Neuropsych. sem. 4 PTE ÁOK Pszichiátriai Klinika Alkohol- und Sunstanzabhängigkeit Mit der Einnahme von psychotropen Substanzen wird versucht, unterschiedliche Aspekte von Stimmung, Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Denken gezielt zu verändern. Je nach Substanz, Dosis, Dauer und Kontinuität des Konsums einerseits und individueller Vulnerabilität andererseits ist immer auch mit unerwünschten Wirkungen zu rechnen. Diese Änderungen sind jedoch der Introspektion nur teilweise zugänglich und vom Individuum kaum differenziert zu beschreiben. Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen sind dabei von zentraler Bedeutung, da sie für die Selbststeuerung und die Bewältigung von Lebensaufgaben entscheidend sind. Die neuropsychologische Forschung hat die anspruchsvolle Aufgabe, Art und Ausmaß solcher Beeinträchtigungen, die Risikofaktoren für das Auftreten von kognitiven Beeinträchtigungen und schließlich deren Auswirkungen auf den Lebensvollzug aufzuklären. Kognitive Beeinträchtigungen als Folge des Konsums psychotroper Substanzen Das diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen DSMIV, unterscheidet den Missbrauch einer Substanz und die Abhängigkeit von einer Substanz. Die Symptome beider Störungen beschreiben Veränderungen im Konsumverhalten, im Erleben der Konsumwirkungen und in den psychischen und sozialen Folgen des Konsums für das Individuum. Im Fall der Abhängigkeit wird der Konsum einer Substanz und die Bewältigung der Folgen des Konsums für das Individuum vorrangig und schränkt andere Interessen und Aktivitäten so ein, dass langfristig die gesamte Lebensweise auf Erwerb und Konsum der Substanz ausgerichtet ist. Zeichen einer körperlichen Abhängigkeit sind nicht notwendig für die Diagnose einer Abhängigkeit. Mit den kritischen Änderungen im Erleben und Verhalten im Verlauf einer Abhängigkeitsentwicklung gehen quantitative und qualitative Veränderungen zentralnervöser Reaktionen auf die Substanz und auf konsumassoziierte Reize einher, die auch durch bildgebende Verfahren dargestellt werden können. Die Gruppe der substanzinduzierten Störungen Symptome bei akuter Substanzeinwirkung, nach Absetzen einer kontinuierlich genommenen Substanz sowie nach Langzeitkonsum. Für alle hierunter aufgeführten Störungen sind gravierende vorübergehende oder andauernde Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen zentral. Intoxikationssymptome mit Beeinträchtigung kognitiver Funktionen treten bei allen aufgeführten Substanzen außer Nikotin auf. Entzugssymptome mit einer Verminderung kognitiver Leistungen sind zu erwarten bei: Alkohol, Amphetamin, Kokain,Nikotin,Opiaten und Anxiolytika. Delire und psychotische Störungen können bei allen Substanzen unter Intoxikation auftreten, mit Ausnahme von Nikotin und Koffein. Bei Alkohol und der Gruppe der hypnotisch, sedierend und anxiolytisch wirkenden Substanzen können Delire und psychotische Störungen auch im Entzug auftreten. Bei diesen beiden Substanzgruppen sind auch persistierende amnestische Störungen und Demenzen als mögliche substanzinduzierte Störungen angegeben. Persistierende substanzinduzierte amnestische Störung: Das Korsakoff-Syndrom Klinisches Bild Es wurde erstmalig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Korsakoff und Lawson unabhängig voneinander als ein Syndrom beschrieben, bei dem das Gedächtnis stark beeinträchtigt war, während andere kognitive Funktionen intakt blieben. Die Betroffenen erfüllen die Kriterien der Alkoholabhängigkeit und sind meist über 40 Jahre alt. Die Störung ist normalerweise persistierend, die Beeinträchtigung ist gewöhnlich schwer und kann eine lebenslange Betreuung notwendig machen. Kennzeichen sind also eine Störung des Erlernens