Konformationsberechnung

Werbung
Konformationsberechnungen
3
Konformationsberechnung
Die Berechnung der mittleren Distanz <r> und des Gyrationsradius führt nur zu
einer unzureichenden Beschreibung des Moleküls. Will man zur Bestimmung der
Konformation einer makromolekularen Kette die Raumkoordinaten jedes Atoms
angeben, muss man die Gesamtheit der Wechselwirkungspotentiale zwischen den
Atomen verwenden. Dabei sind
a) die Valenzbindungen zwischen den verbundenen Atomen
und
b) die Anziehungs- und Abstoßungskräfte zwischen den verbundenen Atomen zu
berücksichtigen
3.1
Verbundene Atome
3.1.1 Valenzbindung
In der Nähe des Gleichgewichtswertes r0 stellt ein harmonisches Potential eine
gute Näherung dar
EP ,1  K1 r  r0 
2
Konformationsberechnungen
Die folgenden Werte werden im Kraftfeld-Programm AMBER vorgegeben
In der Nähe des Valenzwinkels θ0 im Gleichgewicht verwendet man ebenfalls eine
harmonische Näherung der Form
EP , 2  K 2    0 
2
Hierfür findet man im Programm AMBER die Werte
Konformationsberechnungen
3.1.2 Torsionspotential
Für eine Rotation auf dem Valenzkegel wird ein Potential der Form
E P ,3
V
 1  cosn   
2
verwendet. Für X-C-C-X z.B. ist n=4 und γ=0 und V = 4 kcal/mol.
3.2 Nicht verbundene Atome
Die Gesamtheit der Wechselwirkungen zwischen Atomen und Atomgruppen besteht
aus
a) Coulomb – Wechselwirkungen
b) Van-der Waals – Wechselwirkungen (London-Dispersions-WW)
c) Wasserstoffbrücken
Konformationsberechnungen
Eine analytische Form der potentiellen Energie für die gesamte Wechselwirkung aller
Atome besitzt dann folgende Form
EP 
 K1 r  r0  
2
Bindungen

