Vorlesung 4

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Physiologie 4
Schlaf
Zirkadiane Periodik als Grundlage des
Wach-Schlaf-Rhythmus
Zirkadiane Uhren
Die Abfolge der verschiedenen Schlafstadien und des Wachens wird
von inneren Uhren gesteuert, die meist eine zirkadiane Periodik
besitzen und durch Zeitgeber auf den 24 h-Rhythmus der Außenwelt
synchronisiert werden
Innere Uhr. Eine freilaufende zirkadiane Periodik bleibt bei Isolation von
der Außenwelt über Monate erhalten. Meist ist sie in Isolation länger
als 24 h, bei manchen Menschen auch kürzer. Innere Uhren gibt es
aber nicht nur für Wachen und Schlafen, sondern auch für viele
andere Körperfunktionen. Diese Uhren sind meist untereinander
synchronisiert. Ohne äußere Zeitgeber kann es aber auch zur
Entkoppelung kommen.
Der zirkadiane Rhythmus von Schlafen und Wachen und viele damit
einhergehende Rhythmen physiologischer und psychologischer
Funktionen werden von endogenen Oszillatoren (inneren Uhren) im
Zentralnervensystem (ZNS) gesteuert. Diese inneren Uhren bestehen
aus Neuronen, deren Membranstruktur die Membranleitfähigkeit
rhythmisch verändert und damit ihre Entladungsraten rhythmisch
anordnet.
Endogene Oszillatoren I
Der Grundrhythmus der endogenen Oszillatoren, von
molekularen Uhren gesteuert, wird von äußeren
(externen) und inneren (internen) Reizen, die Zeitgeber
genannt werden, auf die 24 h-Periodik der Außenwelt
synchronisiert. Beim Menschen wirkt helles Licht (700012000 Lux) als stärkster Zeitgeber, aber auch soziale
Interaktion hat einen gewissen Einfluss auf die Tag-NachtRhythmik
Im Extremfall kann der Wach-Schlaf-Rhythmus in der
Isolation besonders lange Werte annehmen zB. 48 hPerioden, also bizirkadiane Rhythmen, dann werden die
vegetativen Funktionen völlig abgekoppelt (interne
Desynchronisation) und laufen mit der ursprünglichen
Periodendauer von etwa 24 h weiter. Die offenbar weniger
flexible »Temperaturuhr« kann der neuen, extrem langen
Periode der »Aktivitätsuhr« nicht mehr folgen und löst
sich daher vom Wach-Schlaf-Rhythmus.
Endogene Oszillatoren II
Jet-Iag und Schichtarbeit. Wird die zirkadiane Periodik
einmalig in ihrem Rhythmus verschoben, z.B.
verkürzt durch Flug nach Osten oder verlängert
durch Flug nach Westen, so brauchen die
zirkadianen Systeme etwa 1 Tag pro 1 h-Zeitzone, um
ihre normale Phasenlage zu den äußeren Zeitgebern
zurückzugewinnen.
Die Resynchronisation erfolgt bei Flügen nach Westen
deutlich schneller als bei Flügen nach Osten.Die
soziale und berufliche Aktivität lässt sich dem
verschobenen Zeitgeber schnell anpassen,
Körpertemperatur und andere vegetative Funktionen
folgen langsamer. Diese Dissoziation trägt zur
vorübergehenden Leistungsminderung nach
Langstreckenflügen bei (bezüglich der eventuellen
Wirkung des Melatonin bei der Resynchronisation).
Nucleus suprachiasmaticus (SCN) I
Der zentrale, aber nicht der einzige Schlaf-Wach-Oszillator ist
der Nucleus suprachiasmaticus (SCN)
Der (SCN) ist im anterioren Hypothalamus direkt über dem
Chiasma opticum lokalisiert und stellt die oberste
Steuereinheit des zirkadianen Systems dar (master
clock). Vom retinohypothalamischen Trakt (RHT) erhält
der SCN Information über die Lichtverhältnisse der
Umgebung. Der RHT widerum erhält die Licht-DunkelInformation aus spezialisierten bipolaren Ganglienzellen
der Retina. Diese enthalten den zirkadianen
Photorezeptor Melanopsin, der auf diffuses Licht
anspricht und diese Information dann über glutamaterge
Synapsen zunächst auf den RHT und dann weiter auf die
Zellen des SCN überträgt.
Läsionen des SNC führen zu völliger Arhythmizität vieler
Körper- und Verhaltensfunktionen. Transplantierung des
SCN auf SCN-läsionierte Tiere erzeugt den zirkadianen
Rhythmus des Spendertieres im Empfänger. Auch
isolierte Zellen des SCN behalten ihre Rhythmizität bei.
