European Governance im Wandel - Reinhard Meyers - Ketzerische Bemerkungen zum Verhältnis von wissenschaftlicher Analyse und praktischer Politik Diese Datei ist ab sofort downloadbar von unserer Website www.uni-muenster.de/Politikwissenschaft/ Doppeldiplom/aktuelles.html Dort finden Sie auch weitere Materialien zu unseren laufenden Seminaren zu den Internationalen Beziehungen und zur Friedens- und Konfliktforschung Lebenslauf – Kurzfassung Reinhard Meyers, Jahrgang 1947, studierte Politikwissenschaft, Anglistik, und Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1966 – 1970 mit dem Abschluß Magister Artium. Forschungsstipendiat der Wiener Library, London, an der Graduate School of Contemporary European Studies, University of Reading 1970 – 1972 mit dem Abschluß Master of Philosophy. Wissenschaftlicher Assistent bei Hans-Adolf Jacobsen und KarlDietrich Bracher am Seminar für Politikwissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1972 – 1984. Promotion zum Dr.phil. 1974; Habilitation im Fach Politikwissenschaft 1986; seit 1987 Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Westfälischen Wilhelms - Universität. Die Forschungsinteressen galten ursprünglich der Geschichte der internationalen Beziehungen und der Sicherheitspolitik im 20. Jahrhundert; daneben trat aber schon vor der Habilitation die Wissenschaftsgeschichte der Lehre von den Internationalen Beziehungen sowie deren Epistemologie, Methodologie und Theorie. Seit den achtziger Jahren wird dieser Schwerpunkt ergänzt durch Arbeiten zur Friedens- und Konfliktforschung, seit den neunziger Jahren auch zur Europapolitik. Seit 1991 mehrfach Prodekan und Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität, seit Oktober 1997 Ehrendoktor der Fakultät für Europastudien der Babes-Bolyai Universität Klausenburg und seit Mai 2007 der Universität Novi Sad. Mitgründer und seit 1993 Mitherausgeber der Zeitschrift für Internationale Beziehungen. Programmbeauftragter für die internationalen Doppeldiplomstudiengänge mit dem IEP Lille, der BBU Klausenburg (RO) und der Universiteit Twente (NL) Hobbies: Industriearchäologie des Transportwesens, italienische Küche Die beiden Logiken des Integrationsprozesses (I) Schaffung von Wohlfahrt durch Marktintegration und Management internationaler wirtschaftlicher Interdependenzen Notwendigkeit von Integration zur Sicherung des gemeinsamen Überlebens relativ kleiner europäischer nationaler Volkswirtschaften in einer zunehmend interdependenten und von den USA und Japan dominierten Weltwirtschaft resultierend aus funktionalen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Sachzwängen, die letztlich auf den Fortschritt der Produktivkräfte und die durch ihn induzierten Veränderungen im gesellschaftlichen Überbau zurückzuführen sind zentrale Rolle einer Koalition nationaler politischer und sozioökonomischer Eliten mit supranationalen Akteuren zur Beförderung gemeinsamer Interessen Theorien: Funktionalismus // Neofunktionalismus // Interdependenz- und Regimetheorien Die beiden Logiken des Integrationsprozesses (II) • Friede durch Kooperation und gemeinsame Sicherheitsproduktion • Notwendigkeit von Integration zur Vermeidung zukünftiger Konflikte in (West) Europa durch Einbettung (und damit Kontrolle) des deutschen Potentials in eine supranationale Governance-Struktur gestützt auf die Beilegung des deutschfranzösischen Gegensatzes • zentrale Rolle der Staaten und ihrer rationalen Interessen: zwischenstaatliche Kooperation und Verflechtung von Politikebenen begründen einen transnationalen Verhandlungsund Entscheidungsrahmen, innerhalb dessen gemeinsame Lösungen für gemeinsame Policy-Probleme entwickelt werden • Theorien: Föderalismus // Intergouvernementalismus, Neolib. Institutionalismus Creation of welfare by market integration and management of international