Palliativmedizin – Mehr als nur Schmerztherapie Dr. Birgit Haberland Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin Klinikum der Universität München - Großhadern Was ist Palliative Care? Cicely Saunders (*1918 – 2005) Begründerin der modernen Hospizbewegung • • • • Krankenschwester im Zweiten Weltkrieg Ausbildung als Sozialarbeiterin Medizinstudium Wissenschaftliche Arbeit über Morphin • Gründet 1967 das 1. moderne Hospiz St. Christopher‘s in London Palliativbetreuung (1) ... dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. WHO, 2002 Palliativbetreuung (2) Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung und tadelloser Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur. WHO, 2002 psychosozial spirituell Leiden körperlich Palliativbetreuung (3) • bejaht das Leben und sieht das Sterben als einen normalen Prozeß • will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern • bietet dem Patienten Unterstützung, um so aktiv wie möglich bis zum Tod zu leben • unterstützt die Familie während der Erkrankung des Patienten und in der Trauerphase WHO, 2002 Palliativmedizin - alte Vorstellung Kurative / lebensverl. Maßnahmen Diagnose Tod Symptomlinderung (comfort care) Palliativmedizin - neue Vorstellung Antineoplastische Therapie Palliativmedizin Palliativmedizin ist • nicht nur Schmerztherapie • nicht nur für Krebspatienten • nicht nur Sterbebegleitung Lebensqualität Kommunikation Symptomkontrolle Rehabilitation Palliativbetreuung Betreuung in der Sterbephase Kommunikation Palliativbetreuung Was Menschen brauchen • Unser Interesse • Jemand, der zuerst zuhört, ehe er Antworten gibt • Helfer mit dem Mut, über all das zu reden, worüber der Sterbende mit ihnen reden will • Gefühle äußern zu dürfen • Wahrheit und Wahrhaftigkeit Wenn wir beabsichtigen, einen Menschen zu einer bestimmten Stelle hinzuführen, müssen wir uns zunächst bemühen, ihn dort anzutreffen, wo er sich befindet und dort anfangen. Wenn ich wirklich einem anderen helfen will, muss ich mehr verstehen als er, aber zu allererst muss ich begreifen, was er verstanden hat.... Jede wahre Kunst der Hilfe muss mit einer Erniedrigung anfangen. Søren Kierkegaard, 1859 Kommunikation Symptomkontrolle Palliativbetreuung Symptome im letzten Lebensjahr Schmerzen Anorexie Übelkeit und Erbrechen Schlaflosigkeit Dyspnoe Obstipation Depression Verwirrtheit Sorgen/ Ängste Familie Sorgen/ Ängste Patient 84% 71% 51% 51% 47% 47% 38% 33% 33% 25% Higginson 1997 Symptome in der Terminalphase Somnolenz 55% Rasselatmung 45% Unruhe 43% Schmerzen 26% Dyspnoe 25% Übelkeit/ Erbrechen 14% Nauck EJPC 2000 Austherapiert Therapieabbruch Therapia minima Man kann nichts mehr tun Hoffnung Hoffnungslosigkeit HOFFNUNG Ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Überzeugung, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Václav Havel Individuelle Behandlung • Realistische Ziele für Arzt und Patient • Medikamentös und nicht-medikamentös • Prophylaktische Gabe von Medikamenten • Nebenwirkungen bedenken und behandeln • Therapie so einfach wie möglich Kommunikation Symptomkontrolle Rehabilitation Palliativbetreuung Was ist noch möglich? Lebensqualität Kommunikation Symptomkontrolle Rehabilitation Palliativbetreuung Betreuung in der Sterbephase Betreuung Sterbender Bei guter vorbestehender Symptomkontrolle friedliches Sterben bei 98% möglich Lichter, Hunt 1990 Terminalphase • Situation für den Patienten so angenehm wie möglich gestalten • Würde des Patienten erhalten • Sterben weder beschleunigen noch verzögern Betreuung der Angehörigen • • • • Aufmerksamkeit und Unterstützung Erklärung der Situation Einbeziehung in Pflege Freiräume geben Sterbephase - Medikamente • Absetzen - Umsetzen - Vorausplanen • Weiterführung der zur Symptomkontrolle notwendigen Medikamente • Absetzbar: Herz-Kreislauf-Medikamente, Antidiabetika, Antibiotika, Antidepressiva, Laxantien, Steroide, Diuretika, evtl. NSAR Flüssigkeitszufuhr • Einzellfallentscheidung • Symptomorientiert • Eine einmal begonnene Flüssigkeitsgabe kann und darf auch wieder beendet werden Hospiz Pall.station Tagesstationär Ambulant Konsiliarisch Ärzte Pflege Atemtherapeutin Akademieteam Seelsorger Konsiliardienst Palliativstation Aus-, Fort-, Weiterbildung Forschung Lehre Sekretariat Psychotherapeut Sozialarbeiter Physiotherapeut Palliative Care erinnert uns daran, dass es wenig Absolutes in dieser Welt gibt, aber tausend Grauschattierungen; und das Gute in jedem einzelnen Menschen – Gutes, das wert ist, gesucht zu werden, auch in den letzten Lebenstagen…. Derek Doyle 2004 In einer Welt, die so viel Wert auf Sicherheit legt, verkündet Palliative Care, dass der Mensch mit Unsicherheit leben und geradezu aufblühen kann… Derek Doyle 2004 …vorausgesetzt dass er respektiert und geliebt wird, als Mitmensch auf dieser unsicheren Reise, die wir Leben nennen. …. Wie wir das tun bleibt eine der größten Herausforderungen unserer Fachrichtung. Derek Doyle 2004 Palliativmedizin ist • nicht nur Schmerztherapie • nicht nur für Krebspatienten • nicht nur Sterbebegleitung Palliativmedizin ist Betreuung für die letzte Lebensphase, nicht nur in der letzten Lebensphase Palliativmedizin • Neu – Fortschritte in Symptomkontrolle – Kenntnisse der elementaren Bedürfnisse Schwerkranker und Sterbender • Neu belebt – – – – Kommunikation Empathie Teamarbeit Ganzheitlichkeit E. Klaschik