Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Abstract In dieser Lerneinheit wird das Passivhaus im Detail dargestellt. Von der Planung bis hin zur Qualitätssicherung werden alle wichtigen Aspekte behandelt und Zusammenhänge erklärt. Die einzelnen Bauteile eines Passivhauses werden beschrieben. Die Bedeutung von Wärmebrücken und der luftdichten Ebene wird erläutert, und Praxishinweise dafür werden gegeben. Lernziele Schülerinnen und Schüler können nach dieser Lerneinheit: 1 Aspekte des Passivhauskonzeptes benennen Bauliche Maßnahmen erklären, durch die solare Gewinne optimiert werden können Bedeutung von Planungskriterien wie Verschattung, Fenstergröße und -ausrichtung erklären Die Bedeutung des Flächen-Volumen-Verhältnisses für ein Gebäude erklären Wärmebrückenarten benennen Bedeutung von Wärmebrücken in der Planungs- und Baupraxis erläutern Die Notwendigkeit einer luftdichten Hülle argumentieren sowie die Problembereiche und qualitätssichernden Maßnahmen erläutern Die Bedeutung einer Komfortlüftung erklären Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Inhalt Abstract............................................................................................................................................... 1 Lernziele .............................................................................................................................................. 1 1. Einleitung .................................................................................................................................... 4 2. Planung eines Passivhauses ......................................................................................................... 4 2.1 Wie beeinflussen das Grundstück, Gebäudeausrichtung sowie Form und die Raumaufteilung den Gebäudeenergiebedarf? ................................................................................. 5 3. 2.2 Windbelastung .................................................................................................................... 5 2.3 Welche Form ist besonders günstig für ein Passivhaus? ....................................................... 5 2.4 Auswirkung der Form und Ausrichtung auf die solaren Gewinne ......................................... 7 2.5 Wie sollten die Räume in einem Passivhaus in Mitteleuropa angeordnet sein? .................... 7 Gebäudehülle ............................................................................................................................ 10 3.1 4. 5. Wand ................................................................................................................................. 10 3.1.1 Außenwände aus Holzkonstruktionen ........................................................................... 10 3.1.2 Außenwände aus Massivbaustoffen ...............................................................................11 3.2 Dach .................................................................................................................................. 12 3.3 Bodenplatte und Kellerdecke............................................................................................. 12 3.4 Fenster im Passivhaus – wie dimensioniere ich richtig? .......................................................13 3.5 Sommerlicher Wärmeschutz und Verschattungssysteme .................................................. 14 3.5.1 Maßnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes im gemäßigten Klima ........................ 14 3.5.2 Natürlicher Sonnenschutz ............................................................................................. 15 3.5.3 Konstruktiver Sonnenschutz .......................................................................................... 16 Was ist eine Wärmebrücke und welche Bedeutung hat sie? ........................................................17 4.1 Erfassung der Wärmebrücken bei der energetischen Berechnung ......................................17 4.2 Wärmebrückenarten.......................................................................................................... 18 4.3 Planungs- und Baupraxis in Mitteleuropa........................................................................... 18 4.4 Planungshilfen – Wärmebrückenvermeidung .................................................................... 19 Wie plane ich die „luftdichte Ebene“? ........................................................................................ 20 5.1 Welche Vorteile bringt die hohe Luftdichtheit? .................................................................. 20 5.2 Planungsgrundsätze für Luftdichtheit................................................................................ 21 5.3 Welche Problembereiche sind zu berücksichtigen? ............................................................ 22 5.4 Blower-Door-Test .............................................................................................................. 22 6. Lüftung...................................................................................................................................... 23 7. Gebäudetechnik im Passiv- und Plus-Energie-Haus ................................................................... 25 8. Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... 26 2 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 9. 10. Tabellenverzeichnis ................................................................................................................... 26 Impressum............................................................................................................................. 