SCN II
»Sklaven-Oszillatoren«. Der SCN synchronisiert als
Schrittmacher efferent verschiedene »SklavenOszillatoren« im Gehirn und der Körperperipherie. Dies
geschieht über rhythmische Entladung und rhythmische
Sekretion von aktivitätshemmenden und aktivierenden
Faktoren, meistens Neuropeptiden.
Sowohl die Transmittergesteuerte elektrische als auch die
sekretorische Rhythmizität wirken auf die
subparaventrikuläre Zone des Hypothalamus (SPVC) und
von dort über spezifische Projektionen auf die relevanten
Empfängerregionen (z. B. die Schlafanstoßenden Zellen
im basalen Vorderhirn, die monoaminergen Zellen des
Stammhirns und die REM-anstoßenden cholinergen
Regionen).
Molekulare Uhren I
Die rhythmische Transkription von »Uhr-Genen« ist für die endogenen
Rhythmen verantwortlich
PER und TIM. (Der Glutamat-induzierte Ca2+-Einstrom in die Zellen des
SCN führt während der Lichtphase zum Abbau (Degradierung) eines
Proteins PER (von period) im Zytoplasma der SCN-Zellen, wodurch
im Laufe des Tages die Transkription von PER durch per-Gene im
Nukleus ermöglicht wird. Wenn es dunkel wird, hört die Degradierung
von PER-Proteinen im Zytoplasma auf und PER kann wieder
akkumulieren. Gegen morgen dringen PER-Proteine in den Nukleus
ein und hemmen dort die Transkription der per-Gene in einem
negativen Rückmeldekreis.
PER allein ist inaktiv und kann nicht in den Zellkern eindringen. Es muss
sich daher mit dem Protein TIM (von timeless) zu einem sogenannten
Dimer verbinden. Dieses Dimer blockiert die Transkription eines
anderen Gens, des sogenannten Clock-Gens (von Circadian
Locomotor Output Cycles Kaput). Das Clock-Protein löst die
Transkription von per- und tim-Genen im Kern aus.
Mutationen auf per, tim oder clock zerstören die zirkadiane Periodik,
einige der Mutationen sind letal, andere erhöhen die Krebsinzidenz
und reduzieren die Immunkompetenz. Durch eine PER-Mutation
werden Gene, welche das unkontrollierte Zellwachstum von Zellen zu
Krebs fördern, angeregt.
Molekulare Uhren II
Frühe Reaktionsgene. Die molekularen Mechanismen der
Synchronisation der Zellen des Nucleus
suprachiasmaticus werden durch unmittelbare
Expression »früher Reaktionsgene« (immediate early
Genes) gesteuert.
Die frühen Reaktionsgene werden durch Licht aktiviert;
bereits nach wenigen Minuten lässt sich in den Zellen des
Nucleus suprachiasmaticus die Aktivierung eines c-fos
Proto-Onkogens feststellen. Das c-fos-Protein ist ein
Transkriptionsfaktor in den frühen Reaktionssystemen,
die rasch in die Regulation von Zellproliferation und
Membrandifferenzierung eingreifen.
Die schnelle Expression des Transkriptionsfaktors wird durch
Anstieg der cAMP, oder der Ca2+-Konzentration nach
Eintreffen des Nervenimpulses ausgelöst, welche die
aktivierende Phosphorylierung des Transkriptionsfaktors
bewirken.
Zirkadiane Rhythmik
Die regelmäßige Abfolge von Wachen und Schlafen
entspricht ungefähr (zirka) der Dauer eines Tages (lat.
dies) und wird von endogenen Oszillatoren (inneren
Uhren) autonom gesteuert. Die Rhythmen werden von
molekularen Mechanismen v.a. in Zellen des Nucleus
suprachiasmaticus generiert und von äußeren und
inneren Reizen (Zeitgebern) auf die 24 h-Periodik
synchronisiert.
Die Rhythmizität der Zellen im Nucleus suprachiasmaticus
wird von molekularen Uhren unter Beteiligung weniger
Gene im gesamten Reich des Lebendigen in
vergleichbarer Art und Weise gesteuert. Dabei kommt es
zur rhythmischen Transkription von bestimmten »UhrGenen«. Die Zeitverzögerung im Auf- und Abbau dieser
Gene und ihrer Proteinprodukte bestimmen den
Rhythmus der Erregbarkeit der Zellmembran von
endogenen Oszillatoren.
