Reine Geschmackssache Gespräch mit: Stefan Stretz, Repräsentant

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Reine Geschmackssache
Gespräch mit: Stefan Stretz, Repräsentant des Schanzenbräus und der
Schankwirtschaft
Herr
Stretz,
Sie
sind
Schanzenbräu-Chef,
Bierbrauer,
Ingenieur
für
Brauereitechnologie und führen die brauereieigene Schankwirtschaft. Was war für Sie
zuerst da: der Wunsch, Brauer zu werden oder der, eine Schankwirtschaft zu führen?
Ich wollte erst Brauer werden – ich habe schon mit 16 Jahren angefangen Bier zu brauen.
Mich hat das Bierbrauen von jeher fasziniert.
Wie kommt man mit 16 Jahren auf die Idee Bier zu brauen?
Ich bin damals neben einer Brauerei zur Schule gegangen. Außerdem fängt man in diesem
Alter mit dem Biertrinken an – da habe ich mich dann auch mit dem Herstellungsprozess von
Bier auseinandergesetzt und gemerkt, dass der ziemlich interessant ist. Dieses Interesse hat
dann seinen Lauf genommen.
Ab wann hat Bier Ihr berufliches Leben bestimmt?
Das hat es eigentlich schon immer: Nach dem Abitur habe ich eine Lehre als Bierbrauer bei
Tucher in Nürnberg gemacht. 1993 ging ich nach Berlin und habe dort an der Versuchs- und
Lehranstalt für Brauerei meinen Diplomingenieur gemacht. Nebenbei habe ich vor Ort immer
in kleineren Brauereien gearbeitet. In einer der ersten Craft-Brauereien Deutschlands, der
Bierkompagnie in Berlin, habe ich Hanfbier gebraut.
Dann habe ich für eine große deutsche Reinigungsmittelfirma im Wassermanagement für
Brauereien und Molkereien gearbeitet. Dort habe ich Wasserströme gemessen,
Wasserbilanzen erstellt und dann die Brauereien dahingehend optimiert, ihren
Wasserverbrauch zu senken – bei dieser Arbeit hatte ich also auch etwas mit Brauereien zu
tun. Nach zehn Jahren in der Firma bekam ich das Gebiet Nordbayern im Außendienst
zugewiesen. Das war 2003.
Als ich nach Nürnberg zurückkam, haben meine Kumpels natürlich gesagt: „Stretz, jetzt zeig
mal, was Du kannst.“ Nebenbei haben wir ein kleines Hobby: Wir schrauben in einer
Hinterhofwerkstatt an Ami-Schlitten herum. Im Keller dieser Werkstatt gab es noch Platz,
dorthin haben wir den Waschkessel der Großmutter geschleppt und angefangen Bier zu
brauen. Ich durfte alles verwenden, was bei anderen Brauereien im Schrottcontainer landete:
Ventile, alte Fässer, Klappen, Rohrleitungen. So haben wir uns im Jahr 2006 praktisch aus
Schrott eine kleine Brauerei gebaut.
Wie entwickelte sich diese Anfangsphase weiter?
Wir haben zunächst nur für Freunde gebraut. Eine Freundin von uns war Inhaberin des Café
Regina und die hat gesagt: „Ich will das Bier in meinem Café ausschenken:“ Das war am 7.
März 2007. Dann kam das Nürnberger Bierfest auf uns zu. Wir waren sehr stolz, dass es
unser Bier auf diese Veranstaltung geschafft hat – am zweiten Tag war es schon leer.
„Brauerei leergetrunken“, stand ganz groß in der Zeitung. Drei Wochen lang hatten wir kein
Bier mehr. Dieser Erfolg war ausschlaggebend für uns weiterzumachen. Das Entscheidende
ist aber, dass wir dafür brennen. Dass wir zum einen eine gute Qualität liefern und zum
anderen komplett hinter unserem Bier stehen – dann springt der Funke auch auf den Kunden
über. Wenn man nach seinen Prinzipien handelt, kommt auch der Erfolg. Mittlerweile sind wir
so weit gekommen, dass wir eine eigene Brauerei bauen konnten.
