Die große Traurigkeit In einem Dorf lebte einst ein Volk glücklicher Menschen. Sie hatten alles, was sie zum Leben brauchten, einfache Hütten boten ihnen Schutz gegen Wind und Wetter, sie lebten im Einklang mit der Natur, bauten Getreide und Gemüse an und nahmen dankbar die Früchte an, die ihnen die umliegenden Bäume schenkten. Eines Tages tauchte eine schwarze Wolke über dem Dorf auf. Zunächst dachten die Menschen, dass ein Gewitter käme, doch die Wolke blieb einfach regungslos über dem Dorf stehen. Langsam senkte sich das Schwarz der Wolke auf die Menschen herab und hüllte das ganze Dorf in eine tiefe Traurigkeit. Nach einiger Zeit zog die Wolke weiter, doch die Traurigkeit blieb im Dorf. Der Himmel war wieder blau, aber er strahlte nicht mehr so wie vorher, selbst Tiere und Pflanzen waren von der Traurigkeit erfasst worden und ließen die Köpfe hängen. Bald schon hatten die Menschen nicht mehr genug zu essen. Da sie von der Traurigkeit gelähmt wurden, bestellten sie die Felder nicht mehr und ernteten auch keine Früchte mehr. Doch auch der Hunger riss sie nicht aus ihrer Lethargie, sie fanden sich traurig damit ab. Ein Mädchen mit Namen Liwanag war aber nicht von der Traurigkeit betroffen. Sie versuchte alles, um die Menschen wieder fröhlich zu machen, jedoch ohne Erfolg. Da sie nicht von der Traurigkeit betroffen war verfiel sie auch nicht in Lethargie und so litt sie unter dem Hunger und begab sich auf die Suche nach Nahrung in der Umgebung. Dabei begegnete sie einer wunderschönen Frau, die an einem Feldrand auf einem Stein saß. „Wer bist du?“ fragte Liwanag die Fremde „ich habe dich hier noch nie gesehen.“ „Ich bin eine Reisende“, antwortete die Frau mit einem Lächeln. „Ich ziehe von Dorf zu Dorf, bleibe eine Weile und ziehe weiter.“ „In unser Dorf brauchst du gar nicht gehen“, sagte Liwanag „da sind alle von einer Wolke der Traurigkeit erfasst worden, niemanden wird es interessieren ob du da bist oder nicht.“ „Eine Wolke der Traurigkeit“, sagte die Reisende „ist sie aus dem schwarzen Wald hinter dem Hügel dort gekommen?“ „Ich glaube schon“, antwortete Liwanag. „Ja, da kann ich in deinem Dorf tatsächlich nichts tun, aber du kannst es, wenn du Mut hast.“ „Mut habe ich“, sagte Liwanag „was soll ich also tun?“ Die Reisende lächelte. „In dem schwarzen Wald lebt eine alte Frau, sie war einst strahlend schön und glücklich, dann geschah etwas in ihrem Leben, was sie sehr verletzte und sie zog sich in ihrer Traurigkeit in den Wald zurück. Sie hoffte in der Einsamkeit Erlösung aus ihrer Trauer zu finden und sie hoffte wohl auch, dass es Menschen gäbe, die sie suchen würden um sie zu erlösen. Als aber niemand kam und da sie in der Einsamkeit auch keinen Trost fand, wurde sie hoffnungslos und verbittert. Jetzt lebt sie in einer verfallenen Hütte tief im schwarzen Wald und schickt schwarze Wolken der Traurigkeit in die Welt. Ich denke ganz hat sie die Hoffnung auf Erlösung wohl noch nicht aufgegeben, aber sie kann diese Hoffnung nicht mehr spüren. Ein Mensch mit einem Herz aus reinem Licht und ohne Furcht vor der Dunkelheit und der Traurigkeit kann jedoch Erlösung bringen.“ „Dann will ich die Alte suchen“, sagte ©Ursula Reichetzeder August 2013 Liwanag „ich habe keine Furcht vor der Dunkelheit und mein Herz ist aus reinem Licht.