050616_Emotionen

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Emotionen
Oder: Warum Kognitionen alleine nicht ausreichen
Jenny | Katja | Anna | Paddi
Übersicht
Teil 1 Einführung in die Emotionen
 Teil 2 The Navigation of Feeling
 Teil 3 Universalie vs. Kulturelles Konstrukt
 Teil 4 Kollektive Emotionen
 Fazit

Teil 1
(Jenny Schwarzkopf)
Einführung in die Emotionen
Übersicht
1.
2.
Gegenstandsbeschreibung
Emotionstheorien
1. Gegenstandsbeschreibung
Emotion und verwandte Begriffe:
Stimmung, Gefühlszustand
- Stimmungen o. auch Gefühlszustände werden oft als
alltägliche „low-level“ Emotionen bezeichnet.
1. Gegenstandsbeschreibung

2 zeitgemäße Arbeitsdefinitionen:
1) nach Scherer:
„Emotion ist eine Episode zeitlicher Synchronisation aller
bedeutenden Subsystemen des Organismus, die 5
Komponenten bilden (Kognition, physiologische Regulation,
Motivation, motorischer Ausdruck u. Monitoring/Gefühl), und die
eine Antwort auf die Bewertung eines externalen oder internalen
Reizereignisses als bedeutsam für die zentralen Bedürfnisse
und Ziele des Organismus sieht.“
1. Gegenstandsbeschreibung

2) nach Oatley/Jenkins:
„(1) eine Emotion wird üblicherweise dadurch verursacht, dass
eine Person ein Ereignis als bedeutsam für ein wichtiges
Anliegen bewertet.
(2) der Kern einer Emotion sind Handlungsbereitschaft u. das
Nahelegen von Handlungsplänen; eine Emotion gibt einer o.
wenigen Handlung Vorrang, denen sie Dringlichkeit verleiht. So
kann sie andere mentale Prozesse o. Handlungen unterbinden
o. mit ihnen konkurrieren.
(3) eine Emotion wird gewöhnlicherweise als ein bestimmter
mentaler Zustand erlebt, der manchmal von körperl.
Veränderungen, Ausdruckserscheinungen u. Handlungen
begleitet o. gefolgt wird.“
1. Gegenstandsbeschreibung
McDougall: Furcht, Ekel, Staunen, Ärger, Hochgefühl,
Unterwürfigkeit u. Zärtlichkeit
Dankbarkeit = Zärtlichkeit + Unterwürfigkeit
Verachtung = Ekel + Ärger
Hass = Ärger + Furcht + Ekel
1. Gegenstandsbeschreibung
Plutchik: Furcht, Ärger, Freude, Traurigkeit,
Akzeptieren, Ekel, Erwartung u.
Überraschung
Stolz = Freude + Ärger
Liebe = Freude + Akzeptieren
1. Gegenstandsbeschreibung
2 Gründe für die Problematik:
1) nicht alle verbal benennbaren Emotionen können
in einen charakteristischen mimischen
Ausdruck übersetzt werden.
2) die Übersetzung der Gesichtssprache in die
Wortsprache ist sehr schwierig.
1.5 Zur Universalität von Emotionen
(Anna Müller)
Ekman, Paul (1988):
Gesichtsausdruck
und Gefühl
1. Neurokulturelle Theorie
2. Der Gesichtsausdruck
3. Fazit
1. Neurokulturelle Theorie
– Biologische und soziale Determinanten von Gefühlen
– Emotionale Reaktionen bestehen aus folgenden Elementen
(Prozess):

Entstehung von Emotion
• Auslöser: Reize von außen, die als spezifisch für ein Gefühl
identifiziert werden
• Automatischer Bewertungsmechanismus: schnelle
Wahrnehmung eines Reizes + Feststellung der Relevanz
• Affektprogramm: angeborener Mechanismus, der Muster der
Reaktionsweisen steuert und organisiert

Präsentation von Emotion/Handeln
• Darbietungsregeln (display rules): Kontrolle über emotionale
Reaktionen (Maskierung) kulturell geprägt und erlernt!
• Bewältigungshandeln (Coping): Umgang mit Gefühl und
seiner Ursache  kognitive Verhaltensweise (Bsp.: Angriff,
Flucht, Verleugnung, Besänftigung)
2. Der Gesichtsausdruck
1. Experiment (USA - Japan)

