Kriterien zur Diagnose des Asperger Syndroms

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Alexander
Marcus
Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie
-psychotherapie und Psychosomatik
April .2007
1
Andy Warhol 1928-1987
Namensgebung
Hans Asperger *1906 in Wien, + 1980 in Wien
1944 Publikation: Die „autistischen Psychopathen“ im Kindesalter. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, 117,
76-136.
1981 Bekanntwerden der Störung in der angelsächsischen
Literatur durch Lorna Wing: Asperger‘s syndrome: A
clinical account. Psychological Medicine, 11, 115-129
Namensgebung
1943 Etwa zeitgleich berichtet Leo Kanner über eine Störung,
die dann als frühkindlicher Autismus bezeichnet wird
L. Kanner
1894-1981
Diagnostik und Klassifikation
Autismus Quotient in unterschiedlichen Berufsgruppen
Asperger
10
11
12
13
14
15
16
Mediziner
15,4
Biologen
14,9
Baron-Cohen et al., 2001
17
18
Ingenieure
17,9
Sozialwissenschaftler
16,4
Kontrollen
16,4
19
20
21
35,8
21
22
Naturwissen- Mathematiker
schaftler
21,5
19,6
Informatiker
21,1
Eine neuere japanische Studie lässt aber an der Brauchbarkeit
des AQ als Screening Verfahren für die Allgemeinbevölkerung
zweifeln
Kunihira et al. 2006
Diagnostik und Klassifikation
Einteilung der Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (Nach ICD-10)
F84.0 Frühkindlicher Autismus (Kanner)
F84.1 Atypischer Autismus
F84.2 Rett-Syndrom
A. Rett
1924-1997
F84.3 Andere desintegrative Störung des Kindesalters
F84.5 Asperger Syndrom
F84.8 Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörung
F84.9 Tiefgreifende Entwicklungsstörung nicht näher bezeichnet
Diagnostik und Klassifikation
Kriterien zur Diagnose des Frühkindlichen Autismus (F84.0 nach ICD-10)
• Erkennbar vor Ende des 3. Lebensjahrs
Obligat:
• Störung der sozialen Interaktion (Blickkontakt, körperliche Zuwendung,
Reaktion auf soziale Hinweiszeichen und Umweltreize)
• Störung der Kommunikation (Reziprozität verbaler Interaktion)
• Eingeschränktes, stereotypes repetitives Verhalten, teilweise
Autostimulation)
Häufig:
• Phobien (Veränderungsängste)
• Schlafstörungen
• Essstörungen
• automutilative Handlungen
Wittgenstein
Alle Katzen haben Asperger Syndrom?
Sicherlich etwas vereinfacht !
Kein richtiger Blickkontakt
Kein Anteilnehmen an Freude
anderer Personen
Spielen für sich
Keine Freundschaften
stimmt
AQ für Erwachsene
eindeutig
1
Ich mache lieber Sachen mit anderen als
alleine.
2
Ich bevorzuge, Dinge immer Wieder auf
dieselbe Art und Weise zu machen.
3
Wenn ich versuche mir etwas vorzustellen,
fällt es mir sehr leicht, ein Bild im Kopf
entstehen zu lassen.
4
Ich verliere mich oft so in Aufgaben, dass
ichalle anderen Dinge rundherum
vergesse.
5
Ich höre oft leise Geräusche, die andere
nicht hören.
6
Ich merke mir oft Autonummern oder
Schilder mit ähnlichen Beschriftungen.
7
Andere Menschen sagen mir häufig, dass
das, was ich gesagt habe, unhöflich
war, obwohl ich denke, es sei höfflich
gewesen.
8
Wenn ich eine Geschichte lese, kann ich
mir leicht vorstellen, wie die Figuren in
der Geschichte aussehen könnten.
ein wenig
eher nicht
Franz Kafka 1883-1924
überhaupt
nicht
Häufigkeiten
Häufigkeit des frühkindlichen Autismus:
0,02 - 0,2 Prozent
• die höheren Raten stammen aus den letzten Jahren
 tatsächliche Zunahme ?
 andere diagnostische Kriterien ?
 bessere Diagnostik ?