Wach-Schlaf-Verhalten des Menschen
Schlafstadien
Mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) lassen sich die
verschiedenen Stadien des Schlafes (REM-, NREM-Schlaf)
unterscheiden
Mit der Elektroenzephalographie steht eine Methode zur
Verfügung, die es erlaubt, den Schlafverlauf fortlaufend
aufzuzeichnen, ohne ihn zu stören
Den Tiefschlaf bezeichnet man auch als Langsamen-WellenSchlaf (Slow-Wave Sleep, SWS), da er von
hochamplitudigen (>1oo mV) Theta- (4-7 Hz) und GammaWellen (0,5-3 Hz) dominiert wird.
Dem REM-Schlaf werden alle übrigen Schlafstadien als
NREM-Schlaf (Nicht-REM-Schlaf) gegenübergestellt.
REM-Schlaf
Der REM-Schlaf wird auch als paradoxer Schlaf 'bezeichnet, weil das EEG
sich kaum vom Wachzustand unterscheidet, die Person aber
regungslos mit geschlossenen Augen liegen bleibt. Es treten dabei
sekundenlange Gruppen von 1-4 Hz schnellen Augenbewegungen
auf. Im EEG herrschen Beta-Wellen (13-30 Hz), Gamma-Wellen
(>3oHz) und eingestreute, kleinamplitudige Theta-Wellen (4-7 Hz) vor.
In dieser Zeit wird häufig aktiv-handelnd und emotional geträumt,
während in den übrigen Schlafphasen eher abstrakt-gedanklich
geträumt wird.
Orthographie des Schlafes. Während des Schlafens treten im EEG auch
für den Schlaf typische Muster auf. Dazu gehören die Schlafspindeln
und K-Komplexe.
K-Komplexe geben einen Hinweis darauf, dass das schlafende Gehirn
Reize aus der Umwelt wahrnimmt und darauf reagiert. Dieses
Wellenmuster tritt nämlich regelmäßig dann auf, wenn dem Schläfer
ein Reiz präsentiert wird, z. B. ein Tonsignal.
Schlafspindeln sind ebenfalls kurzdauernde Wellenmuster, vor allem der
motorischen Areale, welche von hemmenden Interneuronen im
somatomotorischen Thalamus erzeugt werden. Es gibt Hinweise
darauf, dass Schlafspindeln den Schlaf schützen, indem sie das
Gehirn gegen Außenreize abschirmen und die Ruhigstellung der
zentralen Motorik ermöglichen.
Schlafphasen eines Schlafzyklus I
Die Schlafphasen werden unter physiologischen Bedingungen immer
in derselben Abfolge von Langsamen-Wellen-Schlaf (SWS) zum
REM-Schlaf durchschritten
Beim Übergang vom entspannten Wachsein (mit geschlossenen
Augen) in das Schlafstadium 1 (S1) verschwinden die AlphaWellen. Die Klarheit des Bewusstseins wird zunehmend
eingeschränkt. Viele Menschen erleben in diesem dösenden
Übergangszustand zwischen Wachen und Schlafen optische,
traumartige Eindrücke.
Gleichzeitig beginnen die Augäpfel sich ganz langsam hin- und
herzubewegen. Bei manchen Schläfern zeigen sich beim
Einschlafen auch feine Zuckungen der Augenlider.
Es können aber auch heftige Zuckungen einzelner Gliedmaßen oder
des ganzen Körpers auftreten, die wahrscheinlich durch eine
Umstellung der motorischen Kontrollsysteme beim Einschlafen
bedingt sind.
Schlafphasen eines Schlafzyklus II
Der Beginn des nachfolgenden Schlafstadiums 2 (S2) ist daher als
der eigentliche Zeitpunkt für den Schlafbeginn anzusehen, zumal
hier zum ersten Mal Schlafspindeln und K-Komplexe auftauchen.
Die Zeitdauer zwischen dem Zubettgehen und dem ersten S2-Schlaf,
also die Schlaflatenz, beträgt bei gesunden Erwachsenen etwa 10
bis 15 min.
Normalerweise vertieft sich der Schlaf sukzessive aus den Stadien S1
und S2 in die Tiefschlafstadien S3 und S4 .Die Weckschwelle für
Reize erhöht sich entsprechend und erreicht ihren höchsten Wert
nach etwa einer Stunde. Anschließend nimmt die Weckschwelle
wieder ab.
Schließlich geht der Tiefschlaf in den ersten REM-Schlaf‘ über, mit
dem der komplette erste Schlafzyklus abgeschlossen wird.