Vergleich der Fähigkeit, Gefühle am spontanen
Gesichtsausdruck von Angehörigen der eigenen
Kultur zu erkennen, mit der gleichen Fähigkeit
gegenüber Angehörigen einer anderen Kultur
(Beurteilungsansatz)  Stressfilm
 Gesichtsausdruck ist nicht kulturspezifisch,
Reaktionen von Angehörigen einer fremden Kultur
können richtig erkannt werden:
Bedeutungszuschreibung und Beurteilung des
Gesichtsausdrucks ist universal!
2. Der Gesichtsausdruck
2. Experiment (USA - Japan)
 Messung des mimischen Verhaltens der Vpn an
Hand der Facial Affect Scoring Technique (FAST)
(Komponentenansatz)  Stressfilm
  Die Form des Gesichtsausdrucks ist ähnlich in
beiden Kulturen, d.h. das mimische Verhalten um
eine bestimmte Emotion auszudrücken ist universal!
2. Der Gesichtsausdruck
3. Experiment (5 Schriftkulturen: USA, Brasilien,
Chile, Argentinien, Japan)

Erkennen gefühlsbezogener mimischer
Ausdrucksformen für ein einzelnes Gefühl 
Einschätzung und Klassifizierung von Fotos
 gleiche Beurteilung des Gesichtsausdrucks für
den Ausdruck des gleichen Gefühls in allen 5
Ländern (auch hinsichtlich Intensität)
2. Der Gesichtsausdruck
4. Experiment (2 schriftlose Kulturen: Fore und
Dani in Neuguinea )
 Erkennen von Gefühlen  an Hand von Fotos und
Geschichten dazu das entsprechende Gefühl
benennen
 Beurteilung von Emotionen weitgehend
universell
 Ausdruck von Gefühlen  Darstellung des
mimischen Ausdrucks der Indigenen und
anschließend Beurteilung von Amerikanern
 weitgehende Übereinstimmung
 Beleg dafür, dass es zwischen den Kulturen keinen
visuellen Kontakt (auch Einfluss von Massenmedien
etc.) gab und doch universelle Übereinstimmungen
getroffen werden konnten
3. FAZIT



6 universelle Emotionen: Freude/Glück, Trauer,
Ärger/Wut, Ekel, Angst, Überraschung
Ausdruck von Gefühlen im Gesicht wird auf Grund
von Unterschieden bezüglich Auslösern,
Darbietungsregeln und Konsequenzen zwar oft
kulturspezifisch sein, doch gibt es daneben eine
Reihe an kulturübergreifender Formen des
emotionalen Gesichtsausdrucks.
weltweit gleiche Mimiken verknüpft mit gleichen
Gefühlen liegen der Annahme zu Grunde, dass es
ein universeller Mechanismus gibt 
Wiedererkennen und Ausdruck sind universell


Die Auslöser, die besonderen Ereignisse, die das
Affektprogramm aktivieren, sind überwiegend sozial
gelernt und kulturabhängig (Einfluss der
Darbietungsregeln auf mimischen Ausdruck
[Maske/Kontrolle]), die Bewegungen der
Gesichtsmuskulatur werden vom Affektprogramm
gesteuert und sind universell.
Klassen von Auslösern und Handlungen werden
dann zusammen mit Erinnerungen, Bildern,
Gedanken etc. als Bestandteile des Erlebens von
Glück, Ärger, Trauer usw. gespeichert (kognitiver
Vorgang). Ihr gemeinsames Auftreten mit einem
Gesichtsausdruck veranlasst dazu, die
entsprechenden mimischen Verhaltensweisen als
Ausdruck bestimmter Gefühle zu beschreiben.
Beispiel für die 6 emotionalen Gesichtsausdrücke
(Freude, Überraschung, Ärger, Ekel, Furcht, Trauer, (Verachtung))
Quelle: Zimbardo (1999), S.362
2. Emotionstheorien
Der evolutionstheoretische Ansatz:
Hauptsächlich 3 Aspekte des Gesichtsausdrucks
werden vermittelt:
1. dessen Universalität
2. seine Gemeinsamkeiten mit dem tierlichen
Emotionsausdruck
3. seine genetischen Entstehungsprinzipien
2. Emotionstheorien
 Organismische Funktion:
Die weit geöffneten Augen bei Überraschung fördern
die Informationsaufnahme, der geöffnete Mund
erleichtert die Atmung.
 Kommunikative Funktion:
Gefühle und die damit verbundenen Gedanken,
Absichten und Wünsche können mitgeteilt werden.
Zusammenleben wird geregelt, zur Fortpflanzung wird
beigetragen.
2. Emotionstheorien
Methodische Einwände sind zwar berechtigt, jedoch
wurde die Universalität des Gesichtsausdrucks nicht
widerlegt.
2. Emotionstheorien
Kognitionstheoretische Ansätze:
Kognitionstheoretische Ansätze untersuchen Erleben u.
Verhalten nicht nur anhand äußerlich beobachtbarer
Erscheinungsformen, sondern schenken den kognitiven
Prozessen besondere Beachtung, die in Personen bei
der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt ablaufen.
2. Emotionstheorien

