Ethische Konsequenzen für den Umgang mit Internet Prof. Karl Golser Fakultät für Informatik 2006 Ethische Konsequenzen Der Philosoph Emanuel Lévinas (1906-1995) hatte alle Ethik auf der Begegnung von Mensch zu Mensch, genauer noch von Angesicht zu Angesicht (face to face“) gegründet[1]. Im Angesicht des Anderen, speziell des Schwachen und Fremden, leuchtet der Appell auf „Du sollst nicht töten“. Ethische Verantwortlichkeit ist die Fähigkeit, darauf zu antworten, auch das Gewicht der anstehenden Problematik zu erkennen (respondeo abgeleitet von rei pondus). [1] Vgl. sein Hauptwerk: Totalität und Unendlichkeit, Freiburg/München: Alber 1987 (franz. Totalité et infini. The Hague : Nijhoff 1961). Ethische Konsequenzen für den Umgang mit Internet Scampato per miracolo dall’efferato disprezzo della dignità umana operato dal razzismo del regime nazionalsocialista che ha portato alla shoah milioni di ebrei, ai quali si è negato ogni dignità e diritto di vita, il filosofo di origine ebrea Emanuel Lévinas, morto nel 1995, concepisce e fonda l’etica nell’esperienza dell’altro il cui volto si impone. “È proprio sul volto del debole e dello straniero che risplende l’imperativo concreto, quel ‘Tu non uccidere’ che trasfigura immediatamente nella positività del ‘Fammi vivere’.” L’esperienza del volto dell’altro si impone, è anteriore ad ogni discorso filosofico, e quell’altro è colui del quale io sono responsabile. L’altro, ogni essere umano, ha quindi una dignità che mi interpella e non permette che io possa disporre di lui come di oggetto. Ethische Konsequenzen Schon beim Übergang vom oralen Medium – von Angesicht zu Angesicht – zur schriftlichen Darstellung ergibt sich eine Verschiebung, die schon bei den griechischen Philosophen Platon und Aristoteles diskutiert wird. Aber in der ganzen griechisch-römischen Philosophie und auch der christlichen Philosophie des Mittelalters steht die Schrift immer Dienst der mündlichen Begegnung. Ethische Konsequenzen Ein weiterer Einschnitt ergibt sich bei Immanuel Kant, der zwischen dem öffentlichen und dem privaten Gebrauch der eigenen Vernunft unterscheidet (in der Schrift: „Beantwortung der Frage: was ist Aufklärung?“). Der private Gebrauch wäre jener Gebrauch, den jemand als die bestimmte Person, die einen bürgerlichen Posten oder ein Amt hat, wahrnimmt. Hier kann es durchaus Einschränkungen der eigenen Meinungsfreiheit geben. Der öffentliche Gebrauch wäre jener, den jemand als Gelehrter vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht. Dieser Gebrauch der Vernunft muss frei sein, er garantiert die Aufklärung und letztlich Demokratie. Ethische Konsequenzen „Gelehrte“ können dabei Vertreter eines jeglichen Standes sein, aber sie sind „gelehrt“, insofern sie im freien Gebrauch ihrer Vernunft sich „als Glied eines ganzen Gemeinwesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft“ äußern. Denken ist so ein sozialer und medialer Prozess. Kant hat sich ausdrücklich Gedanken gemacht über das, was ein Buch ist. Der Autor spricht, indem er im eigenen Namen schreibt und er tut dies durch die Vermittlung eines Verlegers, der ihm „nachspricht“, indem er ein „körperliches Kunstprodukt“, eben das Buch herstellt. Das Buch hat ein Sachrecht, ein Nachdruck ist ohne eine Vollmacht des Autors verboten. Von hier aus sind die Autorenrechte bzw. Urheberrechte entstanden, die in den einzelnen nationalen Gesetzgebungen enthalten sind. Ethische Konsequenzen Kant konnte die medialen Veränderungen am Ende des 20. Jahrhunderts nicht erahnen. Sein Publikum war noch eine vergleichsweise kleine Schicht gebildeter Bürger. Nun aber sind wir in einer Weltöffentlichkeit, die auch schon die transparente Kommunikationsgemeinschaft, wie sie sich Habermas vorstellt, übersteigt. Wir haben, wie schon angedeutet, im Internet die Verbindung zwischen den diskursiven Medien, die der Verbreitung dienen (Buch etc.) und den dialogischen Medien, die eigentlich im Dienste der Erzeugung neuer Informationen stehen sollten. Die Frage nach der Freiheit der Verbreitung – vor allem in Form von Pressefreiheit (freedom of the press) als moderne Form der antiken Redefreiheit (freedom of speech) – wird jetzt in Form der Frage nach der Freiheit der Zugänglichkeit zur Weltvernetzung (freedom of access) gestellt. Sie ist die Kernfrage einer postmodernen Informationsethik. Ethische Konsequenzen Dadurch werden auch zumindest teilweise die modernen Machtverhältnisse umgekehrt: Aufgrund der dezentralen und globalen Struktur des Netzes werden die Sphären der bürgerlichen Gesellschaft (Politik, Wirtschaft, Militär, Kirche) von einem Medium umspannt, das sie nur unzureichend regulieren können. Die globale Vernetzung in Gestalt des Internet hat weder nur kritisch-aufklärerische Ziele im Sinne Kants, noch entspricht sie der Vorstellung einer rationalen Kommunikationsgemeinschaft mit dem Ziel eines universalen Konsensus (Habermas). Innerhalb des Internet, wo die starre pyramidale One-to-manyStruktur nicht mehr maßgeblich ist, sind nun unterschiedliche Diskussions- und Mitteilungsformen (und –foren) mit verschiedenen kulturell geprägten Rationalitätskriterien und mit veränderbaren Relevanzmaßstäben möglich, ja sogar wünschenswert. Ethische Konsequenzen Auch ist das Internet eine Mischform zwischen der Oralität (mündliche Mitteilungsform) und der Schriftlichkeit, nicht nur weil Schrift, Bild und Audio verbunden sind, sondern auch was die Form oder den Stil der Schrift selber betrifft: man schreibt wie man spricht – im Gegensatz zum Buch, wo man sich „druckreif“ äußern soll – und die Zuhörer sind gleichzeitig weltweit verteilt. Ethische Konsequenzen Ein weiteres Problem ist die Informationsgerechtigkeit. Die Spannung zwischen den Informationsarmen und –reichen wird sich womöglich noch verschärfen, z.B. in Bezug auf die Verteilung von Netzen und Servern. Wenn die UNO die Funktion hat, ein Forum der Regelung von Konflikten in der Völkergemeinschaft zu sein, dann müsste es bei der UNO auch eine Informationsagentur geben, bei der die nationalen Partikularinteressen (sowie die unterschiedlichen Informationsmoralen) artikuliert und auch zu einem Ausgleich gebracht werden können. Ethische Konsequenzen Die globalisierte Informations- und Kommunikationsstruktur stellt zugleich eine theoretische und praktische Einschränkung der staatlichen Informationsmoralen dar. Es gelingt den Staaten nur mehr beschränkt, den Informationsfluss über Internet zu kontrollieren. So findet eine Umkehrung der Verhältnisse statt: Nicht die staatliche Informationsmoral gewährt den freien Raum des Ethischen, sondern der globale Raum des Ethischen bedingt oder zumindest beeinflusst die staatlichen Informationsmoralen. Ethische Konsequenzen Gedanken- und Handlungsfreiheit lassen sich aber in der globalen Vernetzung nicht mehr voneinander trennen. Handeln heißt immer auch Informationshandeln und dieses findet heute in einem globalen Raum statt, während das Medium Buch eine deutliche Trennung zwischen Theorie und Praxis erlaubte. Wenn aber die Freiheit der Maßstab des Universalen ist, ist dann im Internet „alles erlaubt“? Wie steht es bei einem Medium, bei dem es zugleich um Handlungen geht? Die theoretische und praktische Hybridnatur (Mischform) des Mediums Internet und die vielfältigen Spannungen zwischen dieser Konkretisierung des Ethischen und den (staatlichen) Einzelmoralen verlangen nach einer neuen Informationsethik, die sich diesen Fragen stellt. Ethische Konsequenzen Es geht konkret um die Frage, ob ethisch begründete Vorschriften einen normativen Charakter für das Medium Internet haben können, da ein heilloser Krieg der Informationsmoralen kaum eine Alternative sein kann. Anders gesagt: Wo sind die Möglichkeiten und Grenzen der ethischen Reflexion im Hinblick auf die Aufstellung und Begründung einer Internetmoral? Ethische Konsequenzen Die Frage nach einer Internetmoral umfasst folgende Aspekte: Gedankenfreiheit im Netz muss nicht gleich Anarchie oder Anomie bedeuten. Es wäre möglich, dass auf der Basis der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ aufgrund der ethischen Reflexion es zum Vorschlag eines Minimalkonsenses der UN-Mitgliedsstaaten kommen könnte als Basis eines zu praktizierenden Weltinformationsethos. Zugleich kann aber auch die Netgemeinde sich selbst ethische Verhaltensvorschriften geben, und es kann zu einem Zusammenspiel zwischen beiden Formen kommen. Öffentliche Foren im Internet könnten eine ähnliche Rolle spielen wie die freie Presse in einem Nationalstaat. Also auch die Ansprüche einer universalistischen Ethik beschränken, da das Internet ja nur Austragungsort, nicht aber Richtschnur für die Konflikte zwischen den Moralen darstellt. Ethische Konsequenzen Dabei ist zu bedenken, dass das Internet, so wenig wie auch die Schrift oder sogar die Sprache, kein Medium ist, bei dem es allein auf rationale Argumentation mit dem ethischen Ziel eines idealen Konsenses ankommt. Die Menschen sind eben nicht reine Vernunftwesen. Deshalb ist die Idee, über das Internet eine vernünftige Intersubjektivität zu realisieren, immer nur bedingt möglich. Ethische Konsequenzen Was schon Aristoteles in Bezug auf Platon ausführte, dass wir nämlich bei diesen menschlichen Verhaltensweisen die Wahrheit nur in gröberen Umrissen beschreiben, das müsse – so Capurro, der sich auf Vattimo bezieht – auch hier für das Medium Internet gelten. Die irrende, täuschende, gegensätzliche und unbeständige Natur des Menschen ist dem Medium Internet keineswegs fremd, insofern das Netz ein Wohnort des Menschen ist. „In der Transparenz und ‚akribischen’ Genauigkeit des Digitalen kommt stets das Halbdunkel und die beunruhigende Unschärfe der menschlichen Freiheit zum Vorschein. In diesem deshalb ‚un-heimlichen’ Medium bieten die Homepages nur eine prekäre Behausung. Konkrete Pisten einer Internetmoral Der Kern einer normativen Informationsethik lässt sich auf der Grundlage einiger Artikel der „Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte“ näher bestimmen. Insbesondere sind es: Die Achtung der Menschenwürde: Artikel 1 (Menschenwürde) „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Wie kann dies im Internet eine Anwendung finden? Konkrete Pisten einer Internetmoral Das Recht auf Chancengleichheit und insofern auf Vertraulichkeit ist inbegriffen im: Art. 1, 2 (Diskriminierungsverbot): “Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand. Des weiteren darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebiets, dem eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität eingeschränkt ist. Konkrete Pisten einer Internetmoral Das Recht auf Chancengleichheit und insofern auf Vertraulichkeit in der Kommunikation ist ebenso enthalten in: Artikel 3 Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Artikel 4 Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten. Artikel 5 Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Artikel 6 Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden. Konkrete Pisten einer Internetmoral Das Recht auf Privatheit Art 3 (Grundlegende Rechte), Art. 12 (Schutz der Intimsphäre): „Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, sein Heim oder seinen Briefwechsel noch Angriffen auf seine Ehre und seinen Ruf ausgesetzt werden. Jeder Mensch hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen derartige Eingriffe oder Anschläge.“ Konkrete Pisten einer Internetmoral Das Recht auf freie Meinungsäußerung Art.19: „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhangen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Konkrete Pisten einer Internetmoral Das Recht auf Beteiligung am kulturellen Leben Art. 27: „(1) Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben. Konkrete Pisten einer Internetmoral Das Recht auf Schutz der materiellen und geistigen Arbeit Artikel 27 (2) Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen. Informationsgerechtigkeit im Internet In Bezug auf die Informationsgerechtigkeit können nun die 3 Ebenen unterschieden werden: Die Mikroebene (d.i. die Ebene der Einzelpersonen). Z.B. kann man hier fragen, wie das Recht auf Privatheit eines Informationsnutzers gegenüber Maßnahmen einer Organisation oder gegen rechtliche Eingriffe am gerechtesten geschützt; ebenso welche Verantwortung Informationsspezialisten gegenüber den Nutzern haben. Die Mesoebene (d.i. die mittlere Ebene der Unternehmen). Z.B. welche Verantwortung Informationsspezialisten gegenüber den Institutionen haben, in denen sie arbeiten, bzw. welche sozial-ethische Verantwortung Institutionen wie Bibliotheken oder Informationszentren gegenüber ihren Nutzern haben. Die Makroebene (d.i. die Ebene der (Welt-)Gesellschaft). Z.B. welche Verantwortung der Einzelne gegenüber der Gesellschaft und die Gesellschaft insgesamt gegenüber ihren Mitgliedern bei der Gestaltung des Informationsmarktes übernehmen soll. Auf allen diesen Ebenen können vielfältige Konflikte zwischen Ethik, Moral und Recht auftreten. Informationsgerechtigkeit im Internet Ein besonders heiß diskutierter Konflikt bei Fragen der Informationsgerechtigkeit auf Makroebene ist die Kontrolle über die inhaltliche und technische Gestaltung des Cyberspace: Soll es rechtliche Zensuren gewisser Inhalte geben oder soll die „Internet-Gemeinde“ sich selber regeln? Und zwar gibt es folgende drei Funktionsbereiche: Der Funktionsbereich Wissen Der Funktionsbereich Freiheit Der Funktionsbereich Identität Informationsgerechtigkeit im Internet Der Funktionsbereich Wissen: Im Internet, in dem gigantisches Wissen gespeichert ist, wird das Finden von Wissen über Such- und Selektionsprozesse geleistet, die aber immer schon eine Auswahl bedeuten (nach welchen Kriterien?) Die Frage stellt sich schon bei Bibliothekskatalogen und Schlagwörtern, erst recht bei Suchmaschinen. Zudem kann im Internet das Geschriebene dauernd modifiziert werden – es ist eben mehr ein Dialog. So braucht es Vermittlungspersonen wie z.B. „Information Brokers“ bzw. Informationsmanager (welche eine vergleichbare Rolle wie die Journalisten haben). Informationsgerechtigkeit im Internet 07.07.2004 Gründung eines Vereins zur Förderung von Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs Am 5. Juli 2004 wurde in Hannover der "Gemeinnützige Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs" (SuMa-eV) gegründet. Die primäre Zielsetzung besteht darin, den freien Wissenszugang sichern zu helfen. Um dies zu erreichen will der Verein u.a. den "Aufbau einer dezentralen und kooperativen SuchmaschinenStruktur in Deutschland" fördern. SuMa-eV: http://suma-ev.de/ Ethik der Cyberkultur Funktionsbereich Freiheit hat verschiedene Problemfelder Die Spannung zwischen der Freiheit der Kommunikation und dem Schutz der Privatsphäre. Stichwort: Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung. Die Spannung zwischen der digitalen Manipulation von Waren und Dienstleistungen und dem Recht auf den Schutz der materiellen und geistigen Arbeit. Stichwort: Autoren- und Urheberrechte, Copyright. Die Spannung zwischen den Informationsreichen und –armen. Stichwort: Informationsgerechtigkeit (Überwindung der „digitalen Kluft“, des „digital divide“). Die Spannung zwischen den Wirtschaftsinteressen des Informationsmarktes und dem demokratischen Recht auf einen ungehinderten Informationszugang. Stichwort: Informationelle Grundversorgung. Die Spannung zwischen globalen und lokalen Informationsmärkten: Stichwort: „Glokalisierung“ (=global denken und lokal handeln). Die Spannung zwischen der einen Cyberkultur und dem Recht auf Bewahrung medialer Traditionen: Stichwort: multikulturelle Mediengesellschaft. Ethik der Cyberkultur – Funktionsbereich „Freiheit“ Weitere Problembereiche: UNBEFUGTES EINDRINGEN IN COMPUTERSYSTEME UEBER DAS INTERNET „HACKING": vom Eigentümer/Verwalter eines Computersystems nicht gestattetes Eindringen; Lesen/ Diebstahl/ Manipulation/ Zerstörung von Informationen aus verschiedenen Motiven heraus; seit den Anfängen des Internet eine Art von Subkultur. SPAMMING" und „VIRTUELLE VERGEWALTIGUNG": Durch anonyme Gesprächspartner sinken Hemmschwellen gegenüber unethischen Kommunikationsformen (Beschimpfungen oder sexuelle Belästigungen). Ethik der Cyberkultur Diese Problemfelder gehören zu einem sich entwickelnden Weltinformationsethos. Die Lösungen schwanken zwischen gesetzlichen Regelungen und dem Ruf nach Selbstkontrolle. Die komplexen Probleme verlangen selbstverständlich auch komplexe Lösungen, d.h. Selbstkontrolle durch die Nutzer, interne Selbstregulierungsmechanismen im Netz sind ebenso notwendig wie öffentliche Foren, nationale und internationale Gesetzgebung, Einwirkung von NGOs (Non-Governmental Organisations) und UN-Organisationen, wie UNESCO und den Entwicklungsprogrammen UNDP, und ebenso der Weltbank bzw. der WTO. Ethik der Cyberkultur Regulierungsformen im Internet Ethik der Cyberkultur a) Selbstegulierung durch moralische Normen: Vorteile: selbstbestimmt, nutzerorientiert, motiv-, wert- und normgebunden, wirkt verhaltensregulierend, Kommunikation als Medium und Quelle der moral. Normen Nachteile: eher schwache Form der Regulierung, auf intrinsische Motivationen angewiesen, Sanktionen funktionieren nur in kleinen Gemeinschaften b) Regulierung durch Gesetze: Vorteile: ordnungspolitische Eingriffe in Strukturen und Prozesse des Netzes möglich, starke Form der (externen) Regulierung, Begrenzung von Nebenfolgen Nachteile: stößt oft an nationale Grenzen, Verrechtlichungsproblem (z.B. Zensur, Datenmissbrauch), fremdbestimmt, schwerfällig c) Regulierung durch Marktmechanismus: Vorteile: interne Steuerung, ökonom. Anreize und Gratifikationen wirken motivbildend, Geldmechanismus reagiert schnell und direkt Nachteile: ethisch problematische Nebenfolgen der Profit/Nutzenmaximierung, Oligopole, Kommerzialisierung durch liberalisierten und deregulierten Markt. Ethische Handlungsbereiche im Internet 1. Handlungsbereich privater Kommunikation: “Web-Surfen”, Diskussionsforen u. -listen, Chat, Spielwelten... Anerkennung, Reziprozität, Sprechchancen -> Netiquette, HelpManners 2. Handlungsbereich wissenschaftlicher Kommunikation: Diskussionsforen, Wissens- und Informationsaustausch, Telelearning... Nachprüfbarkeit, Achtung, Autorschaft => Wissenschaftliche Ethikcodizes 3. Handlungsbereich wirtschaftlicher Kommunikation: Intranet, Geldverkehr, Kundenkontakt, Werbung, Teleshopping... Nutzenmaximierung, Wohlfahrt, Verteilung => Unternehmensethik 4. Handlungsbereich öffentlicher (Massen-)Kommunikation: Online-Journalismus, Informationsdienste, Gerüchteküche... Information, Kritik, Privatsphäre, Wahrheit > Journalistische Ethik 5. Handlungsbereich staatlich/politischer Kommunikation: Selbstdarstellung, Intranet, Bürgerkontakt, Ordnungspolitik... Demokratische Rechte, offene und dezentrale Netzstrukturen, öffentliche Zugangsmöglichkeiten, Sozialverträglichkeit > Zivilgesellschaftliche Ethik Ethische Handlungsbereiche im Internet Informationsgerechtigkeit im Internet Der Funktionsbereich Freiheit: Die ‚elektronische Agora’ (=Marktplatz) bringt aufgrund der Interaktivität des Mediums eigentlich eine neue Dimension für die liberale Demokratie, da sie eine neuartige Kombination von Individual- und Massenkommunikation darstellt. Die Frage ist nur, wie weit, wer und wo reguliert (d.h. die unbeschränkte Freiheit beschränkt) werden soll. Informationsgerechtigkeit im Internet Der Funktionsbereich Identität: Hier geht es um die Identität des Menschen selbst, welche Auswirkungen eben das Medium auf die Menschen hat (Isolation, wechselnde auch fiktive Identitäten) – man denke z.B. an die Möglichkeit von Cybersex-Beziehungen. Direkte Regelungen sind hier schwierig; die Aufgabe stellt sich um grundsätzlichen Erziehungsbereich, selbstverständlich auch im Schutz der Schwächsten. Informationsgerechtigkeit im Internet Der Funktionsbereich Identität: Dieser Bereich umfasst Fragen einer philosophischen Anthropologie bis hin zu elektronisch vermittelten (Cybersex-)Beziehungen und Fällen von wechselnden Identitäten. Eine prekäre Internetethik verweist hier auf die Möglichkeit normativer Selbstregulationen. Diese Probleme lassen sich nicht durch das Recht allein lösen. Auch die Philosophie im Sinne einer ethischen Normierung kann die konkrete Auseinandersetzung nicht ersetzen. Sie kann aber z.B. durch Teilnahme an computervermittelter Kommunikation einen (möglichen) Bezugsrahmen stellen. So Debatin, B. (1998): Ethik und Internet. Überlegungen zur normativen Problematik von hochvernetzter Computerkommunikation. In: http://www.uni-leipzig.de/~debatin/German/Netzethik.htm. Funktionsbereich Identität im Internet Es ist offensichtlich, daß auch hier sich spezifische normative Probleme stellen. Diese betreffen (1) die Frage nach Verbindlichkeit und Moralität von virtuellen Beziehungen und (2) die Frage nach der Regelung von Konflikten in virtuellen Welten. (1) Tatsächlich zeigen psychologische Studien in einigen Fällen eine therapieähnliche und sozialisatorische Wirkung durch internetgestützte Rollenspiele mit der kulturellen, sozialen und sexuellen Identität; auch lässt sich belegen, dass Internet-chat nicht nur kommunikative Scheu zu überwinden hilft, sondern mitunter sogar zu festen Partnerschaften im real life führt. Dem steht jedoch das Problem der Abhängigkeit vom chatting entgegen, das häufig mit Kontaktverlusten im real life einhergeht. Auch ist unklar, ob und inwieweit der experimentelle Umgang mit der eigenen Identität im ‘Interaktionsschutzraum’ Internet wirklich Folgen für das reale Leben hat oder ob es sich nur um einen kommunikationstechnisch gestützten Eskapismus handelt. Funktionsbereich Identität im Internet In jedem Fall stellen sich hier eine Reihe von Fragen zur Ethik zwischenmenschlicher Beziehungen: Wie verbindlich können und sollen netzvermittelte Freundschaften und Beziehungen sein? Wie sind elektronische Kommunikationen zu bewerten, bei denen sich eine Cybersex-Beziehung entwickelt? Welche moralischen Standards und welche Verbindlichkeiten sind hier anzulegen und wie wirkt sich dies auf traditionelle moralische Konzepte wie Treue aus? Im Konflikt zwischen real life- und virtual life-Beziehungen sind eindeutige Antworten nicht zu finden, vielmehr zeigt sich, dass die normativen Probleme des neuen Mediums Internet bis in die Intimität zwischenmenschlicher Beziehungen hinein reichen und dort dann auch (mitunter schmerzhaft) ausgehalten und ausgehandelt werden müssen. Funktionsbereich Identität im Internet (2) Die normativen Probleme stellen sich aber nicht nur im Konflikt zwischen realem und virtuellen Beziehungen, sondern auch im Hinblick auf Konflikte zwischen Mitgliedern von virtuellen Welten. Einige solche Fälle haben eine große Publizität erreicht, so z.B. der Fall eines Mannes, der in einem elektronischen bulletin board die Identität einer gelähmten Frau namens Joan (bzw. in anderen Versionen: Julie) annahm und zur Vertrauten vieler Frauen wurde, bis seine ‘wahre’ Identität bekannt wurde, woraufhin die betroffenen Frauen sich betrogen und verletzt fühlten. Der Fall provozierte ausführliche Diskussionen, bei denen es insbesondere um die ethischen Qualitäten solchen Verhaltens ging. Ähnlich bekannt wurde der Fall aus einem MOO, bei dem ein Hacker die Kontrolle über die virtuellen Figuren anderer MOO-Mitglieder übernahm und eine ‘virtuelle Vergewaltigung’ zwischen ihnen inszenierte. Aufgrund dieses Zwischenfalles kam es intensiven Auseinandersetzungen, die nicht nur zum Ausschluss des Täters aus der Gemeinschaft führten, sondern in deren Folge auch die sozialen, moralischen und quasi-rechtlichen Regeln dieser Gemeinschaft diskutiert und definiert wurden. Funktionsbereich Identität im Internet Seitdem haben sich in vielen MUDs (Online-Rollenspiele) und MOOs (virtual educational communities known as MOOs (Multiple-user, Object-Oriented environments). sogenannte help manners herausgebildet, die eine Art Normenkatalog für die Teilnehmer dieser virtuellen Gemeinschaften darstellen. Auch in den meisten Newsgroups existieren inzwischen Verhaltens- und Teilnahmenormen und genauso gibt es in den diversen Foren und Chat-Räumen von kommerziellen und nichtkommerziellen Anbietern spezifische Normen, denen Benutzer erst zustimmen müssen, bevor sie zur Teilnahme zugelassen werden. Die Einhaltung dieser Normen wird oft durch Sysops (System Operators) und ähnliche Funktionsträger kontrolliert und mittels entsprechender Sanktionen (bis hin zum Ausschluss) durchgesetzt. Funktionsbereich Identität im Internet Insgesamt betrachtet liegen die normativen Probleme im Funktionsbereich Identität vor allem in der Regelung von zwischenmenschlichen und sozialen Konflikten im Verhältnis zwischen real life und virtual life, sowie innerhalb der diversen virtuellen Welten. In diesem kommunikationsintensiven Bereich zeigt sich vielleicht am deutlichsten, wie wichtig Regeln des sozialen Handelns sind und wie schnell sich selbst in virtuellen Räumen solche Normierungen herausbilden. Damit wird auch klar, dass zur Entstehung von sozialen Räumen eine physische Kopräsenz durchaus nicht nötig ist. Unabdingbar sind jedoch normative Selbstregulationen, die die kommunikativen Handlungen der Mitglieder solcher virtuellen Gemeinschaften sanktionieren und die Grenzen und Eigenschaften dieser kleinen sozialen Systeme definieren.