Schlafzyklen im Verlauf der Nacht
Im Verlaufe einer Nacht werden die einzelnen Schlafstadien mehrfach
durchlaufen; das Maximum des Tiefschlafs liegt dabei im ersten
Schlafzyklus; die REM-Episoden nehmen im Verlauf der Nacht an
Dauer zu
Schlafzyklen.
Eine Nacht besteht aus etwa 4-5 Schlafzyklen, die jeweils eine Dauer
von etwa 1,5 Stunden haben. Ein kompletter NREM-REM-Zyklus wird
als Basic-Rest-Activity-Cycle (BRAC) bezeichnet, da er sich in den
wachen Teil des Tages hinein fortzusetzen scheint. Das Maximum des
langsamwelligen Schlafs mit den Stadien 3 und 4 liegt im ersten
Schlafzyklus, danach nimmt der langsamwellige Schlaf stetig über
die Nacht ab.
Die Dauer der REM-Phasen nimmt im Laufe der Nacht von ca. 5-10 min bis
auf 20-30 min zu. Auch die Augenbewegungsdichte im REM-Schlaf
nimmt im Laufe der Nacht zu. Diese Intensivierung des REM-Schlafes
gilt auch für viele andere physiologische Prozesse. Mit der
Intensivierung des REM-Schlafes geht auch verlängertes und
intensiveres Träumen einher.
Unterschiede zwischen REM-Schlaf und
Wachzustand
Physiologisch und psychologisch weisen die REM-Phasen Ähnlichkeit
zum Wachzustand auf. Trotzdem bestehen Unterschiede, die auch
das psychologisch kaum mit Wachen vergleichbare Träumen
erklären. Der zentrale Unterschied besteht in der tonischen
Hemmung der spinalen Motoneurone während der REM-Phasen, was
zu vollständiger Paralyse der quergestreiften Muskulatur führt.
Die spinale Hemmung geht von Kernen in der medialen Medulla oblongata
aus und diese benutzen Azetylcholin als Transmitter. Nach Läsion
dieser medullären Kerne tritt bei Säugetieren und Menschen REMSchlaf ohne Atonie auf, die Tiere bzw. Menschen agieren motorisch
entsprechend dem Trauminhalt (z. B. »fängt« die Katze eine nicht
existierende Maus).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen REM- und Wachzustand ist die
Überaktivität cholinerger Synapsen im REM-Schlaf und die
veränderte Topographie aktivierter Kortex-Areale
Altern und Schlaf I
Die Gesamtschlafzeit sinkt im Lauf des Lebens ab, der
relative Anteil des SWS-Schlafs (»Tiefschlaf«) wird
außerdem erheblich kürzer
Altersentwicklung. Die relativen Anteile von Wachen und
Schlafen, ebenso wie die Anteile von REM- und NREMSchlaf an der Gesamtschlafzeit machen eine
charakteristische Altersentwicklung durch. Insgesamt
sinkt im Laufe des Lebens nicht nur die Gesamtschlafzeit
ab, sondern es wird auch der relative Anteil des SWSSchlafs (Slow Wave Sleep, Stadium 3 und 4) erheblich
kürzer.
Das Neugeborene verbringt einen erheblichen Teil des Tages
im REM-Schlaf. Dieser Anteil sinkt dann rasch mit der
Hirnentwicklung bis um das 14. Lebensjahr von 50% auf
ca. 20% ab und bleibt danach konstant. Stadium 1 und 2
nehmen dagegen ab dem 14. Lebensjahr zu, während
Stadium 3 und 4 im Erwachsenenalter kontinuierlich
abnehmen.
Altern und Schlaf II
REM-Schlaf als Umweltreiz. Der hohe Anteil des REM-Schlafs
bei Säuglingen und Kleinkindern hat zu der Vermutung
geführt, dass diese Perioden erhöhter neuronaler Aktivität
(desynchronisiertes EEG ähnlich dem bei
Aufmerksamkeit) für die ontogenetische Entwicklung des
ZNS wichtig sind, da bei diesen Individuen äußere Reize
noch weitgehend fehlen: das »Träumen« ersetzt als
innere Reizung den mangelnden externen Einstrom.
Dagegen spricht allerdings, dass bei Vorschulkindern
Traumberichte nach Aufwecken praktisch nicht
vorkommen. Es scheint also eher die allgemeine
Aktivitätsentwicklung der Hirnrinde im REM-Schlaf für die
Hirnentwicklung wichtig zu sein.
Schlafstörungen I
Primäre Schlafstörungen können als Ein- und Durchschlafstörungen, und
als schlafstadiengebunde Störungen auftreten.Schlafstörungen, die
nicht als Folge von organischen Erkrankungen auftreten, werden als
primäre bezeichnet.
Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnia):
Ideopathische Insomnia bezeichnet subjektiv erlebte und objektiv, d. h.
mit polygrafischen Aufzeichnungen im Schlaflabor verifizierbaren
Störungen im Schlafprofil. Diese können zahlreiche Ursachen haben,
z.B. zu viel oder zu wenig körperliche Aktivität, chronischer Stress,
Reisen und exzessives Essen oder Fasten.
Pseudoinsomnia äußert sich durch subjektive Störungen des Ein- und
Durchschlafens, wobei das Schlafprofil aber altersgerecht ist.
Pseudoinsomnia liegt vor, wenn die subjektiven Erwartungen an die
Schlafgüte nicht mit dem objektiv vorhandenen Schlafprofil
übereinstimmen. Dies ist häufig bei alten Menschen der Fall, die sich
nicht an die zunehmende »Leichtigkeit« des Schlafes gewöhnen
können.
Schlafmittelmissbrauch ist eine der häufigsten Ursachen für
Schlafstörungen. Alle bekannten Schlafmittel führen bei längerer
Einnahme zu einer Veränderung des natürlichen Schlafprofils und bei
Absetzen der Einnahme zu erheblichen Schlafstörungen.
Schlafmittelmissbrauch ist die häufigste iatrogene Erkrankung (von
Medizinern verursachte Krankheit).
Schlafstörungen II
Hypersomnia. Der Prototyp einer hypersomnischen Erkrankung ist die
Narkolepsie. Ihr Leitsymptom ist die gesteigerte Tagesmüdigkeit
mit unkontrollierbaren Schlafattacken (Dauer von wenigen
Sekunden bis 30 min). Zur Narkolepsie gehören auch die
Kataplexie, d. h. ein meist durch affektive Reize ausgelöster
Tonusverlust, sowie Schlaflähmungen und hypnagoge
Halluzinationen. Diese Symptome können als das »Eindringen«
von REM-Episoden in den Wachzustand aufgefasst werden, denn
Kataplexie und Schlaflähmung sind mit der Atonie des REMSchlafes eng verwandt, hypnagoge Halluzinationen mit den
traumgenerierenden Prozessen dieses Schlafzustandes.
Narkolepsie und REM-Schlaf.( Der Azetylcholinspiegel im Hirnstamm
ist dauerhaft wie im REM-Schlaf stark erhöht. Die Tiere weisen
eine Mutation am »Carnac«-Gen auf, welches den Rezeptor für
das Neuropeptid Orexin bildet. (Orexin-knock-out Mäuse sind
narkoleptisch und zeigen profunde Störungen der
Nahrungsaufnahme, daher der Name. Orexin wirkt vom
Hypothalamus auf alle Schlafregulierenden Strukturen des
Hirnstamms, besonders auch die REM-anstoßenden cholinergen
Systeme.)
Eine der häufigsten Hypersomnien, vor allem bei übergewichtigen
Rauchern, ist die Schlaf-Apnoe.
Schlafstörungen III
Schlafstadiengebundene Störungen:
Somnambulismus (Schlafwandeln) ist ein motorischer Automatismus,
der beim Übergang vom Tiefschlafstadium 4 in das Stadium 2
auftritt, und zwar besonders bei Kindern und Jugendlichen, sowie
bei Erwachsenen unter Stressbelastung. Die Augen des
Schlafwandlers sind weit geöffnet, er ist nicht ansprechbar, nach
dem Aufwecken desorientiert und kann sich nicht an Träume
erinnern.
Bettnässen (Enuresis nocturna) kommt bei rund 10 % aller Kinder
nach dem 2. Lebensjahr vor. Es tritt praktisch immer aus dem
NREM-Schlaf auf.
Der kindliche Pavor nocturnus kann ähnliche Ursachen haben und
kommt zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr, selten später, vor.
Plötzlich, während des Schlafes, setzt sich das Kind auf und fängt
an zu schreien. Das Gesicht ist bleich und schweißbedeckt, der
Atem geht schwer. Nach kurzer Zeit wacht das Kind auf, erkennt
seine Umwelt und schläft oft wieder ein.
