7 BO-ÄK BW - Universität Heidelberg

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Zwischen Schmerzlinderung
und Tötungsverbot,
zwischen Therapie und
Selbstbestimmung des
Patienten
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Was Sie schon wissen: Was wissen Sie?
Worin das Problem besteht
Was ein Jurist davon weiß
Gesetzliche Regelung und Wirklichkeit
Was Sie wissen müssen (Fazit)
Lektüreempfehlungen
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Sterbehilfe – im Wirrwarr der
Begriffe
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Aktiv
Passiv
Indirekt
Hilfe zum/im/beim Sterben
Behandlungsabbruch
Tötung auf Verlangen
Beihilfe zum Suizid
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Eine Ursache:
Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand
gelobe ich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit
zu stellen.
Ich werde meinen Beruf gewissenhaft und würdig
ausüben.
Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit
meiner Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns
sein.
Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über
den Tod des Patienten hinaus wahren.
Ich werde mit allen meinen Kräften …
… jedem Menschenleben von der Empfängnis an
Ehrfurcht entgegenbringen und … nicht in Widerspruch
zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.
4
Ich werde meinen Lehrern und Kollegen …
Artikel 1 Grundgesetz
• (1) Die Würde des Menschen ist
unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.
• …
Was ist die Würde des Menschen? Was
heißt, sie „ist“ unantastbar? Kann man sie
antasten? Wie kann das geschehen?
5
Artikel 2 Grundgesetz
• (1) Jeder hat das Recht auf die freie
Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er
nicht die Rechte anderer verletzt und nicht
gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder
das Sittengesetz verstößt.
• (2) Jeder hat das Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der
Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf
nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen
werden.
• Sterben als Entfaltung der Persönlichkeit,
Sterben als Teil des Lebens
6
§ 216 StGB
Tötung auf Verlangen
(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und
ernstliche Verlangen des Getöteten zur
Tötung bestimmt worden, so ist auf
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren zu erkennen.
(2) Der Versuch ist strafbar.
7
§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
• (1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen
zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die
Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
• (2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht
geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des
in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem
nahesteht.
s. dazu Beck-OK-Oğlacıoğlu: § 217 StGB
BVerfG, 2 BvR 2347/15, Beschl. v. 21.12.15
Ablehnung einer einstw. Anordg gg. § 217 StGB
8
Straflosigkeit des Suizids und der
Beihilfe dazu
• §§ 26 (Anstiftung), 27 (Beihilfe) setzen
eine vorsätzliche und rechtswidrige
Haupttat voraus - § 212 StGB?
• Suizid ist keine solche Tat = Teilnahme
daher nicht möglich
• ABER: § 323 c StGB (Unterlassene
Hilfeleistung), §§ 212, 13 StGB (Tötung
durch Unterlassen) – Was, wenn der
Suizident nicht wirklich sterben will?
9
Für den Tatbestand der Tötung auf Verlangen (§ 216
StGB) ist anerkannt, dass es für die Abgrenzung
zwischen der strafbaren täterschaftlichen Erfüllung
dieses Tatbestands und der straflosen Beihilfe zur
Selbsttötung im konkreten Fall darauf ankommt, wer
das zum Tode führende Geschehen tatsächlich
beherrscht hat. Im Einzelfall ist dafür entscheidend
die Art und Weise, wie der Tote über sein Schicksal
verfügt hat. Gab er sich in die Hand des Anderen,
weil er duldend von ihm den Tod entgegennehmen
wollte, dann hatte dieser die Tatherrschaft. Behielt
er dagegen bis zuletzt die freie Entscheidung
über sein Schicksal, dann tötete er sich selbst,
wenn auch mit fremder Hilfe.
10
Soll nach dem Gesamtplan der Beitrag
eines Beteiligten nicht bis zum Eintritt
des Erfolges willensgesteuert fortdauern,
sondern nur die Ursachenreihe so in
Gang setzen, dass nach seinem Vollzug
dem anderen Beteiligten noch die volle
Freiheit verbleibt, sich den Auswirkungen
zu entziehen oder sie zu beenden, so
liegt nur Beihilfe zur Selbsttötung vor (so
für den Fall des sog. „einseitig
fehlgeschlagenen Doppelselbstmords“
grundlegend BGHSt 19, 135, 139 f.).