Emotionaler Quotient = EQ
• Selbstbewusstsein – realistische Einschätzung der eigenen
Persönlichkeit Erkennen und Verstehen eigener Gefühle, Bedürfnisse
und Ziele
• Selbststeuerung – eigene Gefühle und Stimmungen durch
Gedanken mittels inneren Dialog steuern
• Motivation – sich selbst motivieren können, auch in schwierigen
Phasen
• Empathie – Vermögen, sich in Gefühle und Sichtweisen anderer
Menschen hineinversetzen können
• Soziale Kompetenz – Knüpfen dauerhafter Kontakte und
Beziehungen, gutes Konflikt- und Beziehungsmanagement
• Kommunikationsfähigkeit – Fähigkeit, sich klar und verständlich
auszudrücken und aktiv und aufmerksam zuhören können
Daniel Goleman, Emotionale Intelligenz. Hanser: Münschen, 1999
Bob Dylan
Diagnostik und Klassifikation
Kriterien zur Diagnose des Asperger Syndroms
(299.80 nach DSM-IV TR)
A. Es liegt eine qualitative Beeinträchtigung in der sozialen Interaktion in
wenigstens 2 der folgenden Merkmale vor:
• deutliche Beeinträchtigung bei der Verwendung nonverbaler sozialer
Verhaltens weisen wie wechselseitigem Blickkontakt, Gesichtsausdruck,
Körperhaltung und Gesten zur sozialen Interaktion
• keine alters- oder entwicklungsentsprechenden Freundschaften
• Fehlen von spontanem Verlangen, Freude, Interessen oder Tätigkeiten mit anderen Personen teilen zu wollen (z.B. interessante Objekte werden nicht
anderen gezeigt, mitgebracht, oder besonders herausgestellt)
• Fehlen wechselseitigen sozialen oder emotionalen Verhaltens (Reziprozität)
Diagnostik und Klassifikation
Kriterien zur Diagnose des Asperger Syndroms (299.80 nach DSM-IV
TR)
B. Eingeschränkte, sich wiederholende, stereotype Verhaltensmuster, Interessen
und Aktivitäten, die sich in mindestens einem der folgenden Bereiche zeigen :
• Eingeengte Interessensgebiete oder in stereotyper und eingeschränkter Art
sich damit beschäftigen
• Augenscheinliches Verhaftetsein in spezifische, nicht funktionale Alltagsabläufe und Rituale
• Stereotype und sich wiederholende motorische Handlungen (Manierismen) wie
Schleudern oder Verdrehen von Händen oder Fingern oder Bewegungen mit
dem gesamten Körper
• Fortwährendes sich Beschäftigen mit Einzelheiten von Objekten
Kriterien zur Diagnose des Asperger Syndroms
(299.80 nach DSM-IV TR)
C. Durch die Störung kommt es zu klinisch bedeutsamen Beeinträchtigungen im
sozialen Umfeld, in der Schule, bei der Beschäftigung oder anderen
wichtigen Funktionsbereichen
D. Es gibt keine bedeutsame Sprachentwicklungsverzögerung
E. Es gibt keine bedeutsamen Rückstände in der kognitiven Entwicklung, den
übrigen altersentsprechenden sozialen Fertigkeiten und Anpassung
F. Die Kriterien erfüllen nicht die einer anderen spezifischen Tiefgreifenden
Entwicklungsstörung oder einer Schizophrenie
E. Schopler
Hilfen bei der Diagnostik:
Eigen- und Fremdbeurteilungsbögen
• High-Functioning Autism Spectrum Screening Questionaire (ASSQ)
Ehlers, Gillberg & Wing, 1999
• Australian Rating Scale for Asperger Syndrome (auf deutsch zu finden
unter www.aspiana.de/haupt/asphaupt.htm, 1999)
Vorsicht: Die Ergebnisse sind aber nur zur Orientierung geeignet und
bedürfen der Bewertung eines, in der Diagnostik autistischer Störungen
erfahrenen Spezialisten
Besondere Merkmale von Kindern mit Asperger Syndrom
(nach S. Baron-Cohen 2005)
S. Baron-Cohen ?????
Besondere Merkmale von Kindern mit Asperger Syndrom
(nach S. Baron-Cohen 2005)