neuer Informationen in Verbindung mit einer retrograden Gedächtnisstörung, während Aufmerksamkeit und andere kognitive Leistungen vergleichsweise unbeeinträchtigt sind. Konfabulationen kommen vor als Versuch, fehlende Gedächtnisinhalte zu konstruieren. Die Ursache sind Hirnläsionen in Folge eines Thiaminmangels (Vitamin B1) in der Ernährung. Neuropsychologische Befunde I Das neuropsychologisch herausragende Merkmal des Syndroms ist die ausgeprägte anterograde und retrograde Gedächtnisstörung. Das Muster der Gedächtnisstörung beim Korsakoff-Syndrom: Lernen ist massiv beeinträchtigt, ebenso die Erinnerung an zurückliegende Ereignisse. Die retrograde Amnesie geht dabei über den Beginn der Erkrankung hinaus, betrifft also nicht nur jene Zeiten, in denen aufgrund der anterograden Störung keine Einprägungen mehr stattfanden.. Zwar wird das Korsakoff-Syndrom über die Ausprägung der amnestischen Beeinträchtigung bei relativ intakter Intelligenzleistung operationalisiert, meist schneiden jedoch Korsakoff-Patienten beim Vergleich mit gesunden Kontrollen oder nicht amnestisch gestörten alkoholabhängigen Patienten im Intelligenzvergleich schlechter ab als die Vergleichsgruppen. »Memory of object locations in Korsakoffs amnesia« Schlussfolgerungen: Erwartungskonform zeigen Patienten mit Korsakoff-Syndrom massive Defizite in der Erinnerung des räumlichen Kontextes. Entgegen der Erwartung betrifft dieses Defizit jedoch alle drei hier experimentell differenzierten Aspekte des Kontextgedächtnisses. Neuropathologisch lassen sie sich durch Läsionen im Dienzephalon und den Mammillarkörpern, möglicherweise auch mit Funktionsbeeinträchtigungen im Parietalkortex erklären. Neuropsychologische Befunde II Insbesondere in Tests, die Beeinträchtigungen exekutiver Funktionen prüfen sollen, wie der »Wisconsin Card Sorting Test« (WCST), wurden konsistent Minderleistungen von Patienten mit Korsakoff-Syndrom berichtet. Das Muster erhaltener und beeinträchtigter Gedächtnisfunktionen war Gegenstand vieler Untersuchungen. Diesen lagen meist Konzeptionen des Gedächtnisses zugrunde, bei denen zwischen drei Gedächtniskomponenten unterschieden wird: sensorisches, modalitätsspezifisches Gedächtnis, primäres Arbeitsgedächtnis und sekundäres Langzeitgedächtnis. Im sekundären Gedächtnis lassen sich weiter unterscheiden -explizites Gedächtnis (Konzepte, Sprache) und -implizites Gedächtnis (Fertigkeiten, Assoziationseffekte). Das explizite Gedächtnis wird darüber hinaus unterteilt in semantischen Speicher (Faktenwissen) und episodischen Speicher (Erinnerungen) Dahinter stand die Frage, ob die Gedächtnisbeeinträchtigung auf eine Störung der initialen Enkodierung von Information im Kurzzeitgedächtnis vor dem Transfer in das Langzeitgedächtnis zurückgeht oder ob der Abruf von Gedächtnisinhalten beeinträchtigt ist. Ein unbeeinträchtigtes Arbeitsgedächtnis spräche eher für Abrufprobleme, eine Störung des Arbeitsgedächtnisses eher für Enkodierungsprobleme. Verbalen wie nonverbalen Span-Tests zufolge ist das Arbeitsgedächtnis tatsächlich wenig beeinträchtigt. Beeinträchtigungen verschiedener Gedächtniskomponenten Die »explizite« Komponente des Sekundärgedächtnisses umfasst jene Gedächtnisinhalte, die bewusst sind bzw. bewusst gemacht werden können. Per definitionem ist diese Komponente bei Patienten mit Korsakoff-Syndrom massiv beeinträchtigt. Es erscheint plausibel, dass dieses Defizit von einer Dysfunktion der Konsolidierungsmechanismen herrührt. Das implizite Gedächtnis umfasst Lernprozesse, die nicht bewusst sind bzw. bewusst gesteuert werden. Dazu gehören einfache Konditionierungsaufgaben, perzeptuell-motorische Fertigkeiten (prozedurales Gedächtnis) und Primingeffekte, bei denen eine Reaktion auf