Materialien für den fächerübergreifenden Projektunterricht Editionen varianter Texte am Beispiel von ‚Ich weıs den wec nv lange wol‘ Reinmars des Alten 1 Edition ‚Ich weıs den wec nv lange wol ‘ Pauline Koester (Matr.-Nr.: 4374835) 2 Universität Freie Universität Berlin Vorgelegt von Pauline Koester (Matr.-Nr. 4374835) Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften Studiengänge Deutsche Philologie (90 LP – 5. Semester) Institut Deutsche und Niederländische Philologie Modul Vertiefung Ältere Deutsche Literatur Seminar Probleme bei der Edition [email protected] mittelhochdeutscher Texte (16655a) 0177 240 32 54 Dozentin Lydia Jones Semester WS 2011/2012 Geschichtswissenschaft (60 LP – 5. Semester) Kontakt Georg-Lehnig-Straße 29 / 10369 Berlin Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 1. Erster Teil der Unterrichtseinheit: Geschichtsunterricht 6 1.1. Didaktische Vorrede 6 1.2. Unterrichtsmaterialien 7 2. Zweiter Teil der Unterrichtseinheit: Deutschunterricht 16 2.1. Vorbemerkung zur Verbindung von Geschichts- und Deutschunterricht 16 2.2. Unterrichtsmaterial 16 3. Die Edition von „Ich weıs den wec nv lange wol“ 24 3.1. Grundlegende Vorbemerkungen zum Gedicht 24 3.2. Zentrale Thesen zur Edition – Transkriptionsprinzipien und Hinweise zum Aufbau der Edition 25 3.3. Didaktische Hinweise 26 3.4. Informationen zur Quellengrundlage 27 3.5. Nähere Betrachtung der Heidelberger Manesse (Handschrift C) 38 3.6. Handschriftenvergleiche 43 3.6.1. Varianten auf der Ebene des Liedes 43 3.6.2. Varianten auf der Ebene der Strophen und Verse 47 4. Literatur- und Abbildungsverzeichnis Überblick über die Informationsblätter Informations- und Arbeitsblatt 1: Wiederholung Hochmittelalter Informationsblatt 2: Europakarte zum Hochmittelalter Arbeitsaufträge zur Literaturproduktion im Hochmittelalter Informationsblatt 3: Literaturproduktion im 12. und 13. Jahrhundert Informationsblatt 4: Mittelhochdeutsche Sprachen Informationsblatt 5: Handschriften Informationsblatt 6: Editionen Informationsblatt 7: Bestandteile einer Handschrift Informationsblatt 8: Minnesang Informationsblatt 9: Reinmar der Alte Informationsblatt 10: Das Gedicht „Ich weis den wec nv lange wol“ Informationsblatt 11: Die Große Heidelberger Liederhandschrift Informationsblatt 12: Edition Handschrift C – Transkriptionsprozess Informationsblatt 13: Eine typische Edition – beispielhaft an Strophe 3 Informationsblatt 14: Strophenreihenfolge Informationsblatt 15: Versvergleiche 49 8 13 14 15 17 18 19 20 21 23 37 39 40 42 44 48 3 Vorwort Die Rahmenlehrpläne in Geschichte und Deutsch haben gerade in der Oberstufe einen recht eindeutigen Fokus: Sprache, Literatur und Geschichte von der Aufklärung bis zum 21. Jahrhundert. Bisweilen werden noch Vergleiche mit der Antike angestrebt, doch das Mittelalter kommt in den meisten Bundesländern zu kurz. Maximal wird die mittelalterliche Literatur und Geschichte wie in den Berliner Rahmenplänen als eines von vielen wählbaren Unterthemen hineingeschummelt, welches die LehrerInnen in wenigen Stunden abhandeln sollen. Genau hier setzt nun das folgende Konzept an: In möglichst kurzer Zeit werden zahlreiche Elemente v.a. der mittelalterlichen Literatur und ihrer Erforschung behandelt. Auf knappem Wege sollen damit die Anforderungen des Lehrplans erfüllt werden. Doch soll dieses Konzept keinesfalls nur die Umsetzung von Lehrplanvorgaben darstellen. Denn es geht um deutlich mehr: So musste die Thematisierung des Mittelalters in vielen Klassen schon in der Unterstufe sehr knapp erfolgen, sodass einige SchülerInnen ihr Mittelalter-Bild vielfach nur aus den verschiedenen Medien haben. Dunkel, brutal und geradezu fundamentalistisch religiös wird es darin vielfach dargestellt. Mit diesem Konzept soll also auch versucht werden, dieses Bild von Stereotypen und Vorurteilen zu befreien, es also zu erweitern und v.a. zu differenzieren. Nicht zu unterschätzen ist wohl auch, dass ein Exkurs in die mittelalterliche Literatur eine schöne Abwechslung bieten kann. Die fächerübergreifende Gestaltung bietet sich hier förmlich an – sowohl inhaltlich wie auch zeitlich. Außerdem ist es gerade für den Deutschunterricht stetig wichtig, auf historisch-gesellschaftliche Hintergründe zurückzugreifen, da diese nicht selten enormen Einfluss auf die betrachtete Literatur haben. Nicht zuletzt wird immer wieder fächerübergreifender Unterricht gefordert, doch ist die Anzahl entsprechender Unterrichtskonzepte dafür bisher dünn gesät. Das Konzept ist dabei vor allem für die Oberstufe geeignet, da es doch einiges Vorwissen benötigt. Dabei umfasst die Unterrichtseinheit im Geschichtsunterricht etwa zwei Blöcke und im Deutschunterricht etwa drei Unterrichtsblöcke, wobei die Veranstaltungen im Deutschunterricht auf jener des Geschichtsunterrichts aufbauen und idealerweise direkt auf diese folgen sollten. Problematisch ist dabei, dass in der Abiturstufe zwar der Deutschunterricht verpflichtend belegt werden muss, der Geschichtsunterricht jedoch nur unter bestimmten Umständen oder natürlich bei Interesse. Einige SchülerInnen aus dem Deutschkurs belegen so eventuell gar keinen Kurs oder sie alle befinden sich in anderen Geschichtskursen. Die Organisation kann sich also in manchen Fällen als schwierig erweisen. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle empfohlen, das vorliegende Konzept als Projekt zu gestalten, in dem alle Sequenzen aufeinander folgend behandelt werden, sodass die thematische Verzahnung sogar noch besser und direkter gewährleistet werden kann. Insgesamt soll es so darum gehen, insbesondere Sach-, Historizitäts- und Lesekompetenz zu fördern, – wie bereits erwähnt – das Mittelalter-Bild der SchülerInnen zu differenzieren und Einblick in die editionsphilologische Arbeit zu gewähren. Da ich die Meinung Wolfgang Klafkis teile, dass Sach- und didaktische Analyse grundsätzlich ineinander greifen sollten, wird genau das im Folgenden gemacht. Es wird nicht erst eine fachwissenschaftliche Sachananalyse gegeben und im Anschluss ein entsprechendes Arbeitsblatt eingefügt – das würde nur zu Dopplungen führen. Stattdessen sind alle Hintergrundinformationen von vornherein als Informationsblätter gestaltet. Diese sind nicht als Teil eines absolut durchgeplanten Konzeptes zu sehen, sondern als Module, die Sie, wenn Sie es für sinnvoll erachten, den SchülerInnen geben können oder auch nur für die eigene Vorbereitung nutzen können. Oder Sie verwenden Sie in ganz anderen Kontexten. Oder Sie passen sie Ihrem Bedarf an, wo doch die digitale Form erlaubt und geradezu fordert, Veränderungen und Ergänzungen vorzunehmen. Es handelt sich einfach um Angebote, die Sie bei Ihrer Unterrichtsvorbereitung unterstützen sollen und dabei nicht so strikt aufeinander bezogen sind, dass Sie zur Verwendung dieses Konzeptes gezwungen sind. 4 Nun noch einige Vorbemerkungen zur Edition von „Ich weıs den wec nv lange wol“: Sie ist natürlich eindeutig an LehrerInnen und SchülerInnen gerichtet, doch sind einige Elemente ggf. auch für den universitären Gebrauch geeignet. Da ein Ziel dieses Konzeptes ist, einen Einblick in die editionsphilologische Arbeit zu bieten, muss die Edition möglichst repräsentativ für aktuelle Vorgehensweisen in der Editionsphilologie sein. Deshalb enthält sie viele Materialien und zwei Varianten der Darstellung: Es werden sowohl die vorhandenen Handschriften einander gegenübergestellt als auch der Ausschnitt einer Handschrift nach üblicher Vorgehensweise gesondert ediert. Insgesamt übernimmt die Edition damit eine sehr exemplarische Funktion. Alles in allem soll dieses Konzept ein sehr offenes sein. Dementsprechend kann es gut weiter ergänzt werden. Günstig wäre es beispielsweise, wenn auch mit den naturwissenschaftlichen Fächern zusammengearbeitet werden würde: Eine ideale, da auch sehr praktisch orientierte, Abwechslung wäre es zum Beispiel, wenn parallel im Chemieunterricht die Herstellung von Papier durchgenommen und eventuell sogar selbst praktisch umgesetzt werden würde. Doch auch die hier angebotenen Elemente selbst sind ausbaufähig – allem voran natürlich der gesamte historische Teil, der hier rein auf Wiederholung ausgelegt ist, und der historisch-sprachliche Teil, die hier als reine Einführung in die mittelhochdeutsche Sprache anzusehen ist. Nutzen Sie für geplante Erweiterungen beispielsweise auch das Literaturverzeichnis im Anschluss. 5 1. Erster Teil der Unterrichtseinheit: Geschichtsunterricht 1.1. Didaktische Vorrede Allein die Behandlung des Hochmittelalters würde wohl mehrere Unterrichtseinheiten beanspruchen, weshalb die hier gewählte Vorgehensweise stattdessen explizit auf eine mehr oder weniger knappe Wiederholung abzielt. Es wurde versucht, mit dem ersten Informations- und Arbeitsblatt möglichst alle relevanten strukturellen Eigenschaften des Hochmittelalters aufzugreifen. Die folgenden Kopiervorlagen beinhalten Begriffserläuterungen, vorrangig aus den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Religion. Es ist also nicht explizit auf die Behandlung einer Edition abgestimmt, sondern zielt auf eine ganz grundsätzliche Wiederholung, sodass die Kärtchen dann auch in anderen Zusammenhängen benutzt werden können oder einfach auch Ihnen als Begriffskatalog dienen können. Es wurde bewusst auf Jahreszahlen, Regierungszeiten und sonstige Einzelereignisse verzichtet – sie wären für ein Wiederaufleben eines grundsätzlichen Verständnisses mittelalterlicher Strukturen geradezu wertlos und eventuell sogar kontraproduktiv. Denn wer möchte eine Unterrichtseinheit sofort mit reinen, ermüdenden Fakten beginnen? Über die Begriffszuordnung wurde versucht, ein weniger trockenes, aktivierendes und zugleich effektives Vorgehen zu bieten. Die Bearbeitung dieses ersten Teils sollte nicht in großen Gruppen erfolgen, da sonst die Gefahr besteht, dass die Zuordnungen allzu sehr aneinander delegiert werden und manche Gruppenmitglieder gar nicht dazu kommen, alle Karten überhaupt zu lesen. Partnerarbeit erscheint so sinnvoller zu sein. Grundsätzlich sollten die SchülerInnen dazu angehalten werden, zuallererst alle Karten aufmerksam zu lesen. Je nach dem Schwierigkeitsgrad, den Sie bevorzugen, können Sie den SchülerInnen die oben hinzugefügten Begriffskarten geben oder sie dazu auffordern, selbstständig die Begrifflichkeiten auf die Kärtchen zu schreiben. Ungünstig erscheint es, diese Aufgabe umzudrehen, also die Begriffe zu geben und Definitionen schreiben zu lassen. Gerade aufgrund der geringen und wahrscheinlich auch weit entfernten Behandlung des Mittelalters würde diese Aufgabe die SchülerInnen womöglich überfordern. Für jene SchülerInnen, die nicht viel vom Mittelalter behalten haben, würde die Wiederholung nur aus der Auswertung bestehen, was wohl wenig effektiv wäre. Es liegt natürlich einzig in Ihrer Hand, welche Begriffe Sie den SchülerInnen geben und wie Sie sie ihnen präsentieren. Bestenfalls kombinieren Sie alle bekannten Begriffe mit etwa 3-5 neuen, um die SchülerInnen weder zu über- noch zu unterfordern. Wichtig ist in jedem Fall, dass die SchülerInnen die Ergebnisse festhalten – ob sie die Begriffe aufkleben, eigenständige Notizen machen, Plakate daraus machen oder Ähnliches. Das zweite Informationsblatt dient dazu, den SchülerInnen eine bessere Vorstellung von der Gestalt Europas und natürlich speziell des Imperiums zu verschaffen. In diesem Zusammenhang könnte und müsste erklärt werden, dass es zu diesem Zeitpunkt gar kein „deutsches Reich“ in diesem Sinne gab, sondern dass das Imperium aus Burgund, Italien und den sogenannten deutschen Landen bestand. Dabei können zum Beispiel Fragen der deutschen Identität geklärt werden – eine Frage, die viele SchülerInnen interessiert, aber nur selten so längsschnittartig aufgegriffen wird (zu einer Zusammenfassung dieser Frage siehe folgende Seite). 6 Erinnerung: Nationalbewusstsein im Mittelalter? das ‚Deutsche Reich‘ des Mittelalters entzieht sich vielfach modernen Staatsvorstellungen schon die Bezeichnung als „Deutsches Reich“ ist für diese Zeit problematisch - zwar wurde seit der zweiten Hälfte des 11. Jh. der Begriff Regnum Teutonicorum (Königreich der Deutschen) verwendet, doch fand er weder weite Verbreitung, noch hatte er einen Allgemeingültigkeitsanspruch - stattdessen wurde der gesamte Komplex als Imperium (= Kaiserreich) bezeichnet eine deutsche Identität war bereits vorhanden, wurde aber v.a. an Sprache und Kultur festgemacht, nicht etwa an Gebieten - der Begriff „deutsch“ (tiutsch) war sowieso seit dem 9. Jh. zunächst eine Sprachbezeichnung - aber so etwas wie ein Nationalgefühl, also die Vorstellung vom „deutschen Volk“ gab es noch nicht (dieses kommt erst im 13. Jh. vorsichtig auf und ist ab dem 15. Jh. verankert) - stattdessen gab es die Vorstellung von einem „Reichsvolk“ bestehend aus Deutschen, Italienern und Franzosen außerdem war die Wirtschaftsstruktur in Deutschland weitestgehend regional geprägt - dementsprechend kam man nicht viel im Reich herum - folglich war auch kein Nationalgefühl vorhanden - es gab aber durchaus ein Bewusstsein über das politische System (Imperium mit Kaiser) und den religiösen Aufbau die Vorstellung vom „Deutsch-Sein“ existierte, aber nur ideell und nicht verfassungstechnisch Nun gibt es noch einen dritten Teil, der besonders flexibel gehandhabt werden kann: Auf Seite 14 findet sich eine Ansammlung von Arbeitsaufträgen. Diese können auf den Kurs verteilt werden, sodass sich eine Gruppenarbeit ergibt. Sie können natürlich auch einzeln vergeben werden. Sinnvoll ist dabei, die Aufträge bereits nach der Bearbeitung der Informationsblätter 1 und 2 – also noch im selben Block – zu beginnen und den SchülerInnen die weitere Ausarbeitung als Hausaufgabe aufzugeben, um durch die Auslagerung Zeit zu gewinnen. Die Auswertung erfolgte dann in der nächsten Veranstaltung. Im Falle eines Projektes können die Aufgaben auch vorbereitend vergeben werden oder die Bearbeitung muss innerhalb des Zeitfensters erfolgen. Wenn nun aber zu wenig Zeit zur Verfügung steht, können Sie auch einfach nur das Informationsblatt der darauffolgenden Seite (S. 15) verteilen – wenig kreativ, abwechslungsarm, aber deutlich zeitsparend. Nicht zuletzt kann dieser Abschnitt auch durch Informationsblatt 5 (Handschriften) ergänzt werden, da dieses sehr gut zur hiesigen Thematik passt. Dieses dritte Informationsblatt (S. 15) behandelt ganz grundsätzlich die Literaturproduktion des hohen Mittelalters und stellt damit direkt den Übergang zum Deutsch-Teil des Konzeptes dar. Da es im gesamten Konzept zentral um Dichtung geht, muss unbedingt auch eine kulturelle Einordnung erfolgen, auch wenn diese wie hier sehr kurz ausfallen kann. Nicht zuletzt vermag es gerade der Einblick in die Produktionsstätten und -bedingungen, dass sich die SchülerInnen das gesamte Umfeld einer Literaturproduktion besser vorstellen können. 