lehrplaninhalte auf europäischer Ebene ist aufgrund länderspezifischer
und schulautonomer Regelungen zumindest mittelfristig, möglicherweise sogar langfristig nicht
möglich.
So gesehen konnte aus praktischer Sicht im TourBO-Projekt eine Vereinbarung, die eine standardisierte, pauschale Anerkennung von Teilleistungen vorsieht, zwischen den beteiligten Schulen nicht
geschlossen werden. Gleichwohl bekräftigten die TS Esens und die TS Klessheim ihre Bereitschaft
über eine entsprechende Einzelfallprüfung interessierten Teilnehmern einen Wechsel zur jeweils
anderen Weiterbildung zu ermöglichen. Zudem wurde in Zusammenarbeit der beiden Tourismusschulen ein Modell entwickelt, welches in Zukunft eine Anerkennung und Anrechnung von
Kompetenzen aus der praktischen Betätigung in einem Betrieb unter Berücksichtigung der zuvor
vermittelten Lerninhalte während einer Weiterbildung vorsieht (siehe Projektbericht der TS
Klessheim).
3.3 Anerkennung von Leistungen aus fachspezifischen modularen
Weiterbildungsangeboten
Im folgenden Abschnitt soll kurz darauf eingegangen werden, wie eine Anerkennung und
Anrechnung einer fachspezifischen, modular aufgebauten Weiterbildung, wie zum Beispiel zum
Recreation Assistant (RCA) für die eigene Weiterbildung möglich ist. Eine ausführliche Beschreibung
zum Qualifizierungskonzept findet sich im Projektbericht der LEB Bad Zwischenahn. Zudem befasst
sich der Projektbericht der Unternehmensberatung Heffeter allgemein mit der Thematik „TourBOModell RCA-Einstufungsperspektiven“.
8-13
Grundsätzlich ergibt sich eine Schwierigkeit des Vergleiches bereits aus der Einstufung der Weiterbildung. Während der RCA auf Niveau NQR 4 ausgelegt ist, handelt es sich bei den beiden Weiterbildungen an den Tourismusschulen um die Stufen NQR 5 bzw. 6. Dennoch zeigen sich thematische
Überschneidungen der Module des RCA-Qualifizierungskonzeptes mit der Weiterbildung an der TS
Esens, zumindest im Bereich der Vermittlung tourismusspezifischer Grundlagen. Durch die outputorientierte Formulierung der zu erzielenden Kompetenzen in Verbindung mit den praktischen Phasen
bei der Qualifizierung zum RCA könnte eine Anerkennung in diesem Teil durchaus möglich sein.
6 der 7 zu absolvierenden Module der Qualifizierung zum RCA werden bei der TS Esens inhaltlich
komplett abgebildet, sogar genau wie bei den TS Klessheim noch viel ausführlicher als beim RCA
selbst. Allein das Modul 6 „Programmgestaltung“ wird bislang nur mit etwa 30-50 % der Inhalte
abgedeckt. Es fehlen insbesondere Elemente der Kultur- und Naturinterpretation, der praktizierten
Gästeführung sowie Elemente aus den Bereichen Animation, Spiel und Bewegung.
Dennoch wird eine Anerkennung und Anrechnung der Kompetenzen differenziert zu betrachten sein.
Da der Umfang der Qualifizierung zum RCA in den einzelnen Modulen sehr eng bemessen ist, wird
ein gravierender Unterschied zu den Weiterbildungen an der TS Esens und den TS Klessheim sichtbar.
Während der Gesamtumfang des RCA mit knapp unter 200 Unterrichtsstunden im Vergleich zu ca.
1000 Unterrichtsstunden für tourismusspezifische Lerninhalte bei den Tourismusschulen schon recht
deutlich ist, zeigt eine Betrachtung einzelner Module des RCA die eigentliche Schwierigkeit einer
Anerkennung und Anrechnung. So werden beim RCA touristische Rahmenbedingungen im Modul 1
(Grundlagen des Tourismus, Recht, Nachhaltigkeit) mit 20 Unterrichtsstunden terminiert. An den TS
Esens werden vergleichbare Inhalte im Zentralfach Tourismus (Betriebswirtschaftslehre des
Tourismus) mit 60 Stunden allein im ersten Weiterbildungsjahr sowie im Fach Recht/Recht im
Tourismus mit mehr als 100 Unterrichtstunden vermittelt und entsprechend vertieft (siehe auch
Anlagen A-2 und A-3).
