Gut & Böse Proseminar SS 2006, Universität München Daniel von Wachter Epost: epostETvon-wachter.de, http://daniel.von-wachter.de Sind Werte wieder in? • Allensbach-Umfrage: Gutes Benehmen, Disziplin, Gewissenhaftigkeit. • Ist Moral auch wieder in? Ist es wieder in, das Gute zu fördern und dem Bösen zu wehren? • Beispiele: Embryonenforschung, Abtreibung, Mauergrundstücke. Thesen gegen die Moral • Weg mit der Moral! Weg mit der Tugend! Weg mit den Spießern! Weg mit der bürgerlichen Gesellschaft! • Die Moral ist ein Herrschaftsinstrument. • Die Moral ist kulturabhängig. • Moral ist subjektiv. Moral und Werte sind keine Tatsachen. • Moralische Urteile sind nicht wahr oder falsch, sondern Äußerungen von Einstellugnen. Thesen für die Moral • „adikeisqai tou adikeinai beltion estin“ (Sokrates im Gorgias, 475) – Unrechtleiden ist besser als Unrechttun. Denn wer Unrecht tut, leidet Schaden an seiner Seele. Verfassung • Bayerische Verfassung, Art. 131: – Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt. Gutes • Am 29. Juli 1941 opferte sich Pater Maximilian Kolbe für den Familienvater F. Gajowniczek im KZ Auschwitz. • Am 20. Juli 1944 verübte Claus Graf von Stauffenberg einen Anschlag auf Adolf Hitler. • „Der Samariter ging zu dem Verletzten, goß Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.“ Böses • Am 30. November 1989 wurde Alfred Herrhausen ermordet. • Am 22. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und hingerichtet. • Am 29. November 1973 drohten drei Studenten dem FUAnglisten Prof. Scheler: „Dich schaffen wir auch noch. Du bist der Erste, der einen Genickschuß abkriegt.“ • NN brach am 17. Mai 2003 die Ehe. DIE FRAGE • Ist es etwas zu Entdeckendes, welche Handlung in einer bestimmten Situation gut, welche schlecht ist? Fragen • Gibt es wahre Aussagen der Form „Müllers Ehebruch war eine böse Tat“? • Ist eine gute Tat gut unabhängig davon, ob andere sie für gut halten? • Sind moralische Tatsachen auf nichtmoralische Tatsachen, z.B. Wünsche zurückführbar? Weitere Fragen • Soll man immer dem Gesetz gehorchen? • Welchen Gesetzen soll man gehorchen? • Wie wichtig ist es zu wissen, ob eine Tat gesetzeswidrig (z.B. „völkerrechtswidrig“) ist? • Was ist eine Versuchung? • Was ist eine Tugend? • Was ist das Gewissen? Organisatorisches • http://www.lrz-muenchen.de/~dvw/lv/06ss/index.htm via http://daniel.von-wachter.de • In Epost-Verteiler eintragen! • Leistungsanforderungen • Heute 20.00 h informelles Treffen im Wirtshaus Atzinger? Texte • Haupttext: David McNaughton, Moralisches Sehen (1988) • Weitere Texte Philosophie ist nicht Philosophiegeschichte • Ziel: Auf philosophische Fragen Antworten geben und argumentativ verteidigen. – D.h. sagen, was für die Antwort spricht. – Die Argumente anderer Autoren entweder verwenden oder entkräften. – Das Lesen von Texten ist trotzdem notwendig. • Etwas ganz anderes: Über Argumente oder über Texte oder über Autoren oder über Auffassungen schreiben. Wahrheit versus Gewißheit • Heißt „Es ist wahr, daß es keinen Gott gibt“, daß es auch gewiß ist, daß es keinen Gott gibt? • Heißt „Es ist wahr, daß Müllers Ehebruch böse war“, daß es auch gewiß ist, daß es keinen Gott gibt? • Ja: epistemischer Wahrheitsbegriff Nein: nicht-epistemischer Wahrheitsbegriff • „Letztbegründung“ – Einige Autoren