(LG Mannheim, Urteil vom 21. September 2012 – 1 Ks 300 Js
24248/10 –, juris, Rz. 48); BGH 1 StR 641/12, 8.1.2013
11
§ 7 BO-ÄK BW
Behandlungsgrundsätze und
Verhaltensregeln
• (1) Jede medizinische Behandlung hat
unter Wahrung der Menschenwürde und
unter Achtung der Persönlichkeit, des
Willens und der Rechte der Patientinnen
und Patienten, insbesondere des
Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen.
Das Recht der Patientinnen und Patienten,
empfohlene Untersuchungs- und
Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, ist
zu respektieren.
12
Noch § 7 BO-ÄK BW
(2) Ärztinnen und Ärzte achten das Recht ihrer
Patientinnen und Patienten, sie frei zu wählen
oder zu wechseln. Andererseits sind - von
Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen - auch Ärztinnen und
Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen. Den
begründeten Wunsch von Patientinnen und
Patienten, eine weitere Ärztin oder einen
weiteren Arzt zuzuziehen oder an eine andere
Ärztin oder einen anderen Arzt überwiesen zu
werden, sollen die behandelnden Ärztinnen
13
und Ärzte in der Regel nicht ablehnen.
Immer noch: § 7 BO-ÄK BW
• (3) Ärztinnen und Ärzte haben unter
Beachtung des Selbstbestimmungsrechts
nach Abs. 1 im Interesse der Patientinnen
und Patienten mit anderen Ärztinnen und
Ärzten und Angehörigen anderer
Fachberufe im Gesundheitswesen
zusammenzuarbeiten. Soweit dies für die
Diagnostik und Therapie erforderlich ist,
haben sie rechtzeitig andere Ärztinnen
und Ärzte hinzuzuziehen oder ihnen die
Patientin oder den Patienten zur der
14
Behandlung zu überweisen.
Und immer noch: § 7 BO-ÄK BW
• (4) Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle
ärztliche Behandlung, insbesondere auch
Beratung, nicht ausschließlich über Printund Kommunikationsmedien durchführen.
Auch bei telemedizinischen Verfahren ist
zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder
ein Arzt die Patientin oder den Patienten
unmittelbar behandelt.
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§ 16 BO-ÄK BW
Beistand für Sterbende
Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer
Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen.
z. Vgl.:
§ 16 BO-ÄK-LSA (bis 2015) Beistand für Sterbende
Der Arzt hat Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und
unbedingter Achtung ihres Willens beizustehen. Der Arzt
darf das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen.
§ 16 MBO Beistand für Sterbende
Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde
und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten,
Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen
keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.
ABER: VG Berlin, VG Berlin, Urt. v. 30.03.2012, Az. 9 K 63.09
Berufs- und Gewissensfreiheit des Arztes
16
§ 37b SGB V
Spezialisierte ambulante
Palliativversorgung
• (1) Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit
fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten
Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung
benötigen, haben Anspruch auf spezialisierte ambulante
Palliativversorgung. Die Leistung ist von einem Vertragsarzt
oder Krankenhausarzt zu verordnen. Die spezialisierte ambulante
Palliativversorgung umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen
einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur
Schmerztherapie und Symptomkontrolle und zielt darauf ab, die
Betreuung der Versicherten nach Satz 1 in der vertrauten
Umgebung des häuslichen oder familiären Bereichs zu
ermöglichen; hierzu zählen beispielsweise Einrichtungen der
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und der Kinder- und
Jugendhilfe. Versicherte in stationären Hospizen haben einen
Anspruch auf die Teilleistung der erforderlichen ärztlichen
Versorgung im Rahmen der spezialisierten ambulanten
Palliativversorgung. Dies gilt nur, wenn und soweit nicht andere
Leistungsträger zur Leistung verpflichtet sind. Dabei sind die 17
besonderen Belange von Kindern zu berücksichtigen.