27 3 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 1. Einleitung Ziel des Passivhaus-Standards, der vom Passivhaus Institut in Darmstadt definiert wurde, ist es, ein Gebäude zu planen, das derart wenig Energie für die Heizung benötigt, dass man auf eine herkömmliche Heizungsanlage verzichten kann. Um diesen Standard messbar zu machen, wurden folgende Werte festgelegt, die ein Gebäude erfüllen muss, um als Passivhaus bezeichnet zu werden: Jährlicher Heizwärmebedarf in Bezug auf die Wohnfläche von maximal 15 kWh/m²a oder Begrenzung der Heizlast auf ≤ 10 W/m² Gesamter Primärenergiebedarf von maximal 120 kWh/m²a 2. Planung eines Passivhauses Gebäude werden immer mehr zu komplexen Gesamtkonstruktionen, umso wichtiger ist daher die Planungsphase. Bei komplexen Bauvorhaben besteht die Notwendigkeit für ein umfangreicheres Team, z. B. bestehend aus ArchitektIn, BauphysikerIn, FachplanerInnen für Energie, Statik, Schall- und Brandschutz, Gebäudetechnik (Heizung, Sanitär, Lüftung, Elektro), Freiflächen etc. Bei dieser Art von Planung spricht man von einer integralen Planung. Bei der Auswahl des Teams sollten zumindest folgende drei Dinge bedacht werden: 1. dass alle Kompetenzen verfügbar sind, 2. dass die Anzahl der Beteiligten möglichst niedrig gehalten wird, 3. dass klare Strukturen für die Zusammenarbeit gegeben sind. Bei einem Einfamilienhaus wird es in den meisten Fällen nicht notwendig sein, ein größeres Planungsteam zusammenzustellen. Folgende Planungskriterien muss das Planungsteam bei einem Passivhaus beachten: Planungskriterium Wichtige Stichworte Grundstücks- und Gebäudeausrichtung Südlage und südseitige Ausrichtung; Vermeiden von Verschattung Kompaktheit Erreichen eines möglichst günstigen A/V-Verhältnisses; günstige Gebäudegeometrie, angemessene Gebäudetiefe Fensterausrichtung Solare Gewinne, sommerlicher Wärmeschutz, Vermeiden von Überhitzung Raumaufteilung Raumtiefe, natürliche Belichtung, Schallschutz Sonnenschutz Natürlicher / konstruktiver / aktiver Sonnenschutz Bauteilkonstruktion Hocheffiziente U-Werte, Wärmebrückenfreiheit Luftdichtheit Einfache Anschlusslösungen, wenige Bauteilübergänge, Detailplanung Tabelle 1: Überblick zu den Planungskriterien für Passivhäuser 4 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 2.1 Wie beeinflussen das Grundstück, Gebäudeausrichtung sowie Form und die Raumaufteilung den Gebäudeenergiebedarf? Jedes Gebäude steht auf einem Grundstück und wird durch die Umgebung und die Bedingungen auf diesem Grundstück beeinflusst. Dies können Verschattungen durch Nachbarbebauungen, Windbelastung etc. sein. Berücksichtigt man diese Punkte in Bezug auf die Gebäudeausrichtung und -platzierung auf dem Grundstück, können bereits wichtige Einsparungspotenziale genutzt werden. Im Folgenden werden die einzelnen Punkte detailliert behandelt. 2.2 Windbelastung Windige Standorte haben in der kalten Jahreszeit eine negative Auswirkung auf die erforderliche Heizenergie, da das Gebäude durch die vorbeiströmende kalte Luft schneller auskühlt. Der Unterschied ist bei Standardgebäuden beträchtlich, aber auch für hocheffiziente Gebäude kann ein Mehrverbrauch von 2–3 kWh/m²a gegeben sein. In windreichen Gegenden kann durch einen (natürlichen oder gebauten) Windschutz die Luftströmung deutlich verringert und damit Heizenergie eingespart werden. Abbildung 1: Windbarriere durch natürlichen Baum- und Strauchbestand (Quelle: Stefan Prokupek, GrAT) 2.3 Welche Form ist besonders günstig für ein Passivhaus? Je kompakter ein Gebäude ausgeführt wird, desto einfacher lässt sich ein energieeffizienter Standard realisieren. Parameter sind z. B. Gebäudetiefe, Geschoßigkeit und der Verzicht auf Versprünge. Einen wichtigen Einfluss auf den Energiebedarf eines Gebäudes hat das FlächenVolumen-Verhältnis (abgekürzt A/V-Verhältnis). Dieses A/V-Verhältnis gibt an, wie viel Fläche A (Wand-, Decken-, Dach- und Fensterfläche) im Verhältnis zum Gebäudevolumen V und damit zur dabei erzielten Wohnfläche erreicht wird. Je größer im Verhältnis die Oberfläche ausfällt, also je höher der Wert für A/V ist, umso höher ist der Heizenergiebedarf pro m² Wohn-/ Nutzfläche bei gleichen Effizienzmaßnahmen. Je kompakter gebaut wird, umso kostengünstiger ist der Bau eines Gebäudes, unter anderem weil die Anforderungen an die Dämmstärken dann nicht so streng sind. 5 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Größere Gebäude weisen ein geringeres und somit günstigeres A/V-Verhältnis auf als kleinere Gebäude. Sehr kleine Einfamilienhäuser benötigen einen sehr hohen Wärmeschutz, um den Heizwärmebedarf unter 15 kWh/m²a einhalten zu können. Baukörper mit einfacher geometrischer Form, z. B. Quader oder Würfel, haben weniger Fläche im Vergleich zum Volumen und weisen daher ein günstigeres A/V-Verhältnis auf als solche mit vielen Vorsprüngen, Erkern und Gaupen. Die folgenden Skizzen zeigen unterschiedliche (Gebäude-)Formen und die jeweilige „Kompaktheit“ in Bezug auf das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen (A/V-Verhältnis). Abbildung 2: Links: Kugelform (< 0,3); Mitte: Würfel (ca. 0,5), rechts: großer Oberflächenanteil (> 0,8) (Quelle: Stefan Prokupek, GrAT) Für Einfamilienhäuser liegen typische A/V-Werte zwischen 0,7 und 1,0, große Bauten erreichen niedrige Werte von bis zu 0,2. Für Passivhäuser (Einfamilienhäuser) sollten die Werte möglichst unter 0,8 liegen. Ein höheres A/V-Verhältnis muss durch etwas höhere Dämmdicken ausgeglichen werden, um den geforderten Heizenergiekennwert von 15 kWh/m²a zu erreichen. Abbildung 3: S-HOUSE Böheimkirchen (Quelle: GrAT) Das S-HOUSE in Niederösterreich liegt auf einem Grundstück mit leicht nach Süden und nach Osten abfallendem Gelände. Das Gebäude ist mit der Längsseite nach Süden ausgerichtet. Im Querschnitt ist es annähernd quadratisch. Der Bruttorauminhalt (umbauter Raum) beträgt ca. 1.200 m³. Durch die einfache Formgebung sowie das große umbaute Volumen erreicht das S-HOUSE einen für den Passivhaus-Standard geeigneten A/V-Wert von 0,6. 