Religion und Naturwissenschaften. Warum haben sich Religion und Naturwissenschaften auseinander entwickelt?(Eine persönliche Sicht.) Amand Fäßler, Universität Tübingen Ernst Häckel: Die Welträthsel. Gemeinverständliche Studien über Monistische Philosophie 1899 Schlimmer als heute Richard Dawkins Im Geiste des Positivismus: „Wir haben mit Mechanik (Newton) und Elektrodynamik (Maxwell) die Grundgleichungen des Universums.“ „Mit der Evolutionstheorie (Darwin) sind wir dabei die Entstehung des Lebens zu verstehen.“ Amand Fäßler, Universität Tübingen 2 1900 Quantenphysik (Planck) 1905 Relativitätstheorie: Raum und Zeit (Einstein) 1915 Allgemeine Relativitätstheorie: gekrümmter Raum, Schwarze Löcher, expandierendes Universum;( Einstein) 1925 Quantenmechanik (Heisenberg). Amand Fäßler, Universität Tübingen 3 Der Gegensatz zwischen Religion und Naturwissenschaft Bei Sumerern u. Babyloniern kein Widerspruch: Priester = Astronomen = Naturwissenschaftler Pythagoras von Samos (6. Jahrhundert v. Ch. in Kroton): Harmonie von Körper und Seele; Naturwissenschaft und Religion; Natur mit Zahlen verstehen. Amand Fäßler, Universität Tübingen 4 Warum brach die Entwicklung der Naturwissenschaft nach den Griechen so abrupt ab? • Aristarch, Eratosthenes(-250) -> Kopernikus (1543) • Archimedes (-212) -> Galilei (1642) • Hippokrates (-377) -> Paracelsus (1541) ~1800 Jahre war diese Brücke (beinahe: Araber) abgerissen. Was sind die Gründe? Amand Fäßler, Universität Tübingen 5 Mehrere Gründe: 1. Der übermächtige Doppelgipfel abendländischer Philosophie und Wissenschaft: Plato (429- 347 v. Ch.) und Aristoteles (384–322 v. Ch.). 2. Kirchenväter (Augustinus 354 – 430 n. Ch.; Hieronymus ~ 400 n. Ch.) 3. … Amand Fäßler, Universität Tübingen 6 Plato ( 429 – 347 v. Ch.) • Die Naturwissenschaften betreffend sehr „dunkel“. Eher ein Mystiker: • „Die Sterne sind nur ein Teil der sichtbaren Welt, die nichts als ein Schatten der Ideen ist. Daher ist der Versuch die Bewegung dieser unvollkommenen Körper genau zu bestimmen widersinnig.“ • Dogma der vollkommenen Kreisbahn der Himmelskörper. Amand Fäßler, Universität Tübingen 7 Aristoteles (384 – 322 v. Ch.) • Präzise, Logiker, Ethiker, Biologe, Enzyklopäde. Beherrschte die Wissenschaft im Mittelalter ab etwa 1150. • „Omne quod movetur, ab alio movetur“. Der erste Beweger sitzt außerhalb der letzten Kristallsphäre. (Goethe: „Was wär ein Gott, der nur von außen stieße.“) Amand Fäßler, Universität Tübingen 8 Zur übermächtigen Rolle des Aristoteles im Mittelalter: • Dante (~1300) in der „Göttlichen Komödie“ beim Betreten der Vorhölle: „ … und ich sah den Meister aller, die da wissen. …Zu seinen Füssen: Sokrates, Plato, Demokritos, Diogenes, Anaxagoras, Thales, Empedokles, Heraklit und Zeno.“ • Galilei 1611: „Die Philosophen wollen die Augen niemals von den Seiten der Bücher (des Aristoteles) erheben – als wäre das große Buch des Universums geschrieben worden, um von niemand anderem gelesen zu werden als von Aristoteles.“ Amand Fäßler, Universität 9 Tübingen Kirchenväter: • Augustinus (~400) in „Confessiones“ führt er unter den großen Versuchungen auf: „Wissens um des Wissenswillen“ • Hieronymus (~400): „Herr, wenn ich je wieder weltliche Bücher besitze oder lese, habe ich dich verleugnet.“ • In der „Topographia Christiana“ (~320; Lactantius) hat die Erde die Form eines flachen Tabernakels und ist vom Wasser umströmt. Amand Fäßler, Universität Tübingen 11 Die Wiederentdeckung des Aristoteles und Ptolemäus 1150 - 1200 • • • • • • Albertus Magnus, Thomas von Aquin (~1250) Gründung der ersten Universitäten Man lernt wieder griechisch. Die Erde ist wieder rund und kein Tabernakel. Man durfte (in Grenzen) wieder frei denken. Nach der großen Pest 1349 erstarrt (zum Teil) dieser Aufbruch. Amand Fäßler, Universität Tübingen 12 Die Wasserscheide zwischen Religion und Naturwissenschaft: • Galileo Galilei (1564 – 1642): Größter italienischer Physiker: Fallgesetze; Pendelgesetze; Hydrostatik. • Oberfläche des Mondes bergig; JupiterMonde; die Phasen der Venus ?. • Genie plus Überheblichkeit und Rechthaberei minus Bescheidenheit schafften ihm viele Feinde. Amand Fäßler, Universität Tübingen 13 Die Wasserscheide zwischen Religion und Naturwissenschaft Galileo Galilei (1564 – 1642): • Psalm 19.6 (Lied Davids): „… und der Sonnenball durchläuft, freudig wie ein Krieger, seine Bahn.