Zappelphilippe Unruhige Kinder Hyperaktive Kinder Hypermotorische Kinder Kinder mit Lernstörungen Kinder mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten ... © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Was ist die „Psyche“? Für den lebendigen Organismus schafft sie verschiedene Fenster zur Außenwelt den Zugang zu seiner Innenwelt. © Prof. Dr. Franz Ruppert Die Funktion der Psyche ist es dem lebendigen Organismus für den Selbst- und Arterhalt zu dienen. © Prof. Dr. Franz Ruppert Hauptleistungen der Psyche Wahrnehmen (sehen, hören, riechen, schmecken, tasten) Fühlen (lieben, Angst haben, wütend sein, traurig sein, sich schämen, sich schuldig fühlen) Denken (assoziativ, logischrational) Amor und Psyche © Prof. Dr. Franz Ruppert Die menschliche Psyche ist … Selektiv Adaptiv Ständig in Entwicklung (evolutionär und ontogenetisch gesehen). Daher kann es zu falscher Informationsauswahl und –verarbeitung zu Fehlanpassungen und zu Fehlentwicklungen kommen. © Prof. Dr. Franz Ruppert Gefahr für die menschliche Entwicklung: Die psychischen Prozesse verselbständigen sich und der lebendige Organismus muss ihnen dienen. © Prof. Dr. Franz Ruppert Makarova Sasa amor und psyche Gegenstrategien Neues lernen Innere Korrekturmöglichkeiten schaffen (aus Fehlern lernen, Selbstreflexion) Äußere Korrekturmöglichkeiten © Prof. Dr. Franz Ruppert Ob der Philipp heute still wohl bei Tische sitzen will?" Also sprach in ernstem Ton der Papa zu seinem Sohn, und die Mutter blickte stumm auf dem ganzen Tisch herum. Doch der Philipp hörte nicht, was zu ihm der Vater spricht. Er gaukelt und schaukelt, er trappelt und zappelt auf dem Stuhle hin und her. "Philipp, das mißfällt mir sehr!" © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Seht, ihr lieben Kinder, seht, wie's dem Philipp weiter geht! Oben steht es auf dem Bild. Seht! er schaukelt gar zu wild, bis der Stuhl nach hinten fällt. Da ist nichts mehr, was ihn hält. Nach dem Tischtuch greift er, schreit. Doch was hilft's? Zu gleicher Zeit fallen Teller Flasch und Brot. Vater ist in großer Not, und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Nun ist Philipp ganz versteckt, und der Tisch ist abgedeckt. Was der Vater essen wollt, unten auf der Erde rollt. Suppe, Brot und alle Bissen, alles ist herabgerissen. Suppenschüssel ist entzwei, und die Eltern stehn dabei. Beide sind gar zornig sehr, haben nichts zu essen mehr. Heinrich Hoffmann “Der Struwwelpeter” © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Veraltete Diagnosen für unruhige Kinder Minimale cerebrale Dysfunktion Minimal brain damage Leichtes frühkindliches psychoorganisches Syndrom Teilleistungsstörung Neurogene Lernschwäche © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS/ADS) (DSM IV, 314.00) Attention Deficit Disorder (ADD) Hyperkinetisches Syndrom (ICD 10, F 90) ADHS gehört zu den am häufigsten diagnostizierten Störungen bei Kindern 3 bis 5% aller Schulkinder gelten als von ADHS betroffen 150.000 bis 350.000 Kinder in Deutschland gelten als behandlungsbedürftig © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Menge der verordneten Medikamente zum ADHS-Syndrom 2007: 1.221 kg © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Diagnosekriterien ADHS (1) Unaufmerksamkeit beobachtet häufig Einzelheiten nicht, macht häufig Flüchtigkeitsfehler hat Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. hört nicht zu führt Anweisungen nicht vollständig durch, bringt Pflichten nicht zu Ende © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Diagnosekriterien ADHS (2) Unaufmerksamkeit (Forts.) hat Organisationsschwierigkeiten empfindet Abneigung gegen länger dauernde geistige Anstrengung. verliert oft Spielsachen und Arbeitsmittel ist leicht durch äußere Reize ablenkbar ist