Spezifische Konzepte für die Depressionsbehandlung Kurs 55/2006 30.10. - 31.10.2006 Referent: Hans-Werner Stecker Stationäre Behandlung mit den Mitteln der Psychotherapie am Beispiel der Depressionsstation Langenfeld – Behandlungskonzept – psychotherapeutische Behandlung durch Interpersonelle Psychotherapie (IPT) Übersicht 1. Versorgungsstrukturen – Biologisches Behandlungskonzept – Sozialpsychiatrie – psychotherapeutische Psychiatrie? 2. Kriterien / Ziele stationärer Behandlung – warum stationäre Behandlung? 3. Behandlungskonzept Depressionsstation – welche Teile hat das Ganze? 4. psychotherapeutische Behandlung – Praxis der interpersonellen Psychotherapie (IPT) www.hwstecker.de 2006 3 Grundsatz der kognitiven Verhaltenstherapie unser Erleben und Handeln wird nicht durch Tatsachen bestimmt sondern durch unsere Gedanken, die wir darüber haben zitiert nach Epiktet, dem Vertreter der griechischen Philosophie der Stoa (um 100 n. Chr.) www.hwstecker.de 2006 4 Behandlungskonzepte Biologische Psychiatrie Allgemeinstationen Sozialpsychiatrie: Sektorstationen Psychotherapeutische Psychiatrie: Spezialstationen www.hwstecker.de 2006 5 Behandlungskonzepte Reguläre Versorgung Depressiver: nach einem eher biologisch orientierten Behandlungskonzept auf allgemein psychiatrischen Stationen für ein Einzugsgebiet ??? (Sozialpsychiatrie) ein Modell von gestern für morgen? www.hwstecker.de 2006 6 Behandlungskonzepte biologisch orientierte Behandlung www.hwstecker.de 2006 7 Biologisches Behandlungskonzept Grundgedanken: (vereinfacht dargestellt für „Major Depression“) Patienten sind instabil wegen ihrer depressiven Stimmungslage Ursachen: – Störung im Stoffwechsel der Neurotransmitter Mittel der Behandlung: – Medikamente und weitere biologische und begleitende Maßnahmen (Ergotherapie, ...) Ziel: – kurzfristige medikamentöse Einstellung und Stabilisierung – Entlassung in medikamentöse Weiterbehandlung www.hwstecker.de 2006 8 Biologisches Behandlungskonzept Die Behandlung besteht in der ärztlichen Verordnung – von Arznei Relevant für die Kassen: nur Arznei!! und weiteren biologischen Maßnahmen (EKT, Lichttherapie, Akupunktur, …) – und weiteren begleitenden oder unterstützenden Maßnahmen wie Ergotherapie, Gruppentherapie, Musiktherapie, Sozialarbeit, … – (auch die Psychotherapie wird hier verstanden als „unterstützende Maßnahme“!) www.hwstecker.de 2006 9 Biologisches Behandlungskonzept Das Behandlungskonzept für Depression gleicht dem einer somatischen Erkrankung Die Betrachtung und die Behandlung zielen nur auf den einzelnen Patienten Patienten verschiedener Störungsbilder werden nebeneinander behandelt – die „chronische Schizophrenie“ neben der „akuten Paranoia“ und der „Depression“ – Ähnlich wie der „Blinddarm“ neben der „Niere“ liegt www.hwstecker.de 2006 10 Biologisches Behandlungskonzept Wesentliche Aufgabe der Station: günstige Bedingungen schaffen, damit der Patient die verordneten Maßnahmen befolgt und insbesondere die Arznei einnimmt (Compliance) ständige Beobachtung des Patienten Möglichkeit zur unmittelbaren Intervention bei eintretenden Krisen das Management der Station dient der Versorgung und der Deeskalation: möglichst keine Konflikte www.hwstecker.de 2006 11 Biologisches Behandlungskonzept Die „Mitarbeit“ des Patienten beschränkt sich darauf, – die ärztlichen Verordnungen zu befolgen (Arznei zu nehmen) – sein Befinden mitzuteilen, – und geduldig auf Besserung zu warten. Der Handelnde ist allein der Arzt. www.hwstecker.de 2006 12 Krankheitsverständnis Patienten lernen daraus: Depression ist eine