“ Wieder lächelte die Reisende „ja ich sehe dein Licht und auch deinen Mut, aber sei dir nicht zu sicher, die Furcht und die Traurigkeit in dem schwarzen Wald sind groß und die Dunkelheit schluckt jedes Licht, das versucht sie zu durchdringen. Wenn du aber wirklich bereit bist diesen Weg zu gehen, so wisse, dass dir Hilfe zuteilwerden wird, wenn du sie brauchst, du musst nur Herz und Augen offen halten, wenn die Hoffnungslosigkeit nach deinem Herz greift.“ Liwanag nickte „ich werde darauf achten“, sagte sie ernst. „Nun geh nach Hause und ruhe dich aus“, sagte die Reisende „dein Weg wird anstrengend werden, nimm nichts mit außer einem Tuch und einer kleinen Flasche, zu essen und zu trinken wirst du unterwegs reichlich finden.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich die Reisende und Liwanag ging nach Hause um sich auszuruhen. Am nächsten Morgen ging Liwanag los mit nichts als dem Kleid an ihrem Leib, in dessen Taschen sie das Tuch und die Flasche verwahrte. Sie wanderte drei Tage und drei Nächte und der Wald wurde immer dunkler und bedrohlicher. Liwanag spürte wie die Furcht nach ihrem Herz griff und das Licht in ihr schwächer wurde. Sie erinnerte sich der Worte der Reisenden und hielt Ausschau nach Hilfe, doch sie konnte nichts entdecken. Als sie die Hoffnung zu verlieren drohte entdeckte sie plötzlich bei einem Baum eine seltsam leuchtende Pflanze, wie sie noch nie eine gesehen hatte. Liwanag kniete nieder um die Pflanze besser betrachten zu können, da wandte diese ihr das Köpfchen zu und Liwanag sah den leuchtenden Blütenstaub im Inneren der Blüte. Sie erinnerte sich an das Tuch in ihrer Tasche und holte es hervor. Sofort begann die Pflanze sich zu schütteln und der leuchtende Blütenstaub fiel in Liwanags Tuch. Sorgsam verschloss Liwanag das Tuch und verbarg es wieder in ihrer Tasche. Als sie ihren Weg fortsetzte fühlte sie wie das Licht und die Furchtlosigkeit in ihr Herz zurückkehrten. Wieder wanderte sie drei Tage und drei Nächte, die Furcht und die Dunkelheit griffen nach ihrem Herz und die Hoffnung auf Hilfe schwand. Als Liwanag sich schon beinahe der Hoffnungslosigkeit ergeben wollte, hörte sie einen Vogel singen. Sie hob den Blick und sah über sich einen wunderschönen lichtvollen Vogel, dessen Gefieder in der Dunkelheit leuchtete und dessen Lied alle Hoffnungslosigkeit schwinden ließ. Dankbar lauschte Liwanag dem Lied und als der Vogel seinen Gesang beendet hatte ließ er eine seiner leuchtenden Federn zu Liwanag herabfallen. Sie hob die Feder auf und als sie sie bewegte hörte sie wie das wunderschöne Lied des Vogels leise klang. Vorsichtig steckte sie die Feder in ihr Haar und setzte ihren Weg nun wieder hoffnungsvoller, lichter und furchtlos fort. Abermals wanderte Liwanag drei Tage und drei Nächte, die Dunkelheit des Waldes wurde beinahe undurchdringlich und die Furcht im Herzen des tapferen Mädchens wurde bedrohlich groß. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung griffen nach Liwanags Herz, als sie plötzlich eines Blinkens zwischen den Bäumen gewahr wurde. Mit letzter ©Ursula Reichetzeder August 2013 Kraft ging sie auf das Blinken zu und fand eine Quelle mit klarem leuchtendem Wasser. Gierig trank Liwanag ein paar Schlucke und alsbald fühlte sie das Licht in ihrem Herzen wieder kräftiger werden. Sie erinnerte sich an die Flasche, die sie bei sich trug und füllte etwas von dem klaren Quellwasser in ihre Flasche. Sorgsam steckte sie die Flasche ein und wollte ihren Weg fortsetzen als sie von einer