Wann haben Sie sich fürs Brauen als Hauptberuf entschieden?
2014 – bis dahin lief alles nebenbei. Ich war bei der Firma ins Management aufgestiegen und
habe ganz Süddeutschland betreut. Aber die Arbeit mit der Brauerei wurde immer mehr – wir
ließen unser Bier schließlich sogar in einer anderen Brauerei brauen, weil unsere
Kapazitäten nicht mehr ausreichten. Es ist nicht so einfach, eine Brauerei auf die Beine zu
stellen. Wenn man das ohne Druck machen kann, ist es aber entspannter. Wir haben die
Marke „Schanzenbräu“ ausgebaut und mein Bruder Robert ist später ebenfalls eingestiegen.
Mit der Zeit wurden wir immer erfolgreicher – und mittlerweile sind wir die zweitgrößte
Brauerei in Nürnberg.
Wie kamen Sie zu Ihrer Schankwirtschaft?
Die gibt es seit Juni 2008. Ein Freund von mir meinte damals: „Stefan, lass uns doch eine
Kneipe eröffnen.“ Ich war natürlich dabei, wollte mich selbst aber nicht primär um die Kneipe
kümmern, sondern weiterhin nur um die Brauerei. Auf die Räumlichkeiten der
Schankwirtschaft bin ich zufällig gestoßen, als sie noch leer standen. Ich fand sie gleich
super, vor allem die Holzvertäfelung.
Welche Philosophie steckt hinter der Schankwirtschaft?
Wir sind eine Nachbarschaftskneipe, in der man sich einfach wohlfühlen soll. Bei uns läuft
keine Musik, die Unterhaltungen der Gäste sollen die Musik sein. Man kann Karten spielen
und machen, was man möchte. Wir nehmen nur 15 Reservierungen an, damit die Nachbarn,
unsere Stammgäste, auch noch Platz haben.
Gab es Vorbilder für Sie, wie die Schankwirtschaft aussehen sollte – optisch, aber
auch kulinarisch?
Nein, wir haben sie nach unseren eigenen Vorstellungen gestaltet. Sie sah ursprünglich zwar
ganz anders aus – mit griechischem Hafen an der Wand und Holzimitatfolie über der
Holzvertäfelung – aber die Tische standen schon drin. Der Garten war ausschlaggebend.
Was die Küche betrifft, hatten wir eigentlich auch unsere eigenen Vorstellungen und wollten
nicht unbedingt traditionelle Gerichte anbieten, sondern Traditionelles anders gestalten –
Weißwurstcurry und ähnlich extravagante Gerichte. Tradition und anders sein ist für mich
eigentlich kein Widerspruch.
Aber der Kunde ist König – die Leute wollen traditionelle fränkische Hausmannskost und
danach haben wir uns schließlich gerichtet.
Wie interpretieren Sie Tradition in Ihrem Beruf?
Tradition bedeutet für mich ein sauberes, gutes Bier herzustellen. Es muss nicht unbedingt
dem Reinheitsgebot entsprechen, aber ausschließlich mit natürlichen Zutaten und ohne
Hilfsmittel gebraut sein.
Welche Bedeutung hat Heimat für Sie?
Meine Eltern kommen aus Nürnberg, hier finden Brauerei, Schankwirtschaft und bis vor
kurzem auch mein Zuhause zusammen. Aber das wäre nicht zwingend notwendig gewesen.
Es war ein Zufall, dass ich wieder nach Nürnberg gekommen bin, ansonsten hätte mein
Leben auch in Hamburg stattfinden können. Ich bin nicht so heimatverbunden wie man
vielleicht denken könnte. Aber dennoch ist Nürnberg meine Heimatstadt und natürlich gefällt
es mir hier. Auch wenn ich mittlerweile weltweit Freunde habe: hier sind meine alten
Freunde.