1.2. Unterrichtsmaterialien Wie bereits erwähnt, greifen im Folgenden Sachanalyse und Unterrichtsmaterialien ineinander. Im gesamten Abschnitt 1 ist es nicht von Belang, ob farbig oder schwarz-weiß kopiert wird. 7 Informations- und Arbeitsblatt 1: Wiederholung Hochmittelalter a Kurs: Name: Datum: Heute heißt es: wiederholen! Es geht um die Geschichte des Hochmittelalters, speziell des 12. und 13. Jahrhunderts. Nicht Jahreszahlen und Kaiser interessieren uns dabei, sondern zentrale strukturelle Elemente. Lesen Sie die Kärtchen sorgfältig und ordnen Sie die Begriffe ihren Bedeutungen zu. Hochmittelalter Lehen Hanse Inquisition Personalunion Vasallität Diaspora die „Großen“ Landflucht Adel Papst Fürsten Binnenkolonisation Ministerialität Kardinal Goldene Bulle Ostsiedlung Rittertum Laieninvestitur Hof Dreifelderwirtschaft Stadt Benediktsregel Grundherrschaft Patriziat Orden Frondienste Zunft Häresie Die linke Tabellenspalte dient hier nur als Überprüfung. Die Begriffe selbst sind extra auszuschneiden (s.o.), damit die Größe des jeweiligen Feldes nicht als Hinweis zur Zuordnung wirken kann. Die Erläuterungen sind thematisch sortiert. Wählen Sie, was Sie für notwendig und sinnvoll erachten! Epoche zwischen 900 und 1250, Blütezeit des Mittelalters Herrschaft der Ottonen, Salier und Staufer zentrale Entwicklungen: ‐ Bevölkerungswachstum - erste Universitäten ‐ zunehmende soziale Mobilität - Blütezeit des Rittertums ‐ Zeit der Kreuzzüge - Ausbildung der Städte ‐ Machtkämpfe kirchlicher und weltlicher Mächte ‐ Weiterentwicklung der Kirche: Hierarchien, Orden, Inquisition Ausübung verschiedener Ämter oder Funktionen durch dieselbe Person aus in der Person liegenden Gründen d.h.: zwei als unabhängig angesehene Reiche werden von einem Herrn regiert ab 1033 herrschte der deutsche Kaiser über das Imperium, Italien und Burgund Hochmittelalter Personalunion Landflucht 8 Migration innerhalb eines Landes: Landbewohner verlassen ihre Höfe und ‚flüchten‘ in die Städte gerade durch Verarmung und ungleiche Verteilung des Landes mussten viele Bauern vom 11. bis ins 13. Jahrhundert in die Städte kommen Binnenkolonisation Ostsiedlung Dreifelderwirtschaft Grundherrschaft Frondienste Lehen Urbarmachung und Besiedlung von bisher nicht erschlossenen oder siedlungsleeren / -armen Flächen ( „Landesausbau“) mittels Waldrodungen, Flussverlagerungen, Deichbau usw. wurden dabei die landwirtschaftlich und siedlungstechnisch nutzbaren Flächen erweitert natürlich war und ist sie v.a. in Situationen mit Bevölkerungsüberschuss erforderlich (da damit Wohnraum und Landwirtschaftsräume geschaffen werden) Einwanderung von Deutschsprachigen in die Gebiete östlich von Elbe und Saale sowie Kärnten und die Steiermark v.a. vom 12. bis ins 14. Jahrhundert ‐ zuvor waren diese Gebiete v.a. von Slawen bewohnt dieser Landesausbau und die damit einhergehende Siedlungserweiterung war eine sehr wichtige Entwicklung im Mittelalter Gründe: Überbevölkerung, Versorgungskrisen, Epidemien Folgen: Ausbau Infrastruktur, Urbarmachung, Transport deutscher Organisationsstrukturen und landwirtschaftlicher Methoden, Assimilation der Slawen (Mission) ‐ es handelte sich also nicht nur um eine territoriale Expansion, sondern auch um eine kulturell-religiöse Bodennutzungssystem mit ⅓ Wintergetreide, ⅓ Sommergetreide und ⅓ Brachland ‐ die gesamte Anbaufläche wurde also in drei Teile geteilt und bei jedem Abschnitt wurde etwa jährlich gewechselt Entwicklung ab dem 9. Jahrhundert, Verbreitung seit etwa 1100 agrarische Wirtschaftsform und (!) Herrschafts- und Besitzstruktur, die alle Bereiche des Lebens betraf ‐ Herrschaft über Menschen und den Boden, auf dem sie ansässig waren ‐ in Mittelalter und Früher Neuzeit vorherrschende rechtliche, wirtschaftliche und soziale Besitzstruktur des ländlichen Raums der Grundherr hatte weitreichende Verwaltungs- und Gerichtsfunktionen (u.a. Polizeigewalt und niedere Gerichtsbarkeit) Treue, Gehorsam, Abgaben und Frondienste auf der Seite der Untertanen gegen Schutz und Schirm sowie wirtschaftliche Grundsicherung in Notzeiten auf der Seite des Grundherren höchster Grundherr war immer der König bzw. Kaiser Eigenschaften der jungen Grundherrschaft ab dem 11. Jahrhundert: ‐ Verkleinerung der Höfe und Flächen ‐ zunehmende Rolle von Pacht und Renten ‐ Frondienste wurden durch fixe Abgaben ersetzt ‐ aber: weiterhin Bindung an den Herrn Herrendienst (mhd. vron = ‚was den Herrn betrifft‘) Leistungen des Untertanen für den Grund- oder Leibherrn (in Form von Arbeit) eine festgelegte Zeit im Jahr mussten die Untertanen auf dem Herrenhof und den dazugehörigen Ländereien arbeiten (Ernte einholen, Holz schlagen, pflügen usw.) lat. feudum (= Geliehenes; etwas, was vorübergehend zur Verfügung gestellt wird) der Vasall oder Lehnsmann hatte dabei ein Nutzungsrecht ‐ d.h. er durfte das Land bewirtschaften, bebauen oder auch nur verwalten, hatte aber auch gewisse Verpflichtungen ‐ das Nutzungsrecht war dabei teilweise erblich 9 Vasallität Adel Ministerialität Rittertum Stadt Patriziat Zunft 10 lat. vasallus = Knecht, Mann hier: Lehnsmann, -empfänger, Gefolgsmann - mit einem Lehen bedachter Freier in der Gefolgschaft eines Herrn - ein Vasall war ursprünglich ein (6./7. Jh.) unfreier Höriger Treudienstverhältnis eines Vasallen zum Lehnsherren beide Beteiligte verpflichteten sich zu gegenseitiger Treue - Lehnsherr verpflichtete sich zu Schutz und Schirm - Lehnsempfänger verpflichtete sich zu Rat und Hilfe dementsprechend leisteten beide einen Lehnseid für die Verleihung mussten die Lehnsempfänger bestimmte Dienste leisten - stand im Abhängigkeitsverhältnis zum Lehnsherren - z.B. Begleitung, Haltung des Steigbügels stand in seinem Dienst Erkennen Sie den Unterschied zwischen Grundherrschaft und Lehnsherrschaft! Gruppe, für die ein Bündel an Faktoren zutreffen muss: ‐ Ausübung von Herrschaftsrechten - rechtliche Privilegien ‐ Königsnähe - politische Macht ‐ aufwendige Lebensform - Wirtschaftskraft ‐ Standesethos - Anerkennung ‐ eigene Klientel - Christ d.h. sozial herausgehobene Gruppe mit bestimmten Riten lat. minister = Diener zunächst unfreie Dienstleute, die in politischer, wirtschaftlicher, militärischer und sozialer Hinsicht in wichtige Positionen aufstiegen ab dem 12. Jh. waren sie ebenso etabliert wie der Adel, auch wenn letzterer führend blieb Entwicklung eines Niederadels eigener Stand mit besonderem Standesethos, der mit der Heeresreform im 9. Jahrhundert entstand und immer mehr Anerkennung fand wichtig: Turniere, Jagd, höfisches Leben, Aufnahmeriten, Ideale zentrale Charakteristika für das Mittelalter: ‐ Mauer - Gemeinschaft ‐ Markt - politische Repräsentation ‐ Eigenständigkeit (u.a. Gerichtsbarkeit) - Selbstverständnis eigentlich entwickelte sie sich erst im hohen Mittelalter städtische Familien mit politischer Macht und adelsgleichem Lebensstil (keine Adligen!) entstand aus dem ehemaligen Ortsadel oder der örtlichen Ministerialität weitgehend abgeschlossene vermögende Gruppe ‐ Reichtum und wirtschaftliche Macht v.a. durch Handel und Fernhandel ‐ Machtpotenzial erwuchs aus der Ansammlung von Kapital kooperative Vereinigung von Handwerkern (Meistern) eines Gewerbezweiges - sahen sich als festgefügte Einheit von Leuten, die zusammengehören - Intention: Wahrung gemeinsamer Interessen, kooperative Planung wichtigste Organisationsform der Mittelschicht Hanse Diaspora Papst Kardinal Laieninvestitur griech. Zerstreuung, Verstreutheit Bezeichnung für eine religiöse oder ethnische Gruppe, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt verstreut sind in der Antike gab es eine Kette von Vertreibungen, aufgrund derer Juden ihre Heimat Palästina verlassen mussten und v.a. nach Mittel- und Westeuropa gingen v.a. im Spätmittelalter wurden Juden aus Gemeinden vertrieben und hatten unter zahlreichen rechtlichen und v.a. sozialen Einschränkungen zu leiden griech. für Vater, Bischof Nachfolger von Petrus (= als erster Bischof von Rom verstanden) – Wirken als Stellvertreter Christi oberster Gesetzgeber, oberster Richter und oberster Repräsentant der Kirche wichtigster, da dominierender, Angehöriger der Kurie es gab immer unterschiedlich viele, mal 20, mal 80 (heute 200) sie stehen direkt unter dem Papst – dementsprechend haben sie auch deutlich mehr Machtbefugnisse als die Bischöfe - „kreiert“ wurden sie durch den Papst sie bekamen immer mehr Befugnisse – sie sind bis heute die wichtigsten Berater des Papstes, verfügen über liturgische Vorrechte, vertreten die Kirche außerhalb Roms und sind seit dem 11. Jahrhundert zentral an der Wahl des Papstes beteiligt vestis = Kleid, investitura = einkleiden Besetzung von Kirchenämtern durch Laien ‐ d.h. ein Laie setzt einen Geistlichen für eine geistliche Position ein ‐ in den Augen wurde das zunehmend missbräuchlich gemacht, was langfristig zum Investiturstreit (1073 - 1122) führte fundamentale Grundlage jeden westlich-christlichen Mönchtums entwickelt von Benedikt von Nursia im 6. Jh., verbreitet v.a. im 9. Jh. zentrale Aussagen: ‐ Armut, Besitzlosigkeit ‐ Unterbindung zwischenmenschlicher Beziehungen ‐ soziales Verhalten (u.a. Demut und Gehorsam dem Abt gegenüber) ‐ Klosterbindung ‐ Frieden institutionelle Zusammenfassung von Klöstern mit eigenen Regeln und Idealen Entstehung in zwei Wellen: ‐ erste Welle (12. Jh.) Zisterzienser, Kartäuser, Prämonstratenser ‐ zweite Welle (13. Jh.) Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner) Benediktsregel Orden genossenschaftlicher Zusammenschluss von Kaufleuten und (ab dem 14. Jh.) Stadtgemeinden zwischen der Mitte des 12. und der Mitte des 17. Jahrhunderts Ziele: - Durchsetzung gemeinsamer Interessen v.a. im Gebiet des Fernhandels - Sicherheit der Überfahrt im Laufe des Spätmittelalters wurde sie zum wichtigsten wirtschaftlichen Antrieb des Nordraums ‐ dabei war sie nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf politischem und kulturellem Gebiet ein gewichtiger Faktor 11 Häresie Abfall vom rechten christlichen Glauben für die Kirche handelt es sich dabei um eigensinnige Auslegungen der Heiligen Schrift in einem anderen als dem vom Heiligen Geist inspirierten Sinne systematisches Ermitteln und Aufspüren von Häretikern durch kirchliche Behörden ‐ nicht zwei private Parteien klagten gegeneinander, sondern ein obrigkeitlicher Ankläger erhob Klage sehr bedeutendes Mittel zur Bekämpfung von Häresien v.a. im Spätmittelalter ab dem 12. Jahrhundert Inquisition die „Großen“ Fürsten Goldene Bulle genaue Aussagen zur Definition sind nicht möglich ‐ denn: es handelte sich nicht um einen fest umrissenen Kreis es waren immer diejenigen Männer, die zu dem bestimmten Zeitpunkt und in der Nähe des Königshofes wichtige Positionen einnahmen ‐ sie rekrutierten sich stets aus der unmittelbaren Umgebung des Königs dazu gehörten: ‐ am wichtigsten waren die Herzöge = lokale Machthaber (Sachsen, Schwaben, Bayern, Kärnten, Lothringen) ‐ hinzu kamen weitere weltliche Machthaber, die zwar kein Herzogtum hatten, aber ebenfalls Macht auf sich vereinten ‐ außerdem geistliche Primaten: Erzbischöfe, Bischöfe gemeinhin Bezeichnung für die Großen generell – nicht nur in Deutschland – versteht man darunter die politische Führungselite eines mittelalterlichen Herrschaftsverbandes ‐ immer adelig und immer die, die gerade aktiv da waren Aufgaben: Beratung des Königs, Waffenhilfe, öffentliche und zeremonielle Funktionen, Erhebung eines neuen Königs auf den Thron zentrales Anliegen dieses Gesetzes: Regelung der deutschen Königswahl veranlasst wurde sie durch Kaiser Karl den IV. (1356) mit ihr wurde die Kurfürstenwahl im Reichsrecht festgehalten ‐ das Wichtigste an ihr ist die schriftliche Fixierung (= Verfassungsdokument) ‐ u.a. die Zahl der Kurfürsten wurde nun festgelegt bildete das Zentrum der herrschaftlichen Regierungstätigkeit - die mittelalterliche Herrschaft war mit dieser Institution verbunden – die gesamte Politik des deutschen Königs wurde hier gemacht zweierlei Bedeutungsbereiche - Ort, Gebäude den Wirtschaftshof, an dem sich der König mit seinen Getreuen aufhielt, nannte man eher ‚Pfalz‘ - Personenverband das bezeichnete der Begriff eher!: Menschen, die sich im Umkreis des Königs bewegten und dort einer entsprechenden Beschäftigung nachgingen Funktionen: - Gewährleistung der Verwaltung des Reiches - wichtigstes Regierungsinstrument des Königs; Repräsentation - Ort zur Auslebung adliger Lebensformen, u.a. Turniere - kultureller Ort / kulturelles Kraftfeld Hof 12 Informationsblatt 2: Europakarte zum Hochmittelalter Kurs: Name: Datum: Quelle: http://www.s-line.de/homepages/m-ebener/Kreuzzug-Karten-100.