Stoffwechselkrankheit und ähnelt einer Blinddarmentzündung: – – – – – Sie ist entstanden ohne ihr Zutun möglicherweise als Veranlagung durch sie nicht zu beeinflussen kommt möglicherweise wieder Patienten sind dem hilflos ausgeliefert Gelernte Hilflosigkeit wird verstärkt (Konzept von Seligman) Chronifizierung wird gefördert www.hwstecker.de 2006 13 Behandlungskonzepte biologisch / sozialpsychiatrisch orientierte Behandlung www.hwstecker.de 2006 14 Sozialpsychiatrie Grundgedanken: psychische Erkrankungen sind „endogen“ und einer Heilung nicht zugänglich sie nehmen einen chronischen Verlauf Bedingungen (Stress) des normalen Alltags überfordern vulnerable Menschen Patienten verlieren ihre soziale Einbindung und benötigen spezielle Hilfen – die Anbindung in ein soziales Netzwerk – alternative Beschäftigungs- und Lebensformen www.hwstecker.de 2006 15 Sozialpsychiatrie Folge: komplementäre Dienste entstehen – sozialpsychiatrische Zentren – psychosoziale Trägervereine stationäre Behandlung in enger Kooperation mit örtlichen Trägern – Helferkonferenzen Behandlung auf Stationen, die sich am Wohnort orientieren (Sektorstationen) – Sektorisierung großer Kliniken www.hwstecker.de 2006 16 Sozialpsychiatrie Diese grundlegende Denkweise entspricht nicht mehr dem Stand wissenschaftlicher Forschung ist nicht auf alle psychischen Störungen übertragbar. – Insbesondere depressive Patienten leben in der Regel in einem differenzierten sozialen Netz – und sind in gesunden Zeiten normal belastbar Depression ist bei entsprechender Behandlung und Mitarbeit des Patienten grundsätzlich heilbar www.hwstecker.de 2006 17 Biologisches Behandlungskonzept Problem 1: weniger Zeit Diese Behandlung lässt sich gegenüber Kassen nur noch sehr begrenzt zeitlich rechtfertigen Die Verweildauer sinkt dramatisch Bei weiter steigenden Fallzahlen www.hwstecker.de 2006 18 Biologisches Behandlungskonzept Problem 2: weniger Beziehung zwischen Aufnahme und Entlassung besteht kaum noch Zeit zur Gestaltung der Beziehung zum Patienten formale Aufgaben nehmen proportional zu unter diesen Bedingungen werden die Möglichkeiten für – psychiatrische Pflege und – Psychotherapie zunehmend fragwürdig www.hwstecker.de 2006 19 Biologisches Behandlungskonzept Ein Zitat: „Beziehungsgestaltung und Beziehungspflege stellt eines der begründenden Konzepte psychiatrischer Pflege dar. Vor diesem Hintergrund ist die Verkürzung der Verweildauer eine zunehmende Bedrohung für das gegenwärtige Leistungsprofil psychiatrischer Pflege.“ M. Schulz: Neuorientierung und Paradigmenwechsel: Psychiatrische Pflege im Umbruch Vortrag im Rheinisches Institut für Fort- und Weiterbildung in der Psychiatrie ( RIPS), April 2005 www.hwstecker.de 2006 20 Biologisches Behandlungskonzept Problem 3: weniger Patienten Nicht alle Patienten erleben dieses Konzept für sich als angemessen bezüglich – der Behandlung ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Probleme – der Unterbringung auf einer allgemeinpsychiatrischen Station Einige Patientengruppen bleiben weg oder brechen die Behandlung frühzeitig ab www.hwstecker.de 2006 21 Patientenzufriedenheit Untersuchung Härter 2004: Therapeutische Maßnahmen, bei denen die therapeutische Beziehung und interpersonelle Kontakte im Vordergrund standen, wurden als besonders hilfreich empfunden. Für 39,9% aller Patienten waren das wichtigste Element die einzeltherapeutischen Gespräche Von 10,3% am zweithäufigsten wurde der Aspekt des „sich mit seinen Problemen verstanden/ernst genommen fühlen" genannt erst an 3. Stelle folgte die medikamentöse Behandlung. www.hwstecker.de 