§ 37b SGB V
• (2) Versicherte in stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne von
§ 72 Abs. 1 des Elften Buches haben in entsprechender
Anwendung des Absatzes 1 einen Anspruch auf spezialisierte
Palliativversorgung. Die Verträge nach § 132d Abs. 1 regeln, ob
die Leistung nach Absatz 1 durch Vertragspartner der
Krankenkassen in der Pflegeeinrichtung oder durch Personal der
Pflegeeinrichtung erbracht wird; § 132d Abs. 2 gilt entsprechend.
• (3) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den
Richtlinien nach § 92 das Nähere über die Leistungen,
insbesondere
• 1. die Anforderungen an die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 1
sowie an den besonderen Versorgungsbedarf der Versicherten,
• 2. Inhalt und Umfang der spezialisierten ambulanten
Palliativversorgung einschließlich von deren Verhältnis zur
ambulanten Versorgung und der Zusammenarbeit der
Leistungserbringer mit den bestehenden ambulanten
Hospizdiensten und stationären Hospizen (integrativer Ansatz);
die gewachsenen Versorgungsstrukturen sind zu berücksichtigen,
• 3. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden
Arztes mit dem Leistungserbringer.
18
§ 132d SGB V
Spezialisierte ambulante
Palliativversorgung
•
•
•
•
•
(1) Über die spezialisierte ambulante Palliativversorgung einschließlich
der Vergütung und deren Abrechnung schließen die Krankenkassen unter
Berücksichtigung der Richtlinien nach § 37b Verträge mit geeigneten
Einrichtungen oder Personen, soweit dies für eine bedarfsgerechte
Versorgung notwendig ist. In den Verträgen ist ergänzend zu regeln, in
welcher Weise die Leistungserbringer auch beratend tätig werden.
(2) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt gemeinsam und
einheitlich unter Beteiligung der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der
Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, der
Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Empfehlungen
1. die sächlichen und personellen Anforderungen an die
Leistungserbringung,
2. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3. Maßstäbe für eine bedarfsgerechte Versorgung mit spezialisierter
ambulanter Palliativversorgung
fest.
19
Richtlinie
• Spezialisierte Ambulante
Palliativversorgungs-Richtlinie /
SAPV-RL v. 20.12.2007/25.6.2010 GBA
20
Weitere Normen
• § 223 StGB: Körperverletzung
• (1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder
an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
• (2) Der Versuch ist strafbar.
• § 229 StGB: Fahrlässige Körperverletzung
• Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer
anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
• § 13 StGB: Begehen durch Unterlassen
• (1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der
zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach
diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich
dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und
wenn das Unterlassen der Verwirklichung des
gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
21
• (2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
§§ 1896 ff., 1901 a ff. BGB
Patientenverfügung,
Vorsorgevollmacht
und
Betreuungsverfügung
„Dem Willen des Patienten Ausdruck und
Geltung verschaffen“
22
Probleme:
•
•
•
•
•
•
Leben und Tod
Leben und sterben lassen
Der Tod – die Angst vor Tod und Leiden
Selbstbestimmung und Würde
Wir alle und jeder Einzelne
Richtige Entscheidungen treffen
Intensivmedizin, Therapie bis zum Schluss
23
Begriffe:
• Patientenverfügung, § 1901 a Abs. 1 BGB
• Vorsorgevollmacht (Betreuungsvermeid.)
vgl. Bevollmächtigung (vgl. VorsorgeV,
§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB)
• Betreuungsverfügung (Betreuerauswahl, vgl.
