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Der „Kriegseinsatz der
Geisteswissenschaften“ im Zweiten
Weltkrieg
NS-Deutschland und die USA im
Vergleich
Literatur:
•
•
Paul Ritterbusch, Wissenschaft im Kampf um Reich und Lebensraum,
Stuttgart 1942, Auszug. Kopiervorlage in der A2-Kursmappe!
Frank-Rütger Hausmann, Der „Kriegseinsatz“ der deutschen
Geisteswissenschaften im Zweiten Weltkrieg (1940-1945). In: Winfried
Schulze u. Otto G. Oexle (Hrsg.), Deutsche Historiker im
Nationalsozialismus, Frankfurt a. M., 1999, S. 63-86. Kopiervorlage in der
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Ergänzende Literatur:
• Götz Aly, Theodor Schieder, Werner Conze oder die Vorstufen der
physischen Vernichtung. In: Winfried Schulze u. Otto G. Oexle (Hrsg.),
Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, S. 163-214. Kopiervorlage in
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• Horst Gundlach, Faktor Mensch im Krieg. Der Eintritt der Psychologie und
Psychotechnik in den Krieg, Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, 19
(1996), 131-143. Kopiervorlage in der Vorlesungsmappe!
I. Fragestellungen
• 1. Was waren Geisteswissenschaften? Gab es Inhaltsund Funktionswandlungen vor 1933?
• 2. Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus - nur
Ideologieproduktion, oder auch praktische Funktionen?
Eine Wende der Forschung, oder: Wider stereotype
Funktionszuschreibungen.
• 3. Zum Vergleich: Geisteswissenschaften im 2. Weltkrieg
in den USA – nur Ideologieproduktion bzw. -bestätigung,
oder auch praktische Funktionen?
• 4. Krieg, Technowissenschaft, Modernität - Was änderte
sich vom 1. zum 2. Weltkrieg?
II. Was waren
Geisteswissenschaften vor 1933?
• A. Differenzierungsversuche im 19. Jahrhundert
1. Unterscheidungen über den Gegenstand:
a. John Stuart Mill – „Moral sciences“ (Logic, 1843)
b. August Comte (Cours de Philosophie positive, 1844):
z.B. „Sociologie“
2. Unterscheidung über Methode: Wilhelm Dilthey, Einleitung in
die Geisteswissenschaften (1883)
Später (1894): „Die Natur erklären wir, die Seele verstehen
wir“ – „Mitfühlung“ als Zugang zum Geist großer
(historischer) Gestalten (z.B. Friedrich Schleiermacher).
Noch später: Erlebnis und Dichtung (1905): Hermeneutik
(Geregelte Textinterpretation als Königsweg der
Geisteswissenschaften)
B. Etablierung in der Praxis: Zwei Wege zur
wissenschaftlichen Psychologie
1. Quantifizierung der Bewusstseinsvorgänge Psychophysik und experimentelle
Psychologie
2. Völkerpsychologie
• Wilhelm Wundt (1832 – 1920)
• Erste Institut für Experimentelle
Psychologie in Leipzig (1879)
• Verwendet Instrumente aus der
Physiologie zur Untersuchung von Fragen
aus der Psychologie der Empfindung,
Wahrnehmung, etc.
• „Höhere“ Vorgänge prinzipiell nicht
zugänglich
2. Völkerpsychologie
• Moritz Lazarus und Haim Steinthal (Hrsg.),
Zeitschrift für Völkerpsychologie und
Sprachwissenschaft (1860 ff.)