Folgt man einer überschlägigen Rechnung mittels des workload-basierten Ansatzes zur Vergabe von
Kreditpunkten, so sähe eine Anrechnung vor, auch nur Teil-Kreditpunkte vergeben zu müssen. Zum
Beispiel sind für das Teilgebiet BWL Tourismus des Zentralfaches Tourismus an der TS Esens im 1.
Weiterbildungsjahr 3 EC zu vergeben. Bei einer Anerkennung des Moduls 1 des RCA könnten maximal
0,5 EC zur Anrechnung gebracht werden. Erschwerend kommt dann jedoch hinzu, dass eine zeitliche
Zurechnung dieser 0,5 Kreditpunkte im Lehrplan der TS Esens nicht möglich sein wird.
Denkbar wäre allerdings im umgekehrten Fall, aufgrund des Umfanges der vermittelten Kompetenzen eine Zulassung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Weiterbildung an der TS Esens zur
RCA-Prüfung zu ermöglichen, damit diese eine praktische Zusatzqualifikation erwerben können.
Hierfür ist dann gegebenenfalls nur noch die Belegung des Moduls 6 notwendig. Idealerweise sollte
den Interessenten dann grundsätzlich empfohlen werden, dieses Modul 6 zu besuchen, da es für eine
aktive Vorbereitung des praktischen Prüfungsteils von besonderer Bedeutung ist.
3.4 Anrechnung für ein Studium an einer Hochschule
Im Folgenden soll dargelegt werden, wie eine Anrechnung der eigenen Weiterbildung an der TS
Esens zu Beginn eines Hochschul-Bachelor-Studiums funktionieren könnte. Eine ausführliche
Beschreibung zur Akzeptanz und Übersetzung der ECVET-Systematik in das akademische ECTSSystem findet sich im Teilbericht der Unternehmensberatung Heffeter. Eine solche Anerkennung
8-14
kann für viele Hochschulen eine nicht unerhebliche Rolle als Wettbewerbsfaktor um die Gunst der
zukünftigen Studenten spielen.
Dennoch beschränkt sich die Anerkennung von Qualifikationen zumeist auf die Zugangsberechtigung
an eine Hochschule und nicht auf eine allgemeine Anerkennung von Teilleistungen selbst. So sieht
das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG)8 bereits vielfältige Möglichkeiten des Studiums für
beruflich Qualifizierte vor. Die geläufigsten bundes- und landesrechtlich geregelten Fortbildungen,
wie zum Beispiel die IHK-Weiterbildung, erhalten eine allgemeine Studienberechtigung. Ebenso darf,
wer eine berufliche Ausbildung absolviert hat, nach einer dreijährigen Berufspraxis fachbezogen
studieren. Im Berufsleben erworbene Kompetenzen werden bei Gleichwertigkeit auf ein Hochschulstudium angerechnet9.
Die Ausgestaltung dieser Empfehlung obliegt den Hochschulen selbst. Mehrere Anfragen zur
Anerkennung und Anrechnung von Leistungen aus der Weiterbildung an der TS Esens laufen derzeit
bei verschiedenen Hochschulen. Jedoch gibt es aufgrund des Vorbehaltes zum Status einer
akademischen Bildung sowie des individuellen Prüfverfahrens zu diesem Anliegen erst eine konkret
verwertbare Rückmeldung, die nachfolgend beschrieben werden soll.
Aufgrund der Einstufung der Weiterbildung an der TS Esens auf Bachelor-Niveau (NQR 6) besteht
grundsätzlich die Möglichkeit neben der Anerkennung von Kompetenzen im Rahmen des Zulassungsverfahrens auch über eine Anrechnung von Leistungen bzw. Kompetenzen in größerem Umfang auf
ein Bachelor-Studium zu sprechen. Die Stenden University of Applied Sciences in Leeuwarden
(Niederlande) unterbreitete hierfür einen Anrechnungsvorschlag für ihren Studiengang „Bachelor of
Business Administration (BBA) - International Tourism Management“ mit einer Studiendauer von vier
Jahren, der durch die Hochschule und die TS Esens in Kürze in einem Vertrag unterzeichnet wird.
