Internet-Tutorium am 23.6.1999 Teil I: Datenerhebungen im Internet Vorschau: 1 Das Internet als Forschungsinstrument und -gegenstand 2 Die einzelnen Internet-Dienste und ihre Möglichkeiten 2.1 E-Mail und Newsgroups 2.2 WWW 3 Besonderheiten von Online-Erhebungen: 3.1 3.2 3.3 3.4 methodische/ versuchsplanerische Aspekte Ethik pragmatische/ finanzielle Aspekte neuartige Möglichkeiten 4 Fazit und Beispiele 1 Das Internet als Forschungsinstrument und -gegenstand • Nicht-reaktive Datenerhebungen: ‚Anfallende‘, öffentlich zugängliche Daten‘ (z.B. Newsgroup-Postings, Logfiles von Chats, ...) werden ausgewertet (= Internet als Forschungsgegenstand) • Mögl. Fragestellungen für nicht-reaktive Datenerhebung im Internet z.B.: – – – – Kommunikationsstrukturen Emotionsvermittlung/ Emotionsausdruck Fragestellungen der Sprachpsychologie ... Das Internet als Forschungsinstrument und gegenstand (2) • Datenerhebung im Internet (nach Batinic, 1997: S. 222): WWW: HTML-Formulare Fragebogenuntersuchungen Reaktive Verfahren E-Mail: ASCII-Fragebögen IRC-Interviews Online-Interviews Interviews in virtuellen Welten Experimente im WWW Nicht-reaktive Verfahren Server-Log-Analyse IRC Beobachtungen Virtuelle Welten 2.1 Die einzelnen Internet-Dienste und ihre Möglichkeiten: E-Mail und Newsgroups • Nur Fragebogen-Untersuchungen möglich: • Mail: Serienbrief-Funktion möglich – Datenschutz bedenken! – Hohe Rücklaufquoten – woher bekommt man Adressen? • Newsgroups: – – – – Nachteil: Untersuchung ‘spricht sich rum‘ Verweigererquote unklar, weil Stichprobe unklar (externe Validität!) übertriebenes ‘crossposting‘ verstößt gegen Netiquette speziell für Untersuchungen eingerichtete Newsgroups: de.alt.umfragen; alt.usenet.survey 2.2 Die einzelnen Internet-Dienste und ihre Möglichkeiten: WWW • Auch Experimente möglich (interaktive Elemente etc.) • Server zeichnet ‚jeden Mausklick‘der Vpn, Zeiten etc. auf • Voraussetzungen: – HTML-Seite anlegen – CGI-Skript (um Daten der Vpn empfangen und bearbeiten zu können) • wichtig zu beachten: – besonders genaue Instruktionen, da Rückfragemöglichkeiten fehlen – Kontaktmöglichkeit zur Verfügung stellen, damit Vpn Kritik, Fragen etc. loswerden können – evtl. der Vp Rückmeldung über Ergebnis/ erreichte Leistung geben (manchmal aus ethischen Gründen kritisch...) – ethische Grundsätze! (s. 3.2) 3 Besonderheiten von Online-Erhebungen: 3.1 Methodische/versuchsplanerische Aspekte • Repräsentativität: – ‚typischer‘ Internet-Nutzer Normalbevölkerung (z.B.: geringer Frauenanteil; viele Studenten und Akademiker; geringes Durchschnittsalter) – aber: mit dem ‚Internet-Boom‘ der letzten Jahre ist zunehmende Angleichung zu erwarten! – Außerdem: konventionelle psychologische Experimente rekrutieren fast ausschließlich Psychologie-Studierende als Vpn (noch geringere Repräsentativität!) – Kontrollmöglichkeit: Replikationen konventioneller Experimente im Netz bzw. Vergleich Internet - lokale Teilstichproben Methodische/versuchsplanerische Aspekte (2) • Stichprobe: – kann sehr groß werden hohe statistische Power! – Vorteil: hohe Durchführungsobjektivität; kaum Versuchsleiter-Effekte – Probleme, die (teilweise) kontrolliert werden können: • Mehrfachteilnahme ( Vpn um persönliche Angaben bitten) • Pausen ( können registriert werden) • unerlaubte Kooperation mehrerer Vpn ( auf Wichtigkeit der seriösen Teilnahme hinweisen) • technische Störvariablen ( unkontrollierbar, können aber als ‚randomisiert‘ aufgefaßt werden) • dynamische Grundgesamtheit (zugrundeliegende Population ändert sich schnell) • ‚mehrstufige Selbstselektion‘ der Vpn ( auch Vorteile: wer dabei bleibt, ist wirklich motiviert; selektive ‚Drop-outs‘ decken Konfundierungen auf) 3.2 Ethik • Hinter dem Problem der Selbstselektion steckt ethisch hoher Standard: Vp hat wirklich zu jedem Zeitpunkt die freie Entscheidung, ob sie Untersuchung fortsetzen oder abbrechen will • Vertraulichkeit der Daten! • Ethische Leitlinie: Der Vp darf kein Schaden entstehen u.U. aufpassen bei Rückmeldung der Ergebnisse! • Vp darf nicht getäuscht werden; Aufklärung nötig! • Ethische Regeln und Standards international uneinheitlich! 3.3 pragmatische Vorteile • Kosten/ Aufwand der Erhebung stark reduziert! • Automatisierbarkeit von Durchführung und Auswertung • ‚Experiment kommt zur Vp‘ geringere Kontrollierbarkeit, aber größere ökologische Validität, da sich Vp nicht in einer ‚künstlichen Situation‘ befindet • hohe Flexibilität: Vp ist nicht an bestimmte Zeiten gebunden; keine langwierigen Terminabsprachen! • Gelegenheitsstichprobe der ‚Internet-Nutzer‘ ist immer noch heterogener als die der Psychologie-Studierenden! 3.4 Neuartige Möglichkeiten • Bessere Realisierbarkeit von Studien im interkulturellen Bereich • Vpn aus sehr spezifischen Zielpopulationen werden erreichbar • hohe Transparenz der aktuellen Forschungsprojekte durch Öffentlichkeit der Experimente • wissenschaftlicher Austausch schon vor/ während der Erhebungsphase möglich! • Zukunftsvision von Online-Publikationen: Man kann per ‚link‘ das Experiment ‚live‘ nacherleben • Flexibilität (dynamisches/ adaptives Testen wird möglich) 4. Fazit und Beispiele • Fazit: – WWW-Experimente eignen sich für all die Forschungsbereiche, in denen es nicht auf eine exakt kontrollierte Laborsituation ankommt – Ansonsten bieten Online-Datenerhebungen der psychologischen Forschung neue und interessante Möglichkeiten – genauere Validierung dieser neuen Forschungsmethodik steht noch aus! • Beispiele: – – – – – – Web-Labor von Ulf Reips Umfrageseiten der Uni Giessen ZUMA - Online-Research Online-Psychology-Lab der Uni Padua Trierer kognitionspsychologisches Experimental-Labor Online-Experimente des Max-Planck-Instituts Tübingen