economic interdependencies The two logics of the integration process Resultant direction of the integration process Peace by cooperation and common security production Creation of welfare by market integration and management of international economic interdependencies The two logics of the integration process 2 Resultant direction of the integration process Functional economic, societal, and political necessities caused by the progress of the forces of production and resultant changes in the societal superstructure Necessity of integration to avoid further conflicts in (Western) Europe by embedding (and thereby controlling) the German industrial and military potential in a supranational governance structure supported by overcoming traditional German – French enmities Peace by cooperation and common security production Creation of welfare by market integration and management of international economic interdependencies Functionalism Neofunctionalism Interdependence & Regime Theories The two logics of the integration process 3 Resultant direction of the integration process Multilevel Governance Approaches Federalism, InterGovernmentalism, Neoliberal Institutionalism Peace by cooperation and common security production Die Integration Europas – ein Blick zurück These: Realhistorisch ist der Prozess der Integration (West-)Europas ein Produkt des Kalten Krieges. Als Teil der sich nach 1945 ausbildenden atlantischen Sicherheits- und Wertegemeinschaft übernimmt das unter dem Aussendruck der sowjetischen Expansionsdrohung zusammenrückende (West-)Europa die Rolle eines Bollwerks gegen ein feindliches Herrschaftssystem und dessen Ideologie. Zugleich soll es mit durch den Prozess der wirtschaftlichen Integration hervorgebrachten Wohlfahrtsgewinnen die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Systems gegenüber den Zentralverwaltungswirtschaften des RGW unter Beweis stellen. Der Prozess der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Integration etabliert Europa in der Folge als: 1. Friedensgemeinschaft, in der sich seine Völker untereinander durch Aussöhnung und Konfliktabbau ihre Sicherheit garantieren 2. 3. 4. Wohlfahrts- und Prosperitätsgemeinschaft, gründend auf den durch den Gemeinsamen Markt induzierten Wachstums-, Effizienz- und Handelsgewinnen Zivilisations- und Wertegemeinschaft, in der (insbes. sozioökonomische Interdependenz-)Konflikte in immer stärkerem Maß einer verregelten, rechtsförmigen Bearbeitung unterworfen werden Rückversicherungsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit, in der einerseits das konfliktschaffende deutsche Wirtschafts- und Militärpotential durch Einbindung in multinationale und supranationale Politikrahmen kontrolliert und entschärft wird, andererseits dem für die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs Verantwortlichen gegen den Preis eines teilweisen Souveränitätsverzichts wie einer aktiv betriebenen Westintegration die Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Nationen ermöglicht wurde. Zweiwertige Logik des Integrationsprozesses: Peace by integration Wohlfahrt durch Machtintegration und Interdependenzmanagement Literaturtipp • Desmond Dinan: Europe Recast. A History of European Union. Basingstoke 2004. • John Gillingham: European Integration 1950 – 2003. Superstate or New Market Economy ? Cambridge 2003. • Charles Zorgbibe: Histoire de l‘Union Européenne. Paris 2005 Traditionelle Ansätze zur Erklärung des europäischen Integrationsprozesses Die Dialektik von Supranationalismus und Intergovernmentalismus Nationalstaaten übertragen Nationalstaaten kooperieren auf gewisse Rechte oder Teile ihrer der Souveränität eine Ebene ohne formell Teile ihrer die Souveränität oder die Ausübung durch völkerrechtlichen Vertrag von Teilen ihrer Hoheitsrechte in als unabhängiger