Optimismus und objektive Gesundheitsparameter Jürgen Hoyer1, Heide Glaesmer1, Jens Klotsche1 & Winfried März2, David Pittrow1, Hans-Ulrich Wittchen1,3 1Technische Universität Dresden Klinische Psychologie und Psychotherapie 2Universitätsklinikum Graz, Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik 3Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München Überblick • • • • • Optimismus: Stärken und Schwächen des Konzepts und seiner empirischen Untersuchung Vorannahmen zum Zusammenhang zwischen körperlichen Erkrankungen und psychologischen Variablen Methodik der DETECT-Studie Ergebnisse Diskussion, Ausblick, Zusammenfassung 1. Optimismus: Stärken und Schwächen des Konzepts Optimismus und Gesundheit o Ein „großes Thema“ o „Optimismus ist gesund!“ o „Optimismus kann man lernen!“ Optimismus und Gesundheit 810 Arbeiten in PsycInfo Aber: wie viele davon sind... theoriegeleitet? an klinischen Stichproben durchgeführt? longitudinal angelegt? repräsentativ? und berücksichtigen objektive Parameter? Weitere Probleme Unterschiedliche Konzepte und Operationalisierungen Carver/Scheier Taylor Seligman Schwarzer Überlappung mit anderen Konzepten „Big bullets“ Selbstwirksamkeit 2. Vorannahmen zum Zusammenhang zwischen körperlichen Erkrankungen und psychologischen Variablen Mens sana in corpore sano Mechanismen der Beeinflussung psychischer Variablen auf der Grundlage körperlicher Erkrankungen (nach Hoyer et al., 2002) Körperliche Erkrankung Schweregrad Dauer Schmerzen Pathophysiologie Beeinträchtigung Entstellung Biologische Mechanismen Verhaltensmechanismen Kognitive Mechanismen Soziale Mechanismen Direkte Effekte Unterbrechung der Routine Kognitive Verzerrung Interferenz in der sozialen Rollenfunktion hormonelle neurochemische metabolische Indirekte Effekte Krankheitsverhalten Maladaptive Copingstrategien Wahrgenommener Stress und Kontrollverlust Bedrohung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit Nebenwirkungen Schlafstörungen Psychische Variablen Negative Affektivität Selbstwirksamkeit Vermeidung durch Mitglieder des sozialen Netzwerkes Zerfall sozialer Netzwerke Mechanismen der Entstehung von körperlichen Erkrankungen auf der Grundlage von psychischen Störungen (nach Hoyer et al. 2002) Psychische Variablen Negativer state & trait Affekt Selbstwirksamkeit Biologische Mechanismen Affektspezifische Reaktion (SAM & HPA) Affektunspezifische Reaktion Ungünstiges Gesundheitsverhalten Kognitive Mechanismen Problematisches Inanspruchnahmeverhalten Verzerrte Interpretation physischer Stimuli Schlechte Mitarbeit Fehlerhafte Gesundheits- Verhaltensmechanismen entscheidungen Körperliche Erkrankungen Ausbruch Krankheitsstadium Entwicklung Episoden Schweregrad Krisen Soziale Mechanismen Interferenz mit der sozialen Rolle Vermeidung durch Mitglieder des sozialen Netzwerkes Gesundheitsverhalten Symptombericht Hilfesuchverhalten Schmerzen & Beeinträchtigungen Zerfall sozialer Netzwerke Aber: Wie bedeutsam ist der Prädiktionswert von Optimismus für körperliche Erkrankungen? PRO Review Carver & Scheier (1992): In optimists.... • • • • • • • lower appearance of physical symptoms better physical recovery better health habits more positive mood more adaptive coping strategies more competent immune functioning diminished cardiovascular reactivity to stress CONTRA • Befunde in der großen Mehrzahl über subjektive Parameter (perceived social support, personal control over pain, perceived efficacy of pain coping, etc.) • Amelang & Schmidt-Rathjens (2003, S.12): „Angesichts der geringen Bedeutung psychologischer Faktoren erscheinen Spekulationen darüber müßig, wie im einzelnen die Kausalketten von Persönlichkeit zu Krankheit beschaffen sind.“ Hauptzielsetzung Analyse der Assoziationen der in DETECT erhobenen objektiven Gesundheitsparameter mit einem Maß für dispositionellen Optimismus (globale habituelle Konsequenzerwartungen) Hauptfragestellung: Wie groß ist der Prädiktionswert der dispositionellen Optimismus? 