In den kognitiv orientierten Theorien werden kognitiven
Prozessen bei der Entstehung von Emotionen eine zentrale
Rolle zugeschrieben
→ Emotionen werden - als Folgen von kognitiven
Analysen betrachtet - abgespeichert

Form von kognitiven Schemata – durch die wahrgenommene
Situation werden Emotionen dann ausgelöst, wenn bisherige
Erfahrungen verletzt werden.
2. Emotionstheorien
3 aufeinander folgende Stufen werden unterschieden:
1) ein Ereignis wird als schemadiskrepant bzw. als unerwartet
eingeschätzt.
2) Überraschungsgefühl. Unterbrechung der aktuell ablaufenden
Informationsverarbeitungsprozesse u. Zuwendung der
Aufmerksamkeit auf das schemadiskrepante Ereignis.
3) Analyse u. Bewertung des Ereignisses, womit die Erweiterung
o. Veränderung des entsprechenden kognitiven Schemas
verbunden sein kann.
2. Emotionstheorien
Stresstheorie von LAZARUS
3 Einschätzungsprozesse:
1. Primäre Einschätzung: Stress als Resultat einer
Situationsbewertung
2. Sekundäre Einschätzung: Analyse von Strategien zur
Bewältigung der Situation
3. Neueinschätzung: Neubewertung der aktuellen Situation
1 und 2 laufen zeitlich nicht in einer bestimmten Reihenfolge ab
2. Emotionstheorien
Kritik:



Emotionen werden in Abhängigkeit bzw. als Ergebnis von
vorausgehenden Kognitionen betrachtet.
Befunde, die darauf hinweisen, dass Gefühlsurteile ziemlich
unabhängig von Kognitionen sein können.
sind nun Emotionen stets das Resultat von vorausgehenden
Kognitionen oder spielen auch nicht-kognitive Prozesse eine
Rolle?
→ Einigkeit, dass die Erfahrung komplexer emotionaler Zustände,
wie Stolz oder Eifersucht, nur aufgrund einer Vielzahl kognitiver
Prozesse gemacht werden kann
Teil 2
(Katja Zacharova)
The Navigation of Feeling
The Navigation of Feeling

William Reddy

“What are emotions ?”

interdisziplinäre Studie

Entwicklung in der Forschung: seit den 70er
„Revolution” in der Psychologie löste aktive
Beteiligung der Ethnologie an der Erforschung des
menschlichen Gefühlsleben aus

man beschäftigt sich zunehmend mit dem kulturellen
Kontext
Probleme in der Forschung
 linguistische & methodische Schwierigkeiten Emotionen zu
definieren/ kategorisieren. Wertung von Gefühlen ist
fraglich, kann je nach kulturellem Kontext stark variieren.
 allgemeine Frage nach dem Verhältnis zwischen
biologischen /genetischen bzw. kulturellen/
kontextabhängigen Faktoren
Konstruktivistischer Ansatz


Michelle Rosaldo
“ what individuals can think and feel is overwhelmingly a
product of socially organized modes of action and of talk”.