Sie haben gerade mit der Brauerei expandiert. Ist so ein Schritt auch für die
Schankwirtschaft zu erwarten? Oder eine Zweigstelle?
Die Wirtschaft ist kompakt, läuft aber gut und reicht uns völlig aus. Wir sind mit dem
zufrieden, was wir haben. Sonst laufen wir vielleicht Gefahr einen der Betriebe zu
vernachlässigen – das haben wir alles schon bei anderen miterlebt. Aber man soll natürlich
niemals nie sagen.
Wie weit ist die Brauerei eigentlich von der Schankwirtschaft entfernt?
Sieben, acht Kilometer.
Was gibt es im neuen Areal noch außer der Brauerei selbst?
Es gibt einen Ausschank mit Bar, dort verkaufen wir unsere Biere. Vielleicht werden wir auch
Essen anbieten, aber erstmal muss sich alles einspielen.
Ist der erste Sud schon angesetzt?
Wir haben heute schon den sechsten gemacht. Die erste Flasche kann man in drei Wochen
kaufen.
Was verkauft sich besser: die 0,3- oder die 0,5-l-Flaschen?
Wir verkaufen hauptsächlich 0,5er, am beliebtesten ist Rot-Bier.
Wieviel Zeit verwenden Sie auf das Entwickeln neuer Bier-Ideen?
Das geht recht zügig. Frei Schnauze. In der Regel dauert das vielleicht einen Tag.
Was bedeutet die Schublade Craft Bier für Sie?
Ich kann das Wort schon langsam nicht mehr hören. In Bayern ist alles craft. Noch vor 20
Jahren haben wir den Amis fässerweise unser Bier geliefert, weil ihr eigenes nicht trinkbar
war. Dann kommt dort jemand auf die Idee mehr Hopfen zu verwenden und schon meinen
sie, sie hätten das Bierbrauen neu erfunden. Aber im Ernst: Es ist schon cool, was die da
machen und ich freue mich sehr über die Craft-Bier-Bewegung, weil da der Geschmack
endlich wieder in den Vordergrund tritt. Wir verstehen uns definitiv als handwerkliche
Brauerei, auch wenn wir einen hohen technischen Standard haben.
Was für konkrete Zukunftspläne haben Sie?
Wir werden einen Saisonkalender rausbringen, in dem wir saisonale Biere präsentieren. Wir
haben extra kleinere Tanks gekauft und die werden wir voraussichtlich monatlich mit neuen
Bieren befüllen.
Und Braukurse?
Es ist alles dafür vorbereitet. Aber am Konzept müssen wir noch ein bisschen feilen – die
Leute wollen ja Spaß haben und ein bisschen Bier trinken und kein Zwei-Tages-Seminar
besuchen.
Woher kommt die Inspiration für Ihre Ideen? Reisen Sie auch zu anderen kleinen
Brauereien im In- oder Ausland?
Im Mai bin ich wieder als Juror bei den Welt-Bier-Awards in Philadelphia dabei. Dort
bekomme ich immer neue Eindrücke. Wir besuchen auch andere Brauereien – ob in Chile
oder den USA, Österreich oder in der Schweiz.
Zwischen Geheimtipp und Establishment, das auch schon das Altstadtfest in
Nürnberg oder die Fürther Kirwa beliefert: Wo sehen Sie sich, die Brauerei, die
Schankwirtschaft?
Ein Geheimtipp sind wir nicht mehr. Aber ich glaube, dass wir trotz Expansion eine kleine
Brauerei bleiben werden.
Wie schafft man es, bei so viel Erfolg nicht abzuheben, sondern den ursprünglichen
Charakter seiner Erfolgsprodukte beizubehalten?