S. Baron-Cohen ?????
Besondere Merkmale von Kindern mit Asperger Syndrom
(nach S. Baron-Cohen 2005)
Das war der Cousin Sascha
oder Borat und nicht Simon
das ist Simon Baron-Cohen
Besondere Merkmale von Kindern mit Asperger Syndrom
(nach S. Baron-Cohen 2005)
Das Kind
• verbringt mehr Zeit mit Dingen und physikalisch-technischenen Abläufen als
Andere (Swettenham et al., 1998)
• Kommuniziert, interagiert weniger als Andere
• neigt dazu mehr eigenen Wünschen und Annahmen zu folgen, als auf Andere
zu achten und sich an deren Wünschen zu orientieren (Baron- Cohen,
Leslie & Frith, 1985);
• zeigt relativ wenig Interesse am Tun seiner Umwelt und an Teilnahme daran
(Bowler, 1992; Lord, 1984)
• hat ausgeprägte und überdauernde Interessen (Sonderinteressen)
• ist ausgesprochen genau in der Wahrnehmung von Details (Plaisted, O'Riordan &
Baron-Cohen, 1998a; Plaisted, O'Riordan & Baron-Cohen, 1998b)
• bemerkt und erinnert Dinge, die für andere Menschen unwichtig sind und
rasch von ihnen vergessen wurden (Frith, 1989)
Weitere Merkmale von Kindern mit Asperger Syndrom (nach
S. Baron-Cohen 2005)
Das Kind
• kann von Mustern fasziniert sein, wie Formen (Fahrplänen), Nummernschilder, Listen (von Liedern etc.)
• kann von Vorgängen in der Umwelt angezogen sein, die einfach (Lichtschalter, Wasserhähnen) oder etwas komplexer (Wolkenformationen) oder
abstrakt (Mathematik) sein können
• kann einen starken Sammeltrieb für bestimmte Kategorien von Objekten
haben wie Flaschenverschlüsse, Zugfahrpläne oder von Informationen wie Arten von Echsen, Steinen, Fabriken etc
• bevorzugt deutlich kontrollierbare gegenüber unvorhersehbare Erfahrungen,
Alltagsroutinen
Klassifikation
1. Problem der Abgrenzung
Frühkindlicher
Autismus
„High-functioning“ Autismus Asperger Syndrom
? Schizoide Persönlichkeitszüge im
? Kindesalter
2. Problem der Zuordnung
Im DSM-IV fehlt eine eigene Ziffer für das Asperger Syndrom :
Rett-Syndrom
299.80
Asperger Syndrom
Andere Tiefgreifende
Entwicklungsstörungen
Häufigkeiten
Häufigkeit des Asperger-Syndroms:
0,7 - 2,0 Prozent
• Gründe für die starke Schwankungsbreite:
 andere diagnostische Kriterien
 Einschluss anderer Tiefgreifender
Entwicklungsstörungen
Remschmidt & Hebebrand, 2001
Ehlers & Gilberg, 1993
Wolff, 1995
Häufigkeiten
Geschlechtsverteilung
f
1
:
m
4-10
Gillberg, 1989
Wing, 1981
Mögliche Ursachen
• Genetische Faktoren
Mögliche Ursachen
• prä-, peri- und postnatale
Schädigungen des Gehirns und
Hirnfunktionsstörungen
• Neuropsychologische Defizite
Remschmidt & Hebebrand, 2001
Badawi et al. , 2006
Mögliche Ursachen
Genetische Faktoren
• Höhere Prävalenzrate unter
Verwandten 1. Und 2. Grades
• genetische Faktoren werden in ihrer
Manifestation durch Hirnschädigung
und Umweltfaktoren modifiziert
Wolff, 1995
Volkmar et al., 1998
Remschmidt & Hebebrand, 2001
Genetische Faktoren
Verdächtige Genloci:
Chromosom 7 langer Arm (7q) starke Hinweise auf Beziehung zu Autismus
Zusätzlich sollen weitere Genorte (auf Chromosomen 4, 9,10) in Beziehung
zu Autismus stehen
Nach Schellenberg et al. 2006
Mögliche Ursachen
Hirnschäden und
Hirnfunktionsstörungen
• bis zu 2/3 der Kinder mit Asperger
Syndrom haben prä- und perinatale
Risiken
• In der Kernspin-Tomographie
findet sich geringere graue