• „Volksgeist“ und „Volksseele“
• Wundt: Völkerpsychologie (10 Bände 19101920); Elemente der Völkerpsychologie (1912)
• Sprache und Sitte als Quellen einer allgemeinen
„Entwicklungslehre des Geistes“
C. Andere Wege zur Geisteswissenschaft –
Ethnologie und Soziologie
1. Ethnologie als Teil der Anthropologie in
England
Robert Tylor, Researches into the Early
History of Mankind (1865); Primitive
Culture (1871); Anthropology (1892)
2. Im deutschen Sprachraum: zunächst
Zusammenhalt, dann Abspaltung der
Ethnologie bzw. Völkerkunde von der
Anthropologie
Physische „Homogeneität“
„primitiver“ Völker
Aus E. B. Tylor, Anthropology
(1892)
„Animisticher“
Ritus
(Ebenda)
2. Ein anderer Zugang zur Ethnologie: Aufzeichnung der vielfältigen
Sitten, Bräuche, Riten usw. der Völker der Donau-Monarchie.
Portraits aus dem „Kronprinzenwerk“ (1870er Jahre)
2. Soziologie: “Die Anderen” in Europa
• Emile Durkheim, Les regles de la méthode sociologique
(1895); Le suicide (1897)
• Gustav Le Bon, Psychologie des Foules
(« Massenpsychologie ») (1895)
• Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des
Kapitalismus (1904) – eine verstehende Gesellschaftstheorie
• Die „Verwissenschaftlichung des Sozialen“
(Lutz Raphael 1996)
• Verein für Sozialpolitik (seit 1872)
• Praxisgebiete außerhalb der Universität
(Diagnostik und Personalauslese,
Wirtschaftsberatung, Sozialarbeit etc.)
D. Ausdifferenzierung der
Wortwissenschaften
1. Geschichtswissenschaft
Entstehung der Neueren Geschichte neben
der des Altertums und des Mittelalters (ab
Mitte des 19. Jahrhunderts)
Privilegierung der Staatsakten als Grundlage
der Interpretation historischer Verläufe
Grundlegende Akteneditionen, z.B.:
Monumenta germaniae historicae
2. Entstehung der Sprach- und der neueren Literaturwissenschaften
neben dem Studium der klassischen Texte des Altertums und des
Mittelalters (ab ca. 1830, Institutionalisierung im letzten Drittel des
19. Jahrhunderts)
Auch hier grundlegende philologische Großprojekte, z.B.:
Griechische und Römische Inschriften (geleitet von Theodor
Mommsen an der Preußischen Akademie der Wissenschaften),
oder das „Deutsche Wörterbuch“ der Brüder Grimm
Parallel: Literatur- und geistesgeschichtliche Synthesen
3.
Adolf Harnack, „Vom Großbetrieb der Wissenschaft“, Preußische
Jahrbücher (1905) – meint die o.g. Großprojekte, NICHT die
Naturwissenschaften!
II. Folgen der Jahren 1933/1938
• Entlassungen in Deutschland und Österreich - Wie in
den Naturwissenschaften und der Medizin, nur bedingt
gegen Disziplinen als solche, eher gegen (von den Nazis
als solche definierten) „Juden“ IN den Wissenschaften
• Gleichwohl einschneidende Folgen, z.B. Vertreibung
großer Teile der Gestaltpsychologie aus Deutschland
und der Bühler-Schule aus Österreich
• Zerschlagung außeruniversitärer Schulbildungen, z.B. in
den Wirtschaftswissenschaften (Menger-Kreis),
Psychoanalyse
• Empfindliche, aber weniger einschneidende Verluste in
anderen Feldern, z.B. Geschichtswissenschaft u.
Germanistik
III. Im NS – nur Ideologieproduktion
oder auch praktische Funktionen?
A. „Semantischer Umbauten“ nach 1933
• 1. Beispiel: „Deutsche“ Philosophie nach Felix
Krueger (Leipzig) + Martin Heidegger
(Freiburg) – Hoffnung auf eine „nationale
Erhebung“ bzw. „konservative Revolution“
gegen die Weimarer Moderne, dann
Desillusionierung
• 2. Ideologisierung bereits bestehender
Theorieansätze, z.B. „Ganzheitspsychologie“
(Krueger + Friedrich Sander) oder Erich Rudolf
Jaensch, „Der Gegentypus“ (1938)
3. Ideologisierung oder Instrumentalisierung der
Forschungspraxis? Psychologische
Zwillingsforschung
Gerhard Pfahler (Prof. in Gießen, NS-PG seit 1932) –
Forschung über Verhaltensstilen von Zwillingen
Typologische Klassifizierung von Verhaltensstilen nach
dem Muster der „Rassenkunde“ H. F. K. Günthers
Opponiert gegen „biometrische“ Methoden, weil diese
nur Leistungen messen, den „ganzen Menschen“ aber
nicht beachten würden.