erwarten oder erhoffen sie, glauben aber, daß es keine gibt. • Was ist die Alternative zu Letztbegründung? Wahrheit versus Gewißheit • „Es ist wahr für die Mohammedaner, daß Mohamed der Prophet Gottes ist“. – Heißt das „Mohammedaner glauben, daß Mohamed der Prophet Gottes ist“? Supererogatorische Taten • Maximilian Kolbes Selbstaufopferung war mehr als die Pflicht verlangte. • Eine supererogatorische Tat ist eine gute Tat, deren Unterlassung keine Schuld gebracht hätte. Weitere Fragen • Was ist eine Versuchung? • Was ist das Gewissen? • Beispiele von Gut und Böse Proseminar „Gut und Böse“ 4. Mai 2006 Daniel von Wachter http://daniel.von-wachter.de Epost: daniel ET von-wachter.de Philosophische Methode • Beim Beginn des Lesens eines Kapitels versuchen, die Hauptfrage oder das Thema herauszufinden. • Die vom Autor gegebene Antwort herausfinden. – Dazu eventuell den letzten Abschnitt lesen • Dann dito für jedes Unterkapitel und jeden Abschnitt. • Nicht in Details verheddern. Manche Unklarheiten klären sich später oder sind unwichtig oder sind Schuld des Autors. • Begriffsdefinitionen des Autors beachten. Evtl aufschreiben. – Wenn keine expliziten BD, herausfinden, wie Verf den Begriff verwendet. – Begriffe in Lexika nachschlagen (Papier oder Internet) Stil • Nicht: Der Moralische Realismus geht davon aus/ setzt voraus, daß… – Sondern: Der MR nimmt an/ behauptet/ ist die These daß. Gemäß dem MR…. Der MR behauptet folgendes: … Moralische Einzelurteile versus Allgemeinurteile • Einzelurteil: „Müllers Ermordung von Huber war böse“ • Allgemeinurteil: „Töten ist böse“ – Ist Töten immer böse? • Implizieren Einzelurteile Allgemeinurteile? Implizieren Allgemeinurteile Einzelurteile? • Provisorischer Ausweg: „Töten ist böse, wenn keine höheren Güter eine Tötung gut machen“. Überzeugung, Glaube, Meinung, (belief) • Ist jedes Wissen ein Glaube? • Zwei Begriffe von „Glauben“: – Jedes Fürwahrhalten – Nur nicht-optimal begründetes, nicht-maximalstarkes Fürwahrhalten • Eine Überzeugung hat eine Stärke. – Gibt es eine maximale Stärke? • Wie verhält sich Glauben zu Wahrscheinlichkeit? Wissen • Ist jedes Wissen eine maximal-starke Überzeugung? • Ist jedes Wissen unumstößlich sicher und begründet? • X weiß, daß p, genau dann, wenn: 1. X glaubt, daß p; 2. p ist wahr; 3. Zwei Vorschläge: a) X‘s Überzeugung ist gerechtfertigt (=vernünftig, rational) (Wissensinternalismus) b) X‘s Überzeugung ist durch kognitiven Kontakt mit p entstanden (Wissensexternalismus) Wie kann ein Amoralist moralische Einstellungen kritisieren? • Konsistenzbedinungen – Sind alle konsistenten moralischen Systeme gleichgut? • Was außer Konsistenz wollen wir noch von unseren moralischen Einstellungen? – Wahrheit? Gut und Böse 11. Mai 2006 Daniel von Wachter http://daniel.von-wachter.de Was ist Wahrheit? • Wenn X wahr ist, was ist X für eine Art von Ding? – Ein Satz? Eine Überzeugung (individuell oder universal)? • Standardfall: „Die Rose dort ist rot“ – Beziehung zwischen Überzeugung und Gegenstand – „Wahrmacher“ • Andere Fälle (liegt in all diesen Fällen Wahrheit vor?): – – – – „Die Rose ist nicht rot“ „2+3=5“ (wahr oder gültig?) „Junggesellen sind unverheiratet“ „Unverheiratete Männer sind unverheiratet“ Moralischer Realismus • „Es gibt eine moralische Wirklichkeit, die von unseren moralischen Überzeugungen unabhängig ist und die festsetzt, ob sie wahr oder falsch sind.