§ 1897 Abs. 4 BGB)
• Betreuungsgericht (statt
Vormundschaftsgericht - Amtsgericht)
• FamFG (statt FGG)
24
BGH XII ZB 2/03 v. 17.03.03, Beschluss
• a) Patient, einwilligungsunfähig,
Grundleiden irreversibel, lebenserhalt.
oder –verlängernd. Maßnahmen müssen
unterbleiben, wenn dies geäußertem
Willen (z. B. sog. Patientenverfügung)
entspricht – Würde –
Selbstbestimmungsrecht – wenn erklärter
Wille nicht feststellbar: mutmaßlicher
Wille (Lebensentscheidungen,
Wertvorstellungen, Überzeugungen)
25
• b) Ist Betreuer bestellt: B. hat
Patientenwillen Ausdruck und Geltung zu
verschaffen (gegü. Arzt u. Pflegepersonal
in eigener rechtl. Verantwortung)
Einwilligung in ärztlicherseits angebotene
lebenserhaltende oder –verlängernde
Maßnahmen kann er verweigern – aber
nur mit Zustimmung des VormG
Für Einwilligung des B und Genehmigung
des VormG ist kein Raum, wenn
Behandlung o. Weiterbehandlung nicht
angeboten wird (weil nicht indiziert, nicht
mehr sinnvoll, unmöglich)
26
BGH XII ZR 177/03 – Beschluss
v. 08.06.2005
– 1. Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit
dem behandelnden Arzt, daß die künstliche
Ernährung des betreuten einwilligungsunfähigen
Patienten eingestellt wird, so kann das Pflegeheim
diesem Verlangen jedenfalls nicht den Heimvertrag
entgegensetzen. Auch die Gewissensfreiheit des
Pflegepersonals rechtfertigt für sich genommen die
Fortsetzung der künstlichen Ernährung in einem
solchen Fall nicht (im Anschluß an BGH, 17. März
2003, XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205).
–
2. Hat sich der Rechtsstreit durch den Tod des Patienten erledigt, rechtfertigt der
Umstand, daß die strafrechtlichen Grenzen einer Sterbehilfe im weiteren Sinn ("Hilfe zum
Sterben") bislang nicht hinreichend geklärt erscheinen, eine gegenseitige
Kostenaufhebung nach § 91a ZPO.
27
BGH 1 StR 357/94, 13.09.1994
(BGHSt 40, 257)
– 1. Bei einem unheilbar erkrankten, nicht mehr
entscheidungsfähigen Patienten kann der Abbruch
einer ärztlichen Behandlung oder Maßnahme
ausnahmsweise auch dann zulässig sein, wenn die
Voraussetzungen der von der Bundesärztekammer
verabschiedeten Richtlinien für die Sterbehilfe nicht
vorliegen, weil der Sterbevorgang noch nicht
eingesetzt hat. Entscheidend ist der mutmaßliche
Wille des Kranken.
28
– 2. An die Voraussetzungen für die Annahme eines
mutmaßlichen Einverständnisses sind strenge
Anforderungen zu stellen. Hierbei kommt es vor
allem auf frühere mündliche oder schriftliche
Äußerungen des Patienten, seine religiöse
Überzeugung, seine sonstigen persönlichen
Wertvorstellungen, seine altersbedingte
Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen
an.
– 3. Lassen sich auch bei der gebotenen sorgfältigen
Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des
individuellen mutmaßlichen Willens des Kranken
nicht finden, so kann und muß auf Kriterien
zurückgegriffen werden, die allgemeinen
Wertvorstellungen entsprechen. Dabei ist jedoch
Zurückhaltung geboten; im Zweifel hat der Schutz
menschlichen Lebens Vorrang vor persönlichen
Überlegungen des Arztes, eines Angehörigen oder
29
einer anderen beteiligten Person.
