Dem Lernen auf der Spur: „Lernen macht intelligent“ (Neubauer/Stern 2007) Einführung Vormittag Vertiefung und Ergänzung Nachmittag: Mittelschule Lana 6. September 2010 Prof. Dr. Willi Stadelmann Pädagogische Hochschule Zentralschweiz PHZ 1 Referat A. Einführung (Vormittag) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Allgemeines Vererbung und Stimulation „Wahr“nehmung Lernen aus Sicht der Neuropsychologie Begabung und Intelligenz Heterogenität Frühe Förderung und lebenslanges Lernen B. Vertiefung und Ergänzung (Nachmittag) 8. Pruning und Myelinisierung 9. Emotion und Lernen 10. Computer, TV und Abstraktionsvermögen 11. Fazit 2 Referat 1. Allgemeines 3 Referat Die Ergebnisse der neuropsychologischen Forschung werfen die Erkenntnisse der Erziehungswissenschaften und der Psychologie nicht über den Haufen. Theorie Aspektcharakter Interdisziplinarität! 4 Referat Lernen in der Oberschule / AHS- Oberstufe kann nur verstanden werden, wenn man allgemeine Prinzipien des Lernens und die Lernbiografie des Menschen von Geburt an kennt. Darum zuerst Auseinandersetzung mit allgemeinen Lernprinzipien und kleinkindlichem Lernen. 5 Referat Man kann einen Menschen nicht lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu tun. Galileo Galilei 1564 - 1642 6 Referat Ziel aller didaktischer Massnahmen ist die Stimulation der Lernenden zum „Selbst- Tun“. „More learning – less teaching“ 7 Referat 2. Vererbung und Stimulation 8 Referat Vererbung Förderung: Stimulation lebenslanges Lernen 9 Referat Neue Erfahrungen verändern die Genexpression. Neue Erfahrungen wirken bis auf die Ebene der Gene. Sie führen dazu, dass zum Beispiel Nervenzellen damit beginnen, neue Gensequenzen abzuschreiben, ihre „Befehle“ zu befolgen und andere still zu legen. Da wir die meisten Erfahrungen nicht am Ende sondern am Anfang unserer Entwicklung machen, ist die erfahrungsabhängige Neuroplastizität des Gehirns im frühen Leben am deutlichsten ausgeprägt. 10 Referat G. Hüther (2008) Aus Zwillings- und Adoptionsstudien kann man schliessen, dass bei Kindern und Jugendlichen etwa 50% der Intelligenzunterschiede in einer Bevölkerung auf die Gene, etwa 25% auf (von den Mitgliedern einer Familie) geteilte Umwelteinflüsse und 20% auf überwiegend ausserfamiliäre Einflüsse (insbesondere Schule) zurückgeführt werden. (5% Messfehler). A.C. Neubauer, j. für begabtenförderung 2/2005 , S. 10 11 Referat 3. „Wahr“nehmung 12 Referat Axon Synapse Dendrit 13 Referat „Das Gehirn ist taub und blind für die Welt. Es kann nur mit Signalen umgehen.“ Gerhard Roth Universität Bremen, 2003 14 Referat Massgeblich dafür, ob ein Sinneseindruck bewusst „wahr“ genommen wird, ist eben nicht der Umstand, wie „wahr“ er ist, sondern als wie individuell wichtig der Eindruck durch die Person eingeschätzt wird. Emotionen spielen dabei eine grosse Rolle. 15 Referat Limitierende Faktoren für den „Zugang zur Welt“: • Intensität der Stimulation • Qualität der Sinnesorgane • Interpretationsfähigkeit des Gehirns 16 Referat Es gibt keine Information ohne Interpretation 17 Referat 18 Referat 19 Referat Sprache ist Zugang zur Welt 20 Referat Bitte lesen Sie die folgenden Wörter laut ihrem Nachbarn vor: A 1 grün B gelb C schwarz D blau E grün 2 blau rosa gelb grün schwarz 3 blau rot schwarz gelb schwarz 4 grün rot gelb grün rosa 5 rot blau schwarz rosa grün 6 rot grün grün schwarz gelb 7 rosa rot blau gelb grün 8 rosa schwarz blau gelb rot 9 rosa rot rosa schwarz gelb 21 Referat Bitte nennen Sie ihrem Nachbarn laut die Farben: A 1 grün B gelb C schwarz D blau E grün 2 blau rosa gelb grün schwarz 3 blau rot schwarz gelb schwarz 4 grün rot gelb grün rosa 5 rot blau schwarz rosa grün 6 rot grün grün schwarz gelb 7 rosa rot blau gelb grün 8 rosa schwarz blau gelb rot 9 rosa rot rosa schwarz gelb 22 Referat 4. Lernen aus Sicht der Neuropsychologie 23 Referat 1 Das Gehirn verändert sich beim Lernen physisch: Jeder Mensch hat seine eigene Lernbiografie. 