6 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 2.4 Auswirkung der Form und Ausrichtung auf die solaren Gewinne Neben einem günstigen A/V-Verhältnis gilt es beim Entwurf eine Lösung zu finden, die zu einer guten solaren Nutzung führt. Eine Möglichkeit ist, dass bei einem Baukörper mit einer eher geringere Gebäudetiefe alle relevanten Aufenthaltsräume direkt nach Süden ausgerichtet werden. Sehr gute Wärmedämmung Solarkollektor [optional] DreischeibenWärmeschutzverglasung Zuluft Abluft Frischluft Zuluft Abluft Fortluft Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung Erdwärmetauscher Abbildung 4: Passivhaus mit Zu-/Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung (Quelle: Passivhaus Institut; http://en.wikipedia.org/wiki/File:Passive_house_scheme_1.svg, bearbeitet) 2.5 Wie sollten die Räume in einem Passivhaus in Mitteleuropa angeordnet sein? Durch die Anordnung der Räume können Energieeinsparungen erzielt werden. Folgende Punkte können dabei von Bedeutung sein: 7 Ausrichtung: Aufenthaltsräume sollten möglichst auf der Südseite positioniert werden, um die Wärme durch die Sonne (direkte passive Solargewinne) nutzen zu können. Zonierung: Da die Temperatur innerhalb der thermischen Hülle sehr ausgewogen ist, können in Passivhäusern keine großen Temperaturunterschiede erzielt werden. Wird die Restheizwärme jedoch gezielt in einen Raum geführt, z. B. am frühen Abend in das Wohnzimmer, stellt sich für einige Stunden eine erhöhte Temperatur ein, die sich während der folgenden Nacht zum Teil auf das Gesamtgebäude überträgt. Auf diesem Weg kann in abgetrennten Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Schlafzimmern auch in Passivhäusern eine Temperatur von 18 bis 19 °C gehalten werden, während im Wohnbereich 20 bis 21 °C herrschen. Belichtung: Durch eine gezielte Anordnung von Räumen zur gewünschten Himmelsrichtung können tageszeitliche Nutzungen mit Sonnenlicht begünstigt werden. Wichtig dafür ist, dass die Fenster einen möglichst günstigen Einstrahlwinkel ermöglichen, d. h. die Fenster sollten möglichst bis unter die Decke reichen. Belüftung: Eine sinnvolle Zuordnung von Zulufträumen, Überströmbereichen und Ablufträumen führt zu einer sinnvollen Lüftungsauslegung mit möglichst geringen Luftvolumina im Lüftungsbetrieb. Belichtung von innenliegenden Räumen: Verglaste Trennwände oder Fenster zu innenliegenden Räumen mit geringem Lichtbedarf, wie z. B. Nebenräumen oder Fluren, ermöglichen direkte Beleuchtung von Bereichen, die sonst ausschließlich mit Kunstlicht beleuchtet werden können. Beispiel 1: Verglaste Innenwände in der Nord-Süd-Achse eines Gebäudes lassen das natürliche Tageslicht weit ins Gebäudeinnere herein. Das Foto zeigt das Obergeschoß des S-HOUSE in Böheimkirchen, wo dieses Prinzip umgesetzt wurde. Abbildung 5: Innenverglasung (Quelle: GrAT) 8 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Beispiel 2: Die wesentlichen Aufenthaltsräume sind alle nach Süden ausgerichtet. Im Erdgeschoß befinden sich die Wohn- bzw. Gemeinschaftsräume inklusive Küche sowie ein zusätzliches Zimmer, das multifunktional genutzt werden kann. Die Gebäudetechnik befindet sich auf engstem Raum an der Nordseite des Gebäudes. Abbildung 6: Grundriss Erdgeschoß (Quelle: Benjamin Wimmer) 9 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 3. Gebäudehülle Passivhäuser sollten einen U-Wert für opake (nicht-lichtdurchlässige) Bauteile von U ≤ 0,15 W/m²K erreichen. Die gute Wärmedämmung ist Grundvoraussetzung für wirtschaftliche energieeffiziente Gebäude. Darüber hinaus ist der gute Wärmeschutz Grundvoraussetzung für eine hohe Behaglichkeit. 3.1 Wand Die Wahl des Wandsystems hat hohe Auswirkungen auf die energetische Qualität und die Kosten eines Gebäudes. Hinsichtlich des Wärmeschutzes soll die Außenwand beim Passivhaus einen U-Wert von 0,15 W/m²K unterschreiten. Es steht eine große Auswahl an Ausführungsvarianten zur Verfügung. Außenwandkonstruktionen in Passivhaus-Qualität lassen sich in nahezu allen Konstruktionsformen erstellen: 3.1.1 Außenwände aus Holzkonstruktionen Holzständer- und Holzrahmenbau Abbildung 7: Holzrahmenbau (Quelle: Holka Genossenschaft) Holzmassivbau mit außenliegender Dämmung Abbildung 8: Vakuumdämmung auf einer Massivholzwand; die Bekleidung erfolgt mit einer Vorhangschale (Quelle: Variotec, Neumarkt) 10 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 3.1.2 Außenwände aus Massivbaustoffen Außenwandkonstruktionen mit Wärmedämmverbundsystem Abbildung 9: WDVS-Dämmung mit wärmebrückenarm ausgeführtem Befestigungspunkt für eine Leuchte (Quelle: Schulze Darup) Außenwandkonstruktionen mit Vorhangfassade Abbildung 10: „Schwarzer Panther“, Graz, Österreich, Architekturbüro: GSarchitects Graz, Vorhangfassade als Glasfassade (Quelle: STO) Einschalige Außenwandkonstruktionen Abbildung 11: Einschaliges Ziegelmauerwerk eines Passivhauses (Quelle: Schulze Darup) 11 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Zweischalige Außenwandkonstruktionen Abbildung 12: Innere Mauerwerksschale mit Mauerankern für die äußere Verblendungsschale (Quelle: Schulze Darup) Eine detaillierte Beschreibung zur Ausführung dieser Konstruktionen befindet sich in den Lernfeldern „Fassadendämmsyteme Holzbau“ und „Fassadendämmsysteme Massivbau“ auf www.e-genius.at. 3.2 Dach Im Dachbereich ist es im Allgemeinen besonders einfach, einen hervorragenden Wärmeschutz zu realisieren. Insofern wird bei vielen Gebäuden ein günstigerer U-Wert als die geforderten 0,15 W/m²K realisiert. Bei Holzkonstruktionen sollten die Sparren- bzw. Trägerhöhen mit einem schlanken und hohen Profil gewählt werden, sodass ein hoher Querschnitt für die Dämmung mit 30 bis über 40 cm Höhe gegeben ist. Bei Flachdächern gilt sinngemäß das Gleiche. 