Rock ’n’ Roll macht‘s möglich. Wir sind so, wie wir sind. Ich bin zum Beispiel nicht nur der
Chef, sondern spül‘ in der Schankwirtschaft auch mal Geschirr ab. So muss man mit Erfolg
umgehen – Hochmut kommt vor dem Fall.
Wieviel Veränderung ist dennoch notwendig?
Wir müssen uns gewaltig anpassen. In der Schankwirtschaft haben wir jetzt einen
Mittagstisch, es kommen immer mehr Leute und die Organisation wird immer komplexer –
darauf muss man reagieren. Auch in der Brauerei passiert viel. Die Veränderungen in der
Organisation machen uns manchmal ein bisschen unflexibel, aber sie sind notwendig, weil
wir den ganzen Betrieb ansonsten nicht stemmen könnten. Bei unserer Größe reicht ein
handgeschriebener Lieferschein nicht mehr aus.
Was bedeutet es Ihnen, Wirt und Brauer zu sein?
Ich bezeichne mich selbst nicht als Wirt. Ich hocke lieber auf der anderen Seite vom Tresen.
Aber Brauer zu sein erfüllt mich mit Stolz, das ist durchaus ein Beruf, der mir sehr gut gefällt.
Wie erklären Sie einem Fremden Ihr Viertel Gostenhof?
Es wird gerade hip und entwickelt sich langsam zum Szeneviertel. Gostenhof, da will man
sein. Jetzt kommen Designer und Konsorten und nehmen den günstigen Wohnraum ein.
Alles wird teuer. Die ganze Subkultur wandert ab, dafür kommen immer mehr Kneipen, ein
Fahrradladen, ein Sprayerladen. Das bringt schon Bewegung in das Viertel. Ich finde es ja
toll, dass etwas passiert. Fortschritt muss sein, so ist die Entwicklung, damit muss man sich
abfinden. Ich selbst wohne mit meiner Familie aber nicht mehr im Viertel.
Wie war das Viertel zuvor?
Früher war es das Glasscherbenviertel, das Kreuzberg von Nürnberg. Ein großer
Ausländeranteil, sehr viele Arbeiter, einfache Leute eben. Inzwischen geht Gostenhof den
gleichen Weg der Gentrifizierung wie Kreuzberg.
Haben Sie Ihre Leidenschaft für US-Oldtimer beibehalten?
Ja. Ich habe jetzt ein familientaugliches Auto: Chrysler Town and Country, Kombi, Achtsitzer,
Baujahr 73, 7-l-Hubraum.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Größtenteils mit meiner Familie. Die Kinder sind jetzt dreieinhalb und sieben. Außerhalb der
eigenen vier Wände zieht es mich in die Berge, ich mache mit meinem Sohn gerne
Hüttenwanderungen oder gehe Skifahren. Früher habe ich leidenschaftlich Rugby gespielt –
das war mein Sport. In Berlin habe ich zehn Jahre lang im Club gespielt, inzwischen bin ich
eigentlich zu alt dafür, dauernd mit einem blauen Auge rumzurennen. Jetzt möchte ich
einmal die Goldene Straße, die Via Carolina von Nürnberg bis nach Prag laufen. Ich könnte
zur Gartentür raus und loslaufen, denn der Weg führt direkt an meinem Haus vorbei. Oder
eine Alpenüberquerung. Aber dafür braucht man doch mal zwei Wochen Zeit – irgendwann
werde ich das mal machen.
Wohin geht die Reise für Bräu, Brauer und Schankwirtschaft?
Wir haben so viele Sachen geplant, ich weiß gar nicht, wie wir alles realisieren sollen. Wir
bauen bald unsere eigene Braugerste und unseren eigenen Hopfen an. Das sind Projekte,
die sehr viel Zeit füllen. Erst einmal wollen wir uns etablieren und auch noch ein bisschen
wachsen, aber nicht zu sehr. Sobald wir eine gewisse Hektoliteranzahl erreicht haben, ist es
für uns genug.
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