bleiernen Müdigkeit erfasst wurde. Liwanag legte sich auf den Waldboden und fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf. Als sie erwachte sah sie durch die Bäume einen Weg und an dessen Ende eine verfallene Hütte. Liwanag ging auf die Hütte zu, da öffnete sich die Türe und eine griesgrämige Alte kam zum Vorschein. Die Alte blickte Liwanag böse entgegen und die Furcht in Liwanags Herzen stieg, doch sie ging tapfer auf die Alte zu. Plötzlich hob diese die Hände und schleuderte Liwanag eine dunkle Wolke der Traurigkeit entgegen. Die Wolke war von solch undurchdringlicher Dunkelheit, dass Liwanag die Hütte mit der Alten nicht mehr sehen konnte. Da erinnerte sich Liwanag an den leuchtenden Blütenstaub. Schnell zog sie das Tuch hervor und streute den Blütenstaub in die Wolke, die von dem Leuchten durchdrungen wurde und sich schließlich auflöste. Erstaunt sah die Alte, dass Liwanag sich von der Wolke nicht hatte aufhalten lassen, doch ihr Herz war so versteinert und kalt, dass das Licht von Liwanag sie nicht berühren konnte. Liwanag zog die Vogelfeder aus ihrem Haar und bewegte sie langsam hin und her. Das Lied des Vogels begann zu schwingen und drang der Alten direkt in ihr kaltes Herz und sein Klang brachte das Herz zum Schwingen und das Eis zum Schmelzen. All der Schmerz, den die Alte viele Jahre in dem Eisherz eingeschlossen hatte, brach hervor und ein Schluchzen kam aus ihrer Kehle, doch es kamen keine Tränen und so konnte der Schmerz nicht fließen. Liwanag griff abermals in ihre Tasche und holte die Flasche mit dem Quellwasser hervor. Sie benetzte damit die Augen der Alten und diese erinnerten sich an die Tränen und endlich konnten sie aus dem Inneren fließen und nahmen den ganzen Schmerz vieler Jahre mit sich. Während die Alte weinte schien der Wald ein wenig lichter zu werden, doch die Traurigkeit blieb immer noch spürbar, wenn auch weniger stark. Liwanag fragte sich was denn zur Erlösung noch fehlte, da sah sie wie aus der Mitte der Alten eine jüngere Frau hervorkam. Diese Frau hatte die traurigsten Augen, die Liwanag je gesehen hatte und tiefes Mitgefühl ergriff ihr Herz. Liwanag fragte die Frau wie sie ihr helfen könne, doch diese schüttelte nur traurig den Kopf. Die Alte, deren Eisherz nun geschmolzen war, erzählte Liwanag jedoch die Geschichte. Die Frau war in ihrer Jugend so sehr in ihrem Selbstzweifel gefangen, dass sie sich der Liebe nicht würdig fand. Sie hatte wunderschönes Haar und einen Liebreiz, dessen sie sich selbst nicht gewahr war. Es gab so manchen Mann, der ihr Herz berühren wollte mit seiner Liebe, sie konnte diese jedoch nicht annehmen, da sie sich selbst nicht lieben konnte und meinte, dass sie die Liebe nicht verdiente. So verschloss sie ihr Herz vor der Liebe und die Traurigkeit hielt Einzug und drang in jede Zelle ihres Körpers ein. „Wie ©Ursula Reichetzeder August 2013 kann ich ihr helfen?“ fragte Liwanag die Alte. „Sie hat ihr Frausein nie angenommen, weil sie ihre Weiblichkeit im Inneren verleugnet. Bring ihr etwas, das ihr ermöglicht sich selbst als Frau, als weiblich, als Göttin zu fühlen und sie wird das Feuer der Weiblichkeit in ihrem Herzen finden.