3.3 Bodenplatte und Kellerdecke Für die thermische Begrenzung eines Gebäudes nach unten gilt für das Passivhaus ebenfalls ein U-Wert, der 0,15 W/m²K nicht übersteigen darf. Grundsätzlich ist zu beachten, dass der Wärmeverlust nach unten mit einem Beiwert von 0,6 bis hinunter zu Werten um 0,2 bei sehr großflächigen Gebäuden gegeben ist. Entsprechend kann die Wärmedämmung geplant werden. Konstruktiv am einfachsten auszuführen ist eine hochwärmegedämmte Bodenplatte. Optimal ist eine tragende Bodenplatte, die vollflächig auf der gesamten Dämmlage liegt, die am Rand mit vollem Dämmquerschnitt in die Wanddämmung übergeht. Da diese Dämmung aufgrund der Feuchtebelastung als Perimeterdämmung ausgeführt wird und sie zudem für erhöhte Druckbelastungen geeignet sein muss, ist sie im Allgemeinen eher teurer. Deshalb kann als Alternative eine Splittung der Dämmung unterhalb und oberhalb der Bodenplatte als Dämmlage unter dem Estrich ausgeführt werden. Bei der letztgenannten Lösung sind allerdings die Wärmebrücken der aufgehenden Kellerwände bei der Planung zu beachten. 12 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 3.4 Fenster im Passivhaus – wie dimensioniere ich richtig? Fenster lassen Licht und Sonnenwärme ins Haus. Beim Passivhaus mit seiner hohen Effizienz liegt der wesentliche Effekt in der „passiven“ Nutzung der solaren Gewinne. Dieser Vorgang der Energiegewinnung funktioniert nach dem Glashausprinzip. Abbildung 13: Verglaste Südfassade (Quelle: GrAT) Der jährliche Wärmeeintrag durch die Sonne liegt bei 10 bis zu 20 kWh/m²a, bezogen auf die beheizte Fläche des Gebäudes. Das heißt, die solaren Gewinne liegen bei gut geplanten und ausgerichteten Gebäuden höher als die erforderliche Restheizwärme von 15 kWh/m²a. Von Vorteil ist ein möglichst hoher Energiedurchlassgrad der Fenster. Dies gilt vor allem für die Südfenster, bei denen ein Wert von g ≥ 0,5 bis 0,6 anzustreben ist. Es ist wichtig, bei der Planung sehr genau zu analysieren, welche Fenstergröße und -positionierung am optimalsten wirkt. Folgende Aspekte sind bei den Fenstern zu beachten: 13 Verglasung mit Ug ≤ 0,7 W/m²K Wärmebrückenminimierter Randverbund der Verglasung mit einem thermisch optimierten Abstandshalter aus Kunststoff oder Edelstahl (mit einer sehr geringen Wandstärke unter 0,2 mm) und einem daraus resultierenden Verlustkoeffizienten Ψg im Bereich von ≤ 0,035 W/mK Rahmenausführung mit einem möglichst niedrigen Fensterrandverbundkoeffizienten ΨF Hoher Glaseinstand des Randverbundes in den Rahmen Wärmebrückenreduzierung beim Einbau durch hohe Rahmenüberdeckung mit Dämmung Der resultierende UW-Wert soll unter 0,8 W/m²K liegen, im eingebauten Zustand unter 0,85 W/m²K. Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Zwei Videos zu Passivhausfenstern: https://www.youtube.com/watch?v=Lwyv1 https://www.youtube.com/watch?v=g3AgZ0Rp5f8 YkObTk Es gibt Dreischeibenverglasungen mit jeweils 2 mm dünnen Gläsern und einer Gesamtdicke von 18 mm. Passivhausfenster mit sehr schlanken Profilansichten führen zu einer vergrößerten Glasfläche mit daraus resultierenden erhöhten Solarerträgen in Verbindung mit verbesserten Uw-Werten zwischen 0,5 und 0,6 W/m²K. 3.5 Sommerlicher Wärmeschutz und Verschattungssysteme Im Winter benötigt das Passivhaus eine Heizwärmeleistung von < 10 W/m2. Die Einstrahlungsleistung ist also bei entsprechenden Fensterdimensionierungen beträchtlich größer als die benötigte Heizleistung. Grundsätzlich verhalten sich Passivhäuser hinsichtlich des sommerlichen Wärmeschutzes günstiger als schlecht gedämmte Gebäude. Eine thermisch ungünstige Gebäudehülle ist nicht nur ungünstig für den Winter, sondern lässt auch im Sommer einen Teil der Wärme ins Haus. Besonders gut zu beobachten ist dies bei schlecht gedämmten Dachgeschoßen, z. B. in Einfamilienhäusern. 3.5.1 Maßnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes im gemäßigten Klima Die Maßnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 14 Entwurfskonzept mit angemessenen Fenstergrößen; vor allem auf der Ost- und Westseite sollten die Fensterflächen eher gering dimensioniert werden, weil die flach stehende Sonne im Sommer die Räume auf diesen Seiten ansonsten sehr stark aufheizt. Hohe Masse des Gebäudes: Wirksam sind die Materialien der obersten 5 bis 10 cm der begrenzenden Raumflächen. Nachtlüftung: Senken der Raumlufttemperatur durch Nachtlüftung im Bereich eines drei- bis über fünffachen Luftwechsels. Verschattung gegenüber einstrahlender Sonne. Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 3.5.2 Natürlicher Sonnenschutz Während im Winter die Wärmeenergie der Sonne einen wichtigen Beitrag zur Abdeckung der Heizlast liefert, ist ein besonders wichtiger Aspekt des sommerlichen Wärmeschutzes die sinnvoll angebrachte Verschattung, um die Räume vor hohen Raumtemperaturen zu schützen. Die planerische Aufgabe besteht daher darin, die Beschattung so zu gestalten, dass im Winterhalbjahr die Sonnenstrahlen so weit und so lange wie möglich durch die Glasflächen in das Gebäude gelangen und im Sommerhalbjahr daran gehindert werden. Ein Laubbaum bietet in der warmen Jahreszeit durch seine Blätter Schatten. Im Herbst verliert er sie und lässt einen Teil der Solarstrahlung durchscheinen. Dieser Effekt kann bei bestehendem Baumbestand bzw. hinsichtlich einer langfristigen Betrachtung einbezogen werden. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass auch Laubbäume einen Verschattungsanteil von 15 bis über 25 Prozent durch ihre Astanteile haben können. Abbildung 14: Links: sommerliche Verschattung durch Laubbaum; rechts: Nutzung der tief stehenden Wintersonne für Innenraumerwärmung durch fehlendes Laub (Quelle: Stefan Prokupek, GrAT) Abbildung 15: S-HOUSE – natürliche Verschattung (Quelle: GrAT) Die Bebauung im Südbereich um das S-HOUSE erfolgte unter Bedachtnahme und Schutz der am Grundstück stehenden Bäume. Dadurch kann die natürliche Beschattung durch die Laubbäume genutzt werden. 15 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 3.5.3 Konstruktiver Sonnenschutz Konstruktive Verschattungen erfüllen mehrere Anforderungen: Sie verhindern die Überhitzung des Innenraums durch direkte Sonneneinstrahlung. Die Verschattung kann nach Tages- und Nutzungsrhythmus geregelt werden. Sie können eine indirekte Belichtung zur Aufhellung des Innenraums durch lichtlenkende Elemente vor allem im oberen Bereich des Lamellensystems ermöglichen. Außenliegende Verschattungen wirken wesentlich effektiver als innen angebrachte Varianten. Das liegt vor allem daran, dass Sonnenstrahlen bei innen angebrachter Verschattung durch das Fensterglas treten können und danach zur Aufheizung des Innenraums beitragen, egal ob dort (innenseitig) noch zusätzlich eine Verschattung vorhanden ist. Abbildung 16: StudentInnenwohnheim Molkereistraße (Quelle: GrAT) Abbildung 17: Siedlung SunnyWatt (Quelle: kämpfen für architektur ag) Regelbare und außenliegende Verschattungssysteme sind fest installierten Lösungen grundsätzlich vorzuziehen, zu bedenken ist jedoch immer auch der Stromverbrauch von Verschattungssystemen. 16 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 4. Was ist eine Wärmebrücke und welche Bedeutung hat sie? Bereiche der Gebäudehülle, an denen gegenüber der sonstigen Fläche erhöhte Transmissionswärmeverluste auftreten, werden als Wärmebrücken bezeichnet. Bei mäßiger Detailausbildung liegt ihr Verlustanteil bei 10 bis 20 % – in ungünstigen Fällen bei über 30 %. Die Folgen von Wärmebrücken sind vor allem ein erhöhter Bedarf an Heizenergie aufgrund der Auskühlung an den Wärmebrücken, eine verringerte Oberflächentemperatur der Wandinnenseite, Kondensation (Tauwasserbildung) in diesem Bereich und infolgedessen Schimmelbildung. Abbildung 18: Schimmelbildung in den Ecken, die Wärmebrücken bilden (Quelle: GrAT) 4.1 Erfassung der Wärmebrücken bei der energetischen Berechnung Es ist eine Voraussetzung für die Passivhaus-Planung, Wärmebrücken zu erfassen und Details in möglichst optimierter Form auszuführen. Vertiefung zur Wärmebrückenberechnung Wird ein Detailanschluss im Vergleich zu den wärmeübertragenden Flächen der Gebäudehülle hinsichtlich des Wärmeverlustes betrachtet, ergibt sich als Differenzwert der Wärmebrückenverlustkoeffizient (Ψ) längenbezogen in W/mK. Wird die Dämmung in voller Dicke um eine Außenecke herumgeführt, ergibt sich aus dem geometrischen Vorteil ein negativer Wert für Ψ. Optimierte Detaillösungen können deshalb für ein Gebäude zu einem Bonus hinsichtlich der Wärmebrückensituation gegenüber dem aus den Flächen berechneten Heizwärmebedarf führen. 17 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 4.2 Wärmebrückenarten Man unterscheidet grundsätzlich zwischen mehreren Arten der Wärmebrücke: Die sogenannte geometrische Wärmebrücke ergibt sich durch ein ungleichmäßiges Verhältnis von Innen- zu Außenwandfläche (z. B. an der Hausaußenecke) in einem ansonsten homogen ausgeführten Bauteil. Abbildung 19: Geometrische Wärmebrücke: Schnitt durch die Ecke einer außen isolierten Außenwand mit eingezeichneten Isothermen bei einer Außentemperatur von -10 °C und einer Innentemperatur von 20 °C. Die Isotherme von 18 °C liegt nahe der Ecke auf der Wandoberfläche, weiter von der Ecke entfernt hingegen innerhalb der Wand (Quelle: Bauigel, https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmebr%C3%BCcke#/media/File:Waermebruecke _geometrisch.jpg) Die stoffbedingte Wärmebrücke entsteht bei der konstruktiven Anwendung unterschiedlicher Materialien innerhalb einer Konstruktion. Ein einfaches Beispiel ist der Einbau eines Brandriegels innerhalb eines Wärmedämmverbundsystems mit abweichender Wärmeleitfähigkeit. Konstruktive Wärmebrücken ergeben sich z. B. durch statische Anforderungen an ein Bauteil, z. B. eine Stahlbetonstütze in einem einschaligen dämmenden Mauerwerk. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Wärmebrücken im Wesentlichen längenbezogen an Kanten, Anschlüssen und Übergängen auftreten. Ebenso können jedoch punktförmige Schwachstellen, z. B. an Befestigungspunkten von Vorhangfassaden, Vordächern, Balkonen etc., gegeben sein. 4.3 Planungs- und Baupraxis in Mitteleuropa Bereits in der Vorentwurfsphase sollten Planungslösungen angestrebt werden, die einfache Anschlüsse und Wärmebrückendetails ermöglichen. Das gilt besonders für die erdberührten Detailausbildungen. 18 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus In der Entwurfs- und Werkplanung müssen die Wärmebrückeneffekte berechnet und Details gezeichnet werden, die möglichst geringe Wärmeverluste mit sich bringen und in der Praxis einfach durchführbar sind. In der Bauausführung muss von Anfang an eine Abstimmung zwischen Planenden und Ausführenden stattfinden, um die geplanten Details in die gebaute Form zu bringen. 