i j

W inkel
K 2    0  
2
 V / 21  cosn   
Dieder
winkel
 Aij Bij 
D
C
   12  6     12  10 
rij i  j  r
r  H  Brücken  r
r 
qi q j
Probleme:
a) Wahl von qi und ε schwierig – Abschirmung durch H2O bzw. Ionen!
b) Anwesenheit von Ionenpaaren verringert die Nettoladung q
c) DK in der Nähe einer Ladung verändert
Konformationsberechnungen
3.3 Topologische Zwänge
Beim Aufbau der dreidimensionalen Struktur können sich zwischen Atomen, die
innerhalb der Kette weit entfernt sind, kovalente Bindungen aufbauen.
Dies ist in Proteinen z. B. bei Disulfid Brücken der Fall, die durch Oxidation von zwei SHGruppen entstehen. Eine solche Bindung ist im bisherigen Ausdruck für die gesamte
Wechselwirkungsenergie nicht berücksichtigt. Für die Aufrechterhaltung der 3D-Struktur
ist sie aber von entscheidender Bedeutung. Gleiches gilt für Phosphodiester Bindungen ,
die sich zwischen den Enden einer DNA-Kette ausbilden und zu einer zirkulären Struktur
führen.
3.4 Die Organisation einer Helix
Die Sekundärstruktur von Makromolekülen ist häufig durch das Strukturelement einer
Helix gekennzeichnet. Eine Helix entsteht, wenn ein Punkt in gegebenem Abstand um
eine Achse bei gleichzeitiger Parallelverschiebung rotiert. Eine makromolekulare Helix
wird durch Monomere gebildet, die um den Winkel α versetzt sind und um eine
Translation p entlang der Achse verschoben werden. Die Schrittweite P einer Helix
entspricht einem Umlauf, also α = 2π.
Konformationsberechnungen
Die Koordinaten eines Atoms der Helix lassen sich durch ein Achsensystem
ausdrücken, indem die Oz-Achse mit der Helixachse durch die folgenden Beziehungen
vertauscht wird (Polarkoordinaten)
x j  r cos2jn  0 
y j  r sin 2jn  0 
z j  jp  z 0
wobei das Verhältnis n von Schrittweiten- zu Translationsparameter, n = P/p, nicht
notwendig ganzzahlig ist und r den Abstand Atom – Achse angibt. z0 und Φ0 sind
Parameter, deren Wert vom gewählten Atom der Kette abhängen. Um den Drehsinn zu
ermitteln, wird z in positiver Richtung durchlaufen. Eine Helix ist rechtsgängig, wenn die
Bewegung von einem Monomeren zum nächsten in positiver Richtung entlang Oz
erfolgt und durch einen positiven Winkel α in der xOy – Ebene bestimmt ist.
Konformationsberechnungen
Bei Proteinen tragen helikale Strukturen wesentlich zur Starrheit des Moleküls bei
und spielen auch für Erkennungsmechanismen mit Nukleinsäuren und Membranen
eine wichtige Rolle.
Bei Nukleinsäuren sind die Doppelhelizes der DNA und die doppelhelikalen Bereiche
der RNA wichtige strukturelle Charakteristika; es können auch tripelhelikale Bereiche
auftreten
Helikale Strukturen treten auch im Protein-Nukleinsäure-Komplex des Chromatins
auf.
Subzelluläre Organismen (Viren, Flagellen, Tubuli, Kollagenfasern etc.) zeigen
ebenfalls organisierte helikale Strukturen.
Die Bildung und Stabilität dieser Helices ist in der Biologie von großer Bedeutung.
Konformationsberechnungen
3.5 Konformationeller Helix – Knäuel Übergang
Der Übergang von einer ungeordneten (Knäuel) zu einer geordneten (Helix)
Konformation vollzieht sich, ähnlich wie ein Phasenübergang, in einem sehr engen
Temperaturbereich. Es handelt sich dabei um einen kooperativen Prozess.
Betrachte dazu eine reversible Konformationsänderung eines Moleküls: A ↔ B.
In verdünnter Lösung ist die Änderung der freien Aktivierungsenthalpie abhängig von
der Temperatur und den internen Koordinaten der beiden Zustände A und B:
G  RT ln K
Wenn dies in kondensierten Phasen auch gilt, dann ist der Übergang Helix – Knäuel
fast ausschließlich durch eine Änderung der Nachbarschaft bestimmt, sprich der
größte Teil von ΔG ist durch die Änderung der Wechselwirkung mit den Nachbarn
bestimmt. Dies sind typische Charakteristika eines kooperativen Prozesses. Im Falle
des Helix-Knäuel Übergangs ist dies ein intramolekularer Prozess.
Konformationsberechnungen
3.5.1 Thermodynamischer Bezug
Zur Berechnung der relevanten thermodynamischen Funktionen ist die Kenntnis der
zugehörigen Zustandssumme nötig. In einer kanonischen Gesamtheit von N
Teilchen in einem Volumen V bei gegebener Temperatur T, in der sich die Anzahl n1,
n2, n3 … von Molekülen in den Energiezuständen U1, U2, U3, …. befinden, ist die
Zustandsumme gegeben durch (gi – Entartungsgrad)
 Ui 
Z   g i exp  

 kT 
i
Die Wahrscheinlichkeit pi, ni Teilchen im Zustand Ui anzutreffen, beträgt
ni
1
 U 
 pi  exp   i 
N
Z
 kT 
Der Mittelwert einer Größe X ist dann gegeben durch
X   pi X i
i
Konformationsberechnungen
Diese Betrachtung lässt sich auf Makromoleküle ausdehnen, wenn man sie
als Summe von Mikrozuständen mit zugehöriger Boltzmann-Verteilung
betrachtet. Näherungsweise existieren Monomere nur in den Zuständen 0
und 1 (z.B. 0 = Knäuel, 1 = Helix), wobei der Übergang mit einer Änderung
ΔG der freien Enthalpie einhergeht und für das Gleichgewicht 0 ↔ 1 gilt:
 G 
S  exp  