vergesslich im Alltag © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Diagnosekriterien ADHS (3) Hyperaktivität zappelt steht auf, soll jedoch sitzen bleiben läuft bei unpassender Gelegenheit exzessiv herum spielt und beschäftigt sich nicht ruhig ist immer auf Achse und wie getrieben redet übermäßig viel © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Diagnosekriterien ADHS (4) Impulsivität platzt mit Antworten heraus kann nur schwer warten unterbricht und stört andere Diagnose ADHS bei mindestens 6 Kriterien, die im Zeitraum von 6 Monaten beobachtbar sind. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Beim Hyperaktivitätssyndrom ist das Geschlechterverhältnis von Jungen zu Mädchen 8:1. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Differentialdiagnostik bei ADHS nach Döpfner, Schürmann und Fröhlich (1998, S. 6 f.) altersgemäße Verhaltensweisen bei aktiven Kindern hyperkinetische Symptome bei schulischer Überforderung hyperkinetische Symptome bei schulischer Unterforderung, hyperkinetische Symptome bei Intelligenzminderung hyperkinetische Symptome als Folgen chaotischer psychosozialer Bedingungen, oppositionelle Verhaltensweisen, psychomotorische Erregung und Konzentrationsstörung bei affektiven Störungen und Angststörungen. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Weitere diagnostische Kategorien im Zusammenhang mit ADHS Störung mit oppositionellem Trotzverhalten (DSM IV 313.81, ICD 10 F91.3) Störung des Sozialverhaltens (DSM IV, 312.8, ICD 10, F91.8) Tic-Störungen Legasthenie © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „Störung mit oppositionellem Trotzverhalten“ Wird schnell ärgerlich Streitet sich häufig mit Erwachsenen Widersetzt sich häufig aktiv den Anweisungen oder Regeln von Erwachsenen und weigert sich, diese zu befolgen Verärgert andere häufig absichtlich Diagnose bei 5 von 8 Kriterien im Zeitraum von 6 Monaten Schiebt häufig die Schuld für eigene Fehler oder eigenes Fehlverhalten auf andere Ist häufig empfindlich oder lässt sich von anderen leicht verärgern Ist häufig wütend und beleidigt Ist häufig boshaft und nachtragend © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „Störung des Sozialverhaltens“ (1) Bedroht oder schüchtert andere häufig ein. Beginnt häufig Schlägereien. Hat Waffen benutzt, die anderen schweren körperlichen Schaden zufügen können. War körperlich grausam zu Menschen. Quälte Tiere. Hat in Konfrontation mit dem Opfer gestohlen. Zwang andere zu sexuellen Handlungen. Beging vorsätzlich Brandstiftung mit der Absicht, schweren Schaden zu verursachen. Zwang andere zu sexuellen Handlungen. Brach in fremde Wohnungen, Gebäude oder Autos ein. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „Störung des Sozialverhaltens“ (2) Lügt häufig, um sich Güter oder Vorteile zu verschaffen oder um Verpflichtungen zu umgehen. Stahl Gegenstände von erheblichem Wert ohne Konfrontation mit dem Opfer Bleibt schon vor dem Alter von 13 Jahren trotz elterlicher Verbote häufig über Nacht weg Mindestens 3 Kriterien müssen 6 Monate lang beobachtbar sein. Lief mindestens zweimal über Nacht von zu Hause weg, während er/sie noch bei den Eltern oder einer anderen Bezugsperson wohnte. Schwänzte schon vor dem Alter von 13 Jahren häufig die Schule. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Diagnosen sind an sich weder gut noch schlecht. Sie sind ein Hilfsmittel zum Beschreiben und Erklären von Symptomen (Krankheiten, Verhaltensauffälligkeiten, Störungen, Konflikten …), um auf diese mit adäquaten Maßnahmen Einfluss nehmen zu können. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Gute Diagnostik schafft Durchblick Sie beschreibt etwas Wesentliches. Sie führt zu Arbeitshypothesen, die in einem Zusammenhang mit den spezifischen Symptomen stehen. Sie leitet Interventionsmaßnahmen an, die an den Ursachen etwas ändern. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Schlechte Diagnostik stiftet Verwirrung Sie beschreibt wesentliche und unwesentliche Symptome gleichermaßen. Sie führt zu keinen spezifischen Ursachenhypothesen. Maßnahmen leiten sich nicht aus der Symptombeschreibung und aus Arbeitshypothesen ab. Sie führt zu Interventionen nach dem trial and error Prinzip. Sie etikettiert, verunsichert, schafft Scheinsicherheit, erzeugt ein Machtgefälle, ist Pseudowissenschaft © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Annahmen zur Verursachung von ADHS, medizinische Modelle Genetische Defekte Erworbene Gehirnschädigungen Theorie der Übererregung Theorie der Untererregung Störungen im Glucosestoffwechsel Allergietheorien © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „Bei ADHS handelt es sich nach dem aktuellen medizinischen Forschungsstand um eine nachweisbare Funktionsstörung im Gehirn. Ein mangelndes Gleichgewicht an Botenstoffen im Frontalhirn führt zu einer permanenten Reizüberflutung, die sich in den Verhaltensauffälligkeiten niederschlägt. Genetische Faktoren spielen dabei eine große Rolle. Auch Komplikationen bei der Geburt begünstigen nach Untersuchungen die Entstehung von ADHS.“ (Süddeutsche Zeitung vom 12.10.2006) © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Ritalin – eine Modedroge Weltweit nehmen 10 Mio. Kinder Ritalin. In Deutschland hat sich der Absatz von Ritalin in den letzten 5 Jahren um das 40‘fache gesteigert. In den USA ist Ritalin zur Modedroge unter Teenagern geworden und wird auf den Schulhöfen gehandelt. Geschluckt oder geschnupft wirkt sie euphorisierend. Ritalin wirkt im Gehirn erregungssteigernd. In Wasser aufgelöst und intravenös injiziert hat Ritalin die Wirkung von Kokain. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Beobachtbare Wirkung von Ritalin Manche Kinder werden kurze Zeit nach der Einnahme von Ritalin ruhiger. Die Wirkung hält 3 bis 4 Stunden an. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Die Wirkung von Ritalin im Gehirn Wie Ritalin im Gehirn wirkt ist unklar. Es gibt unterschiedliche Meinungen. Vor allem ist unklar, warum ein Amphetamin, das normalerweise erregungssteigernd wirkt, eine beruhigende Wirkung hat. Durch die Gabe von Ritalin wird langfristig die normale Entwicklung des Gehirns beeinflusst. Es werden weniger Nervenfortsätze ausgebildet, an deren Ende Dopamin ausgeschüttet wird. Zu wenig Dopamin ist Ursache für die Störung der Weiterleitung von Signalen im Gehirn und führt dazu, dass die Bewegungssteuerung gestört wird. Eine Dopamin-Unterversorgung ist Auslöser der Parkinson-Krankheit. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Folgen und Nebenwirkungen von Ritalin Schlafstörungen Magenbeschwerden Ernährungsstörungen Wachstumsstörungen Tics Persönlichkeitsveränderungen Vorbelastung für Parkinsonsyndrom © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Bei der medizinischen Sichtweise steht das Symptom im Mittelpunkt. Es stört und soll weggemacht oder zumindest unterdrückt werden. Das Kind selbst und sein Gehirn wird als Ursache von ADHS angesehen. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Wie Beziehungen die Gene steuern (Joachim Bauer 2002) Unser Gehirn ist ein sich selbst strukturierendes und organisierendes Netzwerk. Wie sich die Neuronen verbinden, Informationsnetzwerke ausbilden, wie sich das Gehirn mit all seinen Fähigkeiten entwickelt, hängt von seinen Nutzungsbedingungen ab. D.h. die benutzte Software formt die Hardware. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Erkenntnisse der Hirnforschung (nach Gerald Hüther 2002) Wir lernen zeitlebens. Beziehungserfahrungen und Erlebnisse hinterlassen Spuren. Zwischenmenschliche Gefühle haben Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns. Angst und Stress verhindern neuronale Vernetzungen im Frontalhirn (Kontroll- und Ortientierungsfunktion). Das Gehirn ist ein Sozialorgan und nicht nur ein Denkorgan. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Wir denken, wie wir erleben Unsere Erlebnisse formen unser Gehirn, wobei frühe und/oder traumatische Erlebnisse tiefe Furchen hinterlassen. Sind solche Programme hirnstrukturell organisiert und automatisiert, ist es im späteren Leben nicht einfach, sie durch positive Erfahrungen zu verändern. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München psychologische Annahmen zur Verursachung von ADHS Diathese-Stress-Theorie Hyperaktivität als Sekundärneurose Lerntheoretische Erklärungen Kognitive Theorien der Aufmerksamkeit Familiensystemische Erklärungen ADHS als übertragenes Traumasymptom im familiären Bindungssystem © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Diathese-Stress-Theorie (Bruno Bettelheim 1973) Organisch vorbelastetes Kind Ungeduldige und abweisende Eltern Mutter-Kind-Beziehung wird zum Schlachtfeld und verfestigt Störverhalten und Ungehorsam. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Psychoanalyse: ADHS als „Sekundärneurose“ Das vorbelastete Kind gerät unter Druck. Es hat kaum positive Erlebnisse, sein Tag besteht aus negativen Erfahrungen. Es erfährt immer wieder Enttäuschung, Ablehnung, Ärger, Entmutigung. Am Ende der Spirale steht Opposition, Schulversagen und Resignation. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Prinzipien der Intervention auf der Basis der Tiefenpsychologie Förderung des Selbstwertgefühles beim Kind (z.B. durch Spieltherapie) Aufdecken der unbewussten Konflikte in der Mutter-Kind-Beziehung. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Lerntheorie: ADHS durch Verstärkung unerwünschten Verhaltens Kind bekommt zu wenig Zuwendung. Es erhält Aufmerksamkeit nur durch störendes Verhalten. Störendes Verhalten wird ungewollt verstärkt und daher immer häufiger gezeigt. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Lerntheoretische Prinzipien der Verhaltensveränderung Beobachten der Verhaltenweisen, was ihnen vorausgeht und was ihnen folgt (S-O-R-K-C) S: Stimulus für das Verhalten O: „Organismus“, z.B. Menschen oder Tiere R: das fragliche Verhalten selbst K: Konsequenz, die auf das Verhalten folgt C: „Kontingenz“, Regelhaftigkeit, mit der die Konsequenz folgt © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Im folgenden werden SORKC exemplarisch aus einem Fallbeispiel der RTLFernsehserie „Supernanny“ benannt. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Variable „S“: Stimulus-Situation für das unruhige Verhalten Lieblosigkeit, Kälte Desinteresse Langeweile Unsicherheit Ungestillte Bedürftigkeit Kontaktlosigkeit Fehlende Zeit- und Tätigkeitsstrukturen © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Variable „O“: innere Situation von Eltern und Kindern Mutter ist frustriert, zieht sich beleidigt zurück Vater ist unsicher Paarebene funktioniert nicht mehr © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Variable „R“: Reaktionen der Kinder auf die Familiensituation Unruhe Aggressivität Unfolgsamkeit Anklammern Unselbständigkeit Geschwisterrivalität © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „K“: Art der Erziehungsmaßnahmen der Eltern Keine Reaktionen Handeln ohne Worte Hilfesuchendes Bitten Drohungen ohne Erklärungen Resignation © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „C“: Muster der Erziehungsmaßnahmen Keine Struktur Aufgabe von Erziehungsbemühungen © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „S“: Neue Verhaltensvoraussetzungen Einführung von Verhaltensregeln Zeitstruktur vorgeben