Neuronale Schlafsteuerung I
Der langsame Wellen-Schlaf (SWS) ist homöostatischer Natur und wird
durch die Akkumulation von bestimmten »Schlafsubstanzen«
ausgelöst
Der langsame Wellen-Schlaf (SWS, Tiefschlaf) hat weniger rhythmischen,
sondern eher homöostatischen Charakter: Er hängt stark von der
vorausgegangenen Aktivität (Müdigkeit), Nahrungsaufnahme,
Hirntemperatur und anderen Faktoren ab. Man nimmt an, dass die
Akkumulation einer oder mehrerer »Schlafsubstanzen« während des
Wach-Seins als Ursache für den Beginn von SWS dient. Eine wichtige
Schlafsubstanz ist das Purin Adenosin, das neben motorischen und
motivationalen Funktionen auch in neuronalen Schlafstrukturen als
Signalmolekül wirkt. Es akkumuliert während des Tages und hemmt
vor allem über seine A-Rezeptoren die cholinergen exzitatorischen
Neurone des basalen Vorderhirns.
Das basale Vorderhirn mit dem Nucleus praeopticus des Hypothalamus
ist eine Struktur, deren elektrische Reizung oder Erwärmung zu SWS
führt. Jene Teile des basalen Vorderhirns, welche bei Reizung SWS
auslösen, sind räumlich klar von den cholinergen, REM-bewirkenden
Regionen getrennt. Die SWS-Regionen liegen in der Nachbarschaft zu
den Kernen des vorderen Hypothalamus.
Neuronale Schlafsteuerung II
SWS wird aber offensichtlich auch durch periphere Peptide, wie z.B.
Muramyl-Peptide, angestoßen, die in subkortikalen Gliazellen und den
Gliazellen des basalen Vorderhirns die Produktion von Interleukin-1
stimulieren. Dabei handelt es sich um ein Peptid, das mit der
Immunabwehr befasst ist. Fieber nach Infektionen und der Anstieg der
Körper- und Hirntemperatur sind daher potente Reize für SWS.
Immunkompetenz. Die restaurativen Prozesse im homöostatischen Non-REMSchlaf finden vor allem in den ersten drei Nachststunden mit einem
Maximum an SWS statt. Das Hypothalamus-Nebennieren-Stress-System
ist in dieser Zeit gehemmt, die Kortisolproduktion auf einem Minimum
und die Produktion immunkompetenter Zellen auf einem Maximum.
REM-Schlaf Gleichzeitig mit der Aktivierung der cholinergen REM-Zellen
werden die im langsamen-Wellen-NREM-Schlaf aktiven aminergen Zellen
in Nucleus raphe (Serotonin) und Locus coeruleus (Noradrenalin)
blockiert. Umgekehrt hemmt die Aktivierung von Raphe und Coeruleus
die cholinergen Kerne. Im REM-Schlaf wird also ein primär »cholinerges
Klima« erzeugt, was sich deutlich vom Wachzustand unterscheidet, in
dem auch die Produktionsstätten der aminergen Transmitter aktiv sind.
Schlafverhalten
Die verschiedenen Schlafstadien lassen sich durch die Registrierung des
Elektroenzephalogramms (EEG) und der Augenbewegungen
(Elektrookulogramm, EOG) erfassen:
Wir unterscheiden vier Stadien zunehmender Schlaftiefe mit zunehmend
langsamen Wellen im EEG. Das Tiefschlafstadium (Stadium 4) wird auch
Langsamer Wellen-Schlaf genannt, da es im EEG hochamplitudige Wellen
zeigt.
Der Langsame-Wellen-Schlaf (SWS, »Tiefschlaf«) geht in ein dem Wachzustand
vergleichbares Stadium mit schnellen Augenbewegungen (REM) und WachEEG über; diese REM-Perioden werden im Laufe der Nacht länger.
Eine Abfolge von Nicht-REM-Schlaf (NREM) und REM-Schlaf wird als Basic-RestActivity-Cycle, BRAC, bezeichnet. Eine Nacht besteht aus 4-5 solcher
Schlafzyklen.
Die Dauer der einzelnen Schlafstadien ändert sich im Laufe des Lebens: Während
Neugeborene und Kleinkinder erhebliche Teile des Tages und der Nacht im
REM-Schlaf verbringen, bleibt der REM-Anteil nach der Pubertät konstant. Im
späten Erwachsenenalter und im hohen Alter nimmt auch der Anteil des
tiefsten SWS kontinuierlich ab.
Neuronale Steuerung
SWS wird von präoptischen Regionen des Hypothalamus und Teilen des basalen
Vorderhirns erzeugt. Die Regulation erfolgt homöostatisch durch
Akkumulation von Schlafsubstanzen während der aktiven Zeit.
REM wird von cholinergen Kernen des Mittelhirns und basalen Vorderhirns
erzeugt und hängt von zirkadianen und ultradianen Oszillatoren ab.
Die physiologischen Aufgaben der Schlafstadien
Träumen, Mentale Prozesse im Schlaf.