Das Gesetz
Rechtslage seit 01.09.09:
§ 1901 a BGB: Patientenverfügung
§ 1901 b BGB: Gespräch, Feststellung des
Patientenwillens
§ 1904 Genehmigung Betreuungsgericht
Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts und
FamFG* (Rechtslage seit dem 01.09.09)
*Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit
30
Konkrete Regelungen
• Schriftlichkeit der Patientenverfügung
• Aufgaben des Betreuers
• Gerichtliche Entscheidung (Genehmigung) bei
Nichteinwilligung des Betreuers
• Gericht muss genehmigen, wenn das dem
Willen des Betreuten entspricht
• Genehmigung bei Einigkeit von Arzt und
Betreuer nicht erforderlich
31
Alternativen, die NICHT ins
Gesetz kamen (I)
• Ärztliche Pflichtberatung
• Notarielle Beglaubigung der PV für nicht
unheilbare, nicht tödlich verlaufende
Krankheiten (BT-DrS 16/13379)
• (Keine gesetzliche Überregulierung,
Rechtsprechung und Richtlinien der
Bundesärztekammer genügen (BT-DrS 16/13262)
32
Alternativen, die NICHT ins
Gesetz kamen (II)
• Sollvorschrift: Datum u. regelmäßige
Bestätigung der PV
• Arzt prüft Behandlungsmaßnahmen, erörtert mit
Betreuer, dieser willigt ein, wenn dies dem
Patientenwillen entspricht
(BT-DrS 16/11493)
• Vorherige ärztliche Aufklärung
• Notarielle Niederschrift (< 5 Jahre alt)
• Unheilbare tödliche Krankheit
(BT-DrS 16/11360)
33
§ 1901a BGB
Legaldefinition der Patientenverfügung
Ein einwilligungsfähiger Volljähriger hat für
den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit
schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum
Zeitpunkt der Festlegung noch nicht
unmittelbar bevorstehende Untersuchungen
seines Gesundheitszustandes,
Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe
einwilligt oder sie untersagt.
34
Rechtsfolge:
• Betreuer muß PV Ausdruck und Geltung
verschaffen (§ 1901 a Abs. 1 S. 2)
• Zusätzlich: jederzeit formloser Widerruf
möglich (§ 1901 a Abs. 1 S. 3)
35
Keine oder unzutreffende
Patientenverfügung?
• § 1901 a Abs. 2:
Betreuer muss Behandlungswünsche oder den
mutmaßlichen Willen feststellen, dann
entscheiden, ob er in Maßnahme nach Abs. 1
einwilligt oder sie untersagt.
Mutmaßlicher Wille? Konkrete Anhaltspunkte:
frühere o. schriftl. Äußerungen, ethische o.
religiöse Überzeugungen, sonst. persönliche
Wertvorstellungen des Betreuten
36
Weitere Regelungen
(§ 1901 a BGB)
• Abs. 3: unabhängig von Art und Stadium
der Erkrankung
• Abs. 4: Keine Pflicht zur Errichtung einer
Patientenverfügung, keine
Vertragsbedingung
• Abs. 5: Geltung auch für Bevollmächtigte
entsprechend
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Inhalt von PV:
•
•
•
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•
•
•
•
alle lebenserhaltenden Maßnahmen zu unterlassen (Hunger und
Durst sollen nur auf natürliche Weise gestillt werden; dazu die
Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung)
keine bewusstseinsdämpfenden Mittel zur Schmerz- und
Symptombehandlung
Möglichkeit einer ungewollten Verkürzung der Lebenszeit wird in
Kauf genommen
keine künstliche Ernährung unabhängig von der Form der
Zuführung
Reduzierung künstlicher Flüssigkeitszufuhr nach ärztlichem
Ermessen
Unterlassung jeglicher künstlicher Flüssigkeitszufuhr
Unterlassung von Versuchen zur Wiederbelebung
keine Verständigung von Notärzten
unverzügliche Information des Notarztes über Ablehnung von
Wiederbelebungsmaßnahmen
Ablehnung von Wiederbelebungsmaßnahmen bei allen Fällen
eines Kreislaufstillstandes oder Atemversagens
38
Basisbetreuung:
IMMER!!!