2006 22 Biologisches Behandlungskonzept insbesondere Patienten in der Erstbehandlung – fühlen sich allein gelassen mit ihrem Problem – mit der Situation, in der „Psychiatrie“ zu sein – und konfrontiert mit ihnen unbekannten Störungsbildern – unterschiedlicher Bereitschaft und Fähigkeit zur Mitarbeit – und unterschiedlichen sozialen Hintergründen Standard einer Zwergschule: alle Schüler in einer Klasse www.hwstecker.de 2006 23 Biologisches Behandlungskonzept Problem 4: weniger Erfolg Dieses Konzept ist Ausdruck einer verkürzten Sichtweise – in Diagnostik – und Behandlung Es wird der Besonderheit psychischer Störungen nicht gerecht, – der multifaktoriellen Bedingtheit – den besonderen Bedingungen der stationären Behandlung psychischer Störungen – dem Bedürfnis vieler Patienten www.hwstecker.de 2006 24 Behandlungserfolg Untersuchung Härter 2004 Den höchsten Behandlungserfolg erzielte eine Kombination aus Psychopharmako- und Einzelpsychotherapie, gefolgt von Kombination mit Gruppentherapie Verweildauer von im Durchschnitt 77,4 Tage. Es gibt gewichtige Hinweise, dass eine Psychotherapie langfristig zu einer Stabilisierung der Patienten beiträgt und das Rückfallrisiko verringert www.hwstecker.de 2006 25 Behandlungskonzepte psychotherapeutisch orientierte Behandlung www.hwstecker.de 2006 26 Konzept Depressionsstation Es gibt unterschiedliche Konzepte oder Denkweisen für Spezialstationen Vorstellbar wäre eine Station nur für depressive Patienten – auf denen nach biologischem Konzept – nur medikamentös behandelt wird Das ist nicht gemeint www.hwstecker.de 2006 27 Konzept Depressionsstation Depressionsstation meint hier: integratives psychotherapeutisch orientiertes Behandlungskonzept auf einer Spezialstation für Patienten mit depressiven Störungen ein Modell der Zukunft im gegenwärtigen Gesundheitssystem www.hwstecker.de 2006 Kosten ? 28 Zielvorstellung Eine Vorbemerkung: Im gegenwärtigen Gesundheitssystem wird sich Psychiatrie verändern. Ziel – Integrativ (multiprofessionelles Team) – Integriert (Sektoren ambulant / stationär überwinden) stationäre Behandlung wird eingebettet in ein komplexes Behandlungs-Netzwerk So weit sind wir noch nicht!! www.hwstecker.de 2006 29 Warum Depressionsstation? Integrativ bedeutet: die Verbindung verschiedener Sichtweisen der einzelnen Berufsgruppen in Diagnostik und Behandlung: – Pflege – Arzt – Psychotherapeut – Sozialarbeiter – Ergotherapeut, weitere therapeutische Berufsgruppen Vorteil: schneller und besser für Diagnostik und Therapie bei multifaktoriellen Störungen www.hwstecker.de 2006 30 Warum Depressionsstation? Integrative Behandlung entspricht dem heutigen Verständnis der Depression als einer multifaktoriell bedingten Störung (Behandlungsleitlinien) www.hwstecker.de 2006 31 Warum Depressionsstation? integriert kann künftig bedeuten: – fließender Übergang zwischen ambulant und stationär – Die Klinik stellt ein Kompetenzteam bereit, das stationär, teilstationär und ambulant behandelt Vorteil: – Kontinuität in der Behandlung: Patient hat ambulant wie stationär mit denselben Personen zu tun. – – – – doppelte Untersuchungen entfallen vollstationäre Behandlung wird weiter verkürzt Reduzierung der Kosten, Qualitätsgewinn für Patienten www.hwstecker.de 2006 32 Depressionsstation Depressionsstation kann bedeuten: erweiterte multiprofessionelle Diagnostik – im psychiatrisch / psychotherapeutischen Kontext erweiterte multiprofessionelle Behandlung mit erweiterten und spezielleren Aufgaben für alle Berufsgruppen im multiprofessionellen Team und für den Patienten