4.4 Planungshilfen – Wärmebrückenvermeidung Zusammengefasst können folgende Regeln in der Planungsphase zur Verringerung des Wärmebrückeneffekts dienen: Vermeidungsregel: Wo möglich, die dämmende Hülle nicht durchbrechen. Durchstoßungsregel: Wenn die Durchstoßung der Dämmschicht unvermeidbar ist, so sollte der Wärmedurchgangswiderstand in der Dämmebene möglichst hoch sein. Also z. B. Verwendung von dämmenden hochfesten Materialien, z. B. aus verfestigten Dämmschäumen. Alternativ kann der Querschnitt so klein wie möglich gehalten werden und in einem hochfesten, gering leitenden Material ausgeführt werden, z. B. Edelstahlbefestigungen statt Aluminium. Anschlussregel: Dämmlagen an Bauteilanschlüssen lückenlos ineinander überführen – Anschluss in der vollen Fläche. Punktuelle Wärmebrücken sind in der Regel weniger relevant als lineare Wärmebrücken. Daher: Lineare Durchdringungen auf statisch notwendige punktuelle Durchdringungen reduzieren. Abbildung 20: Tragendes Wärmedämmelemente für auskragende Balkone (Quelle: Schöck Bauteile GmbH) 19 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 5. Wie plane ich die „luftdichte Ebene“? Die wärmeübertragende Umfassungsfläche eines Gebäudes muss dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet werden. Die Mindestanforderung an die Luftdichtheit von Passivhäusern beträgt n50 ≤ 0,6 1/h. D. h. bei einer Druckdifferenz von 50 Pascal dürfen pro Stunde nur 60 Prozent der Raumluft eines Gebäudes ausgetauscht werden. Abbildung 21: Durchgehende Luftdichtheitsebene eines Gebäudes (Quelle: Schulze Darup) 5.1 Welche Vorteile bringt die hohe Luftdichtheit? Eine luft- und winddichte Ausführung bewirkt für die NutzerInnen zahlreiche Vorteile: 20 Vermeidung von baukonstruktiven Schäden: Werden undichte Bauteile von innen nach außen mit Luft durchströmt, kondensiert der Wasserdampf aufgrund der Abkühlung in der Konstruktion und fällt im Bauteil in Tröpfchenform an mit der Folge von Bauschäden. Funktion der Wärmedämmung: Bei Durchströmung der Dämmschicht wird die Wärmedämmfähigkeit der Konstruktion in der Praxis deutlich herabgesetzt. Luftschallschutz: Jede Leckage verschlechtert den Luftschallschutz. Gute Luftdichtheit ist daher Bestandteil des Schallschutzkonzepts. Optimierte Lüftung: Bei Undichtheiten erfolgt der Luftaustausch durch Winddruck oder Thermik, die sehr stark von der Wettersituation abhängig sind. Es stellen sich genau dann überhöhte Luftwechsel ein, wenn sie nicht erwünscht sind: bei starkem Wind und in sehr kalten Witterungsperioden. Während der üblichen austauscharmen Witterung weisen fast alle standardmäßigen Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Neubauten unabhängig von ihrer Dämmung und dem energetischen Standard nur einen Luftwechsel von etwa 0,10 1/h auf. Eine Lüftung über Undichtheiten ist also bei weitem nicht ausreichend. Für den sinnvollen Betrieb von Lüftungsanlagen muss das Gebäude luftdicht ausgeführt sein. Thermischer Komfort: Durch Undichtheiten einströmende Kaltluft führt zu Zugerscheinungen, Kaltluftseen mit der Folge von Fußkälte und zu einer unangenehmen vertikalen Temperaturschichtung in den einzelnen Räumen sowie dem gesamten Gebäude. Verringerter Heizenergieverbrauch: Aus den beschriebenen Gründen führt die Dichtheit eines Gebäudes zu einer deutlichen Energie- und Kosteneinsparung. Zum Vergleich: Die Verringerung der lüftungsbedingten Wärmeverluste, die durch die Verbesserung von 3 1/h auf 0,6 1/h erreicht wird, entspricht etwa der Dämmwirkung von 10 cm zusätzlicher Dämmschicht. 5.2 Planungsgrundsätze für Luftdichtheit Bei der Planung eines Gebäudes muss frühzeitig das Dichtheitskonzept erarbeitet werden. Stichpunktartig einige wichtige Aspekte dazu: Möglichst einfache Form der wärmeübertragenden Gebäudehülle mit wenig Materialwechseln wählen. Lage der wind- und luftdichten Ebene festlegen, klare Abtrennung zu unbeheizten Bereichen (z. B. Keller). Länge der Anschlüsse minimieren, möglichst homogene Flächen festlegen. Einfache Konstruktionen wählen, Durchdringungen vermeiden (z. B. Zangen im Dachstuhl). Haustechnik-Durchdringungen minimieren; ggf. Installationsebene einplanen. Flächen- und fugendichtende Materialien und Montagetechnik festlegen. Präzise Detailplanung und Abstimmung mit den HandwerkerInnen. Je mehr Bauteilstöße (Stellen, an denen verschiedene Bauteile aufeinanderstoßen), desto mehr potenzielle Fehlstellen in der luftdichten Ebene! 21 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 5.3 Welche Problembereiche sind zu berücksichtigen? Die folgende schematische Abbildung weist in einer Übersicht auf die möglichen Problemstellen für die luftdichte Ebene hin (Bauteilstöße und -durchbrüche). Dachfläche Dachdurchdringungen Dach/Wand Rollladen Traufe Wand-Dach Fenster/Wand Wandfläche Fensterfugen Türsockel Vorwandinstallation E-Leerrohre Wanddurchbrüche Sockel Durchführungen Abbildung 22: Schnitt eines Passivhauses mit Darstellung der Problembereiche innerhalb der luftdichten Ebene (Quelle: Schulze Darup, PHS 2.1 Folie S. 20, bearbeitet) 5.4 Blower-Door-Test Ein Verfahren zum Nachweis der Dichtheit eines Gebäudes ist der Blower-Door-Test. Dazu wird ein Ventilator in der Haustür luftdicht eingebaut und eine Druckdifferenz erzeugt, die in Stufen auf 50 Pascal hochgefahren wird. Das entspricht einem Druck von 5 mm Wassersäule. Die gemessenen Werte werden aufgelistet und in ein Koordinatensystem (Volumenstrom/Druckdifferenz) abgetragen. Der Schnittpunkt bei 50 Pascal sowohl für die Unterdruck- als auch für die Überdruckmessung wird abgelesen. Gewöhnlich liegen die beiden Werte eng beieinander, sofern kein Klappenventil-Effekt einer Leckage vorliegt oder die Windeinflüsse zu hoch sind. Der Mittelwert ist der gemessene n50-Wert, der den Luftwechsel bei der Druckdifferenz von 50 Pascal angibt. Der Test muss ausgeführt werden, sobald alle luftdichtenden Bauteile eingebaut sind, jedoch bevor die darüberliegenden Verkleidungen ausgeführt werden, üblicherweise nach Fenstereinbau, Ausführung der Dampfbremse und des Innenputzes. Es ist empfehlenswert, die betroffenen HandwerkerInnen zur Messung einzuladen. Die Erfahrung