Krisenbewältigung Zwischen Aufgabe von Idealen und Suche nach neuen Leitbildern Hans Goldbrunner Agrarkrisen • treffen auf ein durch permanenten Strukturwandel destabilisiertes und in seiner Existenz bedrohtes Mikrosystem. • gehen von einzelnen Auslösern aus, erfassen jedoch alle Lebensbereiche, wenn auch in unterschiedlichen Ausmaß. • Krisen weisen eine objektive und eine subjektive Seite auf. • Die subjektive Ebene setzt sich zusammen aus Vorerfahrungen,Wahrnehmungen, Bewertungen, Fantasien, Gefühlen, Einschätzung der Lösungsmöglichkeiten. • Krisen treten häufig in dichter Reihenfolge, Schlag auf Schlag, ein, was eine angemessene Bewältigung erschwert. Modernisierungsstress der Landwirtschaft • • • • • • Die Rahmenbedingungen verändern sich in immer kürzeren Abständen. Beschleunigter Strukturwandel und Globalisierung. Konzepte können immer weniger von einer Generation auf die andere übertragen werden – mehr Anpassungen sind zwingend erforderlich zur Bewältigung neuer Herausforderungen. Immer öfter und immer schneller muss sich die Familie mit neuen Alternativen beschäftigen (inner- wie außerbetrieblich). Die Risiken des Scheiterns steigen enorm. Höhere Anforderungen an Kommunikation und Kooperation innerfamiliär und außerbetrieblich. Krisenebenen • • • • • • Ökonomische-finanzielle Ebene Arbeitsleben, Körper, Gesundheit-Krankheit, Tod Psychischer Stress, Psychosomatik Beziehungssystem, Zusammenleben Zusammenspiel aller Faktoren Krisenerleben • Gefühlschaos, Trauer, Angst, Verzweiflung, Leugnen • Lähmung, Ohnmacht und Zusammenbruch des Bewältigungspotentials • Wut, Hadern mit dem Schicksal, (Selbst-)Vorwürfe • Scham und Rückzug vs. Suche nach Hilfe und Unterstützung, Gefühl der Abhängigkeit • Desorientierung, Verlust der Übersicht, verzerrte Realitätswahrnehmung, „Trübung“ • Beeinträchtigung des Selbstbildes und Selbstwertes • Hoffnungslosigkeit, Zweifel, Sinnfrage, Zusammenbruch der Lebensentwürfe • Handlungsdruck, Not, Suche nach „schnellen Lösungen“ oder zumindest Entlastung Krisenerfahrungen • Der Umgang mit einer Krise erfolgt auf der Basis früherer Bewältigungen • Krisenerfahrungen stellen ein wichtiges Potential dar, können jedoch zu einer „Schlagseite“ führen: Fixierung auf spezifische, „bewährte“ Lösungsmuster, die der aktuellen Situation unangemessen sind.Krisenverarbeitungszirkel Krisenverarbeitungszirkel Krisenbegleitung von Landwirtsfamilien • Mehrdimensionale, auch interdisziplinäre Bearbeitung, jedoch Setzen von Prioritäten • Betriebszentriert – Personzentriert – Familienzentriert • Zeit: kurzfristige – langfristige Orientierung • Krisenerleben - Lösungsorientierung Lösungsorientierung • Rasche Bewältigung der objektiven Krise • Tatsache und Umfang der Krise realisieren (Realitätswahrnehmung) • Ursachenklärung, Zuschreibungen artikulieren und überprüfen • Ziele überprüfen – korrigieren, Perspektiven entwickeln • Handlungsalternativen entwickeln, durchspielen, entscheiden, umsetzen • Interne und externe Ressourcen erschließen und nutzen • Auswertung und Korrekturen - fortlaufend Personenzentriertes Vorgehen • Begleitung im Prozess der Krisenverarbeitung: • Gefühle zulassen, verbalisieren und aushalten – ohne zu fliehen. Wirkung: Beruhigung, Ermutigung • Erklärungsmuster bewusst machen und überprüfen – Vorwürfe, Versagens- und Schuldgefühle • Veränderung des Selbstbildes und Selbstwertgefühls, eigene Stärken und Schwächen im Umgang mit Krisen erkennen und annehmen • Blick zurück: frühere Krisenbewältigungen, Hoffnungen, Illusionen, Enttäuschungen • Sinnfrage, Zweifel, Werteverschiebungen, Blick in die Zukunft • Langfristig: Was hat sich (nicht) verändert? Wie lässt sich Familienorientierung • Wie verändert die Krise die Familie – Wie geht die Familie mit der Krise um? • Gemeinsame Betroffenheit – gegenseitiges Stützen • Unterschiedliche Wahrnehmung, Erleben, Deutungsmuster, Engagement • (Meta-)Kommunizieren in und über die Krise – Reden und Schweigen • Unterschiedliche Wertorientierungen, Ideale bearbeiten, eine gemeinsame Basis finden • Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Problemlösen zulassen, nutzen und ertragen • Entwicklung veränderter Aufgabenrollen, Verantwortung Neustrukturierung des emotionalen Beziehungsgefüges • Grundlegende Neuausrichtung der emotionalen Bindungen durch die Krise • Nähe-Distanz: Annäherung, intensivere Bindung – Enttäuschung, Entfremdung, Trennung und Ablösung • Verschiebung von Macht-Abhängigkeit • Zulassen geänderter individueller Selbstbilder: StärkungSchwächung: Wer hat jetzt das Sagen? • Mehrgenerationenperspektive: Bedeutung der Alten, der Jugend • Erfahrungen mit Angehörigen und außerfamiliären Unterstützern – positiv/negativ?