Mentale Prozesse sind während der gesamten Schlafzeit vorhanden,
in NREM-Pha-sen sind sie eher abstrakt, gedankenartig. Die aktiven,
halluzinatorischen, geschichtenartigen Traumphänomene, die wir
eigentlich meinen, wenn wir von Träumen reden, sind während der
phasischen REM-Aktivitäten (z. B. Augenbewegungen) am stärksten.
Sie sind während der ersten Nachthälfte eher Erinnerungen an
Ereignisse des vergangenen Tages und werden gegen Morgen
zunehmend emotionaler.
Traumnetzwerke.
Bildgebende Untersuchungen während des Schlafes ergaben, dass
bei SWS die Hirndurchblutung drastisch absinkt. Wenn das EEG
desynchronisiert und lebendige Träume berichtet werden - was nicht
unbedingt, aber oft mit REM-Phasen korreliert - werden die
cholinergen Systeme aktiv (lebendiges Erleben), die primären
sensorischen und motorischen Projektionsareale gehemmt
(Abschluss von Außenwelt), limbische und dienzephale Regionen
aktiv (Gefühls- und Trieberlebnisse) und der dorsale Frontalkortex
gehemmt (Kontrollverlust, Gedächtniskonsolidierung). Die
Assoziationsareale sind je nach Trauminhalt aktiv, wodurch die
lebendigen Szenenabfolgen, oft mit Erinnerungen durchmischt,
erklärt werden können
Kernschlaf
Nur ein Teil des Schlafes ist wirklich vital notwendig: Kernschlaf; er
umfasst in etwa die ersten 3 Schlafzyklen einer Nacht
Trotz allen Fortschritts blieb die Bedeutung der Schlafphasen bis heute
offen. Klar ist nur, dass beide (REM und NREM) überlebenswichtig
sind. Totale Schlafdeprivation über längere Zeit führt zum Tod bei
Mensch und Tier. Beim Menschen sind die ersten 2-3 SWS-REMPhasen offensichtlich essenziell, sie werden daher Kernschlaf
genannt.
Eine Deprivation der letzten 3 Schlafstunden führt kaum zu merkbaren
Störungen (Optional- oder Füllschlaf).
Die psychischen und gesundheitlichen Auswirkungen auch langer
Schlaflosigkeit (z. B. 10 Tage und Nächte) beim erwachsenen
Menschen sind allerdings relativ gering. Nach 3-4 Nächten treten bei
einigen Personen Wahrnehmungsverzerrungen und ein leichtes
Nachlassen von Vigilanz (Daueraufmerksamkeit) auf. Nach nur
wenigen Stunden Erholungsschlaf tritt völlige Erholung ein. Bereits
nach wenigen Nächten »holen« sich die Versuchspersonen durch
extrem kurze, aber zunehmend häufiger werdende
Mikroschlafepisoden »ihren« Schlaf.
Die Aufgaben des Tiefschlafs (SWS) I
Der homöostatische SWS hängt mit restaurativen Funktionen zusammen
Stoffwechselenergie. Nach Schlafdeprivation wird zuerst SWS
nachgeholt, was für die Energie konservierende Funktion von SWS
spricht. Adenosin ist ein wichtiger Vorläufer für ATP und kommt
häufig als hemmender Neuromodulator im ZNS vor. Während des
Tages und bei Anstrengung oder Schlaflosigkeit steigt die
Konzentration von Adenosin im Extrazellulärraum kontinuierlich an,
vor allem in den SWS-anstoßenden HirnStrukturen. Koffein u.a.
Weckmittel blockieren die Ax und A2A Adenosinrezeptoren.
Endokrinologie. Während der SWS-Phasen zu Beginn des Schlafes wird
vor allem bei Körperwachstum das Wachstumshormon (GH, Growth
Hormon) ausgeschüttet und die Ausschüttung der Stresshormone
Kortisol und ACTH gehemmt. Extremer Stress führt zu
Schlafstörungen und zu Wachstumsstörungen bei Kindern bis hin zu
psychosozialem Zwergwuchs. Da GH auch am Wachstum und der
Verbindung von Nervenzellen beteiligt ist, werden auch die kognitive
Entwicklung und die Lernfähigkeit durch Stress und SWS-Mangel
gestört. Bei der Depression ist ebenfalls der zirkadiane Gipfel
abgeflacht und der relative Anteil von Kortisol erhöht. Dabei ist der
REM-Schlaf, vor allem die REM-Latenz (Zeit bis zur ersten REMPhase) verkürzt.
