Einführung in die empirische Sozialforschung für Geographen

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Einführung in die empirische
Sozialforschung für Geographen
290217 VU
© Peter Weichhart
2 Std., 3 ECTS-Punkte
Mittwoch 12.30 -14.00; Hs. I (NIG) ,
Kapitel 29.01; 29.04; 29.05
Modul 03/05
Das semantische Differenzial
(Polaritätenprofil, Eindrucksdifferenzial)
SS2009
EESG/03/05/01
Das semantische Differenzial…
… ist eine gängige sozialwissenschaftliche Methode zur
Erfassung von Einstellungen gegenüber beliebigen Objekten, die auch in der Humangeographie und der Siedlungssoziologie immer wieder eingesetzt wird.
Eine der Anwendungsmöglichkeiten dieses Messverfahrens
besteht darin, die Reaktion von Versuchspersonen auf bestimmte Phänomene oder Sachverhalte zu bestimmen.
Dabei wird ein vorgegebener Stimulus („Konzept“) auf einer
Serie von meist fünf- oder siebenteiligen Skalen abgebildet.
EESG/03/05/02
Das semantische Differenzial II
Die Skalenenden werden durch zwei kontrastierende Begriffe (meist Adjektive) gebildet (z. B. „laut“ – „leise“,
„schön“ – „hässlich“).
Man nimmt an, dass mit Hilfe semantischer Differenziale
vor allem auch die emotionalen Komponenten von Objektbedeutungen erfasst werden können.
(vgl. R. BERGLER, Hrsg., 1975, B. SCHÄFER, 1983, oder
H. ECK, 1982).
EESG/03/05/03
Das semantische Differenzial III
Konzept
Skalen
-3
-2
-1
0
1
2
3
A
C
...
W
Y
B
D
...
X
Z
Das vorgegebene Konzept (Automarke, Bild, Wohnquartier,
Stadt, …) wird auf den verschiedenen Skalen positioniert.
Skalen müssen „konzeptadäquat“ konstruiert werden.
EESG/03/05/04
Das semantische Differenzial IV
Semantische Differenziale werden immer größeren Probandengruppen (15- 35 Personen) vorgelegt. Die Auswertung erfolgt dann so, dass für jede Skala die Mittelwerte
der gesamten Stichprobe berechnet werden.
Die Verbindungslinie der Mittelwerte auf den einzelnen
Skalen wird dann zu einem Gesamtprofil zusammengefasst und inhaltlich interpretiert.
Dabei interessiert besonders auch der Grad der Einhelligkeit, die in den subjektiven Probandenurteilen sichtbar wird.
EESG/03/05/05
Auswertung
• Berechnung der Mittelwerte für die einzelnen Skalen
(„Profilhöhe“)
• Verbindung der Mittelwerte durch eine Linie („Profillinie“)
• Berechnung verschiedener Streuungsparameter (Standardabweichung, Abweichung vom Neutralwert, Prozentanteil
der maximal möglichen Abweichung vom Neutralwert etc.)
• Berücksichtigung von Median und Modalwert (bimodale
Verteilungen sind häufig!)
Vorsicht: Daten sind ordinalskaliert!
EESG/03/05/06
Beispiele für Verteilungsmuster I
altmodisch
Transformation der Werte
7
6
5
4
3
2
1
modern
0
5
10
15
20
25
30
35
40
X = 3,18 Median = 3,5 Modalwert = 3
EESG/03/05/07
Beispiele für Verteilungsmuster II
altmodisch
bimodale Verteilung
7
6
5
4
Wie aussagekräftig ist hier der Mittelwert?
3
2
1
modern
0
5
10
15
20
25
30
35
40
X = 3,93 Median = 4 Modalwerte = 5; 2
EESG/03/05/08
Median und Modalwert(e)
Bimodale Verteilungen verweisen auf ambivalente Wertungen und lassen die Vermutung zu, dass die Probanden
unterschiedlichen Teilgruppen der Grundgesamtheit angehören.