Bilder: Tonmodelle eines vorliegenden Gegenstandes
(eineiige Zwillinge „fester“ bzw. „fliessender“ Typus)
Tonmodelle eines
vorliegenden
Gegenstandes
(eineiige Zwillinge
„festen“ Typs)
(nach Pfahler
+ Eckle 1939)
Tonmodelle
eines
vorliegenden
Gegenstandes
- eineiige
Zwillinge
„fliessenden“
Typs
(nach Pfahler
+ Eckle 1939)
3. Ideologisierung oder Instrumentalisierung der
Forschungspraxis? (Forts.)
Kurt Gottschaldt - ab 1935 Leiter der
„Erbpsychologischen Abteilung“ am Kaiser-WilhelmInstitut für Anthropologie, menschliche Erblehre und
Eugenik
Verhaltensstile eineiiger und zweieiiger Zwillingen beim
„intelligenten Problemlösen“
Methode: Quantitativer Vergleich der Ergebnisse nach
Paaren: „Konkordanz“ und „Diskordanz“ der eineiigen
bzw. zweieiigen Paarverhalten
Nach Institutschef Eugen Fischer Grundlagenforschung
für eine „positive Erbauslese“
G. mit
ZwillingsMädchen
bei VorUntersuchungen
in Berlin,
1936
Gottschaldt mit
Zwillingsbuben beim
„Zwillingslager“ auf
der Insel Norderney,
1936
Intelligentes Verhalten beim Problemlösen Eineiiger (EZ) und Zweieiiger
(ZZ) Zwillinge (nach Gottschaldt, 1939)
„Grundtemperament“ eineiiger (EZ) und zweieiiger
(ZZ) Zwillinge – gemessen an täglichen Ratings durch Expertenpersonal
auf Norderney über mehrere Wochen (nach Gottschaldt, 1939)
4. Praktische Funktionen: „Verhaltenshermeneutik“
als Weg zur Offiziersauslese in der
Wehrmachtpsychologie
• Psychologische Abteilung der Reichswehr
(1931)
• „Charakterologie“ (= Persönlichkeits-diagnostik
anhand der Mimik und Verhaltensstile)
• Cheftheoretiker im NS: Philipp Lersch (Der
Aufbau des Charakters. Leipzig, 1938)
• ‚Schichtenstruktur‘ der Person:
Grundtemperament in einer ‚primitiven‘ Schicht,
welche von ‚höheren‘ Schichten der geistigen
Begabung und des vom Willen gesteuerten
Handelns überlagert wird.
• „Im Gegensatz zu der auf Isolierung einzelner
Fähigkeiten und auf technisches Messen ihres
Leistungsgrades gerichteten psychotechnischen
Methode handelt es sich hier um ein auf
verstehendes Erfassen der ganzen
Persönlichkeit gerichtetes psychologischcharakterologisches Untersuchungsverfahren.“
• (Aus den Richtlinien für die Psychologischen
Prüfstellen der Wehrmacht und für das
Psychologische Laboratorium des
Reichskriegsministeriums, 1939)
Rekruten bei der Offiziersauslese
der Wehrmacht
„Befehlsreihe“
(heute „Rollenspiel“ genannt)
Handlungshermeutik?
„Der ganze Mensch“ – welcher?
• „Nicht umsonst erleben wir in dem Ideal des preußischen
Leutnants die selbstverständliche Vereinigung
ungebrochener und lebendiger Natürlichkeit einerseits
mit straffer Zucht und Diszipliniertheit andererseits“.
