Lösungsskizze zu Blatt IV (1, 2, 3)

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PS Phonologie & Graphematik Blatt IV – Dr. W. Schindler (LMU Muc, Deutsche Philologie) – Sommer 2015
1 Bestimmen und erläutern Sie die (ggf. Problematik der) Akzente in
(a) Bundeswehrsoldat
(b) Hallenhandball
(c) Bundesverwaltungsgericht
Da [[Bundes wehr]A soldat B] linksverzweigt (A verzweigt, B = Soldat nicht), ist der Akzent auf
dem Determinans von A zu erwarten (er fällt auf BUN, klar, denn das folgt aus der Akzentregel für Simplizia, wenn die Ultima (des) eine Schwa-Silbe ist).
Da [Hallen A [hand ball] B] rechtsverzweigt, müsste es eigentlich Hal.len.HAND.ball und nicht
HAL.len.hand.ball heißen. Das könnte daran liegen, dass Handball bereits stärker lexikalisiert
ist, so dass dessen interne Struktur nicht mehr (?) wahrgenommen wird. [Bundes A [verwaltungs gericht] B] rechtsverzweigt ebenfalls und wird im Ggs. zu Hallenhandball regelkonform
auf dem Determinans von B akzentuiert (auf WAL).
2 Erstellen Sie Silbenstruktur und erläutern Sie die komplexeren, ggf. problematischen Silbifizierungen
(a) Mi.nis.TRANT
(b) MIST.ra.ke.te
(c ) KO.blenz
(d) KOPP.lung
Beispielhaft sei (a) ausgearbeitet:
σs
σw
σs
R
R
R
AR
N
AR
N
ER
C
/m
V
i
C
n
V
ɪ
C
s
AR
C
t
N
C
r
V
a
ER
C
n
C
t/
Nach dem Maximum Onset Principle wäre in (a) theoretisch auch „str“ (mi.ni.strant) als AR
der Ultima möglich. Hier erhält man mit dem Ansatz, dass die Silbengrenze vor das intervokalische Sonoritätsminimum fällt, die korrekte Akzentlage. Zudem würde nhd. eine Silbe mit
offenem ungespanntem Vokal, also [nɪ] statt [nɪs], zumindest standardsprachlich nicht angestrebt.
Bei Mini.+strand läge die Silbengrenze auch vor str, doch ist dies ein anderer Fall, da bei
Komposita bzw. Präfixderivaten morphembezogene Silbifizierung die phonologische dominiert. Auch bei Mistrakete haben wir intervokalisch „str“, doch da hier eine Morphemgrenze
zwischen /t/ und /R/ liegt ({MIST} + {RAKETE}), fällt hierher auch die Silbengrenze. Bei Koblenz ist /ko:/ eine offene Silbe mit gespanntem Langvokal und /bl/ ist ein grammatischer Anfangsrand (blau, Blick etc.), zudem ist /b/ das intervokalische Sonoritätsminimum! Dagegen
ist *Ko.p(p)lung nicht zu erwarten, da die Pänultima offen, aber ungespannt-kurz wäre, was
im Nhd. einen konsonantischen Schluss, sei es wenigstens per Gelenk oder eben per Konsonanz, erfordert (im mhd. Zeit wäre ko.plung o. Ä. möglich gewesen.
PS Phonologie & Graphematik Blatt IV – Dr. W. Schindler (LMU Muc, Deutsche Philologie) – Sommer 2015
3 Nennen Sie drei phonologische Eigenschaften, anhand derer wir Silbensprachen einerseits
1
und Wortsprachen andererseits unterscheiden! Ich nenne vier:
Silbensprache (z. B. Jap., Ahd.)
Wortsprache (Nhd.)
Silbenbildung
Vollsilben
auch Reduktionssilben (z. B. mit /ə/)
Nähe zu CV
hoch
ahd. burug, obaz,mano
stärker besetzte AR und ER
Burg, Obst, Mond
Wortakzent
undeutlich (Gleichbetonung)
prominente Silbe(n)
Prozesse
silbenoptimierend
z. B. Vokalepenthese bur-u-g
wortbezogen
Syn-/Apokope: gibet > gibt
4 Erläutern Sie die Vergabe des Worthauptakzents in den folgenden Beispielen (R = Regel,
NB = Normalitätsbeziehung nach Vennemann 1991, vgl. Handout):
O.ʼdes.sa: Nach R 4 geht der Akzent (bei leichter Ultima) nicht über eine schwere Pänultima
zurück.
Bal.last: Als altes Kompositum (wohl bar + Last ‚pure Last‘ mit Assimilation des /R/) heute
mit Pänultima- bzw.Determinans-Akzent, aber auch mit Ultimaakzent, der die NB 1 berücksichtigt (mehrfach geschlossene Ultima liegt vor, sie ist auch im Vergleich mit der Pänultima
schwerer).
2
Tai.ʼfun: Obwohl auch die Pänultima schwer ist (quasi: xx für den Diphthong), gewinnt die
„superschwere“ und somit im Vergleich schwerere Ultima (xxx für Langvokal + C; NB 1)!
ʼRei.fung
Sau.ʼnie.re! Wenn es sich hierbei um ein Simplex handeln würde, dann wäre hier R 2 einschlägig. Da wir jedoch ein Derivat vor uns haben ([Saun(a) + -ier] + Flexion -e)
(die) ʼSau.nie.re: Wegen der Morphemstruktur {SAU} + {NIERE} (Detkomp) gilt hier die morphologische Akzentregel, dass, wenn B nicht verzweigt, A den Akzent erhält!
Marzipan: Hier gibt es [ʼmar.tsi.pɑ:n], die wohl ältere Akzentuierung, und [mar.tsi.ʼpɑ:n]
(vgl. z. B. DWDS)! Wegen NB 1 „schwere Ultima“ (xxx) ist letzteres zu erwarten. Die ursprüngliche Antepänultimabetonung entstammt wohl der Gebersprache Italienisch
(marzapane), vielleicht liegt ein altes Kompositum vor (die Etymologie ist umstritten), doch
in jedem Fall sieht man hier die Assimilation ans native Akzentsystem!
1
2
Vgl. Eisenberg, P. (2013): „Grundriss …“, Bd. 1 Das Wort, 133 f. und Nübling, D. et al. (2010): Historische Sprachwissenschaft des Deutschen. 3. Aufl., Tübingen, Kap. 2 „Phonologischer Wandel“!
Man verstehe „x“ hier als Zeit- bzw. Gewichtseinheit.
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