Mögliche Einflussfaktoren:
• Alter
• Bildungsstatus/Sozialstatus
• Wohndauer
• Lage der Wohnung innerhalb des Viertels
EESG/03/05/09
Ein „Klassiker“ als Anwendungsbeispiel in der Geographie
G. HARD und R. SCHERR, 1976, Mental Maps,
Ortsteilimage und Wohnstandortwahl in einem
Dorf an der Pellenz. – In: Berichte zur deutschen
Landeskunde, 50, S. 175-220.
Problemstellung: Korrespondieren die kognitive
Raumgliederung und die Ortsteilimages mit dem
beobachtbaren Interaktions- und Wanderungsverhalten der Bevölkerung?
EESG/03/05/10
Semantische
Differenziale
von vier
Ortsteilen Fremdbilder
Quelle: G. HARD und R. SCHERR,
1976, Abb. 9.
EESG/03/05/11
Semantische
Differenziale
von vier
Ortsteilen Selbstbilder
Quelle: G. HARD und R. SCHERR,
1976, Abb. 10.
EESG/03/05/12
„Beliebtheit“ der Ortsteile
Fremdbild
Selbstbild
Kreuzheck
+0,30
+0,78
Viedel
+0,15
+1,03
„Dorfmitte“
-0,23
+1,17
Acker
-0,56
+0,98
Abweichung der eindeutig wertenden Skalen vom Neutralwert 3
Quelle: G. HARD und R. SCHERR, 1976, Tab. 2.
EESG/03/05/13
Ähnlichkeit von Selbst- und Fremdbild
Kreuzheck
0,67 **
Viedel
0,46 *
„Dorfmitte“
0,11
Acker
0,01
** Signifikant auf dem 1 %- bzw. * 5%-Niveau,
Quelle: G. HARD und R. SCHERR, 1976, Tab. 3.
EESG/03/05/14
Auffälligkeiten
• Selbstbilder weisen eine erstaunliche Ähnlichkeit auf. Sie
sind grundsätzlich eher positiv ausgeprägt. Dies gilt auch
dann, wenn die betreffenden Siedlungsteile negative
Fremdbilder aufweisen.
• In Fremdbildern zeigen sich oft erhebliche Differenzen
zwischen den einzelnen Konzepten.
• Bei Fremdbildern zeigt sich am Beispiel der eindeutig wertenden Skalen eine klare „Beliebtheitsrangfolge“. Beliebte
Ortsteile haben positive, unbeliebte hingegen negative Abweichungen vom Neutralwert.
• Bei Siedlungsteilen mit gutem Image ist daher die Ähnlichkeit zwischen Selbst- und Fremdbild hoch, bei Gebieten
mit schlechtem Image nicht.
EESG/03/05/15
Das Selbstbild des
„stigmatisierten“
Salzburger
Stadtteils Lehen
• geringe Abweichung
vom Neutralwert, „Ort
ohne Eigenschaften“;
• die Möglichkeit, das Quartier als „schmutzig“, verachtet“ etc. zu charakterisieren wurde nicht genutzt.
Quelle: P. WEICHHART und
N. WEIXLBAUMER, 1988
EESG/03/05/16
Das Selbstbild des
„stigmatisierten“
Salzburger
Stadtteils Lehen –
Darstellung nach
Median und
Modalwert
EESG/03/05/17
Semantisches
Differenzial Lehen
nach dem
Bildungsniveau
• Probanden mit dem niedrigsten Bildungsniveau
tendieren bei den eindeutig
wertenden Skalen immer
dazu, das jeweils positive
Skalenende vorzuziehen.
• Bei Probanden mit dem
höchsten Bildungsniveau
wird immer das negative
Skalenende betont.
Quelle: P. WEICHHART und
N. WEIXLBAUMER, 1988
EESG/03/05/18
Folgerung
Angehörige niedrigerer sozialer Schichten
und Personen mit niedrigerem Bildungsniveau
tendieren dazu, gegenüber dem eigenen
Wohnquartier weniger kritisch eingestellt zu
sein als Vertreter höherer sozialer Schichten
und Personen mit höherem Bildungsstatus.