einen Reiz durch einen vorangegangenen Hinweisreiz erleichtert wird. In solchen Aufgaben sind Patienten mit KorsakoffSyndrom meist nicht beeinträchtigt. Diese Befunde weisen auf ein implizites Gedächtnissystem hin, das auch bei amnestischen Störungen erhalten bleibt. Auch affektive Reaktionen und Bewertungen bleiben bei Patienten mit Korsakoff-Syndrom erhalten. Der Konglomeratbegriff des semantischen Gedächtnisses bezieht sich auf Kenntnisse der Sprache und von Konzepten sowie gut eingeübte Fakten, die sämtlich ohne die Erinnerung an bestimmte Episoden oder Kontexte abrufbar sind. Im Allgemeinen ist das semantische Gedächtnis bei Patienten mit Korsakoff-Syndrom besser erhalten als z.B. bei Patienten mit einer Demenz. Patienten mit Korsakoff-Syndrom sind jedoch immer dann beeinträchtigt, wenn der Abruf aus dem semantischen Gedächtnis unter Zeitdruck erfolgt, wie z.B. in Wortflüssigkeitsaufgaben. Neuropathologische Befunde Das Korsakoff-Syndrom folgt oft auf eine akute Episode einer WernickeEnzephalopathie. Symptome dieser neurologischen Erkrankung sind u. a. Störungen der Augenbewegungen (Blicklähmungen, Nystagmus), Ataxie und Verwirrtheit. Die charakteristischen pathologischen Kennzeichen des Korsakoff-Syndroms sind im paraventrikulären und im periaquäduktalen Grau lokalisierbar. Läsionen im Thalamus und den Mamillarkörpern verursachen die Gedächtnisstörung. Es ist jedoch nicht völlig geklärt, welche Bedeutung dabei dem Thalamus und den Mamillarkörpern zukommt, ob der anteriore oder der dorsomediale Thalamus entscheidend ist und auf welche Weise die Interaktion zwischen dem Dienzephalon, dem Hippokampus und dem basalen Vorderhirn bei den berichteten Gedächtnisstörungen verändert ist. In neueren Untersuchungen wird die Bedeutung der Verbindungen zwischen Mamillarköpern, dem mamillothalamischen Trakt und dem anterioren Thalamus betont. Ein weiterer häufiger Autopsiebefund bei Patienten mit KorsakoffSyndrom, eine ausgeprägte frontale Atrophie, wurde in bildgebenden Verfahren bestätigt. Thiaminmangel allein zu amnestischen Störungen und spezifischen Läsionen führt. Der neurotoxische Effekt von Alkohol, der unabhängig von den Thiaminmangel-effekten zu kognitiven Störungen führt, kann sich jedoch mit dem Bild der Gedächtnisstörung überlagern. Unklar ist jedoch immer noch, warum manche Menschen besonders empfindlich auf Thiaminmangel reagieren und auf welche Weise Thiaminmangel die genannten charakteristischen, eng lokalisierten Läsionen erzeugt. Das Ausmaß kognitiver Beeinträchtigungen alkoholabhängiger Patienten Testpsychologische Befunde Anfänglich wurden überwiegend Intelligenztests und andere globale Verfahren verwendet In den letzten Jahren sind Prüfungen exekutiver Funktionen und experimentelle Verfahren zur Differenzierung einzelner Prozesse hinzugekommen Eine tabellarische Zusammenfassung von Knight und Longmore (1994). Eine bedeutsame Abnahme der in Intelligenztests geprüften Leistungen ist außer Zweifel und auch, dass die Minderleistungen im Handlungsteil ausgeprägter sind als im Verbalteil. In der Metaanalyse von Knight und Longmore (1994) wurde bei einem Teil der Studien eine Subanalyse für die 11 WAIS-Subtests durchgeführt. Wenig beeinträchtigt erschienen alkoholabhängige Patienten in den Untertests Wortschatz, allgemeines Wissen und Gemeinsamkeiten finden. Stark beeinträchtigt waren die Patienten dagegen im Mosaiktest, im Zahlensymboltest und im Figurenlegen. Die differenziellen Beeinträchtigungen der alkoholabhängigen Patienten in den elf Untertests der WAIS sind aber nicht als spezifisches Profil zu interpretieren, sondern spiegeln lediglich die unterschiedliche Sensitivität der Untertests wider. Dafür spricht auch, dass diverse hirnorganisch