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Universität Leipzig, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Erwägungsseminar, 15.05.2015
Protokoll der 5. Sitzung im SS 2015 am 15.05.2015
Beginn: 09.15 Uhr
Ende: 10.45 Uhr
Ort: WiFa Grimmaische Sr. 12, SR 7
Protokoll: F. Fehlberg
Anwesende: 6 Studierende; 2 Dozenten: F. und G. Quaas; 1 Protokollant: F. Fehlberg
TOP:
1. Protokollbestätigung
2. Diskussion der Quelle (Kapitel 5 aus Piketty: Das Kapital)
3. Vorbereitung der nächsten Sitzung
TOP 1 – Protokollbestätigung
Das Protokoll der Sitzung vom 08.05.2015 (Protokollant G. Quaas) wird einstimmig bestätigt.
TOP 2 – Diskussion der Quelle (Kapitel 5 aus Piketty: Das Kapital)
a) Ein „langfristig geltendes Gesetz“? – β = s/g
Das Eingangsstatement stellt die von Piketty entworfene Gleichung β = s/g in den
Mittelpunkt. Piketty unterscheide dieses „zweite fundamentale Gesetz des Kapitalismus“
(219) von dem bloß rechnerischen Zusammenhang α = r × β. Danach ergebe sich das KapitalEinkommens-Verhältnis (KEV) einer Volkswirtschaft β aus dem Verhältnis ihrer Sparquote s
und ihrer Wachstumsrate g. Piketty mache allerdings einige implizite und explizite
Einschränkungen, welche die Geltung des Gesetzes beeinflussten.
Zunächst schreibe Piketty dem Gesetz eine historische Dimension zu: „Es dauert mehrere
Jahrzehnte, bis das Gesetz β = s/g gilt.“ (222). Gelte das Gesetz α = r × β laut Piketty „zu
allen Zeiten“, so sei der Zusammenhang β = s/g also temporär bedingt. Piketty setze damit
implizit voraus, dass sich dieser Zusammenhang aus einer Entwicklung des wirtschaftlichen
Gleichgewichts heraus ergebe und treffe demnach über diese Entwicklung eine analytische
Aussage.
b) Wie kommt Piketty auf β = s/g?
Weniger
in
seinem
Buch
als
in
dessen
Technischen
Anhang
(http://piketty.pse.ens.fr/files/capital21c/en/Piketty2014TechnicalAppendix.pdf, S. 28) sei
Pikettys Herleitung von β = s/g erklärt. An der Tafel versucht die Gruppe, diese Herleitung
nachzuvollziehen. Dabei werden Pikettys „intuitive“ Annahmen und seine „schwammige“
Formulierung kritisiert. So setze er in seiner Formelsprache „W“ (wealth/Wohlstand) anstatt
des üblichen „K“ als Zeichen für den Kapitalstock ein, wobei der Hintergrund unklar bleibe.
Sei t die Produktionsperiode, ergebe sich bei Piketty folgender Zusammenhang zwischen
Kapitalstock W, Ersparnissen S bzw. Sparquote s, Wachstumsrate g und dem KEV β:
(1) Wt+1 = Wt + St
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(erweiterter Kapitalstock ist die Summe des Kapitalstocks + Ersparnisse)
(2) βt+1 = βt x (1+st/βt)/(1+gt)
(3) β = s/g
(Gleichgewichtszustand; unter der Voraussetzung, dass st und gt sich auf einem gegebenen
Stand stabilisieren)
Es wird festgestellt, dass Piketty bei seinen Annahmen grundsätzlich von der Gleichsetzung
von Investitionen mit Ersparnissen ausgeht (I = S). Auf dieser Grundlage ist eine andere
Herleitung von β = s/g möglich (Y = Einkommen; C = Konsum):
(4) s/g = ((Y-C)/Y) / (I/K)
(die Sparquote ist der nicht-verbrauchte Anteil des Einkommens; die Wachstumsrate ist das
Verhältnis von Investition zum Kapitalstock)
(5) (4) = s/Y × K/I
(6) (5) = K/Y
(7) β = s/g = K/Y
(das KEV nach Piketty ergibt sich also nur unter der Bedingung I = S)
c) Erneut: Die Bedeutung der Sparquote in Pikettys Aussagen
Kann die Sparquote als konstante Größe angenommen werden (Solow) bzw. steigt sie bei
wachsender Konzentration des Kapitals an? Das Wachstum könne die Sparquote zumindest
bei Solow nicht beeinflussen und sei exogen begründet (z.B. Technologie). Bei einem stabilen
Kapital-Arbeits-Verhältnis (KAV) müsse doch die Sparquote sogar sinken. Nicht die
Kapitalbesitzer bestimmten somit letztlich die Sparquote, sondern die (zunehmende) Masse
der Konsumenten.