www.hwstecker.de 2006 33 sozialrechtliche Bedeutung Psychotherapie in diesem Verständnis nicht mehr „begleitende Maßnahme“ sondern eigenständige Heilbehandlung im Rahmen der Akutbehandlung gleich zu setzen der Pharmakotherapie (siehe § 27 SGB V, § 36 KHG-NRW) und von den Kassen anzuerkennen www.hwstecker.de 2006 34 Depressionsstation Einige Patienten lehnen Psychopharmaka ab Sie wollen eine Behandlung nur mit den Mitteln der Psychotherapie und erweiterten Maßnahmen (Ergotherapie, Sporttherapie, usw.) Grundsätzlich ist dies auch bei schweren Depressionen im geschützten Rahmen einer stationären Behandlung möglich www.hwstecker.de 2006 35 Depressionsstation Ergebnisse der Therapieforschung in der Behandlung von Depressionen zeigen: körperliches Belastungstraining in Verbindung mit Psychotherapie ist gleich wirksam wie Pharmakotherapie u. a.: Untersuchung von Rau in Bielefeld www.hwstecker.de 2006 36 Depressionsstation Vorteil: Patienten erleben die Bewältigung ihrer Krise als Ergebnis ihrer eigenen Leistung Erfahrung, Probleme bewältigen zu können steigert das Selbstvertrauen und die Zuversicht, auch künftig das Leben meistern zu können Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit erneuter Depression www.hwstecker.de 2006 37 Psychotherapie Psychotherapeutische Diagnostik heißt: aktuelle depressive Störung im Kontext sehen – zur Persönlichkeit des Patienten und seinen speziellen Eigenschaften im Denken und Verhalten zu den einzelnen Bedingungen seiner Sozialisation (frühe Verluste, Traumatisierungen, weitere Lernerfahrungen) zu seinem aktuellen sozialen Umfeld zu möglichen aktuellen Auslösern (Arbeitslosigkeit, Trennung, Berentung, ...) www.hwstecker.de 2006 38 Psychotherapie Psychotherapeutische Diagnostik ist ein Prozess mit dem Ziel: – gemeinsam mit dem Patienten (und ggf. seinen Angehörigen) – ein Verständnis für die Ursachen seiner Erkrankung zu erarbeiten – und Möglichkeiten zur Veränderung zu finden – und in ersten Ansätzen zu erproben durch – ausführliche Anamneseerhebung – Gespräch mit Angehörigen und/oder Bezugspersonen – Beobachtung im sozialen Kontext der Station www.hwstecker.de 2006 39 Psychotherapie Erweiterte Behandlung heißt: – Einbeziehung aller Berufsgruppen in Fallbesprechungen und Supervision mit gemeinsamer Planung des Vorgehens – psychiatrische Behandlungspflege – Gestaltung eines therapeutischen Milieus – spezielle psychotherapeutische Arbeit in Gruppen und im Einzelgespräch und weitere therapeutische Angebote www.hwstecker.de 2006 40 Psychotherapie Therapeutisches Milieu heißt: – der einzelne Patient ist Teil der Gesamtgruppe – gemeinsame Aktivitäten und Kontakte untereinander werden gefördert (Aktivierung) – der Einzelne orientiert sich am positiven Modell seiner Mitpatienten (Lernen am Modell) – Patienten werden ermuntert, aktiv an sich zu arbeiten (Selbstmanagement) – in Stationsbesprechungen werden Einzelne nach ihren Erfolgen befragt (Lösungsorientierung) – Konflikte im Stationsalltag sind willkommen (Konfrontation im Trainingsfeld) www.hwstecker.de 2006 41 Psychotherapie Der einzelne Patient lernt dadurch implizit: – seine Depression hängt zusammen mit seinem inneren und äußeren Verhalten: mit der Art seines Denkens und Fühlens und wie er seine Beziehungen gestaltet – Es wird ihm bewusst, dass er dies in gewissem Rahmen verändern kann dass er dadurch nicht nur sich selbst verändert, sondern auch auf seine Umwelt einwirkt was zu entsprechenden Reaktionen führen kann (Du warst doch sonst immer so lieb!). www.hwstecker.de 2006 42 Psychotherapie Der einzelne Patienten