3. Methodik der DETECT-Studie DETECT Diabetes Cardiovascular-Risk Evaluation, Targets and Essential Data for Commitment of Treatment Professor Dr. Hans-Ulrich Wittchen Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden unter der Mitarbeit von: Heide Glaesmer (Projektleiterin) Elke Katze (Projektkoordinatorin) Axel Bayer, Beate Küpper, David Pittrow (wissenschaftliche Mitarbeiter) Jens Klotsche, Katharina Stieger (Datenmanagement/Statistik) sowie studentischen Hilfskräften, Regionalkoordinatoren und Monitoren mit Förderung (unrestricted educational grant) der Pfizer GmbH, Karlsruhe, Deutschland Ziele - DETECT I (Querschnitt) Deskriptiv-epidemiologischer Teil 1. Häufigkeit, Form und Schwere kardiovaskulärer Erkrankungen 2. Identifikation und Feststellung der Größenordnung von Hochrisikokonstellationen (z.B. Stoffwechselstörungen, Lifestylefaktoren, bereits manifeste Erkrankungen) 3. Feststellung ärztlicher Erkennens-, Diagnose- und Therapieraten 4. Komorbidität von Depressivität mit chronischen Erkrankungen Versorgungsbezogener Teil 1. Ermittlung der häufigsten Diagnose- und Therapiestrategien 2. Beurteilung der Behandlungsgüte/ Leitlinienadäquates Handeln/ therapeutische Zielvorstellungen 3. Unter- , Über- und Fehlversorgung 4. Identifikation häufiger Versorgungsprobleme 5. Einflussfaktoren (Arzt, Patient, Umfeld, System) Ziele - DETECT II (1-Jahres-Follow-up) Veränderungen der Laborwerte und diagnostischen Beurteilungen (T1 zu T2), in Abhängigkeit von: 1. initialem (T1) Diagnose- und Therapiestatus 2. ausgewählten Interventions- und Versorgungsmerkmalen im Verlauf (T1...T2) 3. T1-Risikoindices (z.B. PROCAM, Framingham etc.) 4. psychologischen Merkmalen wie Depressivität und Optimismus Häufigkeit und Zeitpunkt kritischer Outcomes im Verlauf: 1. z.B. Infarkt, Folgemorbidität 2. Hospitalisierung, kritische medizinische Interventionen Veränderungen der psychosozialen Integration und des Funktionsstandes 1. Gesundheitsbezogene Lebensqualität, Depressivität, Disabilities Methodik Mehrstufiges Vorgehen mit • Vorstudie zur Erhebung von Arzt- und Praxismerkmalen • Stichtagserhebung mit Charakterisierung aller Patienten in einem Arzt- und einem Patientenbogen • einer Laboruntersuchung in einer Teilstichprobe • und einer Follow-up-Untersuchung in dieser Teilstichprobe Überblick: Studienablauf Arztregister über Außendienst Bundesweite Auswahl API-Ärzten Zufallsauswahl für Studie Rekrutierung über Außendienst Information, Rekrutierung & Vorstudie (N = 3795) Arzt- und Praxismerkmale (Praxisfragebogen) Einweisung Instrumente Hauptstudie: Unterstützung der Ärzte und des Praxispersonals Stichtagsbefragung (16./18. September 2003 - halbtags) möglichst aller Patienten (N = ca. 55 000) bei 3191 Ärzte Patientenfragebogen Arztfragebogen Standardisiertes Laborscreening in einer Teilstichprobe (N= 7500 bei 851 Ärzten) 1-Jahres-Follow-up-Untersuchung in der Laborstichprobe Hauptstudie – Laboruntersuchung 16./18. September 2003 Von 851 Ärzten wurde bei insgesamt 7517 Patienten eine Blutprobe entnommen. Die Qualität der Proben ist nach Aussagen des Labors sehr gut (99% vollständige und unbeschädigte Proben). Aus den Proben wurden folgende Parameter bestimmt (Befund an Ärzte): Klinische Chemie (Glukose, ALAT, ASAT, CK, gamma GT, alkalische Phosphatase, Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin, Bilirubin) Hämatologie (Leukozyten, Thrombozyten, Hämoglobin, Hämatokrit, MCV, MCHC, MCH) Lipidstatus (Gesamt-Cholesterin, Triglyceride, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, VLDL-Cholesterin, Lp(a)) Serumproteine (CRPhs, Albumin) Glukosestoffwechsel (HbA1c) Hauptstudie – Laboruntersuchung 16./18. September 2003 Alle Fragebogendaten der Laborpatienten sind elektronisch erfasst und qualitätsgesichert Momentan werden die Daten aus dem Labor mit den Fragebogendaten zusammengeführt Hauptstudie – Laboruntersuchung 16./18. September 2003 Selegierte Stichprobe: 59% Frauen (N= 4416) und 41% Männer (N=3061); höherer Anteil „Jüngerer“ Prozent Laborstichprobe nach Alter und Geschlecht 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 18-44 45-65 Altersgruppen männlich weiblich 66+ Das Optimismus-Maß: LOT-R 1. Wenn die Zeiten ungewiss sind, erwarte ich normalerweise das Beste. 