“ • Josua 10.12: „Sonne, stehe still über Gibeon, du Mond im Tale Ajalon. Und still stand der Lauf des Mondes und der Sonne.“ (Bis die Schlacht gegen die Amoriter gewonnen ward.) Amand Fäßler, Universität Tübingen 14 Zwei Inquisitionsprozesse • 1615-16 unter Vorsitz von Kardinal Bellarmin (Großinquisitor), Schöpfer des Katechismus und Vorsitzender des Kardinalskollegiums der „heiligen“ Inquisition, die 1600 Giordano Bruno zum Scheiterhaufen verurteilt hat. (1930 heilig gesprochen und zum „Kirchenlehrer“ erhoben.) Kopernikus „De Revolutionibus Orbium“ 1616 auf den Index gesetzt. (Das Werk Keplers 1618). • 1633 Inquisitionsprozess gegen Galileo Galilei mit Androhung der Folter: „Es sei ihm zu befehlen zukünftig… die Beweglichkeit der Erde und die Unbeweglichkeit der Sonne nicht zu behandeln.“ Hausarrest für den 69 jährigen Galileo Galilei Amand Fäßler, Universität Tübingen 15 Der Fall Settele, Prof. für Astronomie an der „Sapienza“ in Rom, Mitglied der Academia dei Lincei und dell‘ Arcadia. Erbittet am 3. Januar 1820 die „Imprimatur“ für sein Lehrbuch der Optik und Astronomie. Abgelehnt: Deutsche Presse mokiert sich darüber. Nach inneren Kämpfen vom Kardinalskollegium des „Heilige Officium“ am 17. Dezember 1820 bewilligt. Gleichzeitig: Kopernikus und Kepler vom Index gestrichen. Amand Fäßler, Universität Tübingen 16 Amand Fäßler, Universität Tübingen 17 Rehabilitation von Galileo Galilei durch Papst Johannes Paul II. • Aussage von Papst Johannes Paul dem Zweiten bei einer Veranstaltung am 8. Mai 1993 zur Rehabilitation von Galilei Galileo auf meine Frage beim Mittagessen: „Was passiert, wenn Glaube und Wissenschaft sich widersprechen?“ • Antwort des Papstes: „Dies kann nicht sein. Beides sind Geschenke Gottes.“ Amand Fäßler, Universität Tübingen 18 Geplante Eröffnung des akademischen Jahres der „Sapienza“ durch Rede von Benedikt dem XVI. am 17. Januar 2008 Protest von 67 Professoren der „Sapienza“ darunter Cabbibo wegen einer angeblichen Äußerung des Papstes als Kardinals Ratzinger (Congregatio fidei, Heiliges Officium, Inquisition) 1090 in Parma: Der Inquisitionsprozess gegen Galileo Galilei sei „vernünftig und gerecht“ gewesen. Papst sagt Rede in der „Sapienza“ ab. Zurück hinter Johannes Paul Zweiten? Amand Fäßler,dem Universität Tübingen 20 Befragung der Physikalischen Gesellschaft (IOP) von GroßBritannien im Oktober 2008. Kein Platz für Religion 15 % 18 % 22 % 30 % Unbläubiger, Religion separat Gläubiger+Religion separat Glaube+Wissenschaft eins 15% Andere Antworten Amand Fäßler, Universität Tübingen 21 Die Menschen wollen die Welt (einfach) verstehen. Jede Kultur hat versucht, unsere Welt einfach zu verstehen: Anfang der Bibel Empedokles ~ 450 v. Ch. 4 Elemente Erde, Wasser, Luft, Feuer; Kräfte: filia, neikoV Aristoteles:~ 350 v. Ch. Äther = Quinta essentia Isaac Newton: ~ 1687 n. Ch. in den Principia Kräfte im Himmel = Kräfte auf der Erde Amand Fäßler, Universität Tübingen 22 Können wir mit einer Kraft die Welt verstehen? Amand Fäßler, Universität Tübingen 23 Mein Wunsch für die Zukunft und meine Meinung: • Beide Seiten sollten sich grenzüberschreitender Anmaßungen enthalten, doch versuchen die andere Seite zu verstehen. • Die Naturwissenschaften sollten zugeben, dass sie trotz sehr großer Erfolge wenig bis nichts zur Religion beitragen können. Amand Fäßler, Universität Tübingen ENDE 24