Therapie bei Persönlichkeitsstörungen – Chancen und Grenzen Riehener Seminar 2003 R. Stettler Psychiatrische Klinik Sonnenhalde www.seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen – Chancen und Grenzen Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Stigmatisierungsproblem Kontinuitätshypothese Komorbidität Therapeutische Grundsätze Krisenintervention TFP, DBT, integratives Konzept Effektivität, Langzeitverlauf Psychohygiene www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Stigmatisierungsproblem Wenn man glaubt, Persönlichkeitsstörungen seien schwer zu behandeln, so sind sie dies auch Wenn Therapeuten am Erfolg der Behandlung zu zweifeln beginnen, tun dies auch die Patienten Fiedler, 2001 www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Stigmatisierungsproblem Interaktion Interaktionsstörung Ursachensuche Personenperspektivierung Persönlichkeitsstörung www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Ich-Syntonie Persönlichkeitsstörungen gehören wie andere Persönlichkeitseigenarten zur Person dazu Aus der Eigenperspektive zunächst eher selten als störend, abweichend oder normverletzend erlebt, eher als Eigenschaften ihrer Person Diagnose und Beurteilung von Interaktionsdevianzen als Persönlichkeitsstörungen zunächst nur aus der Aussenperspektive www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Kontinuitätshypothese Persönlichkeit Persönlichkeitsstil Persönlichkeitsabweichung Persönlichkeitsstörung www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Dimensionales Modell Persönlicher Stil Gewissenhaft, sorgfältig Ehrgeizig, selbstbewusst Expressiv, emotional Wachsam, misstrauisch Sprunghaft, spontan Anhänglich, loyal Persönlichkeitsstörung Zwanghaft Narzisstisch Histrionisch Paranoid Borderline Dependent www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Dimensionales Modell Persönlicher Stil Zurückhaltend, einsam Kritisch, zögerlich Selbstkritisch, vorsichtig Ahnungsvoll, sensibel Abenteuerlich, risikofreudig Persönlichkeitsstörung Schizoid Passiv-aggressiv Selbstunsicher Schizotypisch Antisozial, dissozial www.Seminare-ps.net Persönlichkeitsstörung 1. 2. 3. Für die Diagnose zwingend zu beachtende Voraussetzungen: Überdauerndes Muster des Denkens, Verhaltens, Wahrnehmens und Fühlens, das sich durchgängig unflexibel und wenig angepasst darstellt Wesentliche Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit im privaten oder beruflichen Bereich Gravierende subjektive Beschwerden (ich-dyston) www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Komorbidität Achse-I-Störungen Depression Angst Zwang, Sucht Somatisierung Störung des Essverhaltens Achse-II-Störungen (andere Persönlichkeitsstörungen) Mindestens 50% auch clusterübergreifend www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Grundsätze Zu unterscheiden: Aktuelle Krisenintervention Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung Psychotherapie Pharmakotherapie Sozialtherapeutische Massnahmen Ambulante Therapie Stationäre Therapie www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Aktuelle Krisenintervention Suizidalität Selbstverletzendes Verhalten Unkontrollierte Aggressivität und dissoziative Erregungsphänomene Angstzustände (traumatische) Dissoziationen Aufgrund maladaptiver Persönlichkeitszüge durch Konfrontation mit spezifischen Lebensereignissen oder belastenden Lebenssituationen ausgelöst www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Krisenintervention: Therapeutische Schritte Akzeptieren des gefährdeten oder gefährlichen Verhaltens als Notsignal Verstehen der Bedeutung und subjektiven Notwendigkeit dieses Notsignals Bearbeitung der gescheiterten