zeigt, dass diese beim Feststellen von Leckagen gerne bereit sind, sofort nachzuarbeiten – die Abdichtungsmaterialien sollten sinnvollerweise auf der Baustelle sein! Die Leckagen können durch ein Anemometer geortet werden, mit dem die Luftgeschwindigkeit einströmender Luft an schadensträchtigen Stellen bei Unterdruck gemessen wird. Alternativ kann ein Rauchgenerator in Form eines kleinen Röhrchens genommen werden, mit dem Luftbewegungen sichtbar werden. Bei schwer zugänglichen Leckagen kann auch ein Nebelgenerator gewählt werden: In Verbindung mit Überdruck wird 22 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus der Nebel an der Außenhülle an den Austrittsorten sichtbar. Sollen die Leckage-Stellen dauerhaft visualisiert werden, ist Infrarot-Thermografie ein aufwendigeres, aber wirkungsvolles Medium. Bei Unterdruck wird Außenluft angesaugt und thermografisch die Eintrittsstellen festgehalten. Je höher die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen, desto wirkungsvoller ist diese Methode. Abbildung 23: Blower-Door-Messung: Das Gerät wurde hier in ein Fenster eingebaut, weil die Haustür eine hohe Wahrscheinlichkeit von Undichtheiten aufwies (Quelle: Schulze Darup) 6. Lüftung Raumluftqualität hat oberste Priorität bei der Gebäudeplanung. Deshalb beinhaltet Passivhaus-Planung zugleich die Anforderungen des gesundheitsverträglichen Bauens. Ziel ist es, Schadstoffeinträge und gesundheitsbeeinträchtigende möglichst gering zu halten. Der Pettenkofer-Wert von 0,1 Vol-% CO2 sollte nach Möglichkeit nicht überschritten werden. Daraus ergibt sich die Anforderung von 30 m³ Frischluft pro Stunde für jede Person bei normaler Betätigung. Komfortlüftungsanlagen dienen einem erhöhten Komfort und sorgen für eine hygienisch einwandfreie Raumluft. Mittels Wärmerückgewinnung über einen Wärmeübertrager („Wärmetauscher“) kann zudem Energie eingespart werden. Folgende Parameter sind für eine passivhaustaugliche Lüftungsanlage Voraussetzung: 23 Wärmebereitstellungsgrad ηWRG,eff ≥ 75 % Zulufttemperatur > 16,5 °C zur Erzielung von Behaglichkeit Stromeffizienz pel < 0,45 Wh/m³ Weitgehende Dichtheit des Lüftungsgeräts Schalldruckpegel in Wohnräumen < 25 dB(A) Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Abbildung 24: Lüftungsverteilung in einem Plus-Energie-Gebäude. Obergeschoß (oben) und Erdgeschoß (unten) (Quelle: Benjamin Wimmer, Architekt Nürnberg) 24 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 7. Gebäudetechnik im Passiv- und Plus-Energie-Haus Bei der Planung im Wohngebäudebereich ist zu beachten, dass der Bedarf für Warmwasserbereitung oftmals höher liegt als der Bedarf für die Raumwärme. Zahlreiche Heizsysteme ermöglichen eine weitestgehend regenerative (erneuerbare) Bereitstellung der Wärme. Die Stromnutzung im Passivhaus sollte ebenfalls auf möglichst effizientem Weg erfolgen. Wird dazu durch das Gebäude auf erneuerbarem Weg Strom generiert, z. B. durch Photovoltaik, so kann das Gebäude in der Bilanz mehr Energie erzeugen, als es verbraucht – und wird damit zum Plus-Energie-Gebäude. Für die Planung eines Passivhauses ist die bauphysikalisch präzise Erfassung des Gebäudes über das Passivhaus Projektierungs Paket unabdingbar. Das Passivhaus Projektierungs Paket (kurz PHPP) wurde vom Passivhaus Institut (PHI) in Darmstadt unter der Leitung von Dr. Wolfgang Feist entwickelt und stellt ein äußerst realistisches, jahreszeitlich stationäres Nachweisverfahren dar, um zu bestimmen, ob ein Gebäude den Kriterien des Passivhaus-Standards entspricht. Der österreichische Standard „Klima-Aktiv-Haus“ basiert zu circa 60 % auf den Inhalten dieses Standards. Das PHPP ist ein auf Microsoft Excel basierendes Programm mit zahlreichen Eingabeblättern. Das Paket dient zur Berechnung der gebäudespezifischen Energiebilanz, der Ermittlung der Heizlast sowie der Erfassung des Primärenergiebedarfs des Gebäudes. Das Nachweisverfahren nach PHPP bildet Passivhaus-Planung präzise ab. Derzeit ist kein anderes Verfahren mit einem vertretbaren Aufwand in der Lage, die Ergebnisse im selben Detailgrad wiederzugeben. Das PHPP ist Voraussetzung, um ein Gebäude als Passivhaus gemäß dem Passivhaus-Standard zu berechnen und die Einhaltung der Kriterien nachweisen zu können. 25 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 8. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Windbarriere durch natürlichen Baum- und Strauchbestand (Quelle: Stefan Prokupek, GrAT) 5 Abbildung 2: Links: Kugelform (< 0,3); Mitte: Würfel (ca. 0,5), rechts: großer Oberflächenanteil (> 0,8) (Quelle: Stefan Prokupek, GrAT) ......................................................................................................... 6 Abbildung 3: S-HOUSE Böheimkirchen (Quelle: GrAT) ................................................................................ 6 Abbildung 4: Passivhaus mit Zu-/Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung (Quelle: Passivhaus Institut; http://en.wikipedia.org/wiki/File:Passive_house_scheme_1.svg, bearbeitet) ....................................... 7 Abbildung 5: Innenverglasung (Quelle: GrAT) .............................................................................................. 8 Abbildung 6: Grundriss Erdgeschoß (Quelle: Benjamin Wimmer) ................................................................ 9 Abbildung 7: Holzrahmenbau (Quelle: Holka Genossenschaft) .................................................................. 10 Abbildung 8: Vakuumdämmung auf einer Massivholzwand; die Bekleidung erfolgt mit einer Vorhangschale (Quelle: Variotec, Neumarkt) ............................................................................................................ 