(Ludwig Eckstein, Die Sprache der menschlichen
Leibeserscheinungen. Leipzig, 1943.)
• Neben „Weltanschauung“ Merkmale wie
„Kontaktgewinnung, Anregungs- Durchsetzungs- und
Einordnungsfähigkeit“ gesucht (OKW-Richtlinie)
• Gesucht wurde also: Der preußische Offizier in einer
modernisierten Gestalt!
IV. Im Zweiten Weltkrieg:
NS-Deutschland
A.
•
•
•
„Gemeinschaftswerk“ der deutschen
Geisteswissenschaften – Mobilisierung diskursivideologischer Ressourcen
Paul Ritterbusch (Jurist, PG seit 1932, Rektor der
Universität Kiel, ab Juni 1941 Ministerialdirigent und
stellv. Amtsleiter im Reichserziehungsministerium)
Alliierte im Ministerium: Rudolf Mentzel, Fachreferent
Wissenschaft (siehe Vorlesung 5!), später Heinrich
Harmjanz (Volkskundler, Referent für
Geisteswissenschaften)
Zentraler Standpunkt: „ganzheitliche“ Einheit von
Politik, Krieg und Weltanschauung: „Nicht mehr Staat
und Gebiet, sondern Volk und Raum im Brennpunkt
der politischen (d.h.: politisierten) Wissenschaften“
• Zentrale Absichten: Begründung der Überlegenheit
„deutscher“ Kultur und Geisteswissenschaft, sowie „die
Idee einer neuen europäischen Ordnung … als die
Wahrheit und Wirklichkeit des Lebens der europäischen
Völker zu erweisen“ (Ritterbusch).
• 400-500 Wissenschaftler aus 12 Disziplinen einbezogen
• Organisation zentral gelenkt, aber weitgehend nach
Disziplinen („Spartenleiter“), mit Querverbindungen
• Insgesamt 67 Bücher und Broschüre, Hunderte Aufsätze
publiziert (weit mehr geplant)
• Titel als Beispiel: „Von deutscher Art in Sprache und
Dichtung“, 5 Bde. (1941)
B. Raum- und Regionalforschung - wissenschaftliche
Unterstützung der NS-Besatzungs- und Vernichtungspolitik
(Mobilisierung funktionaler Ressourcen)
•
„Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften“: Sechs regionale
Organisationen (z.B. Nord bzw. Nordost, Ost, West- und Südost).
Mitarbeit von Geographen, (Volks-)Historiker, Sozial- und
Kulturwissenschaftler mehrerer Disziplinen
• Ziele: Nachweis des historisch gewachsenen, eigentlich „deutschen“
Charakters vieler europäischer Gebiete (über kulturgeschichtliche,
aber auch sozialgeschichtliche Forschung – Siedlungsformen usw.)
– unter Hinwegsehen bzw. der Behauptung deutscher
Überlegenheit über die multiethnische Pluralität vieler dieser
Gebiete, sowie
• Konkrete wissenschaftliche Unterstützung der Raumplanung der
Besatzungsherrschaft (vor allem im Osten, vielleicht auch im
Südosten)
Die „Ostforschung“ – moderne interdisziplinarität
im Dienste der Besatzungpolitik
– Ergebnisse Zusammenfassend: Hermann Aubin, Otto
Brunner u.a. (Hrsg.), Deutsche Ostforschung (2 Bnde.
1943)
– offene Mitarbeit am Weltanschauungskrieg gegen die
eingesessenen Bevölkerungen („Umsiedlung“ bzw.
„Umvolkung“), z.B. Begleitforschung zur „deutschen
Volksliste“ im Rahmen des „Generalplans Ost“
– Konrad Meyer (Agrarwissenschaftler), leitend beim
„Generalplan Ost“ (dem „Reichskommisar für die
Festigung des deutschen Volkstums“ Heinrich
Himmler 1941 vorgelegt), in Ansätzen ausgeführt
(z.B. bei Zwangsaus- und Einsiedlungen in Nordpolen
und Litauen)
Die „Ostforschung“ – moderne Interdisziplinarität
im Dienste der wissenschaftlichen Unterstützung
der NS-Besatzungpolitik
– Ergebnisse Zusammenfassend: Hermann Aubin, Otto
Brunner u.a. (Hrsg.), Deutsche Ostforschung (2 Bnde.