internationaler Frage zu stellen supranationale auf Behörde, Akteur konstituiert wird (inter-)gouvernementalen DIFFERENTE PERSPEKTIVEN AUF DEN INTEGRATIONSPROZESS (Neo-) Funktionalismus Schritte in Richtung auf einen engeren Zusammenschluss graduell oder inkremental vorangetrieben von einer Vielzahl politischer und ökonomischer Akteure auf der Basis individueller/organisatorischer Lernprozesse die zu (integrationsfreundlichen) positiven Veränderungen politischer und sozioökonomischer Präferenzen führen Prozess kollektiven ( Entscheidungs-) Handelns in einem Netzwerk von Akteuren Föderalismus Intergouvernementalismus Integration als Ergebnis politischer Verhandlungsprozesse, die von nationalen Akteuren ganz bewusst auf der Basis vorher definierter politischer und sozioökonomischer Präferenzen begonnen werden Prozess multilateralen (Entscheidungs-)Handelns in einer Verwaltungsgemeinschaft („Zweckverband“)von Staaten Development of shared solutions to shared policy problems (Helen Wallace) Literaturtipp • John McCormick: Understanding the European Union. A Concise Introduction. Basingstoke ³2005. • Neill Nugent: The Government and Politics of the European Union. Basingstoke 5.Aufl. 2003. • Simon Hix: The Political System of the European Union. Basingstoke ²2005. • Desmond Dinan: Ever Closer Union. An Introduction to European Integration. Basingstoke ³2005. • Helen Wallace/William Wallace/Mark A.Pollack: Policy-Making in the European Union. 5th ed. Oxford 2005. Blick auf die Europäische Union aus einer neueren IB-Perspektive Schon seit einiger Zeit ist die Analyse der internationalen Beziehungen durch einen perspektivischen Wandel gekennzeichnet: Absetzbewegung von der Vorstellung des Staates als eines einheitlichen internationalen Akteurs mit gate-keeper-Funktion (zwischen der Innenpolitik und der Aussenpolitik) Blickrichtungswechsel nach oben, unten und zur Seite auf suprastaatliche, substaatliche und nichtstaatliche Akteure. Unsere Aufmerksamkeit verlagert sich von der Staatengesellschaft auf transnationale und transgouvernementale Gesellschaften in der Form grenzüberschreitender Netzwerke von Individuen und NGOs Literaturtipp • Robert O. Keohane: Power and Governance in a partially globalized world, London 2002. • Michael Zürn: Regieren jenseits des Nationalstaats. Globalisierung und Denationalisierung als Chance, Frankfurt/Main 1998 u.ö. DAS TRADITIONELLE KONZEPT INTERNATIONALER POLITIK IGO STAATEN ALS INTERNATIONALE GATEKEEPER = government = society State C Society C State A State B Society B Society A INGO = foreign or international societal interactions = foreign or international political interactions Regierung Society Transnationale Gesellschaft A Nationaler Akteur B C A B C MULTILEVEL GOVERNANCE: Hauptakteure und Analyseebenen Supranationale und intergovernmentale Akteure Internationale Ebene Staatenebene Regierung A RegierungB Internationale & nationale Regime Regierung C Exekutive Legislative Judikative Zentralstaat Verwaltung Regionale Ebene Legislative, Gerichte Regionale/Substaatl. Einheit Individuale Ebene Individuelle Erkenntnis, Belief System, persönliche und nationale Identität Zielstaat Transnation. Gruppen Innenpolitische Gruppen/issuespezifische Gruppen (kommerzieller, religiöser und umweltbewegter Natur) Literaturtipp • Hartmut Behr: Entterritoriale Politik. Von den internationalen Beziehungen zur Netzwerkanalyse, Wiesbaden 2004. • Ian Bache/Matthew Flinders (Hrsg.): MultiLevel Governance, Oxford 2004. • Achim Brunnengräber/Heike Wolk (Hrsg.): Multi-Level Governance. Klima-, Umwelt- und Sozialpolitik in einer interdependenten Welt, Baden-Baden 2007 Once upon a time: EU decisionmaking by consultation Commission Proposal Parliament Opinion Council Decision Member State transposition to National Law Implementation Commission Control