Relevanz des kulturellen Einflusses

Feldforschung Ende der 60er Jahre auf den Philippinen:
Ethnie Ilongot

zentraler Aspekt: Phänomen der Kopfjagd
Kurze Ethnographie der Ilongots

Stammesgesellschaft im Hochland von Nordphilippinen

Jäger, Sammler, Landwirten

Starke Isolierung/ Identitätsbewußtsein

Wohnen in Gruppen von ca. 10 Häusern (ca. 65
Personen)

Egalitäre Gesellschaftsstruktur. Führerschaft - zeitlich
begrenzt
Allgemein zur Kopfjagd:
Kopfjagen wird als Enthauptung eines Opfers für
rituelle Zwecke definiert (Hoskins)
Praktiken des Kopfjagens werden in den
modernen Gesellschaften allgemein als wild und
unzivilisiert betrachtet. Sie haben je nach
kulturellem Kontext unterschiedliche Gründe und
sind i.d.R. von Geheimnissen umhüllt.
Verlauf der Feldforschung




Emotionale Äußerungen sind stark von
lexikalischer Struktur/ sprachlichen Ausdrücken
und damit verbundenen Praktiken bestimmt.
liget (Wut, Energie, Neid, Hitze): positiv
bewertet, bringt Energie und Motivation, steigert
Effektivität
Zentral für liget ist die männliche Aktivität des
Kopfjagens.Todesfälle steigern liget
reinigende Wirkung
Rosaldos Interpretation

Emotionale Aspekte spielen eine große Rolle

Ilongots enthaupten ihre Opfer wenn sie ein “schweres” Herz haben,
Ärger, Wut oder Druck verspüren

Enthauptung soll Unruhe beseitigen, dem Enthaupter mehr Respekt
verschaffen, ihn zur Heirat befähigen

dient zur Unterscheidung zwischen den Geschlechtern in der sonst
sehr egalitären und homogenen Gesellschaft

identitätsstiftend, wichtiger Bestandteil der männlichen Initiationsrituale
2. Feldforschungsreise





starke Veränderungen, politischer und sozialer
Wandel
Mitte 70er Jahre: Praktizieren von Kopfjagd
wurde verboten
Christianisierung durch Missionare
neuen Religion: Trost und Ersatz für emotionale
Bedürfnisse
Das Konzept des ligets wird durch mildere,
sanftere Gefühle des christlichen Glaubens
ersetzt
Rosaldos Fazit in Bezug auf Emotionen




physiologische Aspekte sind in den meisten Fällen ambivalent
und von geringer Bedeutung
Art und Weise, wie ein Individuum denkt und fühlt, ist
überwiegend durch sozial organisierte Kategorien und
Schemata bestimmt
Individuum ist ein beliebig formbares Konstrukt: Widerspruch zu
den bisherigen Annahmen der traditionellen kognitiven
Psychologie, die von den universellen Merkmalen menschlicher
Psyche ausging
Rosaldos extreme Haltung in Bezug auf Verformbarkeit und
Veränderbarkeit des Individuums löste zahlreiche Debatten aus,
nur wenige standen dieser Theorie kritiklos gegenüber.
Kritik an Rosaldo
Negativ:
Positiv:

zu einseitig, wenig
interdisziplinär


zu geringe Beachtung der
geschichtlichen Ereignisse
(vgl.Renato Rosaldo)
wesentlicher Beitrag zur
feministischen Debatte in der
Ethnologie

Revidierung westlicher
Vorurteile über Gefühle

neue alternative Sichtweise

emotionale Flexibilität des
Individuums ist fraglich
von Emotionen
Erneut tauchte das Problem der Definition von
abstrakten Begriffen auf.
Wenn nach Geertz Kultur alle Domänen des
Lebens (Denken , Fühlen, Handeln) eines
Individuums bestimmt, dann ist jegliche
Ethnologie sinnlos und unmöglich ?
Falls man selber in der eigenen Kultur zu stark
verankert ist, fehlt einem die nötige Distanz und
somit die Grundlage zur Interpretation bzw.
Analyse anderer Kulturen ???
Psychokultureller Ansatz

Versuch ethnographische und klinisch-psychologische Methoden zu
vereinen

Kleinman: Beziehungen zw. individuellen Gefühlen und Staatsgewalt
bzw. politischem Regime

“social suffering” und “moral experience”

Feldforschung in China: Folgen des politischen Massenterrors und
seine Auswirkungen auf das Gefühlsleben eines Individuums