 RT 
Konformationsberechnungen
3.5.2 Reissverschluss-Modell
Im einfachsten Modell gibt es nur einen geordneten Bereich, also z.B. 000 11111 000
oder 111111 000, also nur eine Region mit benachbarten Einsen. Die Einführung einer
neuen 1 (Ausbreitungsphase) am Rande eines 1-er Blocks wird bestimmt durch die
Gleichgewichtskonstante
s  0011111100 / 0011111000
während die Einführung einer 1 (Verschmelzungsphase) in einen 0-er Block bestimmt
wird durch eine Gleichgewichtskonstante (σ << 1)
 s  00010000 / 00000000
Konformationsberechnungen
Die Zustandsfunktion wird unter der Annahme gebildet, dass alle möglichen
Zustände mit geeignetem statistischen Gewicht berücksichtigt werden. Zum
Beispiel trägt der Zustand 000 11111 000 mit σs5 zur Zustandsfunktion bei.
Wenn das Makromolekül n Elemente umfasst, erhält man
n
Z  1   Aks
k
k 1
wobei 1 dem kollektiven Beitrag aller Nullen und Ak der Anzahl der Möglichkeiten, k
Elemente 1 in einer Folge zwischen den n Elementen anzuordnen entspricht.
Konformationsberechnungen
Damit ergibt sich der Helix-Anteil der Kette zu
sZ
 ln Z


nZ s n ln s
wobei gilt
Z 1 s  s
n 1
n
 n  1s 
2
s  1
Dieses Modell eignet sich gut für kurze Ketten und führt zur Bevorzugung entweder
langer helikaler Ketten oder komplett denaturierter Moleküle.
Konformationsberechnungen
Einschub: Berechnung einer Zustandsfunktion
Ak  n  k  1
n
n
n
Z  1   Ak  s  1    n  1  s    ks k
k
k
k 1
 1
  n  1 s  s n  1
k 1
k 1
n
   ks k
 s  1
k 1
  n  1 s  s n  1 s  ns n 1   n  1 s n  1
 1

2
 s  1
s

1
 


 k  n  k  1  s k  s
k

s Z 1  ln Z


nZ s n  ln s
Z
s
Konformationsberechnungen
3.6.3 Matrizenmodell
Ein Makromolekül entspricht einer Folge von 0 und 1, wobei das statistische Gewicht g der
Folge von 0 und 1 Zuständen einem Boltzmann-Faktor entspricht
 G 
g  exp  

RT


und ΔG der Änderung der freien Enthalpie beim Hinzufügen eines Segments gegebenen
Zustands zu einem darauf folgenden Segment entspricht. Weiterhin wird festgelegt
g = 1 für jede 0
g = s für jede 1 nach einer anderen 1
g = σ s für jede 1 nach einer 0
Der Parameter σ charakterisiert dabei die Kooperativität der Zustandsänderung. Ist σ = 1 so gilt
für den Anteil an organisierten Elementen (Helix)
 
s
1 s
Konformationsberechnung
Ist hingegen σ sehr klein, so ist es viel einfacher, Bereiche mit 0 oder 1 zu
vervollständigen als eine 1 nach einer 0 einzufügen, also einen neuen geordneten
Bereich zu beginnen. Man kann σ also als Nukleationsparameter betrachten, wobei ein
kleiner Wert eine hohe Kooperativität signalisiert. Der Übergang wird durch
Fluktuationen ausgelöst, die Nukleationszentren entstehen lassen.
σ kann auch als eine reziproke Oberflächenspannung verstanden werden, wobei σ = 0
einer unendlich hohen Oberflächenspannung zwischen geordneten und ungeordneten
Bereichen (sprich Phasen) entspricht. Man hat dann entweder ein vollständig
geordnetes oder vollständig ungeordnetes System. Nur in diesem Fall (σ = 0) ist ein
echter eindimensionaler Phasenübergang zu beobachten , andernfalls (σ ≠ 0) liegt
immer eine Mischung beider Phasen vor.
Konformationsberechnung
Neben den statistischen Gewichten g ist noch eine Methode zur Berechnung der
Zustandsfunktion des Makromoleküls nötig. Das statistische Gewicht eines gegebenen
Monomeren i wird durch einen Vektor ai beschrieben. Werden nur nächste-NachbarWechselwirkungen berücksichtigt, so hat der Vektor nur zwei Komponenten, wobei
jede dem statistischen Gewicht eines der Zustände des Monomeren i entspricht. Der
Übergang von einem Segment i zum nächsten i+1 lässt sich mit einer
Übergangsmatrix Mi beschreiben
Mi 
1
1
s s
 

ai 1  M1ai
Konformationsberechnung
Ist
es
notwendig,
die
Wechselwirkung
mit
mehr
nächsten
Nachbarn
zu
berücksichtigen, so ist es notwendig von Gruppen von μ Monomeren auszugehen,
deren Gewichtsvektoren dann 2μ Komponenten besitzen. Dabei wird das letzte
Monomere der Kette durch den Vektor repräsentiert, dessen Komponentensumme der
Zustandsfunktion Z des Moleküls entspricht.
Die Berechnung von Z ergibt:




1/ 2 
1
2
Z     1  s  1  s   4s

2
n
1
n
wobei λ1 den größten Eigenwert der Übergangsmatrix darstellt. Für den Helix-Anteil
erhält man wie im vorherigen Modell
s 1

1 s
Konformationsberechnung
Spezialfälle:
1)
nicht-kooperativer Übergang
  1 1  1  s 1 / s  1    s /1  s 
2)
„alles oder nichts“ System mit Phasenübergang
  0 1  1  s  1  s / 2
1 / s  1  s  1 /  1  s / 2
s  1   1  s , 1  1, 1 / s  0    0
s  1   1  s , 1  s, 1 / s  1    1
Konformationsberechnung
Die folgende Abbildung illustriert das Verhalten des Übergangs. Die Anfangssteigung
beträgt σ und nur die Kurven für σ < 1 besitzen einen Wendepunkt an den Stellen s
= 1 und θ = ½
Konformationsberechnung
Man kann eine Breite Δs des Übergangs definieren mit:
1
 d 
s   
 ds  s 1
wobei gilt
d d1  s  d1  sd 21

  2 
 
ds 1ds  1  ds  1ds 2
2
Im Bild gilt:
Δs = AA‘ + BB‘
Konformationsberechnung
Es genügt, den Term d2λ1/ds2 zu berechnen und in allen anderen Termen s = 1 zu
setzen. Damit erhält man


1/ 2
d

1



1
 
 1/ 2
 
1/ 2
4
 ds  4   


und wenn σ = 10-4 beträgt, folgt
s  4   0, 04
Die Breite des Übergangs ist damit ein direktes Maß für die Kooperativität, also den
Nukleationsparameter.
Konformationsberechnung
Ist der Übergang die Folge einer Temperaturerhöhung, so erhält man wegen
 G 
s  exp  

 RT 

d ln s H

dT
RT 2
Die Breite ΔT des Übergangs wird analog definiert:
1
 d 
T  

 dT T Tm
d d ds
d d ln s


s

dT ds dT
ds dT
RTm2
T  4 
H
für
s  1, T  Tm
ΔH stellt die Enthalpie-Änderung des Helix – Knäuel Übergangs dar, wobei der
Kooperativität des Übergangs Rechnung getragen ist.
Konformationsberechnung
Einschub: Berechnung von Z und θ
Werden nur nächste-Nachbar-Wechselwirkungen berücksichtigt, so beträgt der
Spaltenvektor des ersten Segments a1 = (1,1)T. Die Berechnung der Matrizen und
Vektorprodukte ist bei diagonaler Übergangsmatrix erheblich vereinfacht.


 

Diagonalisierung einer Matrix:  


A  I x  O
Ax   x 

1
1 
1
1
0

A
s
s
s s
1   s     s
1/ 2
1  1 / 2  1  s  1  s 2  4s 
1/ 2
2  1 / 2  1  s  1  s 2  4s 



1
AD 
0


0
2
 1  1 
AD 

 1

 
   2
  1   12 

AD 

 
 2  ........
 2  2
Konformationsberechnung
Der Vektor an+1 ist also durch die beiden Werte λ1n und λ2n gegeben, womit folgt:
Z  1n  n2
Für große n gilt:
n2  1n  Z  1n
Um den Anteil θ an organisierten Strukturelementen zu berechnen, wird geprüft, ob
im Mittel k organisierte Monomere im Makromolekül vorhanden sind. Deren
statistisches Gewicht geht in die Zustandssumme mit sk ein, Z ~ sk, so dass folgt:



1 / 2
k  ln Z  s  1  s  1 
2
 
  
    1  s  1  2 1  s   4s
n n ln s  1  s  1  2 
wobei eine zum ersten Modell identische Bestimmungsgleichung für den HelixAnteil θ erhalten wurde.

Herunterladen