Die Aufgaben des Tiefschlafs (SWS) II
Immunologie. Stress und Kortisolanstieg hemmen die Immunabwehr. Daher
geht ein SWS-Mangel auch mit Störungen des Immunsystems einher. Der
Verlust von SWS im Alter trägt zum vermehrten Auftreten von
Krankheiten bei, welche von Immunfaktoren »in Schach« gehalten
wurden.
Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird von immunaktiven Substanzen
ebenso beeinflusst wie umgekehrt der Schlaf zum restaurativen Aufbau
von immunkompetenten Zellen notwendig ist. Interleukine, z.B. 11-1, die
von T-Helferzellen abgegeben werden und das Lymphozytenwachstum
beschleunigen, haben schlafanstoßende Wirkung im Gehirn. Chronische
Schlafdeprivation im Tierversuch führt umgekehrt zu raschem Absinken
der Immunkompetenz mit Anstieg von Neoplasien (krebsartiger
Entartung), Infektionen und Tod des Tieres. Zirkadiane
Rhythmusstörungen wie Nachtarbeit und Zeitzonen überfliegen (»JetIag«) erhöhen ebenfalls die Infektionsanfälligkeit.
Die Auswirkungen des Schlafens auf das Immunsystem scheinen u.a. von der
zirkadianen Rhythmik des Zirbeldrüsenhormons Melatonin bewirkt zu
werden. Melatonin ist während des Schlafes erhöht, seine Konzentration
im Kindesalter ist hoch und sinkt mit der Dauer des Tiefschlafes im Alter
ab. Extern vor dem Einschlafen verabreicht, reduziert es
Belastungseffekte (»Stress«) und kann anscheinend bei Jet-Iag den
Rhythmus resynchronisieren. Melatonin bewirkt in Antigen-aktivierten THelferzellen die Ausschüttung kleiner Mengen endogener Opioide.
Die Aufgaben des REM-Schlafs I
Der Anteil des REM-Schlafs pro Schlafzyklus hängt mit der
Nahrungsaufnahme und der Gedächtniskonsolidierung
zusammen
REM-Schlaf und Nahrungsaufnahme. REM-Schlaf weist eine
enge Beziehung zur Nahrungsaufnahme auf: Übergewicht
geht mit erhöhtem REM-Anteil einher, Patienten mit
Magersucht (Anorexie) erhöhen REM-Schlaf, wenn sie ihr
Gewicht normalisieren. Personen, die an Narkolepsie
leiden, haben erhöhtes Körpergewicht. Extremes Fasten
und Hungern geht mit REM-Unterdrückung einher.
Dies wird als evolutionärer Mechanismus zur Maximierung
von Wachzeiten interpretiert, um Futtersuche zu
ermöglichen. REM signalisiert möglicherweise den
hypothalamischen Esszentren die Energiebalance.Diese
Veränderungen hängen mit dem Orexin-System
zusammen. Das Orexin-System des lateralen
Hypothalamus erhöht seine Aktivität während Wachheit
und bei Hunger.
Die Aufgaben des REM-Schlafs II
REM-Schlaf und Gedächtnis. Schlaf fördert die Fähigkeit zur
Einprägung und Wiedergabe von gelerntem Material, dies
gilt für beide Schlaftypen SWS und REM. Für die REMGedächtnis-Beziehung sprechen Untersuchungen zur
RNA- und DNA-Synthese im Gehirn während des Schlafes.
DNA-Synthese in der Entwicklung wird durch REMDeprivation reduziert.
Schlafentzug im Säuglings- und Kindesalter wirkt besonders
destruktiv auf kognitive Funktionen, Körper- und
Gehirnwachstum. Ein weiteres korrelatives Indiz für die
Rolle von REM-Schlaf im Konsolidierungsprozess ist die
Gegenwart von Hippokampus-Theta-Rhythmus während
des Übergangs von Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis.
Physiologische Aufgaben des Schlafs
Sowohl SWS (Slow WaveSleep) als auch REM-Schlaf sind
zum Überleben notwendig. 2-3 SWS-REM-Phasen sind für
den Menschen essenziell, sie werden daher als
»Kernschlaf« bezeichnet.
SWS wird nach Schlafdeprivation als erstes nachgeholt,
dürfte also für die körperinternen Homöostasen
(Hirntemperatur?) Vorrang haben.
REM-Schlaf könnte mit Gedächtnisspeicherung und damit
Wachstum und Aktivitätsniveau plastischer Synapsen
zusammenhängen. Nahrungssuche und REM-Schlaf sind
eng korreliert, und das Neuropeptid Orexin des
Hypothalamus scheint REM-Schlaf und Nahrungssuche
zu regeln.
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