Von Arzt und Pflegepersonal IMMER zu
erbringen (menschenwürdige Unterbringung,
Zuwendung, Linderung von Schmerz, Unruhe,
Atemnot, Durst u. Hunger auf natürl. Wege)
– Siehe Grundsätze BÄK Sterbebegleitung
ABER: enterale Sondenernährung, venöse
Ernährung gelten als Therapie und sind
einwilligungspflichtig = können untersagt
werden
39
§ 1901 b BGB (Verfahren)
Abs. 1: Arzt prüft für Patienten indizierte
Maßnahme (Gesamtzustand, Prognose)
Erörterung mit Betreuer unter Berücksichtigung
des Patientenwillens
Abs. 2: Feststellung des Willens nach § 1901 a
Abs. 1 (PV) und mutmaßlichen Willens nach
1901 a Abs. 2: für nahe Angehörige und
sonstige Vertrauenspersonen - Gelegenheit zur
Äußerung (ohne Zeitverzug)
Abs. 3: Bevollmächt. entsprechend
40
§ 1904 BGB (Gericht)
• Abs. 1: Genehmigung bei Risiko (alt)
• Abs. 2: Nichteinwilligung/Widerruf
genehmigungspflichtig, wenn riskant
• Abs. 3: Genehm. muss erteilt werden, wenn
Genehmigung/Nichteinwilligung dem Willen des
Betreuten entspricht
• Abs. 4: Keine Genehmigung erforderlich bei
Einvernehmen zw. Arzt u. Betreuer
• Abs. 5: Bevollmächt. entsprechend
41
Wirksamkeit der
Genehmigung/Verfahren
• § 287 Abs. 3 FamFG: nach zwei Wochen
(Rechtsschutz)
• Verfahren, § 298 FamFG:
- Anhörung d. Betroffenen, auf dessen Verlangen
nahestehende Personen (ohne Verzögerung - §
1904 Abs. 1 BGB),
- sonstige Beteiligte - §1904 Abs. 2 BGB
- Verfahrenspfleger (Quasi-Anwalt)
- Pflicht: Gutachten – „soll“ - aber nicht vom
behandelnden Arzt – eingeholt werden
42
Vorsorgevollmacht (VV)
• VV bevollmächtigt andere Person, im
Namen und mit Wirkung für den
Vollmachtgeber (VG) Erklärungen
abzugeben, für den Fall, dass der VG
infolge Geschäftsunfähigkeit dazu nicht in
der Lage ist
• VV soll Betreuung vermeiden (Autonomie!)
• Frage: Warum ist die die VV wichtiger als
43
die PV?
Betreuungsverfügung (BV)
• Vorsorgliche Regelungen für den Fall
einer Betreuung
• Person
• Aufgaben
• Lebensgestaltung, Wohnung,
Unterbringung
• Die „kleine Schwester“ der VV
44
Probleme, die geblieben sind
• Feststellung des Willens
• = Auslegung des Textes
• Arzt ist der „bessere“ Interessenvertreter
des Patienten/Betreuten
• Kommunikation der Beteiligten
• Wo bleibt das Pflegepersonal?
(vgl. BGH 2 StR 454/09
Fuldaer Fall - „Heimleitung“)
45
Ethische Probleme
• Defensive Ausrichtung der PV, aber: Patienten
stellen sich häufig auf die neue Lebenssituation
ein (unkritische Behandlungsbegrenzung)
• Ärztliche Bedenken gegenüber verlangter
Behandlungsbegrenzung bei fehlenden
Kenntnissen
• Fördert oder hindert die PV die Kommunikation
zwischen den Beteiligte („Steht doch alles drin.“)
• in dubio pro vita (Sterben kann der Patient immer
noch, der Tod jedoch ist irreversibel (Irrtum),
dadurch Maximaltherapie durch die Hintertür?
46
•Fälle (Juris): 3 (4)
LG Oldenburg, 11.3.10, 8 T 180/10
Beschwerde Verfahrenspflegerin zurückgewiesen; keine
gerichtliche Entscheidung erforderlich, weil Bevollm.
und Hausarzt sich einig waren
AG Nordenham, 20.3.11 9 XVII 8/00
Genehmigung für Betreuer, Einwilligung in PEG-SondenErnährung zu widerrufen, Aufrechterhalten der
Schmerztherapie
(SG Berlin, Urt. 16.1.2012 S 25 U 216/11)
Kein Leistungsausschluss bei Abbruch lebenserhaltender
Maßnahmen bei Wachkoma nach Arbeitsunfall
(s. a. BSG, Urt. v. 4.12.14, B 2 U 138/13 R)
OLG Naumburg Urt. v. 22.8.13, 1 U 118/11
Wachkoma, fehlende PV, „Konsens mit den Eltern“ nötig,47
ansonsten Weiterbehandlung
Aufsätze
• 5 (2013)
• 14 (2012)
• 24 (2011)
• 22 (2010)
• 20 (2009)
ca.