2. Wenn bei mir etwas schief laufen kann, dann tut es das auch. (-) 3. Meine Zukunft sehe ich immer optimistisch. 4. Fast nie erwarte ich, dass sich die Dinge nach meinen Vorstellungen entwickeln. (-) 5. Ich zähle selten darauf, das mir etwas Gutes widerfährt. (-) 6. Alles in allem erwarte ich, das mir mehr gute als schlechte Sachen widerfahren. (-) umgepolte Items 4. Ergebnisse Interne Konsistenz des LOT-R Gesamtstichprobe (N = 6034) Männer (n = 2547) Frauen (n = 3487) Gesunde (n = 857) a = 0,61 a = 0,56 a = 0,63 a = 0,68 Optimismus: diagnostische Gruppen Diabetes (N=911) SD 3,66 Hyperlipidämie (N=1977) SD 3,92 Hypertonie (N=2224) SD 3,69 KHK (N=638) Depression (N=598) "Gesunde" (N=857) SD 3,51 SD 4,14 SD 4,10 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Mittelwerte Alle Vergleiche Erkrankung/Gesunde: p < .00001; r = -.17 (Depression) bis r = -.06 (Hyperlipidämie) Optimismus und Zahl der Krankheiten Zahl der Krankheiten keine Diagnose (N=857) 1 Diagnose (N=1561) 2 Diagnosen (N=1030) 3 Diagnosen (N=523) 4 Diagnosen (N=140) SD 4,10 SD 3,74 SD 3,79 SD 3,66 SD 3,42 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Alle Vergleiche Diagnosen/o.B.: p < .00001; grösstes r =-.10 Mittelwerte Mittelwerte Optimismus und Verhaltenspathogene (I) 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 SD 4,26 p < .00001 SD 3,81 r = -.06 Raucher (N=1251) Nicht-Raucher (N=4516) Optimismus und Verhaltenspathogene (II) Alkoholkonsum täglich (N=606) SD 3,92 gelegentlich (N=1205) SD 3,86 selten (N=1478) SD 3,79 sehr selten (N=1525) SD 3,91 nie (N=1094) SD 3,96 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Alle Vergleiche Alkoholkonsum/“nie“:Mittelwerte p < .00001, r = -.05 Mittelwerte Optimismus und körperliche Aktivität 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 p < .00001 SD 4,04 SD 3,81 r = .12 weniger als 2h / Woche (N=1880) mehr als 2h / Woche (N=3950) körperliche Aktivität Mittelwerte Optimismus und Übergewicht 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 SD 3,79 p < .00001 SD 4,02 r = -.08 ja (N=3695) nein (N=2220) Übergewicht Optimismus und Medikamentencompliance (r = -.14 Compliance-Probleme fast nie (N=4774) selten (N=746) oft (N=160) immer (N=35) total (N=5715) ) SD 3,82 SD 3,80 p < .00001 p < .00001 SD 4,67 p < .02 SD 4,55 SD 3,89 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Mittelwerte Optimismus und Laborparameter Korrelation CK 37°C 0,00 CK-MB 37°C 0,02 ASAT 37°C -0,02 ALAT 37°C -0,03 GGT 37°C -0,05 AP 37°C -0,07 Bili ges 0,03 Kreatinin 0,02 Harnstoff -0,02 Harnsäure -0,04 Glucose -0,07 Leukozyten -0,03 Erythrozyten 0,02 Hämoglobin 0,02 Hämatokrit 0,01 P 0,79 0,42 0,07 0,03 0,00 0,00 0,04 0,13 0,25 0,00 0,00 0,04 0,25 0,08 0,28 Korrelation MCV -0,01 Thrombozyten 0,00 MPV 0,01 MCH 0,01 MCHC 0,02 Albumin 0,06 CRP hs -0,06 Cholesterin 0,00 Triglyceride -0,05 Lp (a) 0,00 HDL-Chol. 0,05 VLDL-Chol. -0,05 LDL-Chol 0,00 HbA1c -0,09 P 0,59 0,75 0,60 0,39 0,16 0,00 0,00 0,84 0,00 0,70 0,00 0,00 0,87 0,00 Zusammenfassung • Dispositioneller Optimismus mit LOT-R nicht ausreichend reliabel messbar, insbesondere nicht bei Kranken! • DO signifikant geringer bei Erkrankten, egal, welche Erkrankung • DO höher bei Nicht-Rauchern, aber niedriger bei Nicht-Trinkern! • DO geringer bei Übergewichtigen und höher bei körperlich Aktiven • Compliance-Probleme sind geringer bei DO ABER: Bedeutsamkeit jeweils gering (r zwischen 0.05 und 0.14) AUSBLICK • „Überdeterminiertheit“ (Peterson & Bossio, 2002) könnte klarere bidirektionale Zusammenhänge verdecken Disp. Optimismus und körperliche Erkrankungen Disp. Optimismus Biologische Mechanismen Verhaltensmechanismen +/- +/- Körperliche Erkrankungen Ausbruch Krankheitsstadium Entwicklung Episoden Schweregrad Krisen Kognitive Mechanismen Soziale Mechanismen +/- + Gesundheitsverhalten +/- AUSBLICK • „Überdeterminiertheit“(Peterson & Bossio, 2002) könnte klarere bidirektionale Zusammenhänge verdecken • Mikroanalysen auf Erkrankungsebene und Analyse spezifisch indikativer Laborparameter in Arbeit • Longitudinale Daten: in 2 Jahren Kontakt www.detect-studie.de [email protected] Oder: Homepage Klinische Psychologie und Psychotherapie TU Dresden