EESG/03/05/19
Semantisches Differenzial
Mülln aus der Sicht der
Lehener (Fremdbild)
Die alte Vorstadt mit dem gleichnamigen Kloster (samt Biergarten) weist eine ganz andere bauliche Struktur auf als Lehen. Der
Baubestand ist hier erheblich
älter, die Bevölkerungsdichte
viel geringer.
Unterschiede zum Selbstbild von
Lehen:
• Urteil ist einhelliger;
• Urteil ist erheblich positiver
Beiden Stadtteilen werden
klar fassbare eigenständige
Identitäten zugeschrieben.
Mittelwert Lehen
EESG/03/05/20
Das Beispiel Eisenhüttenstadt
P. WEICHHART, C. WEISKE und B. WERLEN, 2004, Eisenhüttenstadt als Referenzort raumbezogener Identität. Aktuelle
Selbstbilder, Fremdbilder und Action Settings. Erarbeitet im
Auftrag der Stadt Eisenhüttenstadt. Unter Mitarbeit von U.
LUCZAK, K. SCHUCKNECHT, H. GERTEL, M. KUHPAHL,
N. GELBMANN, S. WEJROSTA und A. WISBAUER. - Wien,
Chemnitz und Jena, unveröffentlichtes Gutachten, 152 Seiten,
53 Abb., 14 Tabellen.
Projektlaufzeit Sommer 2003 bis Frühjahr 2004; Feldarbeit
6. 10. 2003 – 11. 10. 2003; Geländepraktikum des Geographischen Instituts der Universität Jena und des Instituts für Soziologie der TU Chemnitz. Übergeordnetes Gesamtprojekt:
„Stadt 2030“
EESG/03/05/21
Veröffentlichung
des Gutachtens
2006
EESG/03/05/21 b
Eisenhüttenstadt
EESG/03/05/22
Das „Projektbüro“ Lindenstraße
EESG/03/05/23
Befragung der Bevölkerung nach
Wohnquartieren
Semantisches Differenzial mit 25 Skalen, 4 Runden:
• eigenes Wohnquartier;
• Nobelviertel;
• Quartier mit „eher schlechtem Ruf“;
• Gesamtstadt
Befragt wurden auch Bewohner ausgewählter Suburbs.
EESG/03/05/24
Ein Ort „ohne
Eigenschaften“
Im Semantischen Differenzial wird EHST neutral, indifferent und zurückhaltend beurteilt.
kein/ Hauptschulabschluss
n= 25
Realschulabschluss/
10. Klasse
n=50
Hochschulreife/
Hochschulabschluss
n=33
Keine nennenswerte Differenzierung nach
dem Bildungsstatus!
EESG/03/05/25
Ein „Nobelviertel“ und ein stigmatisierter Stadtteil
Zwei Siedlungsbereiche unterscheiden sich in
ihrem Image klar vom Rest des Siedlungskörpers.
• Der Bereich Schönfließ – Werksiedlung erscheint (besonders prägnant im Fremdbild) als ausdrückliches
Nobelviertel. Wichtige Imageelemente: die landschaftliche Lage und eine hervorgehobene Statusposition.
• WK VII besitzt den Ruf eines unterprivilegierten und
stigmatisierten Unterschichtquartiers.
• Eher schlechtes Image: WK VI, positiv: Diehlo und WK V
• Der Rest der Stadt und der Suburbs: indifferent und
farblos
EESG/03/05/26
„Nobelviertel“
EESG/03/05/27
Viertel mit „eher schlechtem Ruf“
EESG/03/05/29
kein/ Hauptschulabschluss
n= 16
Fremdbilder WK VII und Schönfließ
Realschulabschluss/
10. Klasse
n=37
Hochschulreife/
-abschluss
n=20
WK VII
kein/ Hauptschulabschluss
n= 12
Realschulabschluss/
10. Klasse
n=26
Hochschulreife/
-abschluss
n=10
Schönfließ
EESG/03/05/31
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