Erklärungen geben, Kommunikation fördern Mit dem Kind in Augenhöhe sprechen Ordnung, Überschaubarkeit und Transparenz schaffen Trennung der Bereiche für Eltern und Kinder © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „O“: Veränderungen in der Person Entlastende Gespräche mit der Mutter Positive Erlebnisse für die Mutter alleine Positive Erlebnisse für das Elternpaar Positives Feedback für die Eltern © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „K“: Neue Prinzipien der Erziehung Belohnung der gewünschten Verhaltensweisen des Kindes (positive Verstärkung) Entzug von Zuwendung, Time out bei Regelverstoß (negative Verstärkung) Unerwünschtes Verhalten sanktionieren, Person akzeptieren (keine Aggression) © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „C“: Erziehungsstil Konsequentes und promptes Reagieren der Erzieher Dauerhafte und vorhersehbare Präsenz der Erzieher Mehr Freude mit den Kindern erleben © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Einschränkungen der Verhaltenstherapie bei ADHS Keine tiefer gehende Ursachenanalyse, um das Elterverhalten zu verstehen Weitgehendes Ausklammern und nicht bewusstes Ansprechen der Gefühlsebene. Gefahr: Das Verhaltens des Kindes wird als das eigentliche Problem gesehen, die seelischen Konflikte der Eltern bleiben ungelöst. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Das Konzept der Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörung (kognitive Verhaltenstherapie) Veränderte Reizschwellen Verminderte Diskriminationsfähigkeit Verminderte Erfassungsspanne und Kanalkapazität Intermodale Störung Seriale Störung Verlangsamte Umstellung Mangelhafte Codierung und Optimierung von Handlungen Fehlerhafte Suchstrategien © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Prinzipien der Intervention der kognitiven Theorien Gezieltes Training von Fertigkeiten Z.B. Legastheniker Therapie © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Erklärungsmodell für die Ursachen der ADHS-Symptome auf der Basis einer mehrgenerationalen systemischen Psychotraumatologie (Ruppert 2002, 2005, 2008, 2010) © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Systemische Grundannahmen Familien sind u.a. „Systeme von Bindungsbeziehungen.“ Ein „verhaltensauffälliges“ Mitglied kann der Symptomträger für Bindungsstörungen im Beziehungsystem Familie sein. Das Symptom verweist auf eine tiefer liegende, verborgene Ursache im „System“. Das Symptom drückt ein spezifisches Problem aus, das im gesamten System vorhanden ist. Das Symptom könnte dem ganzen „System“ helfen, sich zu verändern. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Emotionale Bindung als der innere Zusammenhalt menschlicher „Systeme“ Bindung beginnt bereits während der Schwangerschaft. Für kleine Kinder gibt es nichts Wichtigeres im Leben als die mütterliche und väterliche Zuwendung und Halt. Das Suchen und Aufrechterhalten von symbiotischer körperlicher und emotionaler Nähe ist ein kindliches Grundbedürfnis. In einer guten und sicheren Bindung ist die Bezugsperson ein immer erreichbarer Zufluchtsort, der Wärme, Halt, Schutz, Sicherheit und Trost bietet. Eine sichere Bindung ermöglicht die stabile Ausbildung der seelischen Basis eines Menschen für sein gesamtes Leben und die Entwicklung von Autonomie. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Bindungsmuster Sicheres Bindungsverhalten zeigt sich im Urvertrauen und im Geben und Nehmen von Liebe und dem angemessenen Ausdruck aller Gefühle Unsicher-ambivalent Bindungsverhalten: Wechsel zwischen ängstlichem Anklammern und aggressiver Ablehnung Unsicher-vermeidendes Bindungsverhalten: Vermeiden von Nähe und Kontakt, starkes Leiden unter der Distanz, Vermeiden von Gefühlen © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Reaktionen eines Kindes auf das nicht Gelingen einer sicheren Bindung Angst, Weinen, Anklammern, Einnässen und Einkoten Wut, Ärger, Schreien, Toben, Eifersucht auf Geschwister, Schlagen, Kratzen, Beißen Kummer, Trauer, seelischer Schmerz Spaltung und Gefühlsrückzug Krankwerden, körperliche Schmerzen © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Was ist ein Trauma? Ein Trauma ist ein existentiell bedrohliches Ereignis, das Angst, Verzweiflung, Schmerz und Ohnmachtgefühle hervorruft. In einer Traumasituation gibt es weder Flucht- noch Kampfmöglichkeiten. Ein Trauma wird „dissoziativ“, d.h. durch seelische Auf- und Abspaltungen bewältigt. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Vier Arten von Traumata (Ruppert 2005) Existenztrauma (z.B. Kriegserlebnisse) Verlusttrauma (z.B. früher Tod eines Elternteils) Bindungstrauma/Symbiosetrauma Bindungssystemtrauma (z.B. sexueller Missbrauch von Kindern) © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Der Trauma-Notfallmechanismus besteht aus: Erstarren, Einfrieren, Dissoziieren und Aufspalten der Persönlichkeit. Er sichert das Überleben. © Prof. Dr. Franz Ruppert Seelische Spaltung nach einer traumatischen Erfahrung Traumatisierter Anteil Überlebensanteil Gesunder Anteil © Prof. Dr. Franz Ruppert Merkmale von gesunden seelischen Anteilen Fähigkeit, die Realität offen wahrzunehmen Fähigkeit, Gefühle angemessen auszudrücken Vertrauen in andere Menschen Fähigkeit, emotionale Bindungen aufzubauen Erwachsener Umgang mit Sexualität Selbstliebe Bereitschaft zur Reflexion des eigenen Handelns Bereitschaft zur angemessenen Übernahme von Verantwortung Wille zur Wahrheit/Klarheit Hoffnung auf gute Lösungen von Problemen © Prof. Dr. Franz Ruppert Merkmale traumatisierter Anteile speichern die negativen Erinnerungen an das Trauma bleiben auf der Altersstufe zum Zeitpunkt des Traumas stehen suchen noch immer nach einem Ausweg aus dem Trauma können plötzlich „getriggert“ werden © Prof. Dr. Franz Ruppert Merkmale von Überlebensanteilen sichern das Überleben in und nach der Traumasituation sind Wächter der seelischen Spaltung sind im Gegenwärtigen verhaftet verdrängen und leugnen das Trauma vermeiden Erinnerungen an das Trauma ignorieren und lenken ab kontrollieren die traumatisierten Anteile kontrollieren andere Menschen suchen nach Kompensationen erzeugen Illusionen sind unterwürfig und latent aggressiv laden eigene Traumagefühle auf andere ab erzeugen weitere Spaltungen © Prof. Dr. Franz Ruppert Trauma und Bindung Ein Trauma verringert oder zerstört die Bindungsfähigkeit, weil als Überlebensmechanismus die Gefühle blockiert/eingefroren werden, weil Gefühle zu spüren die Gefahr der Retraumatisierung mit sich bringt. Das bindungs/symbiosebedürftige Kind überfordert mit seinem Wunsch nach Nähe und emotionalen Kontakt seine traumatisierten Eltern. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Gesunde seelische Anteile bei einem Kind Eigene Lebenskraft Eigener Lebenswille Gesunde Urbedürfnisse Freude an der Bewegung Freude am Spielen Freude am Lernen … © Prof. Dr. Franz Ruppert Merkmale traumatisierter Anteile bei einem Symbiosetrauma Verzweiflung, dass keine Mutter/Elternliebe spürbar ist Verlassenheits- und Einsamkeitsgefühle Todesangst Unterdrückte Wut Unterdrückte Trauer Tendenz zur Selbstaufgabe, extremer Rückzug © Prof. Dr. Franz Ruppert Merkmale der Überlebensanteile bei einem Symbiosetrauma zähes Ringen um den Kontakt mit den Eltern Idealisierung der Mutter/des Vaters Identifikation mit den Überlebensmechanismen der Eltern verschmelzen mit den traumatisierten Anteilen der Eltern verdrängen und leugnen des eigenen Traumas © Prof. Dr. Franz Ruppert Einige Merkmale einer symbiotischen Verstrickung ängstliches Anklammern Erwartungsdruck