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 23:20. 13 Arbeitsaufträge zur Literaturproduktion im Hochmittelalter Kurs: Name: Datum: Vorbereitung aller Möglichkeiten: Wiederholung Was fällt Ihnen zur Literaturproduktion im Mittelalter ein? Versuchen Sie ohne Materialien Ihr Gedächtnis zu durchforsten und fassen Sie das Wichtigste stichpunktartig zusammen. Suchen Sie Materialien zur mittelalterlichen Literaturproduktion heraus, die Sie noch von früheren Unterrichtsstunden haben. Haben Sie vielleicht schon einmal etwas dazu gelesen? Oder gesehen? Bringen Sie einfach alles mit, was Ihnen an Materialien zu diesem Thema in die Hände fällt. Möglichkeit 1: Internetrecherche in Partnerarbeit Lesen Sie das Informationsblatt aufmerksam. Finden Sie sich zu Zweiergruppen zusammen und recherchieren Sie im Internet, um das Informationsblatt zu ergänzen. Notieren Sie nur Informationen, die Ihnen am interessantesten und wichtigsten erscheinen. Fassen Sie Ihre Ergebnisse bis zur nächsten Veranstaltung auf einem Plakat oder einer Power-Point-Folie zusammen. Bereiten Sie sich auf eine Präsentation vor. Möglichkeit 2: Exemplarische Bildauswahl Lesen Sie das Informationsblatt aufmerksam. Suchen Sie im Internet / in der Bibliothek Bilder heraus, die Ihrer Meinung nach die Literaturproduktion im Mittelalter besonders gut darstellen. Beschreiben Sie die Bilder und begründen Sie Ihre Auswahl. Möglichkeit 3: Kreative Aufgabe Lesen Sie das Informationsblatt aufmerksam. Verfassen Sie einen Brief aus der Sicht eines mittelalterlichen Dichters. Welche Probleme könnte er haben? Wie könnte er sich die Verbreitung seiner Werke vorgestellt haben? Recherchieren Sie ggf. Möglichkeit 4: Falsche oder richtige Bilder? 14 Lesen Sie das Informationsblatt aufmerksam. Schauen Sie sich die folgenden Bilder an. Welche beschreiben die mittelalterliche Literaturproduktion und -rezeption gut? Welche eher nicht? Recherchieren Sie ggf. im Internet und in der Bibliothek, um Ihre Entscheidungen zu begründen. Informationsblatt 3: Literaturproduktion im 12. und 13. Jahrhundert Kurs: Name: Datum: Grundlegendes grundsätzlich ist die Schriftlichkeit des Mittelalters von Klerikern geprägt ‐ nicht nur lateinische, auch volkssprachliche Texte entstanden an Klöstern und Domschulen ‐ auch die Lyrik in den Volkssprachen ist v.a. ein Phänomen des 12. und 13. Jahrhunderts im 12. Jh. wurden die „Hofkanzleien“ eingerichtet, mit denen Schriftlichkeit auch in den weltlichen Bereich Eingang fand ‐ doch einerseits waren auch die Kanzleien mit Klerikern besetzt Scriptorien waren Schreibstuben, die an Klöster angeschlossen ‐ andererseits blieben für die literarische Produktion waren. Hier wurden Texte abgeschrieben und zu Büchern gebunden. Mit der Erfindung des Buchdrucks lösten sich die Kloster- und Domskriptorien vorrangig, da sich die Scriptorien zunehmend auf. Kanzleien hauptsächlich um Urkunden kümmerten für die literarische Schriftlichkeit in der Volkssprache wurden bald auch Ministeriale wichtig Handschriftenproduktion bis zum Spätmittelalter vom 12. Jh. bis zur großen Pestepidemie 1348 gab es die 3. Blüte der deutschen Handschriftenproduktion ‐ im 10. und 11. Jahrhundert kamen Produktion und Erhalt von Handschriften vollkommen zum Erliegen u.a. wegen einer tiefen wirtschaftlichen Krise bereits im späten 13. Jahrhundert wurde begonnen, Handschriften nicht mehr nur als Einzelstücke auf Einzelaufträge, sondern gewerbsmäßig zu produzieren, also auf Vorrat ‐ das betraf v.a. Schulbücher, also die Gebiete rund um große Universitäten die Literaturproduktion explodierte im 14. und 15. Jahrhundert geradezu – v.a. wegen der gestiegenen Nachfrage nach Büchern, was wiederum auf die steigende Zahl religiöser Orden, Universitäten und städtischer Bildungsträger (Schreiber, Notare, Räte, Lehrer) zurückzuführen ist mit der Erfindung des Buchdrucks 1450 ging die Handschriftenproduktion drastisch zurück Zu sehen ist eine Handschrift des Nibelungenliedes aus dem 13. Jh. Es ist in fast 40 Fragmenten und Handschriften überliefert. Literarische Vorlieben des Hochmittelalters gerade im Hochmittelalter war die Versdichtung mit klaren Reimen wichtig – auch Prosatexte wurden praktisch nur in Reimen produziert wichtig war v.a. die religiöse Dichtung – daneben liebte es die höfische Gesellschaft, die ja Auftraggeber war, etwas über Liebe und Kampf zu hören - die wichtigsten Gattungen des 12. und 13. Jahrhunderts waren dementsprechend Minnesang, höfischer Roman und Heldenepik (z.B. das Nibelungenlied um 1200) die deutschen Dichter griffen dabei gern auf antike und altfrz. Vorlagen zurück insgesamt ist immer zu beachten, dass es sich um Literatur handelte, die vorgetragen oder gar -gesungen wurde nicht zuletzt wurde sich in dieser Zeit stark mit Sexualität auseinandergesetzt Quellen Literatur Abbildungen Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Tübingen 20063. Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Tübingen 2006. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Nibelungenlied_manuscript-c_f1r.jpg - zuletzt besucht: 26.04.2012 00:10. http://www.hyperkommunikation.ch/images/skriptorium.jpg - zuletzt besucht: 26.04.2012 00:36. 15 2. Zweiter Teil der Unterrichtseinheit: Deutschunterricht 2.1. Vorbemerkung zur Verbindung von Geschichts- und Deutschunterricht Wie bereits erwähnt, ist zumindest die Verbindung vom Deutsch- zum Geschichtsunterricht immer notwendig und implizit. Den SchülerInnen sollte allerdings auch bewusst gemacht werden, dass diese Verbindung intentional geschieht, dass also Literatur, Sprache und Geschichte untrennbar miteinander verbunden sind und gemeinsame Betrachtungen gerade für die alte und ältere Geschichte unumgehbar sind. Gerade bei diesem Konzept scheint mir die gegenseitige Abhängigkeit besonders gut zu Tage zu treten. Dennoch sollte dieser Aspekt durchaus noch einmal betont werden bzw. sollten die SchülerInnen dazu angeregt werden, selbst diese Erkenntnis auszusprechen. Nun scheint es reichlich inkonsequent, dass hier dennoch zwei voneinander getrennte Kapitel zum Geschichts- und Deutschunterricht eröffnet wurden. Das liegt aber einzig und allein an Gründen der Übersichtlichkeit. Lassen Sie sich dadurch nicht irritieren und seien Sie sich selbst der permanenten Verbindung bewusst. 2.2. Unterrichtsmaterialien Das folgende Material ist nun deutlich passiver aufgebaut – das heißt, es geht mehr um Information als um Aktion der SchülerInnen. Das liegt vorrangig daran, dass mit der Bearbeitung der Edition eine sehr lange und aktive Phase eintritt. Würde das gesamte folgende Material ebenso umfangreich recherchiert, erarbeitet und dargestellt werden, bekäme das Konzept wohl einen Umfang von Wochen. Außerdem bietet sich gerade das im Folgenden dargestellte Material dafür an, eben nicht selbst erarbeitet zu werden: Wieso sollte die eigenständige Lektüre von – noch dazu meist wissenschaftlichen – Texten über die Anfertigung von Editionen sinnvoller sein als die Lektüre dieses Informationsblattes? Aber: Beim Minnesang sollten die SchülerInnen dazu angehalten werden, selbstständig zu wiederholen. So könnte dieses Informationsblatt erst nach einem gemeinsamen Austausch zur Wiederholung ausgeteilt werden. Eine ‚Besonderheit‘ stellt außerdem das Informationsblatt zu Reinmar dem Alten dar: Es ist sehr strikt gestaltet, ohne Bilder, mit eher kompliziertem Satzbau – kurz: etwas trocken. Gerade in der Oberstufe gilt es, die SchülerInnen auch auf wissenschaftliche Texte und den Umgang mit diesen vorzubereiten. Mit diesem Arbeitsblatt soll nun versucht werden, die Lesekompetenz dahingehend zu fördern, dass man von fachlichen Texten, die mehr Informationen beinhalten, als man ggf. benötigt, selbstständig die wichtigsten Elemente erkennt und herausschreibt. Es geht bei diesem Blatt also um den selektiven, gesunden Umgang mit Texten, die dicht aufeinander folgend Informationen enthalten (z.B. Lexika). Unter Umständen sind solch lange Lexikoneinträge in der vorherigen Schullaufbahn noch nicht gesondert betrachtet worden, sodass die Gelegenheit nun genutzt werden sollte. Da viele SchülerInnen – und entsprechend auch StudentInnen – in Texten zu viele Markierungen setzen, kann außerdem zusätzlich die Vorgabe erfolgen, dass nur etwa 15 Markierungen gesetzt werden dürfen und anschließend eine Kurzbiographie Reinmars mit maximal etwa 100 Wörtern verfasst werden soll. Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass sich gerade die im Folgenden zusammengetragenen Themen für (Input-) Referate eignen. Daneben können auch einige Elemente (eventuell sogar der Abschnitt zum Minnesang) einfach weggelassen werden, um mehr Zeit für die Bearbeitung der Edition zu haben. Unbedingt notwendig ist jedoch der Abschnitt zu den Editionen und zu den Bestandteilen einer Handschrift, da die weitere Bearbeitung ohne dieses Vorwissen deutlich erschwert wäre. 16 Informationsblatt 4: Mittelhochdeutsche Sprachen Kurs: Name: Datum: Etymologie „deutsch“ die Geschichte der deutschen Sprache wird mit Beginn der schriftlichen Überlieferung volkssprachlicher Texte während des 8. Jahrhunderts im ostfränkischen Teil des karolingischen Reichs fassbar zur selben Zeit kommt auch der Begriff „deutsch“ in Gestalt von lat. diutisc (zu Deutsch: tiutsch) auf, der aber zunächst alle germanischen Sprachen in Abgrenzung zum Lateinischen bezeichnete Sprachperioden Althochdeutsch ca. 750 - 1050 Mittelhochdeutsch ca. 1050 - 1350 Frühneuhochdeutsch ca. 1350 - 1650 Neuhochdeutsch ab 1650 natürlich waren (und sind!) die Übergänge fließend, sodass sich eigentlich keine Jahreszahlen festmachen lassen für uns ist heute das Mittelhochdeutsche relevant Begriff Mittelhochdeutsch Quellen Literatur Abbildung dreierlei Komponenten: mittel zeitliche Komponente hoch[deutsch] geographisch-räumliche Komponente deutsch nationale bzw. sprachliche Komponente der Begriff ist aber eigentlich unpräzise, weil das Mittelhochdeutsche keine eigene Sprachform oder -stufe darstellt ‐ insofern ist es eher ein Sammelbegriff für die Vielfalt geschriebener Dialekte im mittelund süddeutschen Bereich (in Abgrenzung zu den norddeutschen Dialekten) in einigen Textausgaben werden die Sprachen aber ‚normalisiert‘, d.h. dialektale Einfärbungen werden bei Editionen i.d.R. ausgeglichen ‐ denn: es gab keine Einheitssprache! – was wir heute „Dialekt“ nennen, war damals eine von vielen gleichberechtigten Sprachvarianten aber: nicht erst die neuzeitlichen Forscher glichen Dialekte aus – die mittelhochdeutschen Dichter hatten ein Interesse daran, dass sie in möglichst vielen Gebieten verstanden werden, sodass versucht wurde, eine Art Mittelweg zwischen den Dialekten zu finden ‐ sie selbst führten also eine ‚Ausgleichssprache‘ ein, die aber wahrscheinlich nur im literarischen Betrieb existierte ‐ diese Sprache ist uns heute als ‚klassisches Mittelhochdeutsch‘ bekannt, welche aber keine Sprache in dem Sinne war und im Laufe des 14. Jahrhunderts verloren ging Hilsch, Peter: Das Mittelalter – die Epoche. Konstanz 20082. Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Tübingen 2006. http://www.geschichteinchronologie.ch/eu/3R/karten-3R/1000-mittelhochdeutsch-Lautverschiebungen.gif - zuletzt besucht: 23.03.2012 17:25. 17 Informationsblatt 5: Handschriften Kurs: Name: Datum: Bedeutung und Überlieferung von Handschriften bis zur Erfindung des Buchdrucks im Jahr 1450 sind für die mittelalterliche Literatur v.a. Handschriften wichtig – auf ihnen beruht im Prinzip alles, was wir über die ältere Literatur wissen Handschriften waren natürlich sehr aufwändig, sodass es schon damals nur wenige von ihnen gab ‐ bis heute sind natürlich noch weniger Handschriften übrig geblieben die Handschriften, die bis heute überliefert wurden, Dieses Stundenbuch zeigt eindrucksvoll, wie kostbar manche Handschriften sind. Einige wurden mit Gold, Elfenbein, Metallschnallen, wertvollen Lederkönnen eine symbolische Bedeutung haben: je öfter und Holzeinbänden und nicht zuletzt zahlreichen Malereien ausgestattet. Normale Gebrauchsbücher erhielten hingegen nur einfache Ledereinbände. ein Text abgeschrieben wurde und je kostbarer seine Gestaltung, als desto wichtiger muss er empfunden worden sein ‐ und: je besser und häufiger ein Text erhalten wurde, desto wichtiger muss ihn auch die Nachwelt gefunden haben ‐ auch darum sind Philologen oft nicht nur an den Inhalten der Texte interessiert, sondern auch an ihrer Gestaltung und insbesondere dem Kontext ihrer Entstehung und Überlieferung Varianz Handschriften entstanden vorrangig dadurch, dass Texte ab- oder beim Vortragen mitgeschrieben wurden die Schreiber konnten dabei Fehler machen oder auch absichtsvoll einen Text verändern insgesamt ergaben sich dadurch Unterschiede zwischen den Handschriften – nicht nur bei der Orthographie, sondern auch inhaltlich konnte das enorme Folgen haben dieses Phänomen wird Varianz (lat. ‚Verschiedenheit‘) genannt Historischer Hintergrund von Handschriften in der Antike wurden v.a. Inschriften und Papyrus genutzt, um etwas schriftlich festzuhalten diese Beschreibstoffe wurden im 4. Jahrhundert von Pergament weitgehend abgelöst, ein sehr strapazierbares und langlebiges Material, welches aus Kalbs-, Schaf- oder Links eine recht typische Pergament-Rolle, hier des Jesaja-Buches Ziegenhaut hergestellt wurde und entsprechend des hebräischen Tanach. Rechts ist ein Papyrus-Überrest zu sehen, der gut erkennen lässt, wie leicht verwitterbar Papyrus-Rollen war aufwändig zu produzieren und besonders rar war und welche Probleme das für heute mit sich bringt. gleichzeitig wurde die übliche aufgewickelte Schriftrolle durch den sogenannten Kodex ersetzt: wurden zuvor bis zu meterlange Papyrusbahnen auf zwei Holzstäbe gerollt, begann man nun, die Papyrus- und Pergamentbögen zu Heften und Büchern zu binden erst im späten Mittelalter wurde das Pergament durch Papier ersetzt, welches zunächst aus Textilabfällen hergestellt oder importiert wurde und dementsprechend um ein Vielfaches preiswerter war ‐ waren Bücher vorher absolute Luxusware, konnten sie nun zunehmend preiswert hergestellt und damit einem breiteren Publikum zur Verfügung gestellt werden ‐ doch weit bis ins Spätmittelalter sollten Produktion und Lektüre von Texten dem Klerus vorbehalten bleiben – erst in der Aufklärung traten Bürgertum und Adel hinzu, einige Jahrhunderte später dann auch die niederen Bevölkerungsschichten Quellen Literatur Abbildungen 18 Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Tübingen 20063. Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Tübingen 2006. http://www.e-teaching-austria.at/02_cont/03content/03_be/buch/IMAGES/Handschrift-Buch.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 13:55. http://www-user.uni-bremen.de/~wie/Egerton/eger-1-verso.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 13:59. http://k1_124.kunden1.livenet.ch/sakrileg/images/jesaja.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 12:30. Informationsblatt 6: Editionen Kurs: Name: Datum: Die drei Möglichkeiten, Texte für den heutigen Leser aufzubereiten Faksimile Transkription (= diplomatischer Abdruck) fotografische oder digitale Reproduktion (also im Prinzip Kopie) einer Handschrift nahezu die gesamte Gestalt der Handschrift kann damit vermittelt werden, doch kann eine Kopie natürlich häufig nicht dem Material des Originals gerecht werden die Buchstaben der Handschrift werden bei einer Transkription in moderne Schrift umgewandelt, möglichst ohne dabei Veränderungen vorzunehmen ‐ subjektive Interpretationen von Buchstaben sind dabei nicht zu verhindern dadurch gehen natürlich Form, Gestaltung und Material weiter verloren, doch geht es bei der Transkription auch mehr um den sprachlichen Gehalt Edition wichtigste Möglichkeit für die meisten heutigen Leser Editionen gaben v.a. im 19. und 20. Jahrhunderts mit Absicht nicht die genaue sprachliche Gestalt eines Textes wider, u.a. da in ihnen (vermeintliche) Fehler beseitigt wurden eine Edition kann sehr viel bieten – Vergleiche mit anderen Handschriften, Kommentare, Hinweise auf mögliche Fehler, Kontextualisierung u.v.m. Ziele von Editionen am wichtigsten ist, neuzeitlichen Rezipienten einen vertrauenswürdigen Text zur Verfügung stellen einige Editoren verfolgen – oder besser verfolgten, denn dieses Ziel bestand v.a. im 19. und 20. Jahrhundert – auch die Rekonstruktion eines angenommenen „ursprünglichen“ Textes Arten von Editionen 1. Editionen, die auf dem Text eines Überlieferungsträgers beruhen, die es keinesfalls nur gibt, wenn nur eine Handschrift oder ein Druck überliefert wurde – auch von mehrfach überlieferten Texten gibt es Editionen, die nur eine Handschrift wiedergeben 2. Editionen, die viele bis alle Überlieferungsträger eines mehrfach überlieferten Textes berücksichtigen Veränderungen, die bei Editionen vorgenommen werden können gerade bei der Edition geht es ja um eine bessere Lesbarkeit für den neuzeitlichen Rezipienten, sodass häufig Abkürzungen aufgelöst und Interpunktionszeichen eingefügt werden mitunter werden Konjekturen (lat. conjectura = Vermutung) vorgenommen: Verbesserungen, die auf der Vermutung beruhen, dass der Abschreiber einen Fehler gemacht hat (etwa weil ein Reim nicht passt) Texte, die nur als späte Drucke überliefert sind, aber eigentlich Texte des hohen Mittelalters darstellen, werden z.T. in ihre angenommene ursprüngliche Sprache zurückübersetzt „Textkritischer Apparat“ (= ‚Kommentar‘) wichtig ist, dass alle Veränderungen, die der Editor vornimmt, offengelegt werden vor der Edition werden alle grundsätzlichen Prinzipien zusammengestellt, während einzelne Änderungen und Hinweise mithilfe eines textkritischen Apparates unter dem Text zusammengetragen werden mit Hilfe des Apparats kann der Leser u.a. die gesamte Überlieferungsvarianz nachvollziehen, da der Apparat bei mehrfach überlieferten Texten Hinweise auf die Unterschiede zwischen Handschriften enthält ‐ je mehr Unterschiede es gibt, desto größer und unübersichtlicher wird der Apparat natürlich ‐ bei manchen Texten können – zumindest auf dem Papier – gar nicht alle Handschriften beachtet werden, da zu viele Überlieferungsträger vorliegen – der Parzival Wolfram von Eschenbachs findet sich beispielsweise in 87 Fragmenten und Codices Quellen Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Tübingen 20063. Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Tübingen 2006. 19 20 Seite 188r der Würzburger Liederhandschrift. Einzusehen unter einem PDF-Dokument auf: http://epub.ub.uni-muenchen.de/10638/ - zuletzt besucht: 22.04.2012 14:12. In den karolingischen Schreibstuben wurden recht feste Prinzipien der Textaufzeichnung entwickelt. Wie hier gut zu sehen ist, wurde das Papier mit Schreiblinien versehen und die häufig zwei Spalten und auch die Seitenränder wurden durch Begrenzungslinien festgelegt. Name: Durch Initialen gliederte man Abschnitte. Sie wurden unterschiedlich stark verziert und hatten manchmal auch innerhalb eines Textes unterschiedliche Farben. Ist es heute gebräuchlich, Seitenzahlen einzufügen (sogenannte Paginierung von lateinisch pagina = Seite), wurden im Mittelalter meist eher die Blätter gezählt (Foliierung von lateinisch folium = Blatt). Um die Angaben genauer zu machen, wurde und wird sich deshalb auf Vorder- und Rückseite bezogen: Diese Seite würde als Bl. 188r bezeichnet werden (Bl. für Blatt, manchmal stattdessen fol. für folio, dem lateinischen Wort für Blatt, r für recto, also vorn). Die Rückseite hieße dementsprechend Bl. 188v, wobei das v für verso, also hinten, stünde. Kurs: Dieses „her reymar“ kann als Überschrift gedeutet werden. Überschriften wurden häufig wie hier rot gestaltet, woraus sich auch der Begriff „Rubrik“ ableitet (= ‚rote Farbe‘). In der Regel wird mit diesen römischen Ziffern das jeweilige Kapitel angegeben. Informationsblatt 7: Bestandteile einer Handschrift Datum: Informationsblatt 8: Minnesang Kurs: Name: Datum: Grundlegendes der Begriff „Minnesang“ oder „Minnelyrik“ bezeichnet verschiedene mittelhochdeutsche Formen der Liebesdichtung vom 12. bis ins 14. Jahrhundert Minnedichter waren immer Komponisten, Dichter und Vortragende zugleich der Begriff ‚Minne‘ wird dabei gern einfach als ‚Liebe‘ übersetzt, doch beinhaltet er eigentlich viel mehr Facetten, z.B. ist sie eine Bezeichnung für: Nächstenliebe, religiöse Liebe (z.B. die Liebe Gottes zu den Menschen), Freundschaft, Elternliebe und eben sinnliche Liebe und Zuneigung Minnelieder und Handschriften gerade Minnelieder sind in den verschiedensten Handschriften überliefert, sodass sich viele unterschiedliche Varianten ergeben Anzahl und Reihenfolge der Strophen, Wortlaut und Schreibung unterscheiden sich z.T. enorm dafür lassen sich zweierlei Gründe finden: ‐ einerseits könnten einige Handschriften entstanden sein, während das Lied mündlich gesungen wurde und ggf. noch im Verändern begriffen war, sodass von Hof zu Hof, von Stadt zu Stadt andere Niederschriften entstanden ‐ andererseits könnten die Minneverfasser selbst Fassungen erstellt haben, die für die Handschriften abgeschrieben wurden, wobei die üblichen Abweichungen, Fehler oder Uminterpretationen der Schreiber entstanden beide Gründe weisen darauf hin, dass Beweglichkeit offenbar ein wichtiges Merkmal der Minnelyrik ist Minne und Gesellschaft Minnesang wurde v.a. in kulturellen Zentren vorgetragen, also an Fürstenhöfen und in Städten die meisten Minnesänger reisten von Hof zu Hof und von Stadt zu Stadt Minnelieder spiegelten höfische Vorstellungen und Konventionen wider, sodass Minnesänger immer eine didaktische Funktion übernahmen: sie belehrten über vorbildliches höfisches Verhalten Die Abbildung zeigt die Jenaer Liederhandschrift, die neben dem Text auch Noten enthält. Aber Vorsicht! Das Notensystem des Mittelalters funktionierte anders als das heute und kann deshalb nicht einfach 1:1 übertragen werden. (Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/48/Jenaer_liederhandschrift.jpg - zuletzt besucht: 19.04.2012 21:33.) Arten des Minnesangs Minnekanzone Der Sänger bittet, erhört zu werden, was oft mit einer entsprechenden Klage über seinen Misserfolg verbunden ist. Frauenlied Die umworbene Dame reflektiert über ihren Konflikt, d.h. über ihre – meist aussichtslose – Position zwischen Liebe und gesellschaftlicher Norm. Wechsel Mann und Dame singen und schwärmen abwechselnd voneinander. Tagelied Hier wird erzählt, wie sich das Paar nach einer heimlichen Liebesnacht voneinander trennen muss, um nicht entdeckt zu werden. 21 Entwicklung und Geschichte schon vor dem 12. Jahrhundert gab es in den deutschen Landen eine Art Minnesang, den sogenannten donauländischen Minnesang, von dem aber nicht viel erhalten ist der eher bekannte, romanische, Minnesang entstand um 1100 im Süden des heutigen Frankreichs, der damals jedoch nicht zum Frankenreich gehörte, sondern aus selbstständigen Herrschaften bestand ‐ die dortigen Minnesänger wurden Trobadors genannt das Spezifische dieser Kunstform ist vor allem das besondere und dabei ganz neue Liebesmodell: ‐ im Mittelpunkt steht die Liebe und Verehrung des Sängers zu einer verheirateten adligen Dame (vrouwe), die auch während des Vortragens anwesend war ‐ der Sänger warb um eine Dame und beteuerte seine Treue und Dienstbereitschaft ‐ diese Liebe bezeichnete kein reales Verhältnis! ‐ die Liebe quälte mitunter seinen gesamten Körper und bedeutete ihm alles ‐ problematisch war natürlich, dass die Dame verheiratet war und damit die gesellschaftlichen Zwänge die Liebe dazu verdammten, unerfüllt zu bleiben ‐ die Liebe wurde dabei keineswegs negativ gedeutet - sie galt als richtig und wertvoll aufgrund ihrer Beständigkeit, Disziplin und Aufrichtigkeit dieses Liebesmodell verbreitete sich im Laufe des 12. Jahrhunderts zunehmend im Norden Europas und erreichte ab etwa 1170 auch die deutschen Minnesänger ‐ bis ca. 1320 wurde diese Minnelyrik zu einer der beliebtesten Künste an deutschen Höfen Die vier Phasen des deutschen Minnesangs Zeit Charakteristika Vertreter 1. Mitte des 12. Jahrhunderts donauländischer Minnesang (bis 1170): natürliche Liebesauffassung eher ungekünstelt dennoch auch hier standesgebundene Symbole Dietmar von Aist früher romanischer Minnesang Rudolf von Fenis 2. 1170 1190 hoher Minnesang v.a. am Ober- und Mittelrhein im Vordergrund: Frauendienst (Dienstverhältnis zwischen Ritter und höfischer Dame) zentrale Begriffe: triuwe (Treue), mâze (Maß), hôher muot (Stolz) häufig Kreuzzugsthematik Heinrich von Veldeke, Friedrich von Hausen 3. Um 1190 Höhepunkt Macht und Gnadenlosigkeit der Minne werden immer mehr hervorgehoben Auftreten der niederen Minne Heinrich von Morungen Reinmar d. Alte Walther v. d. Vogelweide Ausklang Form und Themen wurden mehr und mehr variiert und die hohe Minne immer wieder parodiert Nachfolge: Meistersang Neidhart von Reuental, Heinrich von Meissen 4. 13. Jahrhundert 22 Hohe Minne Gesellschaftsspiel (die Liebe ist nicht echt) eine unerreichbare Frau hohen Standes wird erhöht platonische Beziehung recht fest abgesteckte Themenkreise und Formen Niedere Minne ab Ende des 12. Jahrhunderts Liebe zu ‚erreichbaren‘, also nicht adeligen, Frauen ggf. wird die Liebe erfüllt Begriff „niedere“ wurde im Gegensatz zur vermeintlich zivilisierteren und höheren Minne vom Adel gewählt mehr Körperlichkeit und damit auch Authentizität Quellen Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Eine Einführung. Tübingen 2006. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutschs Taschenwörterbuch. Stuttgart 1992. Weddige, Hilkert: Einführung in die germanistische Mediävistik. München 1997. Informationsblatt 9: Reinmar der Alte a Kurs: Name: Datum: Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam. Schlagen Sie bei eventuellen Verständnisproblemen Wörter nach oder tauschen Sie sich mit Ihrem Sitznachbarn aus. Markieren Sie für Sie Wichtiges. Stellen Sie anschließend fünf Informationen zu Reinmar zusammen, die ihnen wichtig erscheinen. Grundlegendes zum Leben Reinmars des Alten (um 1200) Das Werk Reinmars des Alten gilt vielfach als Höhe- und bisweilen auch als Endpunkt des mittelalterlichen Minnesangs. Schon Zeitgenossen empfanden Reinmar als einen der wichtigsten und bekanntesten Minnesänger seiner Zeit – mitunter gar vor Walther von der Vogelweide. Demzufolge erfuhr sein Werk eine sehr breite und weit verstreute Überlieferung. Beispielsweise findet er bei zeitgenössischen und nachgeborenen Schriftstellern Erwähnung, so auch im „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg (1215). Trotz dieser Bedeutung ist wohl der Begriff „Spekulation“ auf das meiste anzuwenden, was wir heute über Reinmar wissen. So gibt es keine eindeutigen Hinweise auf seine gesellschaftliche Position, seine Herkunft und selbst seine Lebensdaten. Vermutet wird jedoch, dass er zwischen 1160 und 1170 geboren wurde und gegen 1209 verstarb. Auch ist belegt, dass er am Wiener Hof tätig war, was aber bei weitem keine dauerhaft feste Anstellung bedeutet. Er war wohl wie die meisten seiner Kollegen eher als fahrender Sänger tätig. Werk Reinmars Bei keinem anderen mittelhochdeutschen Dichter wurde die Diskussion um die Echtheit der Texte so umfangreich geführt wie bei Reinmar dem Alten. Einst wurden ihm 88 Werke zugeschrieben, einige Jahre später waren es nur noch 34, heute spricht man von einem Umfang von etwa 60 Werken. Diese Unsicherheit beruht v.a. auf den zahlreichen Widersprüchen, die sich in Reinmars Werk finden lassen. Sein Minnesang handelt stets in einem etwas melancholisch anmutenden Ton von der unerreichbaren Frau, für die sich der Dienende verzehrt. Über diese Reflexion akzeptiert der Liebende die Unerfüllbarkeit seiner Liebe und verschreibt sich der Enthaltsamkeit. Die Minneklagen wirken dabei mitunter sehr abstrakt. Dieser Eindruck entsteht dabei nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch die stilistische Gestaltung: Es finden sich kaum Metaphern, Bilder oder Erklärungen. Die Satzstruktur ist meist sehr komplex und während die Texte vor Konjunktiven nur so strotzen, finden sich kaum Adjektive. Walther-Reinmar-Fehde In vielen Quellen – natürlich vor allem in den Werken selbst – ist ein ästhetischer Wettbewerb zwischen Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten belegbar. Sie präsentierten sich gegenseitig ihr Können, wollten einander stetig überbieten und spornten sich damit offenbar zu Höchstleistungen an. Dabei beeinflussten sie sich – eventuell unbeabsichtigt – in ihren Werken gegenseitig, bezogen sich aber u.a. mittels Motivbezügen, Zitaten und parodistischen Anspielungen auch eindeutig intentional aufeinander. Insgesamt scheint es sich um ein sehr freundschaftliches Verhältnis gehandelt zu haben, was auch an der Totenklage Walthers zu erkennen ist, die er Reinmar gegen 1209 widmete. Insgesamt wird sich das Bild Reinmars des Alten wohl nie ganz ausdifferenzieren können. Sicher scheint jedoch, dass er mit seinem Werk zur Intellektualisierung des Minnesangs, zu einer außergewöhnlichen Ästhetisierung des Liebesleids und damit zu einer ganz anderen Ebene dieser Kunst beitrug. Quellen Bauschke, R.: Reinmar. In: Lexikon des Mittelalters. Band VII. München 1995. S. 668 - 670. Hofmeister, Wernfried: Reinmar der Alte. In: Kindlers Literaturlexikon. Band 13. Stuttgart, Weimar 20093. S. 567 - 568. Kornrumpf, Gisela: Reinmar der Alte. In: Killy Literaturlexikon. Band 9. Berlin, New York 2010². S. 534 - 537. Müller, Reinhard: Reinmar. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Zwölfter Band. Bern, Stuttgart 1990³. S. 920 - 924. 23 3. Die Edition von „Ich weıs den wec nv lange wol“ Um einer wissenschaftlichen Edition gerechter zu werden, wird im Folgenden doch eine Trennung zwischen Darstellung und Informationen vorgenommen, sodass es nun in der Tat zu Dopplungen kommen kann. Es bedarf nun einiger Erläuterungen, um die Vollständigkeit einer Edition zu gewährleisten, die die SchülerInnen aber nicht unbedingt in Ihren Heftern haben müssen. Im Gegenteil: Die vielen Fachbegriffe und die gedrängte Darstellung können sie in diesem Stadium der Beschäftigung vielleicht sogar verwirren. Sie sollen vielmehr stichpunktartig die wichtigsten Informationen erhalten und sich mehr mit dem Zuhören beschäftigen und damit, selbst aktiv zu werden. Nun soll es also nicht mehr primär um die Auseinandersetzung mit Informationen gehen und damit auch nicht mehr um die Auseinandersetzung mit einem Arbeitsblatt, welches voller – noch dazu in diesem Fall fast ausschließlich neuer – Informationen ist. 3.1. Grundlegende Vorbemerkungen zum Gedicht Das Gedicht „Ich weis den wec nv lange wol“ von Reinmar dem Alten wurde wohl um 1200 verfasst und ist in gut vier Handschriften überliefert. In zwei Überlieferungsträgern finden sich drei Strophen, in den anderen wurden dem Gedicht – von neuzeitlichen Forschern (!) – sogar sechs Strophen zugeordnet. Das Minnelied handelt dabei grundsätzlich um die Freuden, v.a. aber die Leiden, die die Liebe mit sich bringt. Zwischenzeitlich wird eine Frau besungen, der das lyrische Ich voller Treue zugewandt ist, die ihn jedoch einzig mit Ablehnung straft. Im Mittelpunkt steht aber eher die Macht der Minne – oder sind Frau und Minne gleichzusetzen? Das Gedicht hat bisher eigentlich keinen fest zugeschriebenen Titel. In vielen Untersuchungen ist das Gedicht mit „Ein wîse man“ tituliert, weil damit der erste Vers im ältesten Überlieferungsträger (Handschrift A) beginnt und diese Strophe mit als einzige in allen vier Handschriften zu finden ist. Betrachtet man das Gedicht jedoch ganzheitlich und v.a. inhaltlich, erscheint die Reihenfolge von Handschrift C durchaus sinnvoller, weshalb ich den ersten Vers dieser Handschrift – und übrigens auch von Handschrift B – als Titel wählte. Allerdings ist diese Strophe nur in drei der vier Handschriften überliefert. Schon diese beiden Aspekte – unklare Strophenzuschreibung und -reihenfolge – zeigen, wie unfest die Gestalt dieses Gedichtes ist, als wie neuzeitlich konstruiert es eigentlich angesehen werden muss. Doch bei der Betrachtung mittelalterlicher Literatur ist es immer wichtig, dass wir nicht immer mit unserem häufig durchstrukturierten und Kategorien liebenden Denken an sie herangehen sollten und können. Das muss den SchülerInnen unbedingt verdeutlicht werden. Auch dafür scheint das vorliegende Gedicht ein optimales Medium zu sein. Schauen Sie sich deshalb unbedingt auch selbst die im Folgenden abgedruckten Überlieferungsträger an: Ohne klare Abgrenzungen befinden sich die Strophen des Gedichtes innerhalb einer ganzen Ansammlung von Reinmar-Produktionen. Bei Handschrift C liegen sogar andere Strophen zwischen denen des (vermeintlichen?) Gedichtes. Das Gedicht ist also unbedingt auch für eine Diskussion um den neuzeitlichen Eingriff geeignet. Insgesamt unterscheiden sich die vier Handschriften eher in kleinen orthographischen Aspekten – der Inhalt ist prinzipiell sehr ähnlich. Interessant ist jedoch die unterschiedliche Strophenanordnung, weshalb diese im Folgenden mit im Zentrum steht, zumal diese sehr wohl zu inhaltlichen Unterschieden führen kann. Die Unterschiede in den Versen sind eher gering, doch um dem editionsphilologischen Weg gerechter zu werden, sollen diese im Folgenden auch Beachtung finden – allerdings nur anhand einer Strophe. 24 3.2. Zentrale Thesen zur Edition – Transkriptionsprinzipien und Hinweise zum Aufbau der Edition Zentral für das gesamte Konzept ist, dass die editorisch-philologischen Vorgehensweisen verdeutlicht werden sollen. Aus diesem Grund wird im Folgenden sehr kleinschrittig vorgegangen: Zunächst werden die zentralen Eigenschaften der Überlieferungsträger tabellarisch zusammengestellt, worauf auch Abdrucke – also Faksimiles – dieser folgen. Anhand der Heidelberger Manesse, einer der bekanntesten und wichtigsten mittelalterlichen Liederhandschriften, wird daraufhin der philologische Prozess näher beleuchtet: Eine sehr handschriftnahe Transkription wird einer leserfreundlichen handschriftferneren Transkription gegenübergestellt (die Prinzipien sind unten zusammengestellt). Da sich die Übersetzung dieses Textes – bei weitem nicht nur für Laien – als sehr schwierig erweist, ist auch diese mit vorgegeben. Die Grundlage einer jeden Edition – nämlich die Anfertigung einer Transkription – wird mit diesem ersten Abschnitt beleuchtet. Anschließend geht es darum, wozu diese Transkriptionen nützen. In diesem Fall werden Strophenreihenfolgen und (exemplarisch) Versunterschiede untersucht. Der Deutschunterricht ist vielfach durch stilistische und inhaltliche Untersuchungen geprägt. An dieses Gedicht müssen die SchülerInnen mit einem durchaus anderen Denken gehen: Es geht nicht nur um das Erkennen und Interpretieren des Inhaltes, sondern auch um Überlegungen, wie sich der Inhalt eines Textes durch Verlagerung der Textbausteine – hier der Strophen – oder einzelne Wortunterschiede verändern kann. Repräsentativ soll die folgende Edition also sein. Bis auf die erste „handschriftnahe Transkription“ für Handschrift C sind deshalb alle Ausschnitte aus dem Gedicht unter bestimmten Prinzipien verändert, da sie die gern vorgenommene ‚leserfreundliche‘ Transkription repräsentieren sollen. Die handschriftnahe Transkription bei Handschrift C soll hingegen zeigen, wie die Texte aussehen würden, wenn bei ihnen wirklich möglichst nur die Buchstaben in neuzeitliche transformiert werden würden. Den SchülerInnen soll dabei verdeutlicht werden, dass die Lesbarkeit nur durch eine solche ‚Übersetzung‘ zumindest für Laien keineswegs gewährleistet werden kann und dass für eine solche durchaus tiefere Eingriffe von Nöten sind. Auch ein Hinweis auf eventuelle digitale Probleme – beispielsweise, weil in einschlägigen Schreibprogrammen entsprechende Sonderzeichen fehlen – sollte in diesem Zusammenhang erfolgen. 25 Die leserfreundliche, also veränderte und damit etwas handschriftfernere Transkription erfolgte unter folgenden Prinzipien: Strophen, Zeilenumbrüche werden beibehalten, Wortbrüche werden nicht markiert, um die Interpretationsoffenheit zu wahren Abkürzungen werden aufgelöst : ϟ (-er), dc (das) und ē (en) Initialen werden in der Farbe, die sie in der Handschrift haben, und leicht vergrößert wiedergegeben Schaft-s (ſ) wird beibehalten punktloses i (ı) wird beibehalten v als [u] gebraucht wird beibehalten Interpunktionen soweit sie klar als solche erkennbar sind, werden diese übernommen Längenzeichen (^) werden nicht vorgenommen, um möglichst handschriftnah zu bleiben verbundene Vokale wie ů wurden nicht gesondert markiert, da Kursivierungen hier eher irritierten, einfaches Nebeneinanderstellen also deutlich leserfreundlicher ist 3.3. Didaktische Hinweise Zunächst sollte dem gesamten Komplex zur Edition die Vermittlung oder Wiederholung von Vorwissen vorausgehen – entsprechende Vorschläge bieten die beiden vorherigen Abschnitte. Hier nun soll es zunächst darum gehen, die SchülerInnen mit Handschriften zu konfrontieren. Aus diesem Grund sind im Folgenden zunächst Faksimiles mit den entsprechenden – umfangreich gestalteten – Handschriftenbeschreibungen ausgestattet. Diese Tabellen dienen in erster Linie der Vollständigkeit der Edition, doch können sie natürlich auch den SchülerInnen gegeben werden. Meines Erachtens führt dieser Schritt aber zu weit – einzig sinnvoll wäre das Vergeben der Tabelle von Handschrift C. Sollte das gemacht werden, ist es unabdinglich, auch Aufbewahrungsorte und Kodierungen zu besprechen. Unterschätzen Sie also nicht, wie viel Zeit dieser Aspekt in Anspruch nehmen könnte. Wenn schon eine Handschrift betrachtet wird, sollte das unbedingt in Farbe geschehen. Laminieren Sie ggf. die ausgedruckten Seiten gleich, um sie langlebiger zu machen. Oder nutzen Sie BeamerPräsentationen, um Geld zu sparen. Aber verzichten Sie keineswegs auf Farbigkeit. Das Informationsblatt 10 fasst alle zentralen Elemente zusammen. Dabei ist Platz für eigene Notizen Ihrerseits oder der SchülerInnen gelassen – je nachdem, wo bei der Beschreibung des Inhalts und der Besonderheiten der jeweilige Fokus liegen soll. Mögliche Hinweise zum Ausfüllen dieser beiden Zellen finden Sie unter 3.1. und in den folgenden tabellarischen Zusammenfassungen. Anschließend wird sich Reinmars Gedicht speziell in der Heidelberger Manesse genähert. Diese exemplarische Herangehensweise soll ein möglichst konzentriertes Annähern an das Medium Handschrift und das Vorgehen der Edition gewährleisten: Wurden zuvor die Handschriften zumindest in Gestalt von Faksimiles betrachtet, entfernen wir uns nun mit den Transkriptionen mehr und mehr von der ursprünglichen Gestalt und nähern uns den Tätigkeiten eines Editionsphilologen. Dementsprechend ist der gesamte Abschnitt zur Edition deutlich praktischer ausgelegt – das gesamte theoretische Input ist nun getan, der folgende Abschnitt ist auf gemeinsame Aktivität ausgerichtet. Zugleich dürfen die Aufgaben dafür auch nicht zu umfassend sein, da die meisten SchülerInnen hierbei mit einem vollkommen neuen Thema konfrontiert werden und den Inhalt meist erst einmal in Ruhe auf sich einwirken lassen möchten. 