Substanz frontal und cerebellar
• PET-Untersuchungen weisen auf
Dysfunktionen des Frontal- und
Temporallappens hin
Gillberg, 1989, 1998;
Rickarby, 1991,
McAlonan et al., 2002
Schultz et al., 2000
Auffällige Laborbefunde
Untersuchungsmethode
Ereigniskorrellierte Hirnpotentiale
Befund
Auffällige Mismatch-Negativity vor
allem auf Tonreize weniger auf Silben
Olfaktometer
bei unauffälliger Riechschwelle ist die ReizDiskrimination gestört
Funktionelle
Kernspintomographie
Gesichter führen zur Aktivierung des
rechten Gyrus temp. inf., wie sonst nur
Objekte
Chemisch klinisches Labor
Plasma Glutamat, Phenylalanin, Asparagin,
Tyrosin, Alanin und Lysin
auch bei
Eltern und Geschwistern
Auffällige Befunde
unauffällig
Asperger Syndrom
Orbito-Frontaler Cortex
Soziale Intelligenz
Gyrus temporalis superior
Amygdala
Soziale Intelligenz
Auffällige Befunde
Wahrnehmung von Emotionen aufgrund der Mimik
Stichprobe
Asperger
Kontrolle
gesamtes Gesicht
ja
ja
nur Augenpartie
nein
ja
nach Baron-Cohen et al., 1997, 1999
Häufige Begleitstörungen
Wie häufig sind Begleitstörungen?
Gesamt
N = 35
Keine Komorbidität
12 (35 %)
Mit Komorbidität
23 (65 %)
Gibt es typische Begleitstörungen?
Jüngere Kinder
Hyperkinetische Störungen
Jugendliche
Affektive Störungen
Ghaziuddin et al., 1998
Wing, 1981
Asperger Syndrom und HKS
Asperger Syndrom
Abdriften in
Sonderinteressen
Zwänge
Rigidität
Empathiemangel
Hyperkinetische Störung
Konzentrationsstörung
Konflikte
Distanzprobleme
Ablenkung
Unmotiviert
Impulsivität
Therapie
Individuell zugeschnittenes Therapieregime mit folgenden Grundsätzen:
Individuell bezogen
• Anregung von Lernprozessen zur eigenen Lebensperspektive
• Aufbau einer Beziehung und des Gespürs für Vertrauen
• Anregung zur Analyse und Organisation der eigenen Denkprozesse
• Herausarbeiten der Zusammenhänge von Ereignissen
• Einübung der Bewältigung der Alltagsprobleme
Einüben sozialer Fertigkeiten in einer Gruppensituation
• Förderung des Interesses an sozialen Interaktionen
• Förderung des Verständnisses sozialer Regeln
• Vermittlung sozialer Erfahrungen
Remschmidt & Hebebrand, 2001
Therapie
Schule, Berufliches Training und Beschäftigung
• Nutzung funktionaler Spezialinteressen zur Ausbildung
• Bereitstellung beruflicher Möglichkeiten, die den besonderen
Fähigkeiten angemessen sind
• Vermeidung von Beschäftigungen, die intensive Sozialkontakte
erfordern
Medikation
• Zielorientierte Anwendung der Arzneistoffe nach
Symptomatik
• Sie ist in der Regel nur Teil eines multimodalen Therapiekonzeptes
Therapie
Zielsymptome
Medikament
Aufmerksamkeitsstörung
Stimulanzien, Atomoxetin
Rigidität
Sulpirid, Risperidon
Zwänge, repetitives Verhalten
SSRI
Aggressivität
Neuroleptika
Prognose
• Bis heute gibt es wenige prospektive Verlaufsstudien
• Die Diagnosen zeigen eine hohe Längsschnittstabilität
Die Nachuntersuchungen von Wolff (1995) zeigten
• Von 32 Patienten hatten später 14 eine Vollzeitbeschäftigung
• In der Kontrollgruppe waren es 16
• 2 Patienten entwickelten eine Schizophrenie
• Keine erhöhten Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten
Bill Gates * 1955
Albert Einstein
Bertrand
Russell
*14.03.1879
1872-1970
†18.04.1955
….und Tschüss!!!!
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