“psychosoziales Trauma” : Kopfschmerzen, Depressionen &Trübsinn

Verbindung zw. politischen Veränderungen und der emotionalen
Befindlichkeit der Allgemeinheit
Allgemeine Kritik an der ethnologischen
Forschung der Emotionen
 zu einseitig, wenig interdisziplinär
 Kulturen werden als uniforme Konstrukte dargestellt, das
Individuum wird vernachlässigt
 Gefahr des Ethnozentrismus in der Bewertung der Gefühle in
den untersuchten Kulturen
 Linguistische (Terminologie/Grammatik) und methodische
Schwierigkeiten (Unterscheidungsschwierigkeiten zwischen
Kognition und Emotion)
Reddys Vorschläge zur Bewältigung der Probleme
 Einbezug der nonverbalen Sprache  nötige Verbindung zwischen
den konzeptuellen Blockaden des konstruktivistischen und des
psychokulturellen Ansatzes
 “emotives” ( “emotion” + “performance”)  gegenseitige
Beeinflussung von emotionalen Äußerungen und den darauf
folgenden Reaktionen
 Dialog zwischen Psychologie und Ethnologie
 Möglichkeit, eine universelle Sprache zu finden, die das Gespräch
über Emotionen kulturübergreifend ermöglichen könnte
 Ergänzung ethnologischer und psychologischer Forschungen mit
den Erkenntnissen aus Politik- und Geschichtswissenschaften
Geschichtliche Analyse der Emotionen am Beispiel
Frankreichs





Ende des 17. Jhs absolute Monarchie
artifizielle Verhaltenskodex / strenge Regel der Etikette
 Unterscheidung gesellschaftlicher Schichten
Einschränkung der persönlichen Freiheit und des
Gefühlslebens “emotional suffering” / Sentimentalität.
zunehmende Einengungen mittels gesellschaftlicher
Normen  Diskrepanz zwischen individuellen Gefühlen
und den moralischen Werten und Erwartungen
Klassenkonflikt  Grundlage für die Französische
Revolution
Französische Revolution

Napoleons Zivilrecht: Veränderung sowohl auf der politischen
Ebene (absoluten Monarchie  Republik) als auch auf der
emotionalen
(Sentimentalität  Vernunft)

Gesellschaftlicher Status wird nicht mehr durch die Geburt,
sondern durch die persönlichen Errungenschaften bestimmt

persönliche und die “emotionale” Freiheit : Schwierigkeiten,
schmerzvolle Zeit der Umorientierung
Reddys Fazit

es gibt keine natürliche Regierungsform

das emotionale Leben ist zum größten Teil durch politische
Verhältnisse und gesellschaftliche Erwartungen bestimmt und somit
veränderbar

Konzept von “emotional suffering” : Diskrepanz zw. persönlichen
Zielen und gesellschaftlichen Normen ist entscheidend für den
Wandelprozess. Je größer die Diskrepanz, um so schneller /
drastischer sind die Veränderungen

Insgesamt sind Emotionen jedoch - unabhängig vom politischen
Regime - ein wichtiger Wegweiser für das Individuum und helfen ihm
da, wo die Vernunft und die mentale Kontrolle an ihre Grenzen stoßen,
intuitiv die richtige Entscheidung zu treffen
Teil 3
(Anna Müller)
Universalie vs. Kulturelles Konstrukt
Oder: Wie lassen sich kulturell konstruierte mit universellen
Emotionen vereinbaren?
GERBER, E.(1985):
Rage and Obligation: Samoan
Emotion in Conflict
Übersicht
1. Emotion und Selbstwahrnehmung
2. Subjektives Empfinden von Emotion
3. Affekte
4. Emotion in Samoa
5. Fazit
1. Emotion und Selbstwahrnehmung
 Einfluss des Emotionskonzepts auf Organisation
des „Selbst“  Zusammenspiel mehrerer
Bereiche
 Bsp.: „alofa“ (Liebe zwischen Eltern und Kind)
 verbunden mit Identität/Identifikation
 Kann man an Hand von Selbstberichten auf das
Selbstbild einer Person schließen?
 Methode: linguistische Analyse  „hedonic tone“
(how pleasant or unpleasant is the feeling?)
2. Subjektives Empfinden von Emotionen
 Kann man an Hand von verbalen Äußerungen auf
subjektives Gefühlserlebnis schließen?
 methodologisches Problem (drückt Emotionsvokabular
tatsächlich die subjektive Empfindung aus?
 Übersetzungsprobleme)
 Bsp.: „musu“ („Widerstand“) statt „ita“ („Ärger“)
 kulturelle Definition von musu hilft Samoanern, ihre
Konflikte unbewusst ablaufen zu lassen oder sie zu
maskieren
 Subjektives Emotionsempfinden ist geprägt durch
Basisaffekte (ita) und kulturellen Einflüssen (musu)
3. Affekte
 Definition: „inborn psychological program, which is
activated by cultural evaluations of external situations,
defined and modified by cultural concepts, and expressed in
culturally appropriate behaviors” (GERBER 1985:123)
 Basisaffekte als biologisch begründete Komponente der
menschlichen Emotion  interkulturelle Vergleichbarkeit des
Emotionssystems!
 Inneres Erleben von Emotion und physiologische Prozesse
(James-Lange-Theorie)
James-Lange-Theorie


Theorie peripherer Prozesse
Gefühle als Begleiterscheinungen körperlicher Vorgänge: man fühlt,
nachdem man der Körper reagiert hat („ich weine, also bin ich traurig“)
Auslösender Reiz
↓
Erregung
Handlung
↓
↓
Wahrgenommene Erregung
Interpretation der Handlung
↓
Emotionserfahrung
4. Emotionen in Samoa
Studie:
• Ziel: Erklärung der Bedeutung von Emotion
• Soziale und situationsspezifische Bezüge/Rahmenbedingungen
• Methode: Verhaltensbeobachtung und Interview; hierarchisches
Cluster
Ergebnisse:
 Emotionen werden stets externalen Situationen und
Handlungen zugeschrieben: Kontext von sozialen Beziehungen
  externe Orientierung ist kulturell standardisiert (keine inneren
Zustände; Unfähigkeit, inneres Erleben verbal auszudrücken)
  Aber: Affekt/innerlich gesteuerte Empfindungen
nachgewiesen durch Gesichtsausdruck
4.1 Erforschung der Basisaffekte
- linguistische Annäherung


Annahme: Basisaffekte bilden Basis für Kategorien von Emotionen
Unterscheidung von Begriffen bzgl. ihrer „Nähe“/Ähnlichkeit mit
Basisaffekten: globale Begriffe (Affekte, erfährt jedes Individuum) vs.
spezifische Begriffe (kulturell geprägt, kulturspezifischer
Emotionsbegriff)  Kriterien:
– Anwendbarkeit: situationsbezogene Wörter; Bsp.: fa’a’u’u (Wut in
bestimmten Situationen, ähnelt „ita“)
– Stereotyp: je höher das level eines kulturellen Stereotyps, desto weniger
ähnelt er den Basisiaffekten (in Samoa sind die meisten Emotionsbegriffe
kulturell vorgegeben, also hoch standardisiert und stereotypisiert)
– Soziale Assoziation: Wörter mit starker interpersonaler Referenz (wenig
Basisaffekt enthalten)
– Grad der Intensität: globale Begriffe, die starken Bezug zu Basisaffekten
haben, enthalten ein hohes Maß an Aktivierung und Intensität
4.2 Soziale Werte von Emotionen

Funktion von Emotion: sozial spezifische Emotion dient als
Modell, das die Gefühle der Individuen beeinflusst und leitet
 Emotion leitet sozial korrekte Handlung, liefert
Handlungsmuster (gute Person verfügt über sozial gut
geheißene Emotion)
 Emotion untermauert/ verstärkt wichtige soziale Werte

Bsp.: „alofa“  Gefühl und Verhalten entsprechen moralischen
Vorstellungen

Verhaltensdispositionen, die mit kulturell standardisierten
Gefühlen verknüpft sind, verbinden also die höheren Werte
einer Gesellschaft mit den alltäglichen Verhaltensweisen, so
dass diese „natürlich“ wirken (unbewusst);
4.3 Wut/Ärger in Samoa

Wut = kulturell konstruierte Emotion  darf nicht
gegen Eltern oder andere Autoritäten verwendet
werden, wird also umgelenkt in mildere
Gefühlsausdrücke  Samoaner sind sich der
Intensität ihrer Gefühle gar nicht bewusst

Selbstbild reflektiert die Fähigkeit in kulturell
angemessener Weise zu fühlen (kommt Wut also auf,
wird dieses inakzeptable Gefühl unterdrückt, stört
aber das positive Selbstbild  widersprüchliches
Verhalten: z.B. Aggression gegenüber Gleichaltrigen)
5. FAZIT
Gerber unterscheidet zwischen kulturell bestimmten Emotionen und
Emotionen auf individuell erlebter Basis, welche beide in allen Kulturen
vorkommen.
Kulturell konstruierte Emotion
Subjektiv empfundene Emotion
- konzeptionelles Klassifikations- und
Definitionssystem (physiologischen
Vorgängen wird soz. Bedeutsamkeit
verliehen)
- Einfluss bei der Entwicklung eines
sozialen Selbst
- Modell für angemessene Gefühle,
formt die emotionale Basis für moralisch
bewertete Handlungen
- Basisaffekte als angeborene
„Programme“, die universal sind 
Kulturvergleich wird möglich
- manche Basisaffekte sind global
(Bezeichnung/“Prototypen“ vorhanden),
andere sind spezifischer definiert und
nur in bestimmten Situationen
anzuwenden
- Theorie der Basisaffekte hilft zu
verstehen, wie in Kulturen die globalen
Emotionen verbalisiert werden
Gerber geht davon aus, dass in Samoa Basisaffekte
(globale Begriffe), so auch Wut/Ärger, zu finden sind.
Diese werden jedoch von kulturell konstruierten
Emotionskonzepten (spezifische Begriffe) und den
damit vorgeschriebenen Ausdrucksweisen überlagert,
so dass der Terminus „Wut“ nicht expliziert wird und
sich die Menschen auch gar nicht über die Existenz
dieses „Prototyps“ an Emotionen bewusst sind, da sie
diesen Zustand stets umleiten.
Nachweisbar ist „Wut“ aber an Verhaltensweisen
(Mimik) oder eben in anderen Kontexten, wo kulturelle
Werte nicht mehr gültig sind.
Teil 4
(Patricia Seidel)
Catherine LUTZ:
Soziokulturelle Emotionen
Übersicht
1.
Emotionsforschungen und westliche
Annahmen
2.
Cross-Cultural Study of Emotions
– Die Ifaluk
1. Emotionsforschung und westliche Annahmen

Emotionen als biologische und physikalische
Vorgänge im Menschen:
 Methoden zur Erforschung von Emotionen, wie z.B.
Pulsmessung, Hautwiderstandsmessung, FACS (facial action
coding system facial) etc.
 evolutionistische Sicht: Emotionen als physikalische
Warnhinweise (primitive Überlebensstrategie)
1. Emotionsforschung und westliche Annahmen

Klinische Sicht von Emotionen in der Psychologie
 Starke Emotionen werden als Symptome für Neurosen oder
Psychosen gesehen
 Versuch, Emotionen im Gehirn zu lokalisieren

westl. ethnopsychologisches Rahmenmodell:
Emotionen als private, kognitive, versteckte,
unaussprechliche und innere Vorgänge im
Menschen.
1. Emotionsforschung und westliche Annahmen
Grobe Aufteilung in 2 Arten von Emotionen:
1. private emotion
2. public sentiment
Auch in anthropologischen Studien werden Emotionen
oft als universal, natürlich und prä-kulturell bezeichnet.
2. cross-cultural study of emotions

LUTZ forschte 1977 und ’78 bei den Ifaluk, einer
kleinen indigenen Gesellschaft in Mikronesien
(Westpazifik)

Sie will mit ihrer Forschung den Blick in der
Emotionsforschung auf soziokulturelle und kollektive
Emotionen schärfen
Die Ifaluk
• Ifaluk ist ein Korallen-Atoll
der Caroline Islands in
Mikronesien
• Ca. 400 Insulaner
• fishing und gardening
• Gender relations: strikte
Rollenverteilung
• Sharing: Essen, Tabak,
Hausbauarbeiten etc.
werden aufgeteilt
Lutz`Forschungsmethoden:

Teilnehmende Beobachtung/Feldforschung im Sinne
MALINOWSKI‘s

Interviews mit Erwachsenen Ifaluk und Kindern
Erwachsene: Wort-für-Wort transkripiert
Kinder: mit tape-recorder

2 Versionen des TAT (Thematischer Apperzeptionstest)
1. mit Inselszenen
2. nach MURRAY
Ergebnis:

Sprache der Ifaluk ist reich an emotionalen Begriffen
und Bedeutungen

Viele emotionale Themen, die sich in Mythen
widerspiegeln

Von ca. 10 Ifaluk allein 58 emotionstragende Begriffe
Die Ifaluk

LUTZ fand heraus, dass nicht nur die Sprache der
Ifaluk reich an Emotionen ist, sondern auch ihr Alltag
 Für die Ifaluk ist eine Person in erster Linie ein
soziales Wesen
 Die Gemeinschaft ist für sie von existentieller
Bedeutung  sharing, Gefahr durch Taifune
 Emotionen sind bei den Ifaluk soziale, kollektive und
öffentliche Handlungen, die zum Erhalt der
Gemeinschaft dienen
 Emotionen hängen zusammen, nicht getrennt
Die Ifaluk

song (justifiable anger)  metagu (fear/anxiety)
bosu (jealousy/excitement)
ker (happiness/excitement)

tang (grief/frustration)  fago (compassion/
love/sadness)
Die Ifaluk
Nicht nur Emotionen sind sozial konstruiert, auch das
Individuum selbst ist Teil der Gesellschaft:

Das Innere ist nicht trennbar vom Äußeren (Sozialen)
Ifaluk‘s ethnopsychologische Vorstellung von we-self:
 kein "I-self“ (1. Person singular)
 Ifaluk reden in 1. Person plural („we“)
Die Ifaluk
Selbst „innere Gedanken“ werden als „our insides“
bezeichnet und sind „emotionsgeladen“
(emotion-laden)
 nunuwan (thought/emotion): auch Seele, Geist
 tip- (will/emotion/desire): emotionsgeleitet, Anreiz
zum Handeln
Die Ifaluk


Ein/e Ifaluk würde nie auf den Gedanken kommen von
individuellen Gefühlen zu sprechen und somit andere
(Emotionen von Personen) ausschließen.
Keiner nimmt sich heraus, sich über einen anderen zu stellen.
 Aus ihrer Sicht sind wir sehr egozentristisch!
FAZIT
1. Rolle von Kognition und Kommunikation

Erleben von Emotionen wird im
Informationsverarbeitungsprozess als Teil eines
Zusammenhangs gespeichert  stimmungsabhängige
kognitive Verarbeitung

LAZARUS: Emotionale Erfahrungen können erklärt werden
durch Vorgänge im Gehirn (physiolog. Aspekt, vgl. EKMAN)
und durch Bewertung der Transaktionen mit der Umgebung
(Hinweisreize aus der Umwelt führen zu Erregung 
kognitive Bewertungstheorie der Emotion
2. Warum Kognitionen allein nicht ausreichen



Gefühlsurteile ziemlich unabhängig von kognitiven Operationen
Soziale Funktion von Emotion: Emotionen regeln gesellschaftliches
Handeln
 Kommunikative Funktion
 Werte und Normen
 kollektiv empfundene Emotionen
Probleme:
 Schwierigkeiten der Explikation, Definition und
Kategorisierung
 Linguistisch: Übersetzungsproblem
 Zugangsprobleme (Tabuthemen, Adressaten etc.)
 Methodische Probleme
3. Interdisziplinarität:
Kognitionspsycho meets Ethno!
 mehr als nur ein „handshaking“
Interdisziplinarität:

Psychologie: Suche nach Universalien

Ethnologie: - Relativierung
- kulturspezifische Unterschiede
Literatur
- Ekman, P. 1988. Gesichtsausdruck und Gefühl. 20 Jahre Forschung von Paul
Ekman. Paderborn: Junfermann
- Gerber, E.R. 1985. Rage and Obligation. Samoan Emotion in Conflict. In:
White & Kirkpatrik (Eds.). Person, Self and Experience. Exploring Pacific
Ethnopsychology. Berkley: University of California Press; pp. 121-167
- Lutz, C. 1988. Unnatural emotions. Everyday sentiments on a Micronesian
atoll and their challenge to Western´theory. Chicago: Chicago University
Press
- Otto, J.H., Euler, H.A., & Mandl, H.(eds.) 2000. Emotionspsychologie. Ein
Handbuch. Weinheim: Psychologie Verlags Union
- Reddy, M.W. 2001.The Navigation of Feeling. Cambridge: Cambridge
University Press
Zimbardo, P. G.; Gerrig, R. J.1999. Psychologie. 7. Auflage. Berlin,
Heidelberg, New York: Springer; pp. 359-369
-
www.peacefulsocieties.org/Society/Ifaluk.html
08.06.2005
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