26 3.4. Informationen zur Quellengrundlage Handschrift A: Die kleine Heidelberger Liederhandschrift Informationen zum heutigen Standort Code Cod. Pal. germ 357 (bzw. Cpg 357) Standort Universitätsbibliothek der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Position des Liedes Blatt 2 Vorderseite / Seite 2r Kontext von Entstehung und Entdeckung Verfasser / unbekannt Auftraggeber Gattung Liederhandschrift Entstehungszeit 1270-1280, Nachträge bis ins 3. Viertel des 14. Jahrhunderts Entstehungsort Elsass (eventuell Straßburg) Sammelhandschrift von Liedern etwa 30 Minnesänger vorrangig aus dem 12. und beginnenden 13. Jahrhundert, darunter: - Reinmar der Alte (1r-4v) - Walther v.d. Vogelweide (5v-13v) - Hartmann von Aue (30r-30v) - Heinrich von Morungen (13v-15r) - Wolfram von Eschenbach (26r, 30v-31) (Vorsicht! Einige treten zum Schluss noch einmal auf, bei anderen wurden verschiedene Autoren einem Abschnitt untergeordnet.) Beschreibung des Inhalts Beschaffenheit der Handschrift Material Pergament Umfang 45 Blätter mit gut 850 Strophen Blattgröße 185 x 135 mm (Kleinformat) Schrift gotische Buchschrift (genauer: gotische Minuskel) Sprache Niederalemannisch z.T. mit mittelhochdeutschem Einfluss Seitengestaltung stets nur eine Spalte, 40 oder 41 Zeilen Zustand v.a. durch zahlreiche Wasserschäden und Abnutzungserscheinungen insgesamt sehr schlechter Zustand Gestalterische Besonderheiten zahlreiche, aber unregelmäßig eingesetzte, Randverzierungen (meist von den Initialen ausgehend bzw. sogar an den Rand versetzte Initialen), deren Illustrationen Bedeutung z.T. schwerlich zu erschließen scheint Anfangsinitialen sind bisweilen sehr groß, weitgreifend und mit blau und rot Beschaffenheit der zweifarbig gestaltet, Binneninitialen sind kaum höher, aber deutlich breiter als Initialen die Buchstaben im Fließtext und unregelmäßig blau oder rot gestaltet zahlreich: Symbole offenbar zur Strukturierung der Lieder, einige wirken Randbemerkungen geradezu wie Kritzeleien Sonstiges es können bis zu sechs Hände festgestellt werden, doch der Hauptteil bis Blatt 39 scheint von einer einzigen Hand zu stammen Weiterführende Literatur http://www.handschriftencensus.de/4927 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg357 Links http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/kataloge/HSK0031.htm Literaturhinweise Siehe idealerweise unter: http://www.handschriftencensus.de/4927 27 Handschrift B: Die Weingartner Liederhandschrift Informationen zum heutigen Standort Code Cod. HB XIII 1 Standort Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Position des Liedes Seite 88/89 Kontext von Entstehung und Entdeckung Verfasser / eventuell Anfertigung in der Dombibliothek Konstanz Auftraggeber Gattung Liederhandschrift Entstehungszeit 1300 / 1. Viertel des 14. Jahrhunderts (wahrscheinlich um 1310) Entstehungsort Konstanz (auch Fundort) Zusammenstellung zahlreicher Lieder der zentralen Minnelyriker um 1200, darunter: - Hermann von Aue - Heinrich von Morungen - Heinrich von Veldeke - Walther von der Vogelweide - Reinmar von Hagenau - Wolfram von Eschenbach Beschreibung des Inhalts Beschaffenheit der Handschrift Material Pergament Umfang 136 Blätter (= 312 Seiten), ein Vorsatzblatt; weit über 300 Strophen Blattgröße 170 x 125 mm (Schriftraum: 125 x 85 mm; sehr klein) Schrift gotische Buchschrift (genauer: gotische Minuskel) Sprache Alemannisch Seitengestaltung eine Spalte, meist etwa 28 Zeilen / Verse Zustand sehr gut (nicht verblasst und verwischt) Gestalterische Besonderheiten Illustrationen Beschaffenheit der Initialen 2 halb- und 23 ganzseitige Miniaturen der Dichter (auch Reinmars des Alten) rote und blaue Initialen im Wechsel, die durchgehend sehr detailreich gestaltet sind (rote Initialen mit blauer Verzierung und andersherum), meist in Blumenform; Initialen zu Beginn eines Kapitels sind größer als jene zu Beginn von Strophen Randbemerkungen Buchstaben und Ziffern an einigen Rändern (wahrscheinlich nachgetragen) Sonstiges teilweise leere Seiten, z.T. mit Einträgen aus dem 15. Jahrhundert; Linien auf Buchstaben sollen offenbar Kadenzen verbildlichen (evtl. nachgetragen) Weiterführende Literatur 28 Links http://www.handschriftencensus.de/5914 Literaturhinweise Jones, George F. / Mück, Hans-Dieter u.a. (Hg.): Verskonkordanz zur Weingartner-Stuttgarter Liederhandschrift (Lyrik-Handschrift B). Göppingen 1978. Kämmerer, Carmen: Die Weingartner Liederhandschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. In: Bibliotheksdienst 44 (2010), S. 553 - 564. Siehe weiter idealerweise unter: http://www.handschriftencensus.de/4927 Handschrift C: Große Heidelberger Liederhandschrift (Heidelberger Manesse) Informationen zum heutigen Standort Code Cod. Pal. germ 848 bzw. Cpg 848 Standort Universitätsbibliothek der Rubrecht-Karls-Universität Heidelberg Position des Liedes 100v – 101r (Reinmar der Alte befindet sich insg. auf den Seiten 98r - 108v) Kontext von Entstehung und Entdeckung Verfasser / Familie Manesse Auftraggeber Gattung Liederhandschrift Entstehungszeit 1300 / 1. Viertel des 14. Jahrhunderts Fundort Zürich Beschreibung des Inhalts nachklassische Minnelieder im Grunde aller bedeutsamen Verfasser, die dabei nach ihrem (empfundenen) sozialen Stand sortiert sind: von Kaiser Heinrich über Heinrich von Veldeke, Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach bis zu weniger bekannten fahrenden Sängern Beschaffenheit der Handschrift Material Pergament Umfang 426 Blätter sind übrig, ein Vorsatzblatt; weit über 200 Strophen Blattgröße 350 x 250 mm (Schriftraum 260 x 175 mm) Schrift gotische Buchschrift Sprache Alemannisch Seitengestaltung zwei Spalten, meist etwa 46 Zeilen / Verse Zustand meist gut bis sehr gut, einige verblichene Stellen, andere Seiten sind durchweg sehr gut zu erkennen; gerade Miniaturen gut erhalten Gestalterische Besonderheiten Illustrationen 137 idealisierte Miniaturabbildungen der Dichter in Deckfarbenmalerei (auch zu Reinmar dem Alten) sowie eine Vorzeichnung Beschaffenheit der Initialen blau und rot im unregelmäßigen Wechsel, erstes Initial eines ‚Kapitels‘ besonders hervorgehoben, von unterschiedlichster Größe; zu Beginn noch einfach, später deutlich detailreicher; einige Binneninitialen und Verzierungen reichen mehrere Zentimeter weit Randbemerkungen Ziffern an einigen Rändern, sonst eher wenig Sonstiges auffällig sind Löcher im Papier, die auf eine ursprünglich andere Art der Bindung oder eine vorher andere Nutzung des Papiers hinweisen könnten Weiterführende Literatur Links http://www.handschriftencensus.de/4957 http://diglit.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848/0191?sid=c5c408fe82143b98a66b0cf514c8a7d4 Literaturhinweise erneut sei auf http://www.handschriftencensus.de/4957 verwiesen 29 Handschrift E: Würzburger Liederhandschrift (Hausbuch Michaels de Leone) Informationen zum heutigen Standort Code 2 ° Cod. ms. 731 Standort Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Bibliothek München Position des Liedes 188v - 188r (Reinmar der Alte befindet sich insg. auf den Seiten 181r - 191v) Kontext von Entstehung und Entdeckung Verfasser / Michael de Leone (kaiserlicher Notar, später Scholastiker) Auftraggeber Gattung Liederhandschrift (hier 2. Band) Entstehungszeit Mitte des 14. Jahrhundert (1345 - 1354) Fundort Würzburg Beschreibung des Inhalts deutsch-lateinische Sammelhandschrift, sehr umfassend und vielseitig, einige Zuordnungen sind dabei anders als in den anderen Liederhandschriften; alle wichtigen Lyriker sind vertreten; Reinmar dem Alten und Walther von der Vogelweide werden ungewöhnlich viele Strophen zugeordnet Beschaffenheit der Handschrift Material Pergament Umfang 285 Blätter Blattgröße 345 x 265 mm (Schriftraum variierend, meist um 250 x 200 mm) Schrift gotische Buchschrift Sprache Ostfränkisch, gelegentlich mit bairischem und mittelhochdeutschem Einfluss Seitengestaltung zwei Spalten, meist 32 Zeilen, manchmal aber auch über 50 Zustand einige Seitenteile fehlen bisweilen, ganze Seiten sind wohl aufgrund von Feuchtigkeit sehr schwer zu erkennen, grundsätzlich ist der Abschnitt zu Reinmar dem Alten aber außergewöhnlich gut überliefert Gestalterische Besonderheiten Illustrationen keine besonderen; v.a. keine Miniaturen wie in den anderen Handschriften, allgemein eher übersichtlich und einfach gestaltet Beschaffenheit der Initialen fast durchgängig rot; Initialen vom Kapitelanfang sind bisweilen sehr groß und umfangreich rot und schwarz gestaltet, Binneninitialen sind meistens kaum größer als die normale Schrift und sind einfach und in hellroter Farbe gehalten Randbemerkungen teilweise sehr zahlreich, aus verschiedensten Epochen Sonstiges vergleichsweise genaue Kapitelangaben und Überschriften, nicht nur die Initialen, auch einzelne Textabschnitte sind mit roter Tinte geschrieben Weiterführende Literatur 30 Links http://www.handschriftencensus.de/6441 http://epub.ub.uni-muenchen.de/10638/1/Cim._4.pdf Literaturhinweise auch hier sei auf http://www.handschriftencensus.de/6441 verwiesen Handschrift A – Die Abbildung stammt von: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg357/0005?sid=fd8638a54c1f51d8a8aa70e62cf0b8ea - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:12. 31 Handschrift B – Die Abbildungen stammen von: - http://dfgviewer.de/show/?set%5Bimage%5D=68&set%5Bzoom%5D=default&set%5Bdebug%5D=0&set%5Bdo uble%5D=0&set%5Bmets%5D=http%3A%2F%2Fdigital.wlbstuttgart.de%2Foai%2Foai2.php%3Fverb%3DGetRecord%26metadataPrefix%3Dmets%26identifier%3 Durn%3Anbn%3Ade%3Absz%3A24-digibib-bsz3194213177 - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:18. Beide wurden aus Platzgründen zugeschnitten. 32 33 Handschrift C – Die Abbildungen stammen von: - http://diglit.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848/0191?sid=c5c408fe82143b98a66b0cf514c8a7d4 - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:43. 34 35 Handschrift E – Die Abbildungen stammen von: http://epub.ub.unimuenchen.de/10638/1/Cim._4.pdf - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:53. 36 Informationsblatt 10: Das Gedicht „Ich weis den wec nv lange wol“ Kurs: Name: Datum: Verfasser Reinmar der Alte Titel Ich weis den wec nu lange wol / Ein wîser man Entstehungszeit um 1200 (Lebenszeit Reinmars: um 1160 bis 1209) Umfang drei bis sechs Strophen Überlieferungsträger Handschrift A (Kleine Heidelberger Liederhandschrift, um 1270-1280) Handschrift B (Weingartner Liederhandschrift, um 1300) Handschrift C (Heidelberger Liederhandschrift / Heidelberger Manesse, um 1300) Handschrift E (Würzburger Liederhandschrift, um 1350) Inhalt Besonderheiten Begriffshinweise Handschrift A, B, C, E jede Handschrift erhält einen festen Buchstaben – diese Zuordnung ist also nicht nur für diese Edition vorgenommen worden, sondern sie ist verbindlich solche Zuordnungen erfolgen dabei für jeden Kontext einzeln – das heißt, dass es hier Liederhandschriften von A bis E gibt, für das Niebelungenlied gibt es beispielsweise aber auch eine Handschrift A, eine Handschrift B usw. – deshalb ist es wichtig, dass man immer das genaue Sigel und den genauen Namen einer Handschrift kennt und nicht nur dieses Kürzel Transkription lat. trans = hinüber, herüber lat. scribere = schreiben allgemein: Übertragung von einem Buchstaben- bzw. Sprachsystem in ein anderes eine Transkription ist bei der Editionsphilologie speziell die Übertragung des mittelalterlichen Schriftsystems in das neuzeitliche, wobei nach bestimmten Prinzipien vorgegangen wird, um die Lesbarkeit zu gewährleisten ‐ diese Prinzipien werden dementsprechend „Transkriptionsprinzipien“ genannt und müssen entsprechend aufgeschlüsselt werden ‐ eine Transkription ist immer die zentrale Grundlage einer jeden Edition 37 3.5. Nähere Betrachtung der Heidelberger Manesse (Handschrift C) Wie bereits erwähnt, soll es zunächst um die Betrachtung nur einer der Handschriften gehen. Durch die Exemplarität können sich die SchülerInnen zunächst auf eine Quelle konzentrieren und behalten so eher den Überblick. Die Heidelberger Manesse wurde deshalb ausgewählt, weil es sich dabei einerseits um eine der bedeutendsten deutschen Liederhandschriften handelt und die SchülerInnen aus diesem Grund vielleicht sogar schon einmal etwas von ihr gehört haben. In diesem für die meisten unvertrauten Feld mittelalterlicher Literaturproduktion kann so für einige etwas Vertraulichkeit aufgebaut werden. Nicht zuletzt kann das Bewusstsein einer allgemein zuerkannten Bedeutung das Interesse für das gesamte Thema fördern. Daneben enthält Handschrift C alle sechs der zum Gedicht „Ich weis den wec nv lange wol“ zugeordneten Strophen, sodass auch nach dem Prinzip der Vollständigkeit gegangen wurde. Außerdem ist die Handschrift – wenn auch nur wenig – jünger als Handschrift E, die einzige, die ebenfalls alle sechs Strophen beinhaltet. Im Folgenden finden Sie zunächst wieder ein Informationsblatt. In diesem Fall wird empfohlen, dieses Blatt zu verteilen. Alternativ kann die Erarbeitung durch ein Schülerreferat oder Eigenrecherche erfolgen. Erneut aus zeittechnischen Gründen wäre das Informationsblatt aber sinnvoller, zumal die Erarbeitung der Informationen besonders zeitraubend und wohl eher wenig kompetenzfördernd wäre. Wichtig ist einfach, dass die SchülerInnen den Kontext dieser Handschrift erfahren, da dieser ein wichtiges Element ihrer gesamten Vorstellung der Entstehung des Textes und damit auch der Edition darstellt. Dem schließt sich Informationsblatt 12 an, bei dem der Prozess unterschiedlicher Transkriptionen offengelegt werden soll. Ist die Transkription auf der linken Spalte handschriftnah gestaltet, ist jene in der Mitte eher leserfreundlich. In der rechten Spalte ist – wie bereits erwähnt – eine Übersetzung dazugegeben. Weitere Erläuterungen finden sich unter 3.2. Im 13. Informationsblatt wird schließlich eine Strophe des Liedes genauer unter die Lupe genommen, um den ‚typischen‘ Aufbau einer Edition aufzuzeigen. Dabei soll durch die zwei Möglichkeiten vermittelt werden, wie viel Aufwand hinter einer guten und vollständigen Edition steckt. Alles in allem soll dieses Konzept schließlich auch bewirken, dass die SchülerInnen nicht nur bewusst – im Sinne von kritisch – mit einem bearbeiteten, edierten Text umgehen, sondern auch Respekt vor ihm haben. Aus diesem Grund ist auch ein vergrößerter Ausschnitt des 23. und 24. Verses in der Handschrift mit hinzugefügt worden, der ein besonders schwierig zu entzifferndes Wort enthält. 