Dieser Vorschlag sieht eine Anrechnung der Weiterbildung an der TS Esens auf das oben genannte
Bachelor-Studium wie folgt vor:
o 1. Studienjahr:
o 2. Studienjahr:
o 3. Studienjahr:
o 4. Studienjahr:
o Studium gesamt:
54 EC
60 EC
0 EC
42 EC
156 EC
von
von
von
von
von
60 EC
60 EC
60 EC
60 EC
240 EC
Insgesamt können also 156 EC aus der betrachteten Weiterbildung an der TS Esens auf ein Studium
an der University Stenden (240 EC) angerechnet werden. Die 42 EC für das 4. Studienjahr entfallen
dabei auf zu absolvierende Praxiszeiten.
Eine Anrechnung erfolgt allerdings nicht über die Akzeptanz zu vergebender EC an der TS Esens aus
einem standardisierten Verfahren, welches komplette Module der Weiterbildung auf das Studium
überträgt. Dies wäre aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Lehrpläne und Kurse
(Studienmodule) an beiden Bildungseinrichtungen auch so nicht möglich. Vielmehr fand ein Vergleich
der einzelnen Lehrplaninhalte bzw. der in den jeweiligen Kursen zu erwerbenden Kompetenzen statt,
8
Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) in der Fassung vom 26. Februar 2007 (Nds. GVBl. 2007, 69) letzte
berücksichtigte Änderung vom 20.06.2012 (Nds. GVBl. S. 186)
9
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, http://www.mwk.niedersachsen.de/portal/
live.php?navigation_id=6284&article_id=19107&_psmand=19, eingesehen am 29.8.2012
8-15
die dann den jeweiligen Studienmodulen an der Stenden University zugerechnet wurden. Erst danach
ließen sich adäquat EC-Punkte zuordnen.
Die verbleibenden zu erwerbenden Kompetenzen in einem Umfang von 84 EC sind nunmehr in
einem modularen Studienplan so terminiert, dass in einem ersten ergänzenden Studienjahr
(entspricht inhaltlich dem 3. Studienjahr des regulären Studiums) über 4 Lehrmodule 60 EC erworben
werden können. Die restlichen EC entfallen dann auf zwei Zusatzkurse sowie das Verfassen der
Diplomarbeit, welche in einem weiteren ergänzenden Studienhalbjahr zu erzielen sind.
Insgesamt gesehen kann damit das Studium durch die genannte Anrechnung effektiv um ca. 2,5
Jahre verkürzt werden. Diese Verfahrensweise bietet somit einen Anreiz für Absolventen der TS
Esens, über ein optimiertes Ergänzungsstudium den Bachelor of Business Administration (BBA) zu
erwerben. Derzeit befindet sich die TS Esens in Verhandlung mit weiteren Hochschulen, um das
Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren in vergleichbarer Weise zu vereinbaren.
4.
Nutzung und Weiterentwicklung der Projektergebnisse für die eigene
Bildungsarbeit
Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der beiden Weiterbildungen an der TS Esens und den
TS Klessheim war es im Rahmen des TourBO-Projektes leider nicht möglich, Teilnehmer zu gewinnen,
die bereit waren, einen Lernabschnitt in der jeweils anderen Weiterbildung zu absolvieren. Dies hätte
für die Probanden unweigerlich zur Folge gehabt, mehr Zeit, und nicht wie eigentlich beabsichtigt
weniger Zeit für eine reguläre Weiterbildung im vergleichbaren Bildungsniveau ohne einen zusätzlichen Kompetenzgewinn zu benötigen. Dennoch wurde über die beteiligten Tourismusschulen die
Chance genutzt, die gesammelten Erfahrungen in ein weiteres internationales Projekt einzubringen.