Dagegen wird angeführt, ein zunehmendes KEV führe doch – obwohl Piketty dies nicht
explizit sage – zu einem wachsenden Anteil der Kapitaleinkommen. Dieser führe – da
konzentriert bei Wenigen – schließlich doch zu einer steigenden Sparquote und damit
wiederum zu einem höheren KEV. Die Frage wird gestellt, ob hier nicht das „Gesetz der
fallenden Lohnquote“ (Karl Rodbertus) von Piketty angedeutet sei. Doch diese Fragen
könnten nur im weiteren Verlauf der Lektüre beantwortet werden, da Piketty dem KAV und
seinen verteilungsökonomischen Wirkungen auf das KEV keine größere Erörterung widme.
d) Das KEV als Indikator? – Die Bedeutung der Preise und Blasenbildung
Obwohl Piketty kaum konkrete Aussagen zur Interpretationsfähigkeit des KEV treffe, spare er
nicht mit missverständlichen Andeutungen. Zunächst setze er eine proportionale
Preisentwicklung für Vermögens- und Verbrauchspreise voraus, um sein Gesetz β = s/g zu
formulieren (223). Eine Zunahme des KEV durch Preisverzerrungen bzw. eine Rückwirkung
des KEV auf Preisentwicklungen scheine damit zunächst ausgeschlossen. Andererseits erkläre
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Piketty aber auch, das Volkswirtschaften
Immobilienblasen neigten (255).
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mit hohen KEV verstärkt bspw. zu
Einen direkten Zusammenhang zwischen dem KEV und Preisverzerrungen bzw.
Blasenbildungen an den Finanzmärkten kann die Gruppe zunächst nicht einheitlich feststellen.
Zum einen seien bspw. Finanzblasen eher von einzelnen Spekulanten hervorgerufen, da es
nicht im Interesse der meisten Kapitalbesitzer liege, die Preisbildung für kurzfristige Gewinne
zu verzerren bzw. zu stören.
Zum anderen hingen die Preisverzerrungen von Nachfrage-Gegebenheiten ab, die nicht
zuletzt auf die Verteilung von Vermögen und Einkommen zurückgingen. So sei etwa die
„Realrendite“ („produktive“ Wirtschaft) von der „Finanzrendite“ (Wertpapierhandel und
Immobilienspekulation) zu unterscheiden. Letztere böten in hochentwickelten Gesellschaften,
die auch ein sehr hohes KEV aufwiesen, aufgrund des strukturellen Nachfragedefizits
(wirksame Nachfrage, Kaufkraftverteilung) größere Gewinnaussichten als realwirtschaftlich
basierte Unternehmungen bzw. Investitionen. Die Gefahr von Blasen würde also bei höheren
KEV systematisch steigen, zumal, wenn man das KAV nicht als stabil bei 70/30 annehme.
Die Diskussion läuft auf individualwirtschaftliche (Einzelverhalten großer Kapitalbesitzer)
und systemische (ein hohes KEV zeigt doch eine Wirkung auf die Krisenanfälligkeit)
Erklärungsversuche von Preisverzerrungen bzw. Blasen heraus.
TOP 3 – Vorbereitung der nächsten Sitzung
Die Diskussion zur Quelle der 5. Sitzung wird als abgeschlossen betrachtet. Bis zur nächsten
Sitzung am 22.05.2015 sollen das 6. und 7. Kapitel aus Pikettys „Kapital“ gelesen werden.
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