38 Informationsblatt 11: Die Große Heidelberger Liederhandschrift Kurs: Name: Datum: Bedeutung und Umfang der „Manessischen Liederhandschrift“ die Heidelberger oder – nach den Auftraggebern – Manessische Liederhandschrift ist eine der berühmtesten mittelalterlichen Handschriften überhaupt dabei ist sie einer der wichtigsten Überlieferungsträger für den Minnesang und die Sangspruchdichtung vom 12. bis ins frühe 14. Jahrhundert – sie enthält etwa 5200 Liedstrophen! Was heißt ‚Manesse‘? Manesse war eine Züricher Patrizierfamilie, die besonders um 1300 bedeutsam war ‐ ihre Mitglieder übernahmen viele Jahrzehnte lang hohe Ämter in Zürich die Liederhandschrift wurde wohl um 1300 begonnen immer wieder ergänzt und erweitert, bis sie gegen 1340 beendet wurde ‐ mit der eigenen Liederhandschrift wollte man wohl das eigene Ansehen erhöhen ‐ der repräsentative Anspruch der Handschrift zeigt sich nicht nur in ihrem Umfang, sondern auch in ihrer kostbaren Ausstattung wahrscheinlich sammelten die Manesse aus bereits vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen, eventuell aus den von ihnen selbst in Auftrag gegebenen Liederbüchern Aufbau die Lieder sind nach Verfassern geordnet, wobei jedem Kapitel eine ganzseitige fiktive Miniatur des jeweiligen Dichters vorangestellt ist (Beispiel: Reinmar der Alte ) ‐ die Verfasser sind nach Ständen sortiert, von Kaiser Heinrich VI. über die Könige, Herzöge, Grafen, einfache Adlige, die nichtadligen Sänger bis hin zu den Fahrenden ‐ so wurde die höfische Lyrik als standesgemäß, ja sogar als Adelskunst, eingeführt Probleme dieses Aufbaus ‐ bei einigen Verfassern kannten die Redakteure den Stand wahrscheinlich gar nicht, sodass wohl einige Einordnungen nicht ganz richtig sind ‐ außerdem musste jedes Lied einem Dichter zugeordnet werden, obwohl vielleicht z.T. gar keine Angaben vorlagen – einen Bereich für anonyme Dichter sah das Konzept nicht vor Varianzen die Redakteure der Heidelberger Manesse nahmen Verbesserungen vor – so beseitigten sie unreine Reime, die in den Liedern des 12. Jahrhunderts noch vergleichsweise üblich waren, im 13. Jahrhundert jedoch gar nicht mehr gebilligt wurden daran ist zu erkennen, dass nicht nur ein repräsentatives, sondern auch ein literarisch-ästhetisches Interesse an die Texte herangetragen wurde ‐ außerdem hatten sie wahrscheinlich ein historisches Interesse: der Minnesang hatte zu dieser Zeit seine Hochzeit hinter sich, sodass es wahrscheinlich ist, dass die Redakteure und Auftraggeber den Minnesang vor dem Vergessen bewahren wollten keineswegs ist die Manessische Liederhandschrift darin eine Ausnahme – viele Handschriften überliefern Texte nicht so, wie sie entstanden sind, sondern rezeptieren sie aktiv Quellen Abbildung Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Tübingen 20063. Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Tübingen 2006. http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0191 - zuletzt besucht: 01.05.2012 16:54. 39 40 War umbe fueget diu mır leıt. von der ıch ho he ſolte tragen den mvot ıo wırbe ıch nıht mıt kùndekeıt. noch durh verſuochen als ıe doch vıl manıger tuot. ıch wart nıe rehte fro wan als ıch ſi ſach vnd gıe von herzen gar ſwas mın mvnt ıe wıder ſı geſprach. ſol nv diu triuwe ſın verlorn ſo darf eht nıe man wunder nemen han ıch vnderwılern eınen kleınen zorn. Eın wıſe man ſolt nıht zevıl ſın wıb verſuochen noch geheıſſen deſt gezıhen deſt mın rat. von der er ſıch nıht ſcheıden wıl vnd ſı der waren ſchulde ovch deheıne hat ſwer wıl al der werlte lvge an eın en de komen der hat ım an not eın vıl herze klıcheſ leıt genomen. man ſol boeſe rede ver dagen vnd frage ovch nıeman lange deſ das er ungerne hoere ſagen. War umbe fget dù mır leıt. vō dϟ ıch ho he ſolte tragē den mt ıo wırbe ıch nıht mıt kùndekeıt. noch durh vϟſůchē als ıe doch vıl manıger tůt. ıch wart nıe rehte fro wan als ıch ſi ſach vn̄ gıe vō herzen gar ſwas mın mvnt ıe wıder ſı gesprach. ſol nv dù trùwe ſın vϟlorn ſo darf eht nıe man wunder nemē han ıch vnderwılēr eınē kleınē zorn. Eın wıſe man ſolt nıht zevıl ſın wıb vϟſůchen noch geheıſſen deſt gezıhen deſt mın rat. von der er ſıch nıht ſcheıdē wıl vn̄ ſı der waren ſchulde ch deheıne hat ſwer wıl al der wϟlte lvge an eın en de komē der hat ım an not eın vıl hϟze kϟlıcheſ leıt genomē. man ſol bſe rede vϟ dagen vn̄ frage ch nıemā lange deſ dc er ungerne hre ſagen. 1 2 3 Aufgelöste Transkription Ich weıs den wec nv lange wol der von der lıe be vnz an das leıt. der ander der mıch wı ſen ſol vs leıde ın lıebe der ıſt mır noch vn bereıt das mir von gedanken ıſt als vnmaſſe we deſ vber hoere ıch vıl vnd tuon als ıch deſ nıht verſte gıt mınne nıht wan vngemach. ſo movſſe mīne unſelig ſın dıe ſelben ıch noh ıe ın bleıcher varwe ſach. Handschriftnahe Transkription Ich weıs den wec nv lange wol der vō der lıe be vnz an das leıt. der ander der mıch wı ſen ſol vs leıde ın lıebe der ıſt mır noch vn bereıt dc mir vō gedankē ıſt als vnmaſſe we deſ vber hre ıch vıl vn̄ tn als ıch deſ nıht vϟſte gıt mınne nıht wan vngemach. ſo mſſe mīne unſelig ſın dıe selbē ıch noh ıe ın bleıcher varwe ſach. Str. Name: Ich kenne den Weg nun schon lange gut, der von der Liebe ins Leid [führt]. Der andere, der mich aus dem Leid in die Liebe führen soll, der ist für mich noch nicht bereitet. Dass es mir von Gedanken so unmäßig weh ist, davon überhöre ich viel und tue so, als ob ich davon nichts verstehe. Gibt die Minne nur Ungemach, dann soll die Minne verflucht sein. Ich habe sie noch immer in bleicher Farbe gesehen. Ein weiser Mann soll seine Frau [,von der er sich nicht trennen will,] weder zu viel auf die Probe stellen, noch bezichtigen []. Das ist mein Rat. (Vor allem soll er es nicht tun), wenn sie nicht wirklich schuldig ist. Wer ans Ende der Lügen der ganzen Welt kommen will, der hat sich ohne zwingenden Grund ein großes Herzeleid aufgeladen. Man soll zu bösen Worten schweigen und es soll auch niemand lange nach etwas fragen, was der ungerne sagen hört. Warum fügt gerade die mir Leid zu, durch die ich eigentlich hohe Freude erleben sollte? Ihr gegenüber handle ich weder mit Verschlagenheit noch um sie in Versuchung zu führen, wie es viele tun. Ich wurde nur dann richtig froh, wenn ich sie sah und dann kam alles ganz von Herzen, was mein Mund zu ihr sagte. Soll nun diese Treue verloren sein, so darf es niemanden wundern, wenn ich manchmal ein wenig zornig bin. Kurs: Übersetzung Informationsblatt 12: Edition Handschrift C – Transkriptionsprozess Datum: Übersetzung inspiriert durch: Rupp, Heinz: Reinmars Lied Nr. 12 und die Reinmar-Philologie. In: German Life and Letters, 34 (1980), S. 81 - 93. 41 Des eınen von dekeınes me wıl ıch eın meı ſter ſın al dıe wıle ıch lebe das lob wıl ıch das mır beſte von mır dıe kvnſt dıu werlt gemeıne gebe das nıeman ſın leıt ſo ſchone kan getragen des beget eın wıb an mır das ıch naht noch tac nıht kan gedagen nv han eht ıch ſo ſenften mvot. das ıch ır has ze froeiden nıme owe wıe rehte unſanfte das mır doch tuot. Es tuot eın leıt nach lıebe we ſo tuot ouch lıhte eın lıeb nach leıde wol ſwer wel le das er fro beſte das eıne er dvr daſ an der lıden ſol mıt beſcheıdenlıcher klage von gar an arge ſitte. zer welte ıſt nıht ſo guot das ıch ıe geſach ſo gvot gebıtte ſwer dıe gedulteklıchen hat. der kam des ıe mıt froeıden hın alſo dınge ıch das mın noch werde | rat. Des enē v dekeϟnes me wıl ıch eın meı ſter ſın al dıe wıle ıch lebe das lob wıl ıch das mır beſte v mır dıe kvnſt dù wϟlt gemeıne gebe dc nıem ſn let o chone kan getragē des beget eın wıb an mır dc ıch naht noch tac nıht kan gedagē nv han eht ıch o enftē mt. dc ch r has ze friden nme owe we rehte unanfte dc mr doch tt. Es tt en let nach lebe we o tt ch lhte en leb nach lede wol wer wel le das er fro bete dc ene er dvr da an der lden ol mt bechedenlcher klage v gar an arge ſitte. zer welte t nht o gt dc ch e geach o gt gebtte wer de gedulteklchē hat. der kam des e mt friden hn alſo dnge ch dc mn noch wϟdr | rat. 4 5 6 Aufgelöste Transkription Sı ıehent daz ſtete ſı eın tugent der an dern frowe wol ım der ſın habe ſı hat mır ſtete ın mıner ıvgent mır gebro chen mıt ır ſchonen zùhten abe das ıch ſı vnz an mınen tot nıemer me gelobe ıch ſıhe nv vert ſere wuetende als er tobe das den dıu wıb noch mınner e daerne eınen man der deſ nıht kan ıch geſprach ın nıe ſo nahe me. Handschriftnahe Transkription Sı ehent dc ſtete ſı eın tugent der an dern frowe wol ım der ſın habe ſı hat mır ſtete ın mıner vgent mır gebro chen mıt ır ſchonen zùhten abe dc ch ſi unz an mnē tot nemer me gelobe ch he nv vert ere wtende als er tobe dc den dù wb noch minnēr e dne enen man der de nht kan ch geprach n ne o nahe me. Str. Leid nach Liebe tut weh, aber Liebe nach Leid tut auch wohl. Jeder, der froh bleiben will, muss das eine um des anderen willen ertragen, und zwar mit verständiger Klage und ganz ohne schlechtes Verhalten. Auf der Welt habe ich nichts gesehen, was besser verweilen kann als jemand, der die Geduld hat. Der kam damit schließlich immer zur Freude. Also hoffe ich, dass mir noch Hilfe zukommt. Nur in einem will ich ein Meister sein, so lange ich lebe. Dieses Lob soll mir bestehen bleiben. Die ganze Welt soll mir anerkennen, dass niemand sein Leid so schön tragen kann. Dieses fügt mir eine Frau zu, so dass ich Tag und Nacht nicht schweigen kann. Nun bin ich aber so sanftmütig, dass ich ihren Hass für Freude nehme. Aber, o weh, es tut mir dann doch sehr weh. Sie behauptet, dass Beständigkeit eine Tugend der anderen Damen sei. Wohl dem, der sie nicht hat. Sie hat mir die Beständigkeit in meiner Jugend mit ihrer schönen Bildung / Sittsamkeit so zerstört, dass ich sie bis zu meinem Tod nie mehr lobe. Ich sehe nun, (dass die Frauen den,) der wütend herumfährt, (geradezu) als ob er tobe, eher lieben als einen Mann, der davon nichts versteht. Ich jedenfalls bin ihnen mit Worten niemals so nahegetreten. Übersetzung Informationsblatt 13: Eine typische Edition – beispielhaft an Strophe 3 Kurs: Name: Strophe 3 Datum: A: S. 2r Text nach C B: S. 89 C: S. 100v E: S. 188v 18 Eın wıſe man ſolt nıht zevıl ſın wıb 19 verſuochen noch geheıſſen deſt gezıhen 20 deſt mın rat. von der er ſıch nıht ſcheıden 21 wıl vnd ſı der waren ſchulde ovch deheıne 22 hat ſwer wıl al der werlte lvge an eın en 23 de komen der hat ım an not eın vıl herze 24 klıcheſ leıt genomen. man ſol boeſe rede ver 25 dagen vnd frage ovch nıeman lange deſ das 26 er ungerne hoere ſagen. Die Strophe ist in den Handschriften A, B, C und E überliefert, wobei aufgrund von Ähnlichkeiten angenommen wird, dass B und C auf eine gemeinsame Vorlage BC* zurückgehen. NA CH MÖGLICHKEIT 1: ALLE UNTERSCHIEDE AUFFÜHREN 18 Eın | Aın (B) | Eya (E) wıſe | wıser (A) | wıſe (B) | wıſer (E) | ſolt | ſol (A, B, C) nıht | nıcht (A) zevıl | ze vıl (B, E) 19 verſuochen | gezıhen (E) noch | noh (A) geheıſſen | gezıhen (A, B) | verſuoch + en (E) deſt gezıhen deſt mın rat | dest mın rat (A) | daſt mın rat (B) | deſt mın rat (A) NACH MÖGLICHKEIT 2: NUR GRÖßERE UNTERSCHIEDE AUFFÜHREN 21 deheıne | keıne (A) | dehaıne (B) | keıne (E) 23 herze-klıcheſ leıt | hercelıches leıt (A) | harcelıches leıt (B) Beispiel für Probleme bei der Worterkennung 42 | hertzeleit (E) 3.6. Handschriftenvergleiche 3.6.1. Varianten auf der Ebene des Liedes Im Folgenden sind die Handschriften in den bearbeiteten Transkriptionen nebeneinander gestellt. In diesem Arbeitsschritt soll es zentral um die Erkenntnis gehen, dass je nach Reihenfolge und Menge der Strophen eine ganz andere Wirkung des Gedichtes entstehen kann. Um diese Wirkung zu erkennen, müssen die SchülerInnen nun selbst aktiv werden. Folgende Vorgehensweise wird dabei empfohlen: 1. Der Kurs wird in Gruppen aufgeteilt, die aus maximal vier Personen bestehen. 2. In jeder Gruppe erfassen die SchülerInnen anhand der Übersetzung auf den Seiten 39 und 40 die zentralen Aussagen jeder einzelnen Strophe – möglichst unabhängig von den anderen. Diese tragen sie in die entsprechenden Felder ein. 3. Nun experimentieren sie. Jede Gruppe betrachtet dabei jede Handschrift – sonst geht der Vergleichsaspekt zu stark verloren. Die Handschriften werden nacheinander betrachtet, wobei immer die jeweiligen Strophen und ihre Bedeutung nebeneinander gehalten werden. Das ist wichtig, da die SchülerInnen in dieser kurzen Zeit nur schwerlich den Inhalt allein anhand der Transkription feststellen können. Sie sind natürlich stark auf das Neuhochdeutsche fixiert – dem muss entgegengekommen werden! 4. Gemeinsam erkennen sie mögliche Unterschiede – einige Kombinationen wirken eventuell melancholischer, andere zuversichtlicher. Abschließend tragen die Gruppen ihre Ergebnisse zusammen. Im Idealfall entsteht dabei eine rege Diskussion – lassen Sie den SchülerInnen freien Lauf. Da dieser Abschnitt der Bearbeitung stark emotional geleitet ist, ist eine angenehme Atmosphäre wichtig. Gerade beim Projekt, bei dem ggf. SchülerInnen zusammentreffen, die sich zuvor nicht oder kaum kannten, ist es an dieser Stelle positiv, dass alles Vorherige bereits sehr umfangreich war. Denn bis zum jetzigen Zeitpunkt haben sich die Teilnehmer idealerweise besser kennengelernt, sodass eine offenere Kommunikation möglich ist. 43 Informationsblatt 14: Strophenreihenfolgen Kurs: Name: Handschrift A Datum: Handschrift B Eın wıser man ſol nıcht zevıl ſın wıp versvohen. Ich waıs den weg nv lange wol. der von der noh gezıhen deſt mın rat von der er ſıch nıcht ſcheıden wıl. lıebe gar vnz an das laıt. der ander der mıch wıſen ſol. vnd er der waren ſchvlden doch keıne hat. vs laıde ın lıebe der ıſt mır noch vnberaıt. das mır Swer wıl al der wehe lvge an eın ende komen. von gedęnken ıſt alſe vnmaſſen we. des vberhǒre ıch der hat ım ane not eın vıl hercelıches leıt genomen. vıl. von tvon als ıch des nıht verſte. gıt mınne nvwan wan ſol boeſer red gedagen. vngemach ſo mſſe mınne vnſelıg ſın. dıe ſelben frage och nıeman lange des das er vngerne hore ſagen. ıch noch ıe ın blaıcher varwe ſach. War vmbe vueget mır dıv leıt. von der ıch hohe ſolte tragen den mvot. Aın wıſe man ſol nıht ze vıl ſın wıp verſvochen noch ge ıo wırb ıch nıht mıt kvndecheıt. noch dvr verſuochen alſam vıl meneger tvot. zıhen daſt mın rat von der er ſıch nıht ſchaıden wıl. vnd ıch enwart nıe rehte vro. wan ſo ıch ſı ſach. ſı der waren ſchvlde ovch dehaıne hat. ſwer wıl al der wel ſo gıe von herzen gar ſwe mın mvnt wıder ſı geſprach. te lge an aın ende komen der hat ıme an not aın vıl ſol nv dıv trıvwe ſın verlorn. harcelıches laıt genomen. man ſol bǒſe rede verdagen. ſo endarf ez nıeman wunder nemen han ıch vnder wılen eınen cleınen zorn. vnd frage ovch nıemen lange des das er vngerne hǒre ſagen. Sı regent der ſtete ſı eın tvgent. der andern frowe ſo wol under ſı habe. Ƨ ıchent das ſtete aın tvgent. der andern vrowen ſı hat mıt