beeinträchtigte Gruppen im Vergleich zu Gesunden bei den hier sensitiven nonverbalen Tests auch besonders schlecht abschneiden a Dimensionen der kognitiven Beeinträchtigung alkoholabhängiger Patienten Sorgfältig durchgeführte Vergleiche zwischen Alkoholabhängigen und Gesunden stammen aus der Arbeitsgruppe von Parsons. Dieser Befund steht im Gegensatz zu früheren Studien, in denen der Bereich verbaler Leistungen durchwegs als wenig beeinträchtigt behandelt worden war. Parsons (1998) interpretiert die Befunde als Hinweis auf diffuse, nicht lokalisierbare Effekte chronisch überhöhten Alkoholkonsums. Die Zusammenfassung der Einzeltests nach der Zugehörigkeit zu einer der vier Dimensionen erlaubt eine differenziertere Darstellung der Defizite alkoholabhängiger Patienten als die Einteilung in Verbal- und Handlungstests aus den Intelligenztests. So entsprechen dem Faktor »verbale Leistungen« Funktionen die eher linkshemisphärisch lokalisiert werden. Dem Faktor »visuellräumliche Leistungen« sind eher rechtshemisphärisch lokalisierbare Funktionen zugeordnet. Aus diesen Gründen sind die vier von Parsons et al. ermittelten Dimensionen auch für nachfolgende Arbeiten richtungsweisend geworden. Beeinträchtigungen spezifischer Funktionsbereiche Die aus herkömmlichen Leistungstestbatterien gewonnenen Befunde machen zwar das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung deutlich, sie geben jedoch keine Hinweise auf spezifische Störungen Alkoholabhängiger. Im Folgenden werden Befunde dargestellt, die den Eindruck diffuser Leistungsveränderungen bei Alkoholabhängigen differenzieren. In der Studie von Mann et al. (1999) wurden Beeinträchtigungen im verbalen wie im nichtverbalen Bereich festgestellt. Bemerkenswert ist, dass der Benton-Test nicht unterschiedlich für die beiden Gruppen ausfiel, obwohl dieser Test von Praktikern häufig eingesetzt wird, um hirnorganische Beeinträchtigungen nachzuweisen. Während die in der Metaanalyse zusammengefassten Arbeiten den Gedächtnisbereich eher sporadisch prüfen, wurde in dieser Studie die Gedächtnisleistung mit zwei verschiedenen Verfahren, einem Subtest der WMS und dem AVLT geprüft. Durch den direkten Vergleich dieser beiden Verfahren kann erstmalig aufgeklärt werden, warum in älteren Arbeiten keine oder nur geringe Gedächtnisprobleme auffindbar waren. Gerade durch das Fehlen einer logischen Verbindung zwischen den zu erinnernden Elementen fällt alkoholabhängigen Personen das Enkodieren bzw. der Abruf schwer. Lokalisierbarkeit von Defiziten Die in früheren Untersuchungen auffällige Beeinträchtigung räumlichperzeptueller Leistungen bei insbesondere rechtshemisphärisch lokalisierte Funktionen beeinträchtigt ist. Nach Parsons (1998) sind die Befunde am besten mit der Hypothese einer globalen und diffusen Schädigung des Gehirnes vereinbar. Eine Übersicht über neuropsychologische, hirnmorphologische und hirnfunktionelle Veränderungen bei Alkoholabhängigen legt jedoch nahe, dass die Unterschiede zwischen Alkoholabhängigen und Gesunden besonders deutlich in solchen neuropsychologischen Testverfahren ausfallen, die auch auf Schädigungen des Frontalhirns ansprechen, In neueren Studien wird hierfür häufig der WCST verwendet. Bei einer Gruppe von männlichen Alkoholabhängigen fanden sich schlechtere Leistungen im WCST und dem »Halstead Reitan Category Test«, die mit entsprechenden Veränderungen des Stoffwechsels in der medialen frontalen Region einhergingen. Diese Unterschiede zwischen den Gruppen waren nicht auf Unterschiede in anderen Leistungsbereichen zurückzuführen. In der Zusammenschau mit den später zu berichtenden Befunden zu Änderungen der Hirnmorphologie und -funktion scheint es gegenwärtig deshalb plausibel, zumindest einen