Die ersten Demographen Der Beginn empirischer Sozialwissenschaft: John Graunt (1620 – 1674): Natural and Politickal Observations … upon the Bills of Mortality Johann Peter Sueßmilch (1707 – 1767): Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, Tod und Fortpflantzung desselben Die große Entdeckung heißt Regelhaftigkeit Auch so persönliche Verhältnisse wie Fortpflanzung läuft nach „Gesetzen“ ab, nach empirisch feststellbaren und )fast) unverrückbaren sozialen Regeln: "Aehnliche Zeiten und Oerter lassen sich in Vergleichung setzen. Wo Sitten und Lebensart, als die Ursachen der kleineren und größeren Sterblichkeit, von einerley Beschaffenheit sind, da werden auch die Wirkungen von gleicher Größe sein" (Sueßmilch 1761, S. 50 und 97) Die weltanschauliche Diskussion: Abstieg oder Aufstieg der Menschheit? Die pessimistische Sicht: Menschheitsgeschichte als Verfall Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo, sponte sua, sine lege, fidem rectumque colebat. Poena metusque aberant, ... “Golden war die erste der Zeiten es gab keinen Richter, ohne Gesetz, aus eigenem Willen hielt Treue und Recht man, Strafe unbd Furch war nicht not, ...” ODER Der Optimismus des ständigen Fortschritts: Der Weg des Menschen ist das „Fortschreiten von dem Unvollkommenen zum Vollkommenen“ (Hegel; Comte, Marx, …) ? Die Demographie sollte darüber entscheiden! Der optimistische Hauptstrom: Der Mensch ist verbesserungsfähig William Godwin, Enquiry concerning Political Justice, and its Influence on General Virtue and Happiness, 1793: “Man is perfectible, or in other words susceptible of perpetual improvement“ (I, 5). Marquis de Condorcet, Esquisse d‘un Tableau Historique des Progres de l‘esperit Humain, 1794: “ ...la perfectibilité de l'espèce humaine ... est indéfinie ” Demographie wird zur Ideologie gegen den Fortschritt: Die „menschliche Überzahl“ 30 Malthus' Idee Einheiten von Mensch und Nahrung 25 20 Menschen Nahrung 15 10 "Nahrungsmittelspielraum" 5 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Periode 19. Jahrhundert Die Familie als „Natur“ Die „Familialisten“ Frédéric Le Play (1806 1882): Les Ouvriers européens Wilhelm Heinrich Riehl (823 – 1897): 1851-54 Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik Die Instrumentalisierung der Demographie in der Politik: „20 Millionen Deutsche zuviel?“ „Denn sowie erst einmal die Zeugung als solche eingeschränkt und die Zahl der Geburten vermindert wird, tritt an Stelle des natürlichen Kampfes um das Dasein, der nur den Allerstärksten und Gesündesten am Leben läßt, die Sucht, auch das Schwächlichste, ja Krankhafteste um jeden Preis zu ‚retten‘, womit der Keim zu einer Nachkommenschaft gelegt wird, die immer jämmerlicher werden muß, je länger diese Verhöhnung der Natur und ihres Willens anhält. Das Ende aber wird sein, daß einem solchen Volke eines Tages das Dasein auf dieser Welt genommen werden wird; denn der Mensch kann wohl eine gewisse Zeit den ewigen Gesetzen des Forterhaltungswillens trotzen, allein die Rache kommt früher oder später doch. Ein stärkeres Geschlecht wird die Schwachen verjagen, da der Drang zum Leben in seiner letzten Form alle lächerlichen Fesseln einer sogenannten Humanität der einzelnen immer wieder zerbrechen wird, um an seine Stelle die Humanität der Natur treten zu lassen. Wer also dem deutschen Volke das Dasein sichern will auf dem Wege einer Selbstbeschränkung seiner Vermehrung, raubt ihm damit die Zukunft.“ Vom wem und woher stammt wohl dieses Zitat? Verwissenschaftlichung – ein einsamer Versuch Gerhard Mackenroth (1953, [1903 – 1955]), Bevölkerungslehre - Theorie, Soziologie und Statistik der Bevölkerung. Berlin: Duncker & Humblot. Weiters: Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan. In: Schriften des Vereins für Socialpolitik NF, Band 4 (1952): Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein "Sparen" im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand. Das ist auch nicht eine besondere Tücke oder Ungunst unserer Zeit, die von der Hand in den Mund lebt, sondern das ist immer so gewesen und kann nie anders sein. Die Ökonomie als die Theologie der Gegenwart Spekulationen über Gott und die Welt in quasi-“mathematischer“ Sprache von Paul A. Samuelson bis Gary Becker: "Zeit und Güter sind Inputs in die Produktion von 'Waren', welche erst direkt Nutzen liefern. Diese Waren sind nicht auf dem Markt käuflich, sondern werden im Haushalt produziert und konsumiert, welcher Marktgüter, eigene Zeit und verschiedene Umwelteigenschaften einsetzt. Zu diesen Waren gehören Kinder, Prestige und Ansehen, Gesundheit, Altruismus, Neid und sinnliche Vergnügen" (Becker 1981, 8) Gegenwart: Umgekehrter Malthusianismus in der Ersten Welt … Der Hauptschriftleiter der FAZ Frank Schirrmacher auf Kreuzzug für mehr Deutsche in der Frankfurter Allgemeinen: Dreißig Jahre nach zwölf 28. April 2005: Flaschenpost für die Nachgeborenen, anbei drei Beispiele eines Wochenendes, Februar 2005. In der Folge gibt er dem pensionierten „Bevölkerungsforscher“ in 10 (!) Folgen Gelegenheit, seine reaktionäre Sichtweise unter ein (vielleicht) aufnahmebereites Publikum zu bringen. Die Sprache schlägt den Ton an: Die „Glocke“ der Altersverteilung wird bei Herwig Birg zur „Urne“ … und Alt-Malthusianismus für die Dritte Welt „Es gibt zu viele Menschen,“ „es kommen in Afrika zu viele Kinder zu Welt,“ „wir werden verhungern!“ Fragen – Diskussionen; Literatur Aussage: (a) (b) Demographie entstand als erste empirische Sozialwissenschaft Demographie wurde als „Theorie“ früh zu einem Steinbruch insbesondere für extrem konservative Ideologien Fragen: (1) Diskutieren Sie den Begriff der „Bevölkerungsweise“! (2) Was heißt Malthusianismus? Welche Voraussetzungen hat er? (3) Was haben Sie vom „Club of Rome“ gehört?