lernt dadurch: Sein aktuell depressives Zustandsbild und seine Empfänglichkeit für depressive Verarbeitungsmuster – werden sich langfristig nur dann verändern, – wenn er die Art seines Denkens und die seiner Beziehungsgestaltung verändert. Dies erfordert implizit auch eine Aufarbeitung unbewusster früher Lernerfahrungen, die das aktuelle Verhalten prägen (analytisches Modell) www.hwstecker.de 2006 43 Depressionsstation Patienten erleben diesen Prozess als eine direkte Hilfe in der Auseinandersetzung mit ihrem Problem, – die zugleich eine harte Arbeit (mit viel Tränen) erfordert. Patienten erkennen, dass sie selbst durch Veränderung profitieren Es wächst die Bereitschaft, diesen Prozess in einer längerfristigen ambulante Psychotherapie fortzusetzen www.hwstecker.de 2006 44 Depressionsstation Patienten, die von Sektorstationen auf die Depressionsstation verlegt werden – erleben das Milieu der Station als angenehmer – sind nicht mehr befremdet über die Erlebens- und Verhaltensweisen der Mitpatienten Sie fühlen sich verstanden und aufgehoben – in der Gemeinschaft der Patienten – Sie profitieren von den therapeutischen Erfahrungen der Mitpatienten – und der Hilfestellung durch alle beteiligten Berufsgruppen www.hwstecker.de 2006 45 Depressionsstation Problem: Patienten können sich überfordert fühlen – durch die Konfrontation mit ihren grundlegenden Konflikten im Gruppenprozess im stationären Alltag – durch das hohe Niveau der Mitpatienten im therapeutischen Prozess – durch den Veränderungsdruck www.hwstecker.de 2006 46 2. Kriterien und Ziele stationärer Behandlung auf einer Depressionsstation www.hwstecker.de 2006 47 Kriterien / Ziele stationären Akutbehandlung depressiver Patienten kann nicht bedeuten: – Jeden depressiven Patienten aufnehmen und – ihn so lange behandeln, bis er von seiner Depression geheilt ist denn: www.hwstecker.de 2006 48 Kriterien / Ziele Grundsätzlich gilt: ambulant vor stationär Es muss begründet sein, warum ein Patient eine stationäre Behandlung benötigt – § 39 SGB V: Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. – Also auch dann, wenn notwendige ambulante Versorgung nicht gewährleistet werden kann www.hwstecker.de 2006 49 Kriterien / Ziele Im weiteren ist abzugrenzen: Akutbehandlung im Krankenhaus – Die Behandlung durch Ärzte und Psychotherapeuten steht im Vordergrund und verlangt eine ständige Präsenz der Behandler Rehabilitationsbehandlung in stationärer Rehabilitationseinrichtung – Behandlung kann unter ärztlicher Verantwortung im wesentlichen auch durch Heilmittel erfolgen (Ergotherapie und weitere therapeutische Angebote) www.hwstecker.de 2006 50 Kriterien / Ziele Psychotherapie als Krankenhausbehandlung: Ständige ärztliche / psychotherapeutische Präsenz Ein multiprofessionelles Behandlungsteam mit einem dichten therapeutischen Angebot Fähigkeit und Bereitschaft des Patienten – sich auf diese Behandlung einzulassen – zunehmend selbst die Verantwortung für seine Therapie zu übernehmen und – aktiv mitzuarbeiten www.hwstecker.de 2006 51 Kriterien / Ziele Instabilität in der Person oder dem Umfeld des Patienten – Suizidalität, Panikstörung – Instabiles häusliches / familiäres Umfeld Komplexes Krankheitsbild / Bedingungsgefüge – Somatisierung – Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen, Ängsten, Zwängen, Sucht Fehlende Krankheitseinsicht bzw. Verständnis der Depression und ihrer Behandlung www.hwstecker.de 2006 52 Kriterien / Ziele Ziel: Den Patienten stabilisieren Mit ihm zusammen ein Verständnis seiner Depression entwickeln Eine erste Erfahrung der Wirksamkeit