“ Liwanag wusste mit dieser Antwort nicht wirklich viel anzufangen, doch sie vertraute darauf, dass sie auch diesmal Hilfe bekommen würde und so machte sie sich wieder auf den Weg. Sie wanderte durch den nun nicht mehr ganz so dunklen Wald, doch es wollte sich nichts zeigen, das ihr weiterhelfen konnte. Tagelang irrte sie umher und die Hoffnung in ihr begann wieder zu schwinden. Müde legte sie sich eines Abends auf einer Lichtung nieder, als sie bemerkte, dass das Mondlicht einen ganz besonderen Glanz hatte. Es war Vollmond und das Licht des Mondes schien wie ein Scheinwerfer auf einen ganz speziellen Baum. Liwanag ging neugierig näher und betrachtete den Baum, da sah sie, dass dieser eine Öffnung bei seinen Wurzeln hatte. Sie kniete nieder und spähte in die Öffnung, da wurde sie eines näher kommenden Leuchtens aus dem Inneren gewahr. Kurz darauf stand eine wunderschöne Elfe vor Liwanag, die sie freundlich anlächelte. „Wie kann ich dir helfen?“ fragte die Elfe mit ihrer wunderschönen Stimme. Liwanag erzählte ihre Geschichte, obwohl sie nicht viel Hoffnung hegte, dass diese kleine Elfe ihr weiterhelfen konnte. Als Liwanag geendet hatte, lächelte die Elfe wieder, wies Liwanag an einen Augenblick Geduld zu haben und verschwand unter dem Baum. Kurz darauf kam sie mit einem wunderschönen Kleid zurück. Das Kleid passte kaum durch die Öffnung bei der Baumwurzel und Liwanag fragte sich wie diese kleine Elfe das große schwere Kleid tragen konnte, aber sie wagte es nicht zu fragen, da sie die Elfe nicht kränken wollte. Die Elfe merkte das Erstaunen Liwanags jedoch und zwinkerte ihr zu „die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen“, lächelte sie. „Dieses Kleid ist noch nicht fertig“, fuhr die Elfe fort „du musst während des abnehmendes Mondes jeden Morgen einen Tautropfen von dem Blatt eines Frauenmantelstrauches nehmen und ihn auf das Kleid legen. Dort wird jeder Tautropfen zu einem Edelstein. In der Neumondnacht vergräbst du das Kleid bei der Wurzel des Frauenmantelstrauches und in den Nächten des zunehmenden Mondes wäscht du das Kleid jeden Tag im Bach der dort drüben fließt und hängst es jede Nacht ins Mondlicht. Beim nächsten Vollmond kommst du wieder hierher und ich gebe dir das zweite Geschenk.“ Liwanag nahm das Kleid und verfuhr mit ihm die nächsten Wochen so wie die Elfe es ihr gesagt hatte. Beim nächsten Vollmond kam sie wieder zu dem Baum zurück, in der Hand das wunderschön weiblich fließende Kleid. Die Elfe wartete bei dem Baum auf Liwanag. „Ich sehe du hast das Kleid zum Leben erweckt“, lächelte die Elfe. „Häng es hier auf den Baum bis du auch die anderen Geschenke beisammen hast und mit ihnen zu der Hütte zurückkehrst.“ Liwanag tat wie ihr geheißen und blickte erwartungsvoll auf die Elfe. Die Elfe überreichte Liwanag eine kleine Blume „Diese ist die erste Blume für einen Blütenkranz“, sagte sie „pflücke jeden Tag genau so eine Blume und flechte einen Kranz daraus. Bedenke, jeden Tag nur eine Blume, sie sind ©Ursula Reichetzeder August 2013 nicht leicht zu finden, doch manchmal stehen auch zwei oder drei nebeneinander, nimm immer nur eine am Tag und jeden Tag von einer anderen Stelle des Waldes. Beim nächsten Vollmond sehen wir uns wieder.“ Liwanag tat wie ihr geheißen, suchte jeden Tag eine Blume, pflückte sie, flocht einen Kranz und kehrte beim nächsten Vollmond zu dem Baum zurück. Die Elfe war zufrieden mit der Schönheit des Blütenkranzes und wies Liwanag an den Kranz zu dem Kleid an den Baum zu hängen. „Nun fehlt noch eine Sache“, sagte die Elfe „suche nach einem Baum mit einer Frucht, so rot wie das Blut der Fruchtbarkeit, rund wie die weiblichen Hüften und nährend wie die weibliche Brust. Wenn du den Baum gefunden hast, schlafe die nächsten Nächte bei seinen Wurzeln und beim nächsten Vollmond pflückst du eine Frucht und kehrst damit zu mir zurück.