10 Abbildung 9: WDVS-Dämmung mit wärmebrückenarm ausgeführtem Befestigungspunkt für eine Leuchte (Quelle: Schulze Darup) ..................................................................................................................... 11 Abbildung 10: „Schwarzer Panther“, Graz, Österreich, Architekturbüro: GSarchitects Graz, Vorhangfassade als Glasfassade (Quelle: STO) ............................................................................................................ 11 Abbildung 11: Einschaliges Ziegelmauerwerk eines Passivhauses (Quelle: Schulze Darup) ........................ 11 Abbildung 12: Innere Mauerwerksschale mit Mauerankern für die äußere Verblendungsschale (Quelle: Schulze Darup) .................................................................................................................................. 12 Abbildung 13: Verglaste Südfassade (Quelle: GrAT) .................................................................................. 13 Abbildung 14: Links: sommerliche Verschattung durch Laubbaum; rechts: Nutzung der tief stehenden Wintersonne für Innenraumerwärmung durch fehlendes Laub (Quelle: Stefan Prokupek, GrAT) ....... 15 Abbildung 15: S-HOUSE – natürliche Verschattung (Quelle: GrAT)............................................................ 15 Abbildung 16: StudentInnenwohnheim Molkereistraße (Quelle: GrAT) ..................................................... 16 Abbildung 17: Siedlung SunnyWatt (Quelle: kämpfen für architektur ag) .................................................. 16 Abbildung 18: Schimmelbildung in den Ecken, die Wärmebrücken bilden (Quelle: GrAT) .......................... 17 Abbildung 19: Geometrische Wärmebrücke: Schnitt durch die Ecke einer außen isolierten Außenwand mit eingezeichneten Isothermen bei einer Außentemperatur von -10 °C und einer Innentemperatur von 20 °C. Die Isotherme von 18 °C liegt nahe der Ecke auf der Wandoberfläche, weiter von der Ecke entfernt hingegen innerhalb der Wand (Quelle: Bauigel, https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmebr%C3%BCcke#/media/File:Waermebruecke_geometris ch.jpg) ............................................................................................................................................... 18 Abbildung 20: Tragendes Wärmedämmelemente für auskragende Balkone (Quelle: Schöck Bauteile GmbH) .............................................................................................................................................. 19 Abbildung 21: Durchgehende Luftdichtheitsebene eines Gebäudes (Quelle: Schulze Darup)..................... 20 Abbildung 22: Schnitt eines Passivhauses mit Darstellung der Problembereiche innerhalb der luftdichten Ebene (Quelle: Schulze Darup, PHS 2.1 Folie S. 20, bearbeitet) ......................................................... 22 Abbildung 23: Blower-Door-Messung: Das Gerät wurde hier in ein Fenster eingebaut, weil die Haustür eine hohe Wahrscheinlichkeit von Undichtheiten aufwies (Quelle: Schulze Darup) ................................... 23 Abbildung 24: Lüftungsverteilung in einem Plus-Energie-Gebäude. Obergeschoß (oben) und Erdgeschoß (unten) (Quelle: Benjamin Wimmer, Architekt Nürnberg).................................................................. 24 9. Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überblick zu den Planungskriterien für Passivhäuser ................................................................... 4 26 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus 10. Impressum Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: GrAT – Gruppe Angepasste Technologie Technische Universität Wien Wiedner Hauptstraße 8-10 1040 Wien Austria T: ++43 1 58801-49523 F: ++43 1 58801-49533 E-Mail: [email protected] Projektleiterin und Ansprechperson: Dr. Katharina Zwiauer E-Mail: katharina.zwiauer(at)grat.at Autor_innen: Dr. Burkhard Schulze Darup, Dr. Katharina Zwiauer, Stefan Prokupek Fachdidaktische Bearbeitung: Dr. Katharina Zwiauer Lektorat und Layout: Magdalena Burghardt, MA August 2015 Dieses Lernfeld wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben. Die Vorlage für dieses Lernfeld wurde im Rahmen eines Projektes von „Haus der Zukunft“ erstellt. Nutzungsbedingungen Das Lernfeld ist unter folgender Creative-Commons-Lizenz lizensiert: Learning units_e-genius_2015 von GrAT - Center for Appropriate Technology ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz. 27 Das energieeffiziente Gebäude – Passivhaus Sie dürfen: Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten Der Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen, solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten. Unter folgenden Bedingungen: Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Diese Angaben dürfen in jeder angemessenen Art und Weise gemacht werden, allerdings nicht so, dass der Eindruck entsteht, der Lizenzgeber unterstütze gerade Sie oder Ihre Nutzung besonders. Nicht kommerziell — Sie dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen. Keine Bearbeitungen — Wenn Sie das Material remixen, verändern oder darauf anderweitig direkt aufbauen, dürfen Sie die bearbeitete Fassung des Materials nicht verbreiten. Keine weiteren Einschränkungen — Sie dürfen keine zusätzlichen Klauseln oder technische Verfahren einsetzen, die anderen rechtlich irgendetwas untersagen, was die Lizenz erlaubt. Hinweise zur Namensnennung/Zitierweise: Texte: Autor_innen des Lernfelds, Titel des Lernfelds. Hrsg.: GrAT, www.e-genius.at Bilder: Nennung der Rechteinhaberin/des Rechteinhabers und www.e-genius.at Haftungsausschluss: Sämtliche Inhalte auf der Plattform e-genius wurden sorgfältig geprüft. 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