therapeutischer Maßnahmen ermöglichen und Ihn damit motivieren und vorbereiten auf eine ambulante medizinisch / psychotherapeutische Weiterbehandlung www.hwstecker.de 2006 53 3. stationäres Behandlungskonzept einer Depressionsstation am Beispiel Rheinische Kliniken Langenfeld www.hwstecker.de 2006 54 www.hwstecker.de 2006 55 www.hwstecker.de 2006 56 Vorbereitung des Teams Besuche anderer Depressionsstationen Entwicklung des Stationskonzeptes – – – – Konzept als Regelbehandlung (Psych-PV) Sollbetten: 20 Einrichtung der Räumlichkeiten Einrichtung eines Gruppenraumes auf der Station Beleuchtung Overheadprojektor, Beamer Stereoanlage, Lichttherapie, Aromatherapie Kuschelecke, Relaxsessel, Hocker www.hwstecker.de 2006 57 Küche / Speise- u. Aufenthaltsraum www.hwstecker.de 2006 58 Aufenthalts- / Besuchsräume www.hwstecker.de 2006 59 Gruppenraum www.hwstecker.de 2006 60 Vorbereitung des Teams Fortbildung in interpersoneller Psychotherapie (IPT) in Freiburg – Teilnehmer: Arzt Psychologe Sozialarbeiter Teile des Pflegeteams Weiterführung der Fortbildung – in Teamgesprächen und Supervision unter Einbeziehung der Ergotherapie, Tanztherapie und jeweils neuer Mitarbeiter www.hwstecker.de 2006 61 Depressionsstation Problem: stationäres Behandlungskonzept erfordert Übereinstimmung der Mitarbeiter hinsichtlich der Konzeption verfolgen Mitglieder im Team andere Konzepte: Ergänzung oder www.hwstecker.de 2006 Stress 62 Depressionsstation ergänzende Fortbildungen des Pflegepersonals – – – – – – – Aromatherapie PMR Genusstraining Achtsamkeit Akupunktur Psychoedukation Ernährung, Deeskalationstraining, Wen Do www.hwstecker.de 2006 63 Definition der Patientengruppe Aufnahmekriterien: – Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung – depressive Syndrome unterschiedlicher Genese einschl. suizidaler Krisen bei Absprachefähigkeit Entgiftung von Psychopharmaka bzw. Analgetika auf der Station Alkoholentgiftungen vorher auf der Suchtstation – unabhängig von Geschlecht, Alter, Wohnort www.hwstecker.de 2006 64 Definition der Patientengruppe Ausschlusskriterien – aktuelle manische Episode – depressive Syndrome bei Vorliegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, – schwere hirnorganische Beeinträchtigungen, Minderbegabung – hochgradige körperliche Hilfs- und Pflegebedürftigkeit. www.hwstecker.de 2006 65 Patientengruppe Problem: Im Einzelfall kann sich erst im Verlauf herausstellen, dass ein Patient nicht den Auswahlkriterien entspricht – eher schizophrene Störung im Vordergrund – ausgeprägte Borderline-Struktur Häufig zeigen sich komorbide Störungen als Grundlage der aktuellen depressiven Störung Lösungsversuch: – möglichst Kontinuität in der Behandlung – Anpassung der Therapie / keine Verlegung www.hwstecker.de 2006 66 Definition der Station Station für Regelbehandlung – Einbindung in die Abteilung Gerontopsychiatrie Vorteil: Mitbehandlung internistischer Erkrankungen Internistin gehört mit zur Abteilung Personalschlüssel: – – – – – 9 Pflegekräfte 1 Fachärztin als Stationsärztin 0,7-1 Psychologischer Psychotherapeut 0,5 Sozialarbeiterin Ergotherapeutin, Musiktherapeutin, Sporttherapeutin, Physiotherapeutin www.hwstecker.de 2006 67 Depressionsstation Dienstgestaltung Pflegepersonal: Prinzip der Bezugspflege Stationsschwester nur Tagdienst an Werktagen Kontinuität: sie bekommt alles mit Nachtwache, Dienst an Wochenenden – teilweise sind Kollegen an Werktagen nicht da Pflegepersonal ist in Gesprächen beteiligt – teilweise in Einzelgesprächen, – regelhaft in Familiengesprächen Patient erlebt Behandlung als