aufbauen Bewertungen und Abwertungen wechselseitiges nicht Verstehen Veränderung von anderen erwarten Wut, Hass, Gewalt in der Beziehung Liebesillusionen © Prof. Dr. Franz Ruppert Folgen eines Symbiosetraumas Eigene und übernommene Gefühle können nicht unterschieden werden Leben in einer fremden Identität Lebenslange symbiotische Verstrickung mit den Eltern Symbiotische Verstrickungen in anderen nahen Beziehungen Psychische Störungen wie Hyperaktivität, Depressionen, Süchte, Psychosen © Prof. Dr. Franz Ruppert „Aufmerksamkeitsstörung“ als Folge eines Symbiosetraumas Das symbiotisch bedürftige Kind öffnet seine Wahrnehmungskanäle immer weiter, um Gefühle von seinen emotional blockierten Eltern zu spüren. Es wird dadurch übersensibel. Es nimmt das vorhandene emotionale Chaos bei seinen Eltern verstärkt war. Es kann sich davon nicht abgrenzen. Es kann sich nicht auf sich und seine eigenen Aktivitäten konzentrieren. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „Hyperaktivität“ als übertragenes Traumasymptom im Bindungssystem Unruhe als traumaspezifisches Symptom: Sich bewegen, um von Angst, Wut und seelischem Schmerz abzulenken. Diese Traumagefühle sind bei einem Elternteil, in der Regel der Mutter vorhanden. Das Kind übernimmt diese Traumagefühl in seinem Versuch, sich an seine Eltern emotional zu binden und spiegelt es in seinem Verhalten wieder. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Die vermeintliche Krankheit „ADHS“ ist in Wirklichkeit das Sichtbarwerden von seelisch abgespaltenen Anteilen der Eltern (Angst, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit) im Verhalten ihrer Kinder. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München ADHS als Folge elterlicher Traumata ADHS weist darauf hin, dass ein Kind in die Traumagefühle seiner Mutter hineingeboren wird. Die Beschäftigung mit den ADHS-Symptomen des Kindes lenkt von den eigentlichen Ursache ab. Solange das Kind das Symptom trägt, müssen die Eltern ihre Angst, Wut und Hoffnungslosigkeit und ihren Schmerz nicht spüren. Wenn die Eltern auf ihre eigenen Traumata schauen, gibt es eine Heilungschance für das Kind. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Ursachenorientierte Hilfe und Therapie bei ADHS Um die Ursachen von ADHS genauer zu erfassen, sind Aufstellungen eine gute Methode, die systemischen Zusammenhänge zu verstehen. Mit ihrer Hilfe können Traumata und Bindungsstörungen offen gelegt werden. Die Therapie seiner Eltern hilft dem Kind, sich wieder auf sich zu konzentrieren und zur Ruhe zu kommen. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München „Mehrgenerational“ Bindungserfahrungen eines Kindes mit seiner Mutter und seinem Vater setzt es fort in seinem Bindungsverhalten den eigenen Kindern gegenüber. Positive wie negative Bindungserfahrungen werden über viele Generationen unbewusst tradiert. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München Literatur: - Bernd Mumbach (2005). ADS verstehen und ganzheitlich heilen. Herder Spektrum - Gerald Hüther und Helmut Bonney (2002). Neues vom Zappelphilipp. ADS: verstehen, vorbeugen und behandeln. Düsseldorf: Walter Verlag. - Gerald Hüther und Inge Krens (2006). Das Geheimnis der ersten neun Monate. Düsseldorf: Walther Verlag. - Franz Ruppert (2002). Verwirrte Seelen. München: Kösel Verlag. - Franz Ruppert (2005). Bindung, Trauma und Familienstellen. Stuttgart: Pfeiffer Verlag. - Franz Ruppert und Christina Freund (2007). Hyperaktivität und ADHS. Praxis der Systemaufstellung, 1, 74-82. - Franz Ruppert (2008). Seelische Spaltung und innere Heilung. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag. - Franz Ruppert (2010). Symbiose und Autonomie. Stuttgart; KlettCotta Verlag. © Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München