“ • Stimmt es, daß moralische Tatsachen nicht davon abhängen, was Menschen für richtig halten? Gibt es Ausnahmen? – Ausnahmen: Ein Vater sagt zum Sohn: „Wasche das Geschirr ab.“ • Zitat: „Wenn nicht die VN, wer soll dann bestimmen, was richtig ist? Wo kommen wir da hin [o.ä.], wenn die USA selbst/ allein entscheiden (z.B. über einen Angriff)?“ – Was könnte ein Realist antworten? Moralischer Antirealismus • Es gibt moralische Einstellungen, aber es gibt nichts, das diese wahrmacht. – Es gibt nicht … – Mackie: „Es gibt keine objektiven Werte“ („Moralische Skepsis“) – Auch „Subjektivismus“, „Amoralismus“ • Eine Version des AR ist der Non-Kognitivismus. Moralischer Nicht-Kognitivismus (NK) • Wie lautet das Prinzip, durch das der NK begründet wird? (1.4. erster Absatz) – Wenn etwas eine Überzeugung ist, dann kann man es haben, ohne irgend eine Gefühlseinstellung dazu zu haben. – Aufgabe (1): Versetzen Sie sich in die Haut eines Non-Kognitivisten und beantworten Sie die Frage "Weshalb sind moralische Einstellungen keine kognitiven Zustände, z.B. keine Überzeugungen"? (Vgl. McNaughton, Kap. 1.4.) Aufgabe 1 • Die Frage beantworten! • Nicht „Gemäß dem NK …“ Musterantwort auf (1) • Kognitive Zustände sind von Gefühlen ganz verschieden. Überzeugungen sind nie an Gefühle geknüpft. Moralische Ansichten sind hingegen an Gefühle geknüpft. Hält man eine Tat für böse, empfindet man notwendig auch Verachtung dafür. Deshalb sind moralische Ansichten keine kognitiven Zustände und weder wahr noch falsch. Argument des NK 1. Wenn etwas eine Überzeugung ist, dann kann man es auch ohne ein Gefühlseinstellung dazu haben. 2. Wenn etwas eine moralische Einstellung ist, dann ist es mit Gefühlen verbunden. • Wenn etwas eine moralische Einstellung ist, dann ist es keine Überzeugung. Moralischer NK (cont) • Wie beschreibt ein NK das Entstehen einer moralischen Verurteilung? • Was erklärt somit der NK? – Daß wir nicht ohne Gefühl etwas mor. beurteilen können. – Was kann der Realist entgegnen? • Wir können etwas ohne Gefühl mor. beurteilen. • Mor. Urteile sind Überzeugungen (Behauptungen), die Gefühle mit sich bringen. • Was für Gefühle scheinen mor. Urteile mit sich zu bringen? – Abscheu/ Wohlgefallen. – Der Wunsch, das Betreffende möge existieren bzw. nicht existieren. – Bei eigenen Handlungen: Motivation. Toleranz • Wie kann ein NK Toleranz begründen? (1.5. d) • „Keine moralische Einstellung ist besser als eine andere. Daher hat keiner die Autorität, die Einstellungen anderer zu kritisieren. Wer annimmt, daß es moralische Wahrheit gibt, wird leicht andere bedrängen und intolerant behandeln.“ Toleranz: Einwände gegen NK • [siehe McNaughton] • Wie kann ein MR Toleranz begründen? Moralischer NK (cont) • Wie kann man den NK als Befreiung sehen? • Kann man glauben, daß es keine „objektiven Werte“ (Mackie) gibt, und sich rationaler Weise weiterhin für das Gute einsetzen? – Welche Antwort gibt der NK? (Kap. 1.5.) – Welche Antwort gibt der MR? • Wir setzen uns für die Rechte der Beraubten ein/ ziehen Kinder auf/ etc., weil wir das für objektiv gut halten. Wäre das Leben gemäß NK sinnlos? • Sartre [?]: Das Leben ist sinnlos, absurd. • NN: NK, aber das Leben ist nicht sinnlos.