“ Mit diesen Worten verschwand die Elfe unter dem Baum und ließ eine ratlose Liwanag zurück. „Rot wie das Blut der Fruchtbarkeit, rund wie die weiblichen Hüften und nährend wie die weibliche Brust“, murmelte sie vor sich hin während sie sich wieder auf den Weg machte. Tagelang streifte sie erfolglos bei ihrer Suche durch den Wald, doch plötzlich bemerkte sie einen süßen Duft, der in ihre Nase stieg. Sie folgte dem Duft und endlich fand sie einen kräftigen Baum, der voller süßer, roter Äpfel war. „Rot wie das Blut der Fruchtbarkeit, rund wie die weiblichen Hüften und nährend wie die weibliche Brust – ein Apfel, natürlich!“ jubelte Liwanag. Sie rastete unter dem Baum und schlief die nächsten Nächte bei seinen Wurzeln, immer den köstlichen Duft der Früchte in der Nase. In der nächsten Vollmondnacht pflückte sie einen Apfel und kehrte zu der Elfe zurück. Die Elfe wies Liwanag an nun mit diesen drei Dingen zu der Hütte zurückzukehren und sie der Frau mit den traurigen Augen zu übergeben. „Sag ihr, dass sie zunächst im Fluss baden soll, ehe sie beginnt die Symbole der Weiblichkeit die du ihr mitbringst anzunehmen. Sodann soll sie das Kleid anlegen und in sich hineinspüren, wie die außen angelegte Pracht des Kleides auch in ihr Einzug hält. Dann stecke ihr den Blütenkranz ins Haar und lass sie wieder spüren wie der Glanz der Blüten sie durchdringt. Zum Schluss reiche ihr den Apfel, sie soll ihn langsam, mit Bedacht und Genuss essen und mit jedem Bissen die nährende Kraft der Frucht aufnehmen. Was dann geschieht weiß ich nicht, aber es wird sie befreien.“ Liwanag bedankte sich bei der Elfe und machte sich auf den Weg zurück zur Hütte. Gemeinsam mit der Alten, die nun nicht mehr griesgrämig und verbittert war, überzeugten sie die Frau nach den Anweisungen der Elfe die Symbole der Weiblichkeit anzunehmen. Als diese den Apfel gegessen hatte, blieb sie ein Weilchen ruhig und in sich gekehrt sitzen, doch mit einem Mal sprang sie auf und begann zu tanzen. Es war ein wilder Tanz, die Frau sprang und schüttelte sich, sie stampfte und schrie und allmählich lösten sich kleine schwarze Wolken aus ihren Poren und verpufften in der Luft. Als die Frau den Tanz beendet hatte sah sie auf Liwanag und die Alte und die Traurigkeit war aus ihren Augen gewichen und zugleich entstieg ©Ursula Reichetzeder August 2013 ihrer Mitte ein kleines Mädchen mit derselben Traurigkeit in den Augen wie sie die Frau zuvor gehabt hatte. Wieder wurde Liwanag von Mitgefühl ergriffen und sie fragte das kleine Mädchen wie sie ihr denn helfen könne. Doch die Kleine lief ins Haus und versteckte sich unter einem Tisch. Die Frau, die noch atemlos von ihrem Tanz war, ergriff jetzt das Wort und sagte zu Liwanag „das kleine Mädchen hat nie Respekt und Wertschätzung erfahren. Niemand wollte sie, weil sie nicht der erhoffte Sohn und Erbe war, ständig schien sie im Weg zu sein und wurde immer nur ermahnt nur ja ruhig und unauffällig zu bleiben.“ „Aber wie kann ich ihr da helfen?