Bewältigungsversuche Aufbau einer tragfähigen Beziehung Wiederherstellung der wichtigsten Beziehungen Gemeinsame Entwicklung alternativer Problemlösungen für die aktuelle Krise Gemeinsame Entwicklung alternativer Problemlösungen für zukünftige Krisen Kontaktangebote als Hilfe zur Selbsthilfe Einbeziehung von Angehörigen Nach Bronisch, 2000 www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Konzepte Übergreifende Therapieverfahren Psychodynamische Psychotherapie (Kernberg) Interpersonelle Therapie (Benjamin) Kognitive Therapie (Beck und Freeman) Dialektisch-behaviorale Therapie (Linehan, nur bei Borderline-Störungen) www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Therapiemanuale bei Borderline-Störungen Dialektisch-behaviorale Therapie (Linehan, 1993) Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference Focused Psychotherapy, TFP; Clarkin, Yeomans, Kernberg, 1999) Supportiver und tiefenpsychologischer Ansatz von Rockland (1992) www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Dialektisch-behaviorale Therapie Theorie: BPS = Emotionsregulationsstörung Suche nach Möglichkeiten mit unerträglichen Spannungszuständen umzugehen (z.B. Selbstverletzung) Validierung (Lösungsversuche können nachvollzogen und verstanden werden) Suche nach alternativen Möglichkeiten, Erweiterung der Handlungskompetenz (Fertigkeiten) Tagebuch / Hausaufgaben (Überprüfung Einsatz der Fertigkeiten, Verhaltensanalysen) www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Transference Focussed Psychotherapy (TFP) Basiert auf den Grundsätzen der Ich-psychologischen und der objektpsychologischen Psychoanalyse Konzept der „Spaltung“ als Abwehrfunktion Zunehmendes Verstehen und später Integrieren der abgespaltenen Partialobjektbeziehungen, dadurch bessern auch die Verhaltensauffälligkeiten Eignet sich auch für Behandlung anderer Persönlichkeitsstörung mit BorderlinePersönlichkeitsorganisation (Cluster B: BPS, histrionische und narzisstische PS) www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen DBT und TFP: Gemeinsamkeiten Aktive und konfrontative Vorgehensweise Hierarchisches Vorgehen, insbes. werden (para)suizidale Handlungen und therapieschädigendes Verhalten stark fokussiert Sorgsam ausgehandelter Therapievertrag Training und Supervision (Video) des Therapeuten Verwendung von Instrumenten, welche die manualtreue und Kompetenz des Therapeuten überprüfen www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Integratives Konzept Fiedler (2000) Rahmenmodell für die schulenübergreifende Integration unterschiedlicher Therapiekonzepte www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Integratives Konzept Basismodule Patientenschulung Problemaktualisierung Klärung und Bewältigung Aktivierung persönlicher Ressourcen Aktivierung sozialer Ressourcen Transfersicherung www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Integratives Konzept Störungsübergreifende Merkmale Komplexe Störungen des Interaktionsverhaltens Störungen der Emotionalität Störungen der Realitätswahrnehmung Störungen der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung Störungen der Impuls- und Selbstkontrolle Können in der Behandlungsplanung eigene Beachtung finden und besondere Zielstellungen ermöglichen www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Effektivität psychodynamischer und kognitivbehavioraler Therapie (CBT) Metaanalyse von 14 Studien mit psychodynamischer PT (N=417) und 11 Studien mit CBT (N=231) Therapieabbruch-Rate: 15% für psychodynamische PT 17% für CBT Klare Evidenz, dass psychodynamische PT und CBT effektive Behandlungen für Persönlichkeitsstörungen darstellen Auch aus ökonomischen