1943)
– offene Mitarbeit am Weltanschauungskrieg gegen die
eingesessenen Bevölkerungen („Umsiedlung“ bzw.
„Umvolkung“), z.B. Begleitforschung zur „deutschen
Volksliste“ im Rahmen des „Generalplans Ost“
– Konrad Meyer (Agrarwissenschaftler), leitend beim
„Generalplan Ost“ (dem „Reichskommisar für die
Festigung des deutschen Volkstums“ Heinrich
Himmler 1941 vorgelegt), in Ansätzen ausgeführt
(z.B. bei Zwangsaus- und Einsiedlungen in Nordpolen
und Litauen)
Skizze für die
Neugestaltung
von Lodz
(Litzmannstadt),
1. April 1941
Zuarbeit junger Historiker
• Theodor Schieder – Denkschrift des „Berliner
Arbeitskreises“ über die „Eindeutschung“ Posens
und Westpreußens und der damit
zusammenhängenden Umsiedlungen (für das
Innenministerium, 1939); Deutscher Geist und
ständische Freiheit im Weichsellande (1940); Die
völkischen Verhältnisse des Bezirkes Bialystok und
ihre geschichtliche Entwicklung (1942)
• Werner Conze (Agrarverfassung und Bevölkerung
in Litauen und Weißrußland (1940); „ländliche
Überbevölkerung in Polen“ (1942)
Die „Südostgemeinschaft“
– „Südostgemeinschaft“ (gegründet bereits 1931),
Leitung: Hugo Hassinger (Prof. für Geographie,
Universität Wien, Kulturraum-Ansatz) + im Kriege
Otto Brunner, Direktor des Instituts für österreichische
Geschichtsforschung
– Otto Brunner (1938): „Vor allem aber sind durch die
Schaffung des Protektorates Böhmen und Mären
ganz neue Forschungsaufgaben“ entstanden, z.B.
„Die Frage des germanischen Blutes in diesem Raum
… wird auf breiter Front aufzurollen sein…“
– Offene Forschungsfragen (Rolle der Kartographie,
konkrete Mitarbeit mit Militär und Besatzung)
V. Im 2. Weltkrieg – die USA
A. Programm und Organisationsform am
Beispiel der Psychologie
(Siehe hierzu u.a. James Capshew,
Psychologists on the March. Science,
Practice and Professional Identity in
America, 1929-1969. Cambridge/New
York 1999.)
A. Programm
• Robert M. Yerkes, Man-Power and Military Effectiveness: The Case
for Human Engineering. Journal of Consulting Psychology, 5 (1941),
205-209.
• Lektion des 1. Weltkriegs noch nicht gelernt. Zwei Typen
militärischer Ressourcen: materielle und menschliche, beides gleich
wert.
• Ressourcen der Psychologie: „Psychotechnologische“
Dienstleistungen (Beratung bei Kindererziehung, Arbeitssuche,
sowie in Krisenfällen oder bei der Diagnostik – NICHT der
Behandlung! - pathologischer Abweichungen) auch in
Friedenszeiten notwendig, weil materieller Fortschritt schneller als
sozialer. Ziel: „adjustment“ „normaler“ Individuen und Hilfe bei ihren
„life choices“.
• Aufgaben im Krieg: Klassifizierung, Auswahl und Ausbildung von
Spezialisten; Aufrechterhaltung von Truppenmoral und Disziplin
B. Organisationsform (u.a.)
• 1943 - Applied Psychology Panel in OSRD
(siehe Vorlesung 6!)