Possible Court of Justice involvement Commission The Legislative Process: Proposal Co-Decision Procedure Parliament (1st reading) Opinion COR ESC Council No amendments by Parliament or approval of all amendments by Council Instrument adopted or approval/no action COMMON POSITION Rejection by absolute majority Council Parliament (2nd reading) End of legislative process Adoption of common position by qualified majority Amendment by absolute majority Parliament’s amendments accepted Parliament’s amendments not accepted Commission Adoption by qualified majority agreement (3rd reading) Council Adoption only by unanimity Amendments rejected Conciliation Committee convened by Council and Parliament No agreement Instrument rejected Governance – Übersicht Unscharfer Begriff zur Kennzeichnung der Suche nach Lösungen für grenzüberschreitende Probleme, die im klassischen Kontext staatlichen/zwischenstaatlichen Handelns nicht länger bewältigt werden können. Ebenen Lokal Regional National Akteure Staaten Gesellschaftliche Formelle Informelle Systemisch - Regional EMPIRISCH DESKRIPTIV Systemisch - Global NORMATIV Literaturtipp • Arthur Benz (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden 2004. • Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien. Baden-Baden 2005. • Arthur Benz/Susanne Lütz/Uwe Schimank/ Georg Simonis (Hrsg.): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder. Wiesbaden 2007. Governance-Konzepte [ a.d.Engl. ohne exakte dtsch.Entsprechung ] Steuerung, Regelung, Regulierungsmechanismus wirtschaftl.Handelns, Regieren und Regierung, aber auch Regeln, Regulierungsmechanismen, Ordnung, Herrschaft ] nicht allein in Staat und Politik, sondern überall, wo in der Gesellschaft individuelle Interaktionen und soziale Transaktionen systematischen Handlungs-mustern, festen Regeln und Ordnungen folgen Abgrenzung zum Begriff government = Regierung (bzw. Regierungssystem) Formelle, durch Verfassung, Recht und Gesetz definierte Dimension von Politik: Institutionen des Regierens, ausgestattet mit staatl. Machtmonopol zwecks Durchsetzung rechtmässiger politischer Entscheidungen informelle Regelungen und nichtinstitutionalisierten Formen des Regierens, die von Menschen vereinbart oder als im eigenen Interesse angesehen werden Verhaltenssteuerung GOVERNANCE GOVERNMENT Normative Dimension: akzeptierte oder zumindest befolgte Ordnungsvorstellungen eines politischen Systems Governance (II) In den Internationalen Beziehungen: Begriff erfasst die Mechanismen, Verabredungen und Ordnungsmuster, die im anarchischen internationalen System transnationale Kooperation Gleichgewichte Stabilität in/ohne formalisierte(n) und fest institutionalisierte(n) Organisationen und Vertragssysteme(n) sicherstellen und dabei nicht nur staatliche Akteure, sondern immer mehr auch nichtstaatliche (NGOs, Netzwerke) transnationale Akteure mit einbeziehen Stichwort: Governance without government In der Innenpolitik: Governance gewinnt Bedeutung in Kontexten, in denen politische Institutionen und deren Handlungsträger an Handlungsautonomie verlieren, politische Steuerung folglich auf die Kooperation der politischen und gesellschaftlichen Akteure in Netzwerken und/oder Verhandlungssystemen [z.B. Runder Tisch] angewiesen ist Stichwort: Network Governance Literaturtipp • Klaus Dieter Wolf: Die Neue Staatsräson – Zwischenstaatliche Kooperation als Demokratieproblem in der Weltgesellschaft, Baden-Baden 2000. • Jürgen Neyer: Postnationale politische Herrschaft. Vergesellschaftung und Verrechtlichung jenseits des Staates, BadenBaden 2004. • Beate Kohler-Koch/Thomas Conzelmann/Michèle Knodt (Hrsg.): Euro- päische Integration – Europäisches Regieren. Lehrbuch. Wiesbaden 2004. Epistemologischer Hintergrund: vom Reduktionismus zur Synthese Politikwissenschaftliche Erklärungsansätze: Reduktionistische Starre Trennung von Innen- und Aussenpolitik; Erklärung von Politikergebnissen durch Konzentration entweder auf exogene (staatszentrierte Erklärungsstrategie) oder endogene (gesellschaftszentrierte Erklärungsstrategie) Variabeln [Beispiele: Neorealismus in den IB, Steuerungsdiskussion in der Regierungslehre] Integrative Beibehaltung der Trennung von Innen(-) und Aussen(politik); Erklärung von Politikergebnissen durch Verbindung endogener und exogener Variabeln ebenso wie gesellschaftszentrierter und staatszentrierter Erklärungsstrategien [institutionalistische Wende in der Regierungslehre; in der IB Interdependenzdiskussion, Regimetheorie, Konzepte von Zwei- und Mehrebenenspielen, neuere Konzepte transnationaler Beziehungen (z.B.epistemic communities, global-governance-Diskussion usw.), „second-image reversed“-Ansätze & Institutionalismen] Nationale Erklärungsfaktoren internationaler Politikprozesse; internationale Determinanten nationaler Politikprozesse Systematische Integration endogener und exogener (Erklärungs-) Faktoren bei gleichzeitiger Aufgabe der bis dato vorherrschenden IB-Staatszentriertheit Konvergenz von Forschungsproblemen und Forschungsansätzen in der Politikwissenschaft bei gleichzeitiger Aufgabe der traditionellen Innen-/Außen-Trennlinie [Entwicklung von multi-level governance – Ansätzen in der Europaforschung] Synthetische Überwindung der Unterscheidung innen/außen, staatlich/gesellschaftlich, Innenpolitik/Außenpolitik, Vergleichende Regierungslehre/Internationale Beziehungen Hintergrund: Entgrenzung von Politik, Ökonomie, Gesellschaft durch Globalisierungsprozesse und Entwicklung von Konzepten des Regierens in entgrenzten Räumen WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I a? Mehr traditionelle internationale Organisation funktionaler Zweckverband internationales Regime* Föderation von Staaten Weni- Bundesstaat ger Einheitsstaat „Staatenverbund“ Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil *Internationales Regime: eine Menge von Regeln, Normen, Prinzipien und Prozeduren, die Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens internationaler Akteure bündeln [eine “informelle” IO die mehr auf Gewohnheitsrecht, Case Law und individuellen Entscheidungen basiert denn asuf einem komplexen schriftlichen Vertrag der von allen Parteien formal ratifiziert wurde WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I b? The EU is a multi-level system of governance: a confederation located between inter-state and intra-state patterns of rule. (Armstrong/Bulmer 1998) Eine mehr und mehr intensivierte Kombination/Verbindung von regional national transnational Mehrebenenspiele supranational international Ebenen der Entscheidungsfindung und der Entscheidungsumsetzung, die einschliesst eine grosse Menge unterschiedlichster Akteure, Ressourcen und Funktionen in verschiedensten Politikbereichen WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I c ? PROZESSCHARAKTERISTIK: Standardentscheidungsverfahren ist der Verhandlungsprozess, in dem nationale politische und gesellschaftliche Akteure nach einem Konsens über Kompromisse und Paketlösungen streben PHÄNOMENOLOGISCHE CHARAKTERISTIK Governance bezieht sich auf einen Prozess des Ausübens von Macht, auf die Kunst, die Art und Weise, den Stil oder die Methode des Regierens [NICHT auf die Regierung als formale Institution], dessen Neuheit in der Inklusion von Akteuren der Zivilgesellschaft auf allen Entscheidungsebenen (lokal, regional, national, international) liegt WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I d ? MULTI-LEVEL GOVERNANCE Flexibel organisierte gemeinsame Problemlösung verschiedener Akteursgemeinschaften von der lokalen über die regionale und die nationale bis zur internationalen Ebene (und vice versa) INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN Begriff bezieht sich auf die Mechanismen, Übereinkünfte und Verhaltensmuster, die in einem anarchischen internationalen System notwendig sind, um zu sichern * Transnationale Kooperation * Gleichgewicht * Stabilität ohne Verlass auf formalisierte und institutio nalisierte Organisationen und Vertragssysteme, Stichwort:“governance without government” INNENPOLITIK Begriff gewinnt Bedeutung in Kontexten in denen politische Institutionen und deren Entscheidungsträger Teile ihrer Handlungsautonomie verlieren: politische Problemlösung muss sich auf die Kooperation politischer UND gesellschaftlicher Akteure in Netz werken und Verhandlungssystemen (Runde Tische etc.) verlassen Gründe für diese eigentümliche Konstruktion • ein hohes Maß an funktionalen Zwängen, die zur Kooperation zwingen, • sehr unterschiedliche Vorstellungen der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung dieser Kooperation (zwischenstaatlich - supranational), • beides zusammen führt zu sehr verschiedenartigen institutionell-prozeduralen Konstruktionen in einzelnen Politikfeldern • Ergebnis: die Komplexität des EU-Systems Das Schattenreich intermediärer Entscheidungsakteure European Parliament Commission Expert Committees (more than 1000) Working Groups COREPER Council Comitology Committees (more than 1000) Neuere Hinsichten auf den EU Governance Prozess Governance by Committee Deliberativer Supranationalismus Konzept „kooperativ abgefederter hierarchischer Verwaltung" und schon klassischer: Regieren im Europäischen Mehrebenensystem mit Hilfe zweier Steuerungsformen: der hierarchisch-supranationalen Rechtsetzung und der nicht-hierarchischen intergouvernementalen Zusammenarbeit gelegentlich auch: network governance – aber: Regieren im Netz versus Regieren mit Netzwerken ???´- ist die EU eine network polity, die in hohem Masse auf weiche Instrumente der politischen Steuerung zurückgreift ??? [ etwa OMC ?? ] EU- Governance: Problemanzeige • Die Analyse der System- und Akteursstrukturen der EU ebenso wie die der Steuerungsprozesse ergibt, dass die EU zwar in vielen Politikfeldern als nichthierarchisch vernetztes Verhandlungssystem auftritt, sich jedoch im Rahmen der politischen Steuerung weiter primär auf hierarchische Steuerungsinstrumente stützt, d.h. durchaus mit Netzwerken regiert, aber nicht im Netz • Vgl. Rainer Eising/Andrea Lenschow: Europäische Union, in: Benz et al., Handbuch Governance (2007), 325ff Literaturtipp • Morten Egeberg, Guenther F. Schaefer and Jarle Trondal:THE MANY FACES OF EU COMMITTEE GOVERNANCE. ARENA Working Papers WP 03/2 http://www.arena.uio.no/publications/workingpapers2003/papers/03_02.xml • Governance by Committee: The Role of Committees in European Policy Making and Policy Implementation http://www.eipa.eu/en/publications/show/&tid=1721 • http://www.eipa.eu/en/home/ Literaturtip • Borrás, Susana: The European Commission as Network Broker, in: European Integration Online Papers 2007 • http://www.eiop.or.at/eiop/index.php/eiop/article/view /2007_001a/41 • Sebastian Krapohl and Karolina Zurek: The Perils of Committee Governance: Intergovernmental Bargaining during the BSE Scandal in the European Union, in: European Integration Online Papers 2006 • http://www.eiop.or.at/eiop/index.php/eiop/article/view /2006_002a/14 Literaturtip • Der Europäische Verwaltungsverbund. Formen und Verfahren der Verwaltungszusammenarbeit in der EU. Hrsg. Eberhard Schmidt-Aßmann/Bettina Schöndorf-Haubold. Mohr-Siebeck: Tübingen 2005. … auf die Vielfalt wissenschaftlicher Perspektiven reagiert die EU etwa so wie in der hier abgebildeten Karikatur … …sie setzt das Thema European Governance auf die Tagesordnung (allein) im Kontext der VerfassungsDebatte und zur Behebung des Demokratiedefizits… EUROPÄISCHES REGIEREN EIN WEISSBUCH • EUROPEAN GOVERNANCE. A WHITE