“ fragte Liwanag wieder. „Du musst drei Sätze der Wertschätzung für sie finden. Geh aus dem Wald, geh in die Dörfer und Städte und höre den Menschen zu, ich hoffe du findest dort die drei Sätze. Liwanag machte sich also abermals auf den Weg, diesmal führte dieser aber aus dem Wald hinaus in die Dörfer und Städte. Sie war lange unterwegs und sie kam durch viele Dörfer und Städte doch nirgends hörte sie jemand einen Satz der Wertschätzung gegenüber einem kleinen Mädchen sagen. Endlich, nach einem Jahr, kam sie in ein Dorf, das ihrem eigenen Heimatdorf nicht unähnlich war und dort hörte sie wie eine Gruppe von Frauen ein neugeborenes Mädchen aufnahm mit den Worten: „Sei willkommen in unserer Mitte, du wundervolle, neugeborene Königin.“ Liwanag fühlte wie ihr warm im Herzen wurde und sie beschloss diesen Satz zu bewahren um ihn zu dem kleinen Mädchen zu bringen. Sie wanderte weiter auf der Suche nach den beiden anderen Sätzen, doch es dauerte wiederum ein Jahr bis sie erneut einen Satz der Wertschätzung hörte. Diesmal war es ein Kreis von Mädchen in deren Mitte ein kleines Mädchen stand, das in den Kreis aufgenommen wurde. „Du bist wichtig in diesem Kreis, niemand kann dich ersetzen und nichts kann das Band unserer Schwesternschaft jemals trennen.“ Liwanag fühlte auch diesen Satz tief in ihrem Herzen und bewahrte ihn dort. Noch einmal musste sie ein Jahr lang durch Städte und Dörfer wandern, ehe sie den dritten Satz fand. Es war ein Vater, der seine kleine Tochter auf dem Schoß hatte und zu ihr sagte: „Du bist mein Sonnenschein an jedem Tag, ich liebe dich.“ Liwanag bewahrte auch diesen Satz und kehrte endlich nach drei langen Jahren zu der Hütte zurück. Sie ging in die Hütte hinein wo das kleine Mädchen wieder unter dem Tisch saß und sie sagte den ersten Satz zu ihr: „Sei willkommen in unserer Mitte, du wundervolle, neugeborene Königin.“ Das Mädchen hob den Blick und kam langsam unter dem Tisch hervor. Dann sagte Liwanag den zweiten Satz: Du bist wichtig in diesem Kreis, niemand kann dich ersetzen und nichts kann das Band unserer Schwesternschaft jemals trennen.“ Diesmal trat das Mädchen zu der alten und der jüngeren Frau und fasste beide an den Händen. Nun sprach Liwanag den dritten Satz: „du bist mein Sonnenschein an jedem Tag, ich liebe dich.“ Da begann das kleine Mädchen zu strahlen und mit ihm die beiden Frauen. Das Strahlen wurde so hell, dass Liwanag sich geblendet die Hände vor die Augen hielt. Als sie langsam durch die Hände ©Ursula Reichetzeder August 2013 blinzelte sah sie dass die Hütte verschwunden war und auch der Wald viel lichter geworden war. Sie nahm die Hände von den Augen und plötzlich sah sie, dass vor ihr ein großer Spiegel stand und in dem Spiegel sah sie nicht nur sich selbst, sondern auch das kleine Mädchen, die beiden Frauen und die Reisende, die sie auf den Weg geschickt hatte die drei von der Traurigkeit zu erlösen. Und mit einem Mal begriff sie, dass sie selbst all diese Menschen in sich trug und dass es ihre eigene Traurigkeit gewesen war, die sie erlöst hatte. Tränen der Freude und Dankbarkeit liefen ihr über die Wangen. Sie trat auf den Spiegel zu und, ging hindurch und stand mitten in ihrem Dorf. Sie blickte sich um und erkannte die Freude in den Gesichtern der Menschen in ihrem Dorf, die so lange darauf gewartet hatten, dass Liwanag aus ihrer Traurigkeit zu ihnen zurückfinden würde. Und sie feierten ein großes Fest zu Ehren Liwanags und zu Ehren von allen, die den Mut fanden und noch finden würden den Weg durch Traurigkeit und Schmerz zu ihrem eigenen Herzen zu gehen. ©Ursula Reichetzeder August 2013