Teil der Varianz der Testleistungen Alkoholabhängiger auf Beeinträchtigung exekutiver Funktionen und somit frontal lokalisierbarer Funktionen zurückzuführen. Risikofaktoren für kognitive Beeinträchtigungen Alkohol und sein Metabolit Azetaldehyd wirken neurotoxisch, sodass Zusammenhänge zwischen Art oder Schwere der kognitiven Beeinträchtigung und der Dauer und Menge des Konsums zu erwarten sind. Ein wichtiger Einflussfaktor auf die Testleistung ist die Dauer der Abstinenz vor der Testung, und das Ausmaß der Depressivität zum Zeitpunkt der Testung. Kognitive Beeinträchtigungen und vorausgegangener Alkoholkonsum. Bei Mann et al. (2001) ergab sich z.B. ein Zusammenhang von r = -o.32 zwischen der Dauer der Abhängigkeit und der Leistung bei der Prüfung der räumlichen Vorstellung. Angewandte Tests: exekutive Funktionen (z.B. WCST; dorso-lateraler präfrontaler Kortex), kurzzeitgedächtnis/Produktion (z.B. Brown-Peterson-Distractor-Test, Wortflüssigkeit; orbitofrontaler Kortex), deklaratives Gedächtnis (z.B.Verzögerte Wiedergabe,medialer Temporallappen, Dienzephalon) visuell-räumliche Leistungen (z.B. Rey-Osterrieth-Figur; parietale und okzipitale Hirnregionen), Gang/Gleichgewicht (z.B. Ataxietest; Kleinhirnoberwurmwindung) und Funktion der oberen Extremitäten (z. B. Griffstärke; Basalganglien oder präzentraler Gy-rus). Schlussfolgerungen: Vier Wochen nach der Entgiftung: Ca. 90% der Patienten hatten niedrigere Werte im Bereich exekutive Funktionen als der Mittelwert der Gesunden. Die Defizite sind nicht systematisch lateralisiert. Das Defizitmuster legt nahe, dass mindestens ein zerebellär-pontin-präfrontales System und ein präfrontal-parietal-kortikales System gestört sind. Restitution der kognitiven Beeinträchtigungen Bilden sich die dargestellten kognitiven Defizite bei alkoholabhängigen Patienten in der Abstinenz zurück und wie lange benötigt diese Rückbildung? Die Rückbildung kognitiver Defizite gleich welcher Genese ist bei älteren Patienten langwieriger und häufiger unvollständig. Dies scheint auch für die Restitution der kognitiven Defizite alkoholabhängiger Patienten zu gelten. Die auch nach sechsmonatiger Abstinenz nicht rückgebildeten kognitiven Beeinträchtigungen sind also überwiegend dem Bereich Gedächtnis und exekutive Funktionen zuzurepersistieren. Eine allgemeine Übungseffekt galt insbesondere für Bereiche mit komplexeren Anforderungen (Abstraktion und kognitive Flexibilität, Problemlösen, Lernen und Gedächtnis), nicht aber für die einfachen Fertigkeiten der Bereiche Aufmerksamkeit bzw. Konzentration und Sensumotorik. Die Befunde legen nahe, dass bestimmte kognitive Leistungsbereiche durch die toxischen Effekte des Alkohols mit zunehmendem Alter stärker beeinträchtigt werden. Entsprechend länger braucht die Restitution der beeinträchtigten Fertigkeiten. Auch bei traumatischer Hirnschädigung sind kognitive Leistungseinbußen bei älteren Patienten (>50 Jahre) schwerer, ebenso stagniert die Restitution bei diesen Patienten eher als bei jüngeren Patienten Strukturelle Veränderungen des Gehirnes Ein geringeres Gehirnvolumen,die Schrumpfung der weißen Substanz der zerebralen Hemisphären, im präfrontalen Bereich. Korreliert mit Maßen der Menge und Dauer des Alkoholkonsums und ist unter Abstinenz weitgehend reversibel Dehydrierung - Nach Mann et al. (1999) liegen der Volumenminderung potenziell reversible strukturelle Veränderungen zugrunde, vermutet werden subtile strukturelle Veränderungen der Myelinisierung. Neuropathologische Studien belegen einen Verlust insbesondere frontaler kortikaler Neuronen und Dendriten. Strukturelle Veränderungen im Zwischenhirn setzen einen spezifischen, durch Thiaminmangel bedingten Krankheitsprozess voraus. Die eher