So wird aktuell in einem Leonardo-da-Vinci-Partnerschaftsprojekt mit dem Titel „Responsible and
Sustainable Tourism in European Regions“ (2011-1-FI1-LEO04-06136 2) mit den Tourismusschulen
Salzburg-Bramberg (Österreich), IES Isidoro Macabich Ibiza (Spanien) und Esens (Deutschland) an der
Entwicklung eines gemeinsamen Lehr-Lern-Moduls gearbeitet. Hierbei sollen die bisherigen
Probleme einer Vergleichbarkeit, der Bewertbarkeit und der Anrechenbarkeit von Kompetenzen
direkt aufgegriffen werden. Es geht in dem Lehr-Lern-Modul darum, über ein abgestimmtes
Trainingsprogramm Kompetenzen der Schüler für das Analysieren, Erkennen, Gestalten und Überprüfen einer nachhaltigen Tourismusentwicklung in einer Tourismusregion zu entwickeln. Zudem
sollen interkulturelle Kompetenzen aktiv gefördert werden. Das Lehr-Lern-Modul wird so aufgebaut
sein, dass ausgehend von einer output-orientierten Kompetenzformulierung, jeder Teilnehmer
vergleichbare Kompetenzen erwirbt, egal in welchem Land er das Modul absolviert. Ebenso werden
die Bewertbarkeit der Kompetenzen sowie die Vergabe von Kreditpunkten (EC) geprüft. Bei jedem
der Partner sind mittlerweile 4 bis 5 Lehrer an dem Entwicklungsprozess aktiv beteiligt. Zudem
testeten jeweils 5 bis 10 Schüler aus 3 Nationen in zwei internationalen Workshops die ersten Phasen
des Lehr-Lern-Moduls.
Einen weiteren Impuls gab es für die Berufsausbildung zum/zur Kaufmann/-frau im Einzelhandel. In
einem bereits bestehenden Projekt zum „Deutsch-Niederländischen Austausch in der beruflichen
Bildung (BAND)“ gemeinsam mit dem Noorderpoort College Groningen (Niederlande) und den
Berufsbildenden Schulen 1 in Leer (Deutschland). Aufgrund der gesammelten Erfahrungen wurde
eine Präzisierung des Praktikumsaustausches angeregt. Über eine Niveaubestimmung im Vorfeld des
Praktikums wird mit den Teilnehmern nun eine Lernvereinbarung getroffen und eine entsprechende
8-16
Projektaufgabe für das Praktikum definiert. Die Ergebnisse des Praktikums werden durch die
Praktikanten dann bilateral, in einer gemeinsamen öffentlichen Sitzung präsentiert. Zudem findet
eine Rückmeldung im Sinne einer Selbst- und Fremdbewertung durch die Auszubildenden und die
Betriebe statt. Ziel ist es, in Zukunft ebenfalls eine Kompetenzmatrix in Anlehnung an das Modell
STOOKD für die Kompetenzentwicklung der Auszubildenden zu nutzen. Diese soll als Instrument für
den Nachweis erzielter Kompetenzen dienen sowie eine Vergleichbarkeit und damit Anrechenbarkeit
von Kompetenzen nicht nur zwischen den beteiligten Schulen gewährleisten.
Insgesamt fließen die aus dem EU-Projekt „TourBO meets Europe“ erzielten Ergebnisse in die
aktuelle Bildungsarbeit in verschiedenen Bereichen an der TS Esens und ihrer Trägerschule, der BBS
Wittmund ein. Es wurden bislang Anregungen gegeben, die EQR-Einstufung und ECVET-Diskussion
bei der weiteren Schulentwicklung zu nutzen. So wird eine kompetenzorientierte output-bezogene
Formulierung der Lehrinhalte und Lernsituationen, die derzeit in verschiedenen Teams unterschiedlicher Bildungsgänge erarbeitet werden, eine Berücksichtigung finden. Zudem ist beabsichtigt, eine
Übertragung der Kompetenzmatrix STOOKD für die gezielte Kompetenzentwicklung in Praxisphasen
während der Ausbildung für die Bildungsgänge Berufsfachschule und Fachoberschule Wirtschaft zu
prüfen.
Als weiteres Projektergebnis für unsere Schule können wir festhalten, dass über die intensive länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung von Bildung eine Vielzahl von Impulsen
gegeben wurde. Diese betreffen zum einen eine moderne zeitgemäße Ausrichtung der Berufsschule
auf die Markterfordernisse des europäischen Bildungs- und Arbeitsmarktes. Zum anderen fördern sie
die Mobilität junger Auszubildender. Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass es sich hierbei nicht um
eine Einbahnstraße handelt, über die junge Leute unsere Region verlassen. Es besteht vielmehr auch
ein Anreiz für ausländische Jugendliche in unserer Region ein attraktives Bildungsangebot wahrzunehmen.
An dieser Stelle gilt ein Dank an alle, die dieses Projekt sowohl ideell als auch finanziell unterstützt
haben und unserer Schule damit die Gelegenheit gaben, an der Ausgestaltung der europäischen
Bildungsarbeit mitzuwirken.
8-17
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