• Office of Psychological Personnel der
American Psychological Association
C. Beispiele praktischer Wissenschaft
1. Army General Classification Test (AGCT) - AGO
(Adjutant General’s Office), Personnel Research Section
• Personalauswahl und Klassifizierung
• “Intelligenz” nicht explizit erwähnt; ein Test allgemeiner
Lernfähigkeit” – angewendet mit gutem Erfolg bei der
Auswahl von Spezialisten.
• „Personnel consultants“, nicht „military psychologists“
• Army Air Force Aviation Psychology Program
• OSS (Office of Strategic Services – Geheimdienst,
Vorläufer der späteren CIA)
C. Beispiele praktischer Wissenschaft
2. Mensch-Maschine-Systeme
• Der Grundgedanke: “Designing machines for the men, not men for
the machines” (Walter Hunter).
• Army Air Force Army Air Force Aviation Psychology Program Grundlagenforschung über die Rolle visueller Signale in der
Pilotenausbildung – (James J. Gibson u.a.)
• Applied Psychology Panel – psychologische Folgen des Designs
militärischer Ausrüstungen
• Harvard Sound Control Project: Psycho-Acoustical Laboratory (PAL)
– Leitung S.S. Stevens – Arbeit in Verbindung mit Ingenieren am
Harvard Electro-Acoustical Laboratory an der Verbesserungen der
Akustischen Bedingungen und (sound absorbing materials and
communication) in Flugzeugen und Panzerwagen
C. Beispiele praktischer Wissenschaft
3. Psychologie und „Moralforschung“
• Kurt Lewin, Gruppendynamische Arbeit an
Zivilisten und Soldaten, Idee einer
„demokratischen“ Gruppe
• Einstellungs- und Meinungsforschung
• Rensis Likert – Mitarbeit am „Strategic Bombing
Survey“ – KEINE Beeinträchtigung auf die Moral
deutscher Zivilisten, hingegen starke negative
Einwirkung auf die Moral der japanischen
Bevölkerung.
4. Moralforschung und Motivierungsarbeit für die
Truppen
• Edwin G. Boring (Harvard) & Marjorie van de
Water (Science Service), Psychology for the
Fighting Man (1943) über 400.000 verkaufte
Exemplare. “What you should know about
yourself and others” (z.B.: wie das Auge
funktioniert, Rat: Goggles bei Nachtdiensten).
• Samuel Stouffer, „Why we Fight“
VI. Schlussfolgerungen
A. Wider den Mythos der „friedlichen“ (Human)Wissenschaften.
Stattdessen Selbstmobilisierung wissenschaftlicher Ressourcen
und von Wissenschaftler als Ressourcen der Kriegsführung
•
•
•
•
•
Motive: Patriotismus, Profilierungs- und Karrierechancen plus (bei
den Deutschen!) Überzeugung einer in den 1930er Jahren
sozialisierten „Generation des Unbedingten“
Nicht nur Ideologieproduktion, sondern auch wissenschaftliche
Politikberatung (z.B. im Falle der deutschen Regionalforschung)
und funktionale (organisatorische) Zuarbeit, jeweilige Gestaltung
unter Einfluss unterschiedlicher kultureller Traditionen
Ideologische und instrumentelle (Selbst-)mobilisierung
widersprechen sich NICHT, sondern können sich ergänzen
Disziplinspezifik: jede macht mit den ihr eigenen Ressourcen mit!
KEINE Fundamentalunterscheidung zw. Geistes- und
Naturwissenschaften!
Weitere Schlussfolgerungen
B. Ist „human“ oder „social engineering“ (in den USA)
gleichzusetzen mit dem „sachlichen“ Umgang mit
„Menschenmaterial“ im NS?
Wohl kaum, doch die „Versachlichung“ der eigenen
Einstellungen der Professionellen selbst scheint
überraschend vergleichbar zu sein, auch wenn die
jeweilige diskursive Einbettung eine andere war
(„There‘s a war on, we‘ve got a job to do“ versus „Ich
habe nur meine Pflicht getan“.)
US-Psychologen nahmen auch auf die Arbeit der
deutschen Wehrmachtpsychologie Bezug.
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