PAPER Brüssel, den 25.7.2001 - KOM(2001) 428 endgültig … die Good Governance – Fibel der EU… ??? • Die europäischen Politiker sind mit einer paradoxen Situation konfrontiert. Zum einen erwarten die Europäer von ihnen die Lösung der grundlegenden Probleme unserer Gesellschaft, zum anderen misstrauen sie zunehmend der Politik und den Institutionen, oder wenden sich ganz einfach desinteressiert davon ab. • Dieses Problem wird von den nationalen Parlamenten und den Regierungen durchaus erkannt. Besonders akut aber ist es für die Europäische Union. Viele Menschen trauen einer komplexen Maschinerie, die sie kaum verstehen, immer weniger zu, die Politik zu betreiben, die sie erwarten. Die Union wird als bürgerfern, gleichzeitig aber auch als allzu "aufdringlich„ empfunden. • Doch die Menschen erwarten von der EU auch, dass sie die Führung übernimmt, wenn es gilt, die Chancen der Globalisierung für Wachstum und Wohlstand zu ergreifen und Antworten zu finden auf Umweltprobleme, Arbeitslosigkeit, Besorgnis über die Lebensmittelsicherheit, Kriminalität und regionale Konflikte. Sie erwarten von der Union, dass sie so „sichtbar“ handelt, wie ihre Regierungen selbst es tun. • Alle demokratischen Institutionen und alle Volksvertreter müssen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene den Versuch unternehmen, die Kluft zwischen der Union und ihren Bürgern zu überbrücken. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann Politik wirkungsvoller und sachgemäßer werden. • Dieses Weißbuch befasst sich mit der Art und Weise, wie die Union die ihr von den Bürgern übertragenen Befugnisse ausübt. Die hier ansetzende Reform muss jetzt in Angriff genommen werden, damit die Bürger den Wandel sehen, bevor die Verträge der Europäischen Union geändert werden. • Das Weißbuch schlägt vor, die politische Entscheidungsfindung zu öffnen, und mehr Menschen und Organisationen in die Gestaltung und Durchführung der EU-Politik einzubinden. Es plädiert für mehr Offenheit sowie für eine größere Verantwortung und Rechenschaftspflicht aller Beteiligten. Die Menschen sollen begreifen, wie die Mitgliedstaaten durch die Zusammenarbeit in der Union in die Lage versetzt werden, ihren Sorgen wirksamer Rechnung zu tragen. Was ist zu tun ?? • Die Union muss die Gemeinschaftsmethode dahingehend erneuern, dass sie weniger Eingriffe "von oben" vornimmt und ihre klassischen Politikinstrumente durch nichtgesetzgeberische Maßnahmen ergänzt. • Bessere Einbindung aller Akteure und größere Offenheit • Wie auch immer die EU ihre Politik gestaltet und beschließt, der gesamte Prozess muss offener und leichter nachvollziehbar sein. • Die Kommission wird online laufend aktualisierte Informationen über alle Phasen der Beschlussfassung bereitstellen. • Das Verhältnis zu den regionalen und lokalen Körperschaften sowie zur Zivilgesellschaft muss interaktiver gestaltet werden. Dies zu erreichen, obliegt vor allem den Mitgliedstaaten… Was ist zu tun – Fortsetzung… • Eine bessere Politik, bessere Regeln und bessere Ergebnisse • Um die Qualität ihrer Politik zu verbessern, muss die Union zunächst die Frage beantworten, ob gehandelt werden muss und wenn ja, ob dies auf EU-Ebene geschehen sollte. Muss die EU handeln, so sollte sie erwägen, mehrere Politikinstrumente miteinander zu kombinieren. • Die Union muss ihren Rechtsetzungsprozess beschleunigen. Außerdem muss sie den richtigen Mittelweg finden zwischen einer einheitlichen Vorgehensweise, die sie immer dann verordnet, wenn es erforderlich ist, und der Einräumung eines Gestaltungsspielraums für die Durchführung der Regeln vor Ort. Schließlich muss sie das Vertrauen in die Politikberatung durch Experten stärken. Was ist zu tun – noch mehr… • Global Governance • Das Weißbuch schaut über den europäischen Rahmen hinaus und trägt zur Debatte über die Global