eingebunden in das gesamte Team www.hwstecker.de 2006 68 Aufnahmeroutine Patienten melden sich auf der Station oder in der Aufnahme Vorstellungsgespräch in der Aufnahme durch Aufnahmeärztin – Diagnoseabklärung – bei Zuständigkeit – Besuch der Station zum kennen lernen – Aufnahme in Warteliste Wenn Platz frei wird, wird Pat. Von Station informiert Aufnahme über Aufnahmearzt www.hwstecker.de 2006 69 Phasen der Behandlung Entlassung 1 Woche Behandlung 4 Wochen Eingewöhnung 1 Woche www.hwstecker.de 2006 70 1. Eingewöhnung / Ruhephase Beziehungsaufnahme zu Bezugstherapeuten und Bezugspflege Kontaktaufnahme zu Mitpatienten Information zum Behandlungsverlauf Zuweisung der Krankenrolle / Verordnung von Ruhe und Erholung umfassende multiprofessionelle Diagnostik jede Berufsgruppe für sich in Absprache Fallbesprechung Zusammenführung der Befunde / Therapieplanung Therapievereinbarung mit dem Patienten Depressions- Informationsgruppe (DIG) www.hwstecker.de 2006 71 2. Behandlungsphase Aufbau einer tragfähigen Beziehung Gruppenprogramm Aktivierung (Interessen finden, Stadtausgang) Steigerung der positiven Selbstwahrnehmung Stärkung von Eigenverantwortung / Selbstmanagement (Therapietagebuch, Ziele setzen, eigene Schritte) Förderung sozialer Kompetenzen im Stationsalltag (Konflikte sind erwünscht !) Einzelgespräche / Familiengespräche Belastungserprobungen (Wochenende zu Hause: konkrete Ziele, Umsetzung neuer Erfahrungen) www.hwstecker.de 2006 72 3. Entlassungsphase Außenorientierung Entlassungsplanung Entwicklung von Zielvorstellungen für weiterführende ambulante psychotherapeutische Behandlung – ggf. Anbindung an ambulante Hilfen – ggf. Hilfen zur Arbeitsaufnahme erweiterte Belastungserprobung Abschied nehmen ggf. Tagesklinikstatus: Weiterführung des Therapieprogramms in teilstationärer Behandlung auf der Station www.hwstecker.de 2006 73 Aufteilung in 2 Gruppen Problem: Alle Patienten sind depressiv, aber Patientengruppe nicht homogen – hinsichtlich ihrer komorbiden Erkrankungen Persönlichkeitsstörung im Vordergrund Medikamentenentzug somatische Komorbidität – ihrer konkreten Problemsituation und – den vorhandenen Möglichkeiten ihrer Bewältigung Therapieerfahrung / Sprachverständnis, ... www.hwstecker.de 2006 74 Gruppenkriterien Indikation für Psychotherapie eher – aufdecken fordern, verändern Aufarbeiten der Defizite Fähigkeiten erkennen und erweitern Eigenständigkeit fördern – zudecken stützen, stabilisieren, Akzeptieren der Defizite Fähigkeiten erkennen und erhalten Hilfen organisieren www.hwstecker.de 2006 75 Gruppe 1 Psychotherapie steht im Vordergrund: – Eher aufdeckend, verändernd – Umfassende Diagnostik der Sozialisation – Ziel: Verstehen der ursächlichen und aufrecht erhaltenden Bedingungen im sozialen Kontext – Erste Schritte zur Veränderung – Einbeziehung des sozialen Umfeldes – Hinführung zur ambulanten Psychotherapie www.hwstecker.de 2006 76 Gruppe 2: Eher stützende Psychotherapie und soziotherapeutische Behandlung: – – – – zudeckend, stabilisierend Stützende Psychotherapie Milieutherapie, eher begleitend (Hausbesuche) Einbeziehung des sozialen Umfeldes zur Organisation von Hilfen, Betreuung, Vermittlung sozialer Einrichtungen, betreutes Wohnen, etc. – Aromatherapie – Aktuelle Stunde, alte Ressourcen reaktivieren www.hwstecker.de 2006 77 günstige Vorbedingungen oder Zwischenziele der Behandlung Patienten sind schneller erfolgreich, wenn sie bereits: – eine Introspektionsfähigkeit automatischer Gedanken entwickelt haben – Gefühle differenziert wahrnehmen können – eine therapeutische Allianz eingehen