froıd ın mıner ıvgent mıt ır wol ſchoner zuht gebrochen abe. wol ım der ſin habe. ſı hat mır ſtete ın mıner ıvgent. der ıch unz an mınen tot. mır gebrochen mıt ır ſchǒnen zvhten abe. das ıch ſı vnz nıemer ſı gelobe ıch ſıche wol ſwer nu vert wuetende als er tobe. an mınen tot. nıemer me gelobe. ıch ſıhe wol ſwer nv der den dıv wıp ſo mınnete é. vert. ſere wŭtende als er tobe das den d wıp noch danne eınen man. des des nıht kan. mınnent e. danne aınen man. der des nıht kan. ıch ıch enſprach ın nıe ſo nahe me. geſprach ıme nıe ſo nahe me. 44 Handschrift C Handschrift E Eya wıſer man ſol nıht ze vıl Ich weıs den wec nv lange wol der von der lıe ſın wıp gezıhen noch versuoch be vnz an das leıt. der ander der mıch wı en deſt min rat · von der er doch nıht ſen ſol vs leıde ın lıebe der ıſt mır noch vn ſcheıden wıl · vnd der warn ſchulde bereıt das mir von gedanken ıſt als vnmaſſe doch keıne hat · ſwer wıl al der wer we deſ vber hoere ıch vıl vnd tuon als ıch deſ elde ze ende kummen · der hat im nıht verſte gıt mınne nıht wan vngemach. ane not ein hertzeleit genummen ſo movſſe mīne unſelig ſın dıe ſelben ıch noh man ſol boeſer rede gedagen · vnd vıa ıe ın bleıcher varwe ſach. ge nieman lange daz er doch vnger ne hoere ſagen · Sıe ıchent daz dıe War umbe fueget diu mır leıt. von der ıch ho ſtete ſıe eın tugent · der andern frau he ſolte tragen den mvot ıo wırbe ıch nıht uwe wol ım der ſıe habe · dıe hat mıt kùndekeıt. noch durh verſuochen als ıe mir frauden an miner ıugent · doch vıl manıger tuot. ıch wart nıe rehte gebrochen mit ır ſchoenen zuechten fro wan als ıch ſi ſach vnd gıe von herzen abe · daz ıch ſıe vntz an mınen tot gar ſwas mın mvnt ıe wıder ſı geſprach. nimmer wıl gelobe · ıch ſıhe wol ſwer ſol nv diu triuwe ſın verlorn ſo darf eht nıe nu fert wuetende als er tobe · daz der man wunder nemen han ıch vnderwılern due wıp nu mınnert e · denne einen eınen kleınen zorn. man der des nıht kan · ıch geſprach ın nıe ſo nahe me · War vemme Eın wıſe man ſolt nıht zevıl ſın wıb fùgent ſıe mir leıt · von den ıch verſuochen noch geheıſſen deſt gezıhen hohe ſolte tragen den muot · ıon deſt mın rat. von der er ſıch nıht ſcheıden wırbe ıch nıt mit kuendekeıt · noch wıl vnd ſı der waren ſchulde ovch deheıne durch verſuochen ſo vıl manıger tuot · hat ſwer wıl al der werlte lvge an eın en ıchn wart nıe rehte vro wenne de komen der hat ım an not eın vıl herze als ıch ſıe ſach · vnd gıe von herzen klıcheſ leıt genomen. man ſol boeſe rede ver gar ſwaz ıe mın munt wıder ſıe dagen vnd frage ovch nıeman lange deſ das geſprach ·ſol nv dıe truewe ſın ver er ungerne hoere ſagen. lorn · ſo darf des nıeman wundern han ıch vnderwıln einen cleınen Sı ıehent daz ſtete ſı eın tugent der an dern frowe wol ım der ſın habe ſı hat mır ſtete ın mıner ıvgent mır gebro chen mıt ır ſchonen zùhten abe das ıch ſı vnz an mınen tot nıemer me gelobe ıch ſıhe nv vert ſere wuetende als er tobe das den dıu wıb noch mınner e daerne eınen man der deſ nıht kan ıch geſprach ın nıe ſo nahe me. | zorn Tuot ein leit nach lıebe we · ſo tuot auch lıht ein lıeb nach leı de wol · ſwer wolle daz er fro beſte · daz eine er durch daz ander lıden ſol · mit beſcheıdenlıcher clage vnd ane arge ſıte · zer werlde wart nıe nıht ſo guot des ıch ıe geſach ſo guot gebıte · der dıe beſcheıdenlıchen hat · der ko mes ıe mit frauden hın · allus mac mın noch werden rat 45 Des einen Des eınen von dekeınes me wıl ıch eın meı vnd deheines me · muoz ıch ein meıſter ſter ſın al dıe wıle ıch lebe das lob wıl ſı dıe wıle ıch lebe · daz lob wıl ıch ıch das mır beſte von mır dıe kvnſt dıu werlt mır beſte · vnd daz man mir dıe kunſt gemeıne gebe das nıeman ſın leıt ſo ſchone vor alder werelde gebe · daz nıht mannes kan getragen des beget eın wıb an mır kan ſın leit ſo ſchone tragen · ez be das ıch naht noch tac nıht kan gedagen nv gat eın wıp an mır des ıch tat noch han eht ıch ſo ſenften mvot. das ıch ır has ze naht nıht mat gedage · ſo bın aber froeiden nıme owe wıe rehte unſanfte das ıch ſo wol gemuot · daz ıch ır haz ze mır doch tuot. frauden nıme · owe wie reht vnſa mfte doch daz ſelbe tuot · Ich weız Es tuot eın leıt nach lıebe we ſo tuot ouch lıhte eın lıeb nach leıde wol ſwer wel le das er fro beſte das eıne er dvr daſ an der lıden ſol mıt beſcheıdenlıcher klage von gar an arge ſitte. zer welte ıſt nıht ſo guot das ıch ıe geſach ſo gvot gebıtte ſwer dıe gedulteklıchen hat. der kam des ıe mıt froeıden hın alſo dınge ıch das mın noch werde rat den wec nu lange wol der von lıebe get vntz an daz leit · der ander der mich wıſen ſol · vz leıde in lıep der ıſt mir vıl vngereit · deaz mir was von gedanken wa vmmazzen we · des veber hoere ıch vıl vnd tuon reht als ıch mis niht verſte · git mine nuer wanne vngemach ſo muoz mi ne vnſelic ſı · wenne ıch ſıe noch in bleıcher varwe ſach · Zentrale Aussage von „Ich weis den wec“ Zentrale Aussage von „war umbe fueget“ Zentrale Aussage von „Eın wıſe man“ 46 Zentrale Aussage von „Sı ıehent daz“ Zentrale Aussage von „Des eınen von dekeınes me“ Zentrale Aussage von „Es tuot eın leıt“ 3.6.2. Varianten auf der Ebene der Strophen und Verse Dieser Schritt geht nun sehr weit und ist wirklich nur anzuwenden, wenn Zeit vorhanden ist und die SchülerInnen bereits einen umfassenden Einblick über die Funktion von Editionen und den Aufbau des Gedichtes erlangt haben. Es handelt sich um ein recht übliches und mitunter auch sehr effektives Vorgehen in der Editionsphilologie: Durch direkte Gegenüberstellung einzelner Verse werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten direkt offenbar. Es kann vor allem bei vielfachen Überlieferungen zu einem sehr ermüdenden Verfahren werden – ein Grund, es nicht im Unterricht weiter zu verfolgen. Dennoch soll Ihnen entsprechendes Material nicht verwehrt bleiben, zumal die SchülerInnen hiermit wirklich einen tiefen Einblick in die editorische Arbeit bekommen können. Einerseits erkennen sie hierbei selbst die Unterschiede zwischen den Handschriften und ggf. sogar die entsprechenden Folgen für Inhalt und eventuelle Verwandtschaften der Handschriften. Andererseits sollen sie das Vorgehen an sich reflektieren und eigene Wege finden, Handschriftenvergleiche vorzunehmen. Grundsätzlich handelt es sich aber dennoch um ein Sondermodul des Konzeptes, welches Sie eventuell auch viel später zur Wiederholung und Vertiefung nutzen können. 47 Informationsblatt 15: Versvergleiche a Kurs: Name: Datum: Im Folgenden sehen Sie eine Möglichkeit, Varianten innerhalb einer Strophe miteinander zu vergleichen. Bewerten Sie dieses Vorgehen. Suchen Sie sich einen Vers aus und nehmen Sie eine eigene Vergleichsform vor. Bewerten Sie auch dieses Vorgehen. aus dem Vers zuvor Inhalt Fortführung im nächsten Vers B Ich waıs den weg nu lange wol. der von der [lıebe] C Ich weıs den wer nv lange wol der von der lıe [be] E Ich weız den wet nu lange wol der von liebe Vers 1 Vers 2 B lıebe gar unz an das laıt. der ander der mıch wıſen ſol. C [lıe] be vnz an das leıt. der ander der mıch wı [ſen ſol] E [liebe] get vntz an daz leit · der ander der [mich wıſen ſol] B [mıch wıſen ſol.] us laıde ın lıebe der ıſt mır noch unberaıt. das mır C [mıch wı] ſen ſol us leıde ın lıebe der ıſt mır noch vn Vers 3 [bereıt daz mir] mich wıſen ſol · vz leıde in hep der ıſt mir vıl vngereit · deaiz mir waſ E Vers 4 B [unberaıt. das mır] C [vn] E [vngereit · deaiz mir waſ] von gedęnken ıſt alſe unmaſſen we. des ùberhǒre ıch bereıt daz mir von gedanken ıſt als vnmaſſe we deſ vber hoere ıch vıl vnd tuon als ıch deſ von gedanken wa vm mazzen we · des vober hoere ıch vıl vnd tuon reht [vıl. von tuon als ıch des] [als ıch mis] Vers 5 B vıl. von tuon als ıch des nıht verſte. gıt mınne nuwan [ungemach] C [vıl vnd tuon als ıch deſ] nıht verſte gut mınne nıht wan vngemach. E [vıl vnd tuon reht] als ıch mis nıht verſte · git nime [nuer wanne vngemach] B [nuwan] ungemach ſo mùſſe mınne unſelıg ſın. dıe ſelben [ıch noch] C [nıht wan vngemach.] ſo mouſſe mīne unſelig ſın dıe selben ıch noh Vers 6 nuer wanne vngemach ſo muoz mi ne vnſehe ſı · wenne ıch ſıe noch E Vers 7 B ıch noch ıe ın blaıcher varwe ſach. C [ıch noh] te ın bleıcher varwe ſach. E [ıch ſıe noch] in bleıcher varwe ſach · 48 4. Literatur- und Abbildungsverzeichnis Primärquellen Handschrift A – Die Abbildung stammt von: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg357/0005?sid=fd8638a54c1f51d8a8aa70e62cf0b8ea - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:12. Handschrift B – Die Abbildungen stammen von: - http://dfgviewer.de/show/?set%5Bimage%5D=68&set%5Bzoom%5D=default&set%5Bdebug%5D=0&set%5Bdo uble%5D=0&set%5Bmets%5D=http%3A%2F%2Fdigital.wlbstuttgart.de%2Foai%2Foai2.php%3Fverb%3DGetRecord%26metadataPrefix%3Dmets%26identifier%3 Durn%3Anbn%3Ade%3Absz%3A24-digibib-bsz3194213177 - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:18. Beide wurden aus Platzgründen zugeschnitten. Handschrift C – Die Abbildungen stammen von: - http://diglit.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848/0191?sid=c5c408fe82143b98a66b0cf514c8a7d4 - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:43. Handschrift E – Die Abbildungen stammen von: http://epub.ub.unimuenchen.de/10638/1/Cim._4.pdf - zuletzt besucht: 22.04.2012 18:53. Die Informationen zu den Handschriften (Tabellen S. 27 - 30) wurden anhand der entsprechenden Webseiten erstellt: Handschrift A http://www.handschriftencensus.de/4927 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg357 http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/kataloge/HSK0031.htm Handschrift B http://www.handschriftencensus.de/5914 Handschrift C http://www.handschriftencensus.de/4957 http://diglit.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848/0191?sid=c5c408fe82143b98a66b0cf514c8a7d4 Handschrift D http://www.handschriftencensus.de/6441 http://epub.ub.uni-muenchen.de/10638/1/Cim._4.pdf Zum Teil wurden dafür auch die Zusammenstellungen der Wiki- und Kursmitglieder von „Edition mittelhochdeutscher Texte WiSe 2011“ genutzt. Diese Informationen wie auch ihre Transkriptionen wurden jedoch vollständig durchgesehen und teilweise verändert oder ergänzt. 49 Sekundärquellen Vor allem um die Abschnitte zum historischen Hintergrund und zu den mittelalterlichen Sprachen zu verfassen, nutzte ich meine Mitschriften aus der Vorlesung „Konzepte des Wunderbaren“ von Frau Prof. Dr. Eming aus dem WS 2010/11 und jene von der Vorlesung „Einführung in die Geschichte des Mittelalters“ von Herrn Prof. Dr. Thumser aus dem WS 2011/12, beide veranstaltet an der FU Berlin. Bauschke, R.: Reinmar. In: Lexikon des Mittelalters. Band VII. München 1995. S. 668 - 670. Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Tübingen 20063. Hofmeister, Wernfried: Reinmar der Alte. In: Kindlers Literaturlexikon. Band 13. Stuttgart, Weimar 2009 3. S. 567 - 568. Hübner, Gert: Ältere deutsche Literatur. Tübingen 2006. Kornrumpf, Gisela: Reinmar der Alte. In: Killy Literaturlexikon. Band 9. Berlin, New York 2010². S. 534 - 537. Müller, Reinhard: Reinmar. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Band 12. Bern, Stuttgart 1990³. S. 920 - 924. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Stuttgart 1992. Rupp, Heinz: Reinmars Lied Nr. 12 und die Reinmar-Philologie. In: German Life and Letters, 34 (1980), S. 81 - 93. Weddige, Hilkert: Einführung in die germanistische Mediävistik. München 1997. 50 Abbildungsverzeichnis (außerhalb der Handschriftenscans) http://www.s-line.de/homepages/m-ebener/Kreuzzug-Karten-100.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 23:20. [Europakarte Hochmittelalter, S. 13] http://www.abendblatt.de/multimedia/archive/00840/lesen_dunkeln_HA_Ba_84086 9c.jpg - zuletzt besucht: 16.04.2012 13:19. [Lesender Junge, S. 14] http://www.qhistory.de/wp-content/uploads/2011/05/Minnesang-im-Mittelalter.jpg - zuletzt besucht: 16.04.2012 13:22. [Vortragender Minnesänger, S. 14] http://www.gutenbergdigital.de/gudi/galerie/bilder/abbild/schreiber.jpg- zuletzt besucht: 16.04.2012 13:24. [Abschrift durch Mönche, S. 14] http://sjorps4.files.wordpress.com/2009/08/papier.jpg- zuletzt besucht: 16.04.2012 14:00. [Papier, S. 14] http://www.swissinfo.ch/media/cms/images/keystone/2007/04/keyimg20070411_7 705994_1.jpg - zuletzt besucht: 16.04.2012 14:05. [Schule, S. 14] http://www.7lists.de/uploads/images/content/default/erpho-von-muensterkreuz.jpg - zuletzt besucht: 16.04.2012 14:07. [Kreuz, S. 14] http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a0/Buchdrucker1568.png/220px-Buchdrucker-1568.png - zuletzt besucht: 16.04.2012 14:22. [Buchdruck, S. 14] http://www.hyperkommunikation.ch/images/skriptorium.jpg - zuletzt besucht: 26.04.2012 00:36. [Scriptorium, S. 15] http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Nibelungenlied_manuscriptc_f1r.jpg - zuletzt besucht: 26.04.2012 00:10. [Niebelungenlied, S. 15] http://www.geschichteinchronologie.ch/eu/3R/karten-3R/1000-mittelhochdeutschLautverschiebungen.gif - zuletzt besucht: 23.03.2012 17:25. [Sprachen, S. 17, zugeschnitten] http://www.e-teachingaustria.at/02_cont/03content/03_be/buch/IMAGES/Handschrift-Buch.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 13:55. [Wertvolle Handschrift, hier Stundenbuch; S. 18] http://www-user.uni-bremen.de/~wie/Egerton/eger-1-verso.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 13:59. [Papyrus, S. 18] http://k1_124.kunden1.livenet.ch/sakrileg/images/jesaja.jpg - zuletzt besucht: 25.04.2012 12:30. [Schriftrolle, S. 18] http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/48/Jenaer_liederhandschrift.jpg - zuletzt besucht: 19.04.2012 21:33. [Jenaer Liederhandschrift, S. 21] Weiterführende Literaturhinweise Siehe v.a. beim. Handschriftencensus. 51