Gründen wichtig, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörung gute Behandlung erhalten („high utilizers“) Leichsenring F + Leibing E, 2003 www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen Langzeitverlauf der Psychopathologie Remissionen / Rückfälle von BPS über Beobachtungszeit von 6 Jahren nach Hospitalisation 2-JahresFollow-up (N=275) 4-JahresFollow-up (N=269) 6-JahresFollow-up (N=264) Über 6 Jahre insgesamt (N=275) Variable N N N N Remission 95 34.5 Rückfälle % % 133 49.4 6 6.4 www.Seminare-ps.net 181 68.6 6 4.6 % 202 73.5 12 Zanarini MC5.9 et al. 2003 % Borderline – Persönlichkeitsstörung: Langzeitverlauf der Psychopathologie Resultate 1. 2. 3. Remissionen sind häufig, nehmen über die ganzen 6 Jahre zu und betreffen insgesamt ¾ aller untersuchten Patientinnen mit BPS Rückfälle sind selten (im Unterschied zu den meisten Achse-I-Störungen) Alle untersuchten 24 Symptome nehmen deutlich ab über die Zeit www.Seminare-ps.net Zanarini MC et al., 2003 Borderline – Persönlichkeitsstörung: Langzeitverlauf der Psychopathologie Affektive Symptome (%) 0J 2J 4J 6J Depression 98.6 89.8 79.9 70.1 Hoffnungs-/Hilflosigkeit 98.3 84.4 79.2 61.0 Wut / Aggressive Gefühle 95.2 87.6 86.2 79.2 Angst 94.5 87.6 84.0 64.0 Langeweile / Leeregefühl 98.6 86.2 84.4 72.3 www.Seminare-ps.net Borderline – Persönlichkeitsstörung: Langzeitverlauf der Psychopathologie Impulsive Symptome (%) Substanzabusus Sexuelle Devianz Selbstverletzung Suizidversuche 0J 2J 4J 6J 49.0 26.9 80.7 81.4 39.3 16.4 50.9 54.5 29.7 11.9 35.3 34.9 25.0 11.7 28.4 25.8 www.Seminare-ps.net Borderline – Persönlichkeitsstörung: Langzeitverlauf der Psychopathologie Subsyndromale Phänomenologie Affektive Symptome sind am hartnäckigsten Impulsive Symptome verbessern sich am besten Kognitive und Interpersonelle Symptome nehmen eine Mittelstellung ein Zanarini MC et al., 2003 www.Seminare-ps.net Borderline – Persönlichkeitsstörung: Langzeitverlauf der Psychopathologie Subsyndromale Phänomenologie Man kann 2 unterschiedliche Symptomgruppen unterscheiden: 1. Manifestation der akuten Störung (State) 2. Selbstverletzung Suizidhandlungen Psychosenahes Denken Rückzug aus Behandlungssetting Übertragungs- , Gegenübertragungsprobleme Temperamentfaktoren (Trait) Chronische Wutgefühle, Gefühl der inneren Leere Misstrauen Schwierigkeiten alleine zu sein Verlassenheitsgefühle www.Seminare-ps.net Supervision + Selbsterfahrung Supervision Selbsterfahrung Einzelsupervision Gruppensupervision / Intervision Teamsupervision Einzel In Gruppen Psychohygiene Work-Life-Balance www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen THM 1. 2. 3. 4. Voraussetzung für eine sinnvolle Behandlung ist die genaue Diagnosestellung (Eingangskriterien) Erstellen eines Therapieplanes wichtig (welche therapeutischen Mittel werden durch wen eingesetzt) Therapievereinbarung mit Patient wichtig Heute stehen wissenschaftlich validierte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung www.Seminare-ps.net Therapie bei Persönlichkeitsstörungen THM 5. 6. 7. 8. Nicht alle psychopathologischen Symptome sprechen gleich gut auf die Behandlung an (trait-state) Auch aus ökonomischen Gründen sollten Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung einer intensiven Behandlung zugeführt werden Es gibt möglicherweise eine schlechter behandelbare Subgruppe von Patienten mit einer BPS (andere Erkrankung?) Entgegen der bisherigen Meinung sind Persönlichkeitsstörungen gut behandelbare Störungen www.Seminare-ps.net Weitere Themen Weitere Präsentationen zu aktuellen Themen aus Psychiatrie und Seelsorge finden Sie auf folgender Homepage: www.seminar-ps.net www.Seminare-ps.net