können – sich selbst für die Therapie verantwortlich fühlen – soziale Kompetenz entwickelt haben – sie nicht durch Chronizität verfestigt sind – über angemessene Konzentrationsfähigkeit verfügen – sich auf das Behandlungskonzept einlassen können (Kompatibilität) www.hwstecker.de 2006 78 Tägliche Routine 6:45 Wecken 7:10 – 7:30 Wassertreten 8:00 Frühstück 12:00 Mittagessen 12:30 – 13:30 Pause 18:00 Abendessen 20:45 Stationstür verschlossen 22:00 Zimmerruhe (24.00 Nachtruhe) www.hwstecker.de 2006 79 Stationsaufgaben Aufgabenzuteilung nach Entwicklungsstand Blumen gießen Ordnung, Sauberkeit Küchendienst – Patienten kochen Kaffee, erstellen das Buffet für Frühstück und Abendessen Kuchen backen – Patienten backen für die Wochenendrunde Kuchen für alle www.hwstecker.de 2006 80 Therapieplan Gruppe 1 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 09:00 09:00 Wochenendrunde IPT IPT 10:00 10:00 Visite 11:00 BT BT BT soz.Kom. BT 12:00 13:00 11:00 12:00 Massage 13:00 Massage Wochenausklang Sport 14:00 Sucht Sport Entspannung 14:00 Musiktherapie Musiktherapie 15:00 15:00 Entspannung Sport 16:00 16:00 Kegeln Therapieplan Gruppe 2 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 09:00 09:00 Entspannung Wochenendrunde 10:00 10:00 aktuelle Stunde Visite 11:00 soz.Kom. BT 11:00 IPT Aroma PMR 12:00 13:00 12:00 Massage 13:00 Massage Wochenausklang BT 14:00 Sport BT 14:00 Sport Sucht 15:00 15:00 BT Musik BT Sport Musik 16:00 16:00 Kegeln Therapieplan Problem: alle Mitarbeiter sind eingebunden im Kontext der gesamten Klinik (Dienstpläne) Ihre Termine sind nicht frei einplanbar nicht optimal an therapeutischen Bedürfnissen der Station orientiert sind ein Kompromiss zwischen Wünschen und Möglichkeiten Veränderungen in einem Bereich ziehen umfängliche Veränderungen in anderen Bereichen nach sich www.hwstecker.de 2006 83 als Zusammenfassung www.hwstecker.de 2006 84 Voraussetzung stationärer Psychotherapie Therapeutisches Stationssetting: gemeinsames Verständnis der Behandlung gemeinsames Vorgehen im Team zeitlicher Rahmen (6 – 8 Wochen) Entwicklung eines therapeutischen Milieus – Förderung der Kommunikation und einer vertrauensvollen Beziehung unter den Patienten – insbesondere Aufbau einer therapeutischen Beziehung der Patienten zu allen Mitgliedern des Teams, insbesondere zu speziellen Bezugspersonen (Bezugspflege, Bezugs-Therapeut) www.hwstecker.de 2006 85 Vorteile stationärer Psychotherapie gegenüber ambulantem Einzelsetting multiprofessionelles Team mit einem dichten Behandlungsangebot der Kontext der Station mit Möglichkeiten – – – – Diagnostik im sozialen Kontext Konfrontation mit ähnlichen Störungsbildern Lernen am Modell direkte Auseinandersetzung in Konfliktsituationen und mit eigenen ineffektiven Verhaltensmustern und – Training von Alternativen www.hwstecker.de 2006 86 Zukunftsphantasien Therapeutischen Gesichtspunkte bestimmen – Gestaltung der Therapiepläne und – der Dienstpläne Therapeutische Prozesse werden im Team intensiver abgestimmt – mehr Zeit zur Auseinandersetzung – mehr Supervision – gemeinsam abgestimmtes Vorgehen Möglichkeit zur fraktionierten Behandlung Integrierte Versorgung www.hwstecker.de 2006 Quadratur des Kreises? 87 Wunschträume Stationskonzepte sind Wirkfaktoren im Rahmen der umfassenden Behandlungskonzepte vergleichbar der Arznei Ein kleiner Teil der Finanzmittel aus dem Bereich der Arzneimittelforschung sollte verwendet werden, um die Wirksamkeit von Stationskonzepten zu erforschen www.hwstecker.de 2006 88 Depressionsstation Danke für die Aufmerksamkeit www.hwstecker.de 2006 89