unspezifischen Veränderungen des Hirnvolumens und der Neuronen- und Dendritendichte, die allen drei Gruppen gemeinsam sind, scheinen dagegen direkt auf die Neurotoxizität von Alkohol zurückzugehen. Die axonale Degeneration in der Folge solcher Neuronenverluste in kortikalen oder subkortikalen Regionen zieht bleibende Volumenreduktionen der weißen Substanz nach sich. Die hirnstrukturellen Veränderungen scheinen den kognitiven Veränderungen vorauszugehen. Nach verschiedenen Befunden wäre das weibliche Gehirn sensitiver gegenüber den neurotoxischen Effekten von Alkohol. Eine einfache Aussage, dass weibliche Gehirne empfindlicher auf Alkohol reagieren als männliche, wird durch die Befunde von Pfefferbaum et al. (2001) nicht gestützt. Der Einfluss kognitiver Beeinträchtigungen auf den Therapieerfolg Die vielfachen kognitiven Defizite wirken hinderlich auf die während der Therapie zu leistenden Umstellungen aus. Meist berücksichtigen Therapieprogramme die vielfältigen subklinischen kognitiven Defizite alkoholabhängiger Patienten nicht. (Screening-Verfahren für kognitive Defizite, gezielt Hilfen für Patienten mit solchen Defiziten, Module zur kognitiven Remediation) Neuropsychologische Befunde sind insbesondere dann informativ, wenn sie nicht bzgl. ihres direkten Beitrags zum Outcome, sondern im Zusammenwirken mit weiteren intrapersonalen und Umgebungsfaktoren gewertet werden. Formal sind drei Grundformen des Zusammenwirkens kognitiver Beeinträchtigungen mit anderen Faktoren zu unterscheiden: als Mediator, als Risikofaktor oder als Moderator Patienten mit schlechten Testleistungen in verschiedenen Leistungsbereichen haben anscheinend größere Schwierigkeiten, Fertigkeiten zu erwerben, die für Abstinenz und psychosoziale Anpassung nach der Behandlung wichtig sind. Dies gilt für die Erinnerung an therapierelevante Informationen, das Erlernen von sozialer Kompetenz beim Ablehnen von Einladungen und das Engagement in der Gruppentherapie.Das Leugnen alkoholbedingter Probleme könnte durch kognitive Defizite mitbestimmt sein. Solche Befunde sprechen dafür, dass kognitive Beeinträchtigungen den Erfolg einer Behandlung mitbestimmen. Demnach profitieren beeinträchtigte Patienten mehr von stationärer als von ambulanter Therapie und mehr von einer stützenden Gruppentherapie als von einem »Coping Skills Training« Rehabilitationansätze bei kognitiven Beeinträchtigungen alkoholabhängiger Patienten zwei Ansätze; die als restitutiv und als kontextbezogen bezeichnet werden können Systematische Untersuchungen mit alkoholabhängigen Patienten wurden jedoch fast ausschließlich mit dem restitutiven Ansatz gemacht, in dem beeinträchtigte Funktionsbereiche durch das Training spezifischer Funktionen verbessert werden sollen. Dies geschieht anhand von Aufgaben und Übungen, für deren Erledigung exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit oder Gedächtnisfunktionen benötigt werden. Die Verbesserungen in den trainierten Funktionen hängen von der neuronalen Plastizität ab und in dem Maße fortschreiten, wie der Umbau neuronaler Verbindungen und die Übernahme bestimmter Funktionen durch unversehrte Hirnteile möglich ist. Goldman et al.: Wiederholte Übungen in verschiedenen Bereichen kognitiver und psychomotorischer Defizite verbessern diese Funktionsbereiche bei alkoholabhängigen Patienten über die spontane Verbesserungsrate hinaus. Ein Übungsfortschritt scheint jedoch speziell für Gedächtnis und exekutive Funktionen schwieriger als für andere Funktionsbereiche zu sein. Seit den 8oer Jahren sind wiederholt Programme zur kognitiven Remediation alkoholabhängiger Patienten mit dem Anspruch der Generalisierung auf Abstinenz bzw. Substanzkonsum und psychosoziale Anpassung vorgestellt worden.