JURIS
48
BGH 2 StR 454/09 (Urt. v. 25.06.10)
• Ernährung gegen den Willen des Patienten ist
rechtswidrig
• Beendigung: normativ-wertender Begriff des
Behandlungsabbruchs
• Abwehr gegen Eingriffe in den „unbeeinflussten Fortgang … (des) Lebens und
Sterbens“
• Tötung auf Verlangen bleibt strafbar
• ABER - 2 StR 320/10 Beschl. v. 10.11.10:
Keine PatVerf., kein Betreuer, eigenmächtiges
49
Handeln des Schwiegersohns
StA Berlin: Einstellung
Az.: 234 Js 205/12
• „Durchtrennen“ der Magensonde
Pat.: seit 9/2006 Wachkoma nach Unfall
Besserung nicht zu erwarten
Frage an BetrG: Genehmig. ni. erforderl.
Keine PatV. aber vorherige Äußerungen
Gespräche m. Ärzten: 12.7./20.7.10 Tod
Einstellg. n. § 170 II StPO: 25.11.12
(ErmittlVf zu Fall SG Berlin/BSG)
50
LG Deggendorf, Beschl. 13.9.13
1 Ks 4 Js 74/38/11
(Nichteröffnungsbeschluss)
1. Keine Pflicht zu Rettungshandlungen bei
freiverantwortlichem Suizid
2. Freier Wille des Suizidenten steht gegen
Pflicht des diensthabenden Notarztes
3. „Rigide“ BGH-Entscheidung (BGHSt 32,
367) verstößt gegen Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist sei dem
PatVerfügG überholt.
51
Zuletzt:
BGH XII ZB 202/13. Beschl. v.
17.9.14
•
•
•
•
•
Verbindlichkeit der PV bekräftigt
Kein irreversibel tödlicher Verlauf nötig
Todesnähe nicht erforderlich
Strenge Beweismaßstäbe
Behandlungswunsch/mutmaßlicher Wille
52
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Patientenautonomie ist die goldene
Kehrseite einer Medaille, deren Nachtseite
die Angst ist, dass niemand „seines
Bruders Hüter“ sein will.
Die Fiktion einer Autonomie bis zuletzt
kann aber wenig daran ändern, dass ein
nicht mehr einwilligungsfähiger Patient, ob
er etwas geschrieben hat oder nicht, der
verantwortlichen Entscheidung Dritter
anheimgegeben ist.
Hier hilft nur die Stärkung von
Verantwortung, Zuwendung und Solidarität.
Margot von Renesse , Zeitschrift für evangelische Ethik 2005, 144 (146)
54
Kontrollfragen – Fazit
• 1. Ist der Patientenwille feststellbar und
maßgebend?
• 2.Wer stellt Patientenwillen fest und setzt
ihn durch?
• 3.Wann bedarf es der Mitwirkung des
Betreuungsgerichts?
55
Anhang:
Vorsorgevollmacht u. Patientenverfügung –
Empfehlungen der BÄK,
DÄBl. 110, Heft 33-34, 19.8.2013, A-1580
Humanistischer Verband Deutschlands,
BMJ, BÄK, LÄK, Malteser, Deutsche
Hospiz Stiftung, Christliche
Patientenverfügung
…. + www.gesetze im internet
56
Zum Weiterlesen:
•
•
•
•
•
Hintze u. a., Borasio u. a.,
Udo Reiter, Fritz Raddatz, Hans Küng
ABER: Walter Jens, Hospize
Bundestagsdebatte(n) – BT-DrS 17/11126
BGH 2 StR 145/11, Urt. v. 14.9.2011
(Internetauftritt: BGH – Entscheidungsdatenbank)
Sowie Richtlinien der BÄK zur ärztlichen
Sterbebegleitung, Januar 2011
Jede Bibliothek – Stichwort: „Sterbehilfe“
57
Herunterladen