2 Vielseitige Tätigkeiten fördern die Hirnentwicklung - ein Leben lang. 24 Referat 25 Referat Use it or lose it 26 Referat Jeder neue Eindruck hinterlässt eine neue Spur 27 Referat Das Gehirn ist das Resultat seiner Benutzung (Biographie) Wichtigkeit des Vorwissens und Vorverhaltens für die Didaktik aller Stufen. Neues muss „andocken“ können. „Redundanz“. 28 Referat Nic Burkalter, März 2008 29 Referat Fazit: Wissen wird nicht passiv erworben, sondern aktiv konstruiert. 30 Referat 5. Begabung und Intelligenz 31 Referat Begabung: Potenzial eines Individuums zu (ungewöhnlicher oder auffälliger) Leistung Interaktionsprodukt: Individuelles Potenzial steht in Wechselwirkung mit der sozialen Umgebung. nach Margrit Stamm (1999): Begabungsförderung in der Volksschule – Umgang mit Heterogenität. Trendbericht SKBF Nr. 2, S.10ff (zurückgehend auf Heinrich Roth,1969) 32 Referat Begabung ist keine Konstante! Begabungsförderung ist ein Leben lang möglich und nötig. „Begabung“ ist kulturabhängig. 33 Referat Intelligenz: „A biopsychological potential to process information that can be activated in a cultural setting to solve problems or create products that are of value in a culture“ Gardner, Howard (1999): ‚Intelligence reframed: Multiple Intelligencies for the 21st century‘. New York Basic Books. 34 Referat 6. Heterogenität 35 Referat Bereits bei der Einschulung gibt es unterforderte und überforderte Schülerinnen und Schüler. Unterforderte: • 10 % sind „Alleskönner“ (durchwegs 1 – 2 Jahre voraus) • 23 % sind „Vielkönner“ (mindestens ein halbes Jahr voraus) 36 Referat Lesekompetenzen: Kanton Zürich, Eintritt in die 1. Klasse • ca. 30% können bereits einfache Wörter und Sätze lesen. • ca. 15% sind sogar fähig, einen kurzen Text vollständig zu lesen und zu verstehen. Aber: • ca. 30% kennen erst ein paar Buchstaben, die aber noch nicht zu Wörtern verbunden werden können. • 5% kennen die Buchstaben noch nicht und können den schriftlich vorgelegten Buchstaben nicht den korrekten Laut zuordnen. 37 Referat Moser, Stamm, Hollenweger: Für die Schule bereit? (2005) 55 Mathematische Kompetenzen Kanton Zürich, Eintritt in die 1. Klasse • ca. 20% finden sich im Zahlenraum bis 100 zurecht und lösen einfache Additionen und Subtraktionen im Zahlenraum bis 20. Aber: • gut 25% kennen nur die Zahlen, können bis 20 zählen und können Mengen erkennen, wenn ihnen Gegenstände oder Bilder zur Verfügung gestellt werden. Moser, Stamm, Hollenweger: Für die Schule bereit? (2005) 55 38 Referat Soziales Verhalten: „Die soziale Herkunft trägt vorwiegend zur Erklärung von Unterschieden im regelkonformen und selbstständigen Verhalten der Erstklässlerinnen und Erstklässler bei. Kinder aus privilegierten Familien verhalten sich häufiger entsprechend den Regeln in der Schule und sind eher fähig, Aufgaben selbsttätig durchzuführen. Der Immigrationshintergrund trägt am stärksten zur Erklärung des kooperativen Verhaltens bei. (…) Kinder aus immigrierten Familien starten die Schule also nicht nur mit sprachlichen, sondern auch mit sozialen Nachteilen.“ Moser, Stamm, Hollenweger(2005) 111 39 Referat 40 Referat Gruppen von Menschen sind nie homogen. Heterogenität ist natürlich. Heterogenität lässt sich durch Selektion nicht vermeiden. 41 Referat 7. Frühe Förderung und lebenslanges Lernen 42 Referat Lernen in früher Jugend unterscheidet sich vom Lernen bei Erwachsenen darin, dass Erfahrungen und Lernprozesse im kindlichen Gehirn viel massivere und auch dauerhaftere Spuren hinterlassen als im erwachsenen Gehirn. 43 Referat „Denn der junge Mensch vermag nicht zu unterscheiden, was Sinnbild ist und was nicht, sondern was er in diesen Jahren in seine Vorstellungen aufnimmt, das bleibt in der Regel unauslöschlich und unveränderlich haften. Darum ist es wohl von grösster Wichtigkeit, dass die Mythen, die sie zuerst zu Gehör bekommen, möglichst schön ersonnen sind, um sie zur Tüchtigkeit zu führen.“ Platon, 429 – 347 v. Chr. Aus: Flitner W. Die Erziehung. Schünemann 1970, S.8 44 Referat Frontal lobe Temporal lobe 45 Referat Gerade die weitere Entwicklung des Präfrontalen Cortex, des vordersten Teils des Stirnlappens hat für das Bilden einer Erwachsenen- Persönlichkeit grosse Bedeutung: Verhaltenskontrolle, Fähigkeit zur SelbstReflexion, Entscheidungs- Fähigkeit, Exekutivfunktion, Einfluss auf die Fähigkeit zum abstrakten Denken. 46 Referat Exekutivfunktion: Das Vermögen, unsere Gedanken und unser Verhalten zu kontrollieren und zu koordinieren. „Dazu gehört die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit gezielt auf etwas zu richten, künftige Aufgaben zu planen, unangebrachtes Verhalten zu unterdrücken und mehr als eine Sache auf einmal im Kopf zu behalten.“ Blakemore/ Frith: Wie wir lernen. DVA (2006) 169 47 Referat 48 Referat Darum bestehen im pubertären und nachpubertären Alter besondere Fördermöglichkeiten für mathematische, naturwissenschaftliche und sprachgrammatikalische Fähigkeiten. SchülerInnen erreichen in diesem Alter bei entsprechender Förderung Fähigkeiten, die sie in jüngerem Alter kaum erreichen können. 49 Referat „Ein aktuelles leistungsmotiviertes Handeln findet besonders dann statt, wenn die Tendenz ‚Hoffnung auf Erfolg‘ die Tendenz ‚Furcht vor Misserfolg“ überwiegt.“ Walter Edelmann: Lernpsychologie Beltz 2000 S. 254 50 Referat 8. Pruning und Myelinisierung 52 Referat Begabungsentwicklung: Neurobiologische Ansätze: a) Neuronal pruning b) Myelinisierung Neubauer/Fink: Basic Information Processing and the Psychophysiology of Intelligence. In: Sternberg/Pretz (Eds.) Cognition and Intelligence. New York : Cambridge University Press, 2005, 68-87 53 Referat a) neuronal pruning Mit zunehmender Übung konsolidieren sich die Verknüpfungen und die Netzwerke werden kleiner, indem sie sich sparsamer verschalten. Subjektiv erleben wir dies daran, dass wir eine Aufgabe glatter und mit weniger Aufwand beherrschen. „neuronal pruning“ („beschneiden“) 54 Referat Blakemore/Frith: Wie wir lernen. DVA (2006) S. 164 55 Referat Prof. Robert Lynch kalil.anatomy.wisc. edu/pics/gcanim.gif 56 Referat Durch „pruning“ wird erreicht, dass diejenigen Verschaltungsmuster (Netzwerkteile) erhalten bleiben und gestärkt werden, die häufig benutzt, also immer wieder aktiviert werden. 57 Referat „Pruning“ im Frontalkortex ab 11.-13. Altersjahr: Optimierungsprozess, der darin besteht, dass überschüssiges Frontalkortexgewebe reduziert wird. „Die neuronalen Netzwerke, welche intensiv während dieser Phase genutzt werden, werden wahrscheinlich nicht abgebaut. Andererseits ist zu erwarten, dass jene Netzwerke, die nicht oder nur wenig genutzt werden, Gefahr laufen, abgebaut zu werden.“ Jäncke in BMBF (2009) 89/90 58 Referat b) Myelinisierung Schnürring 59 Referat Ranvier Schnürringe Stephan Frings, Universität Heidelberg 60 Referat Jay Giedd 61 Referat Blakemore/Frith: Wie wir lernen. DVA (2006) S. 165 62 Referat Die Forschungsresultate legen nahe, dass „intelligente Gehirne“ besonders effizient arbeiten. Sie brauchen weniger Energie, sie aktivieren beim Denken kleinere Gehirnteile, sie verarbeiten Information schneller, offenbar weil sie wegen des „prunings“ weniger synaptische Verbindungen zwischen den Nervenzellen haben. A.C. Neubauer, j. für Begabtenförderung 2/2005, S. 12 63 Referat Das menschliche Gehirn verbraucht bei Erwachsenen ca. 20 % aller dem Körper zugeführten Energie (kurz nach der Geburt über 60%). Es ist also extrem energie-aufwändig. 64 Referat 9. Emotionen und Lernen 65 Referat Emotionen/Gefühle müssen gelernt, entwickelt, gefördert werden; auch das Lernen von Emotionen widerspiegelt sich in der Vernetzung des Gehirns. Auch hier werden von der Kindheit an Potenziale entwickelt, die sich auf emotionelles Verhalten und emotionelles Lernen ein Leben lang auswirken. 66 Referat 9.1 Emotionen und Gefühle 67 Referat 9.1.1 Die Theorie von Damasio 68 Referat Emotionen gehen Gefühlen voraus. Emotionen sind körperliche Reaktionen auf äussere Reize Antonio R. Damasio, 2003, Der Spinoza- Effekt List, München S. 39 69 Referat Gefühle sind die individuelle Interpretation der körperlichen Reaktionen Antonio R. Damasio 2003, 101 70 Referat „Emotionen treten auf der Bühne des Körpers auf, Gefühle auf der Bühne des Geistes“ Antonio R. Damasio 2003, 38 71 Referat 9.2 Das limbische System 72 Referat Limbus (lat.) = Saum Gerhard Roth, 2003 73 Referat …“dass das limbische System, aber nicht das rationale System der Grosshirnrinde, einen direkten Zugriff auf diejenigen Systeme in unserem Gehirn hat, welche letztendlich unser Handeln bestimmen. Das limbische System hat gegenüber dem rationalen corticalen System das erste und das letzte Wort (…) Der Grund hierfür ist, dass alles, was Vernunft und Verstand als Ratschläge erteilen, für den, der die eigentliche Handlungsentscheidung trifft, emotional akzeptabel sein muss. Es gibt also ein rationales Abwägen (…) es gibt aber kein rationales Handeln. Am Ende eines noch so langen Prozesses des Abwägens steht immer ein emotionales Für oder Wider.“ G. Roth: Aus Sicht des Gehirns. Frankfurt am Main (2003) S. 162 M. Schmidt-Salomon: Jenseits von Gut und Böse. Pendo (2009), S. 130 74 Referat Das limbische System kontrolliert die synaptischen Veränderungen. Musik stimuliert das limbische System. 75 Referat „Musik ist Struktur gewordene Emotion“ Urs Widmer in: Heidenreich E.: Passione. Liebeserklärung an die Musik. München: Hanser (2009) S. 66 76 Referat Wolfgang Amadeus Mozart COSI FAN TUTTE Schwarzkopf, Ludwig, Kraus, Taddei, Steffek, Berry Philharmonia Orchestra Karl Böhm 1962 (!) 77 Referat George Benjamin (geboren 1960) Into the Little Hill (2006) Anu Komsi & Hilary Summers. Ensemble Modern. Franck Ollu 78 Referat 9.2.1 Der Hippocampus: Zentrale Struktur für das Lernen 79 Referat Bildung neuer Neuronen im Hippocampus Offenbar: Überleben abhängig von Stimulation 80 Referat 81 Referat Starke Erlebnisse werden vom Gedächtnis anders behandelt als persönlich belanglosere. Sie werden fester und tiefer gespeichert. 82 Referat 10. Computer, TV und Abstraktionsvermögen 83 Referat Computer und Internet spiegeln vor, dass man sehr schnell und ohne grosse Anstrengung im Sinne von „selbst tun“ zu Erkenntnissen kommen kann. 84 Referat „Computer drohen zu schlechten Lehrbüchern zu werden, bei denen nicht mehr die Phänomene der Ausgangspunkt des Fragens und Rätselns sind. Vielmehr werden den Schülern Fragen ins Maul geschmiert und die Antworten gleich hinterhergeschoben.“ H. von Hentig, 2001 85 Referat 86 Referat Abstraktes lässt sich nur gekoppelt mit der Fähigkeit, Konkretes zu erfassen und zu beschreiben, denken. Der Weg zur Abstraktion führt über das Konkrete und damit über gute sprachliche Fähigkeiten. 87 Referat „Ohne Zweifel wird sich durch den mathematischnaturwissenschaftlichen Unterricht noch viel mehr erreichen lassen, als jetzt schon erreicht wird, wenn noch eine etwas natürlichere Methode in Gebrauch kommt. Hierzu gehört, dass die Jugend nicht durch verfrühte Abstraktion verdorben wird…“ E. Mach, Populärwissenschaftliche Vorlesungen, 5. Auflage, Leipzig 1923 S.340 88 Referat „Auch ich hatte das Glück, die wesentlichen Ergebnisse und Methoden der gesamten Naturwissenschaft in einer vortrefflichen populären, fast durchweg aufs Qualitative sich beschränkenden Darstellung kennenzulernen.“ Albert Einstein, aus: Albert Einstein als Philosoph und Naturforscher, Stuttgart 1951, S. 5 89 Referat 11. Fazit 90 Referat LERNEN Je: • aktiver und selbstregulierter • problemorientierter • besser mit dem Vorwissen verknüpft • bewusster, reflexiver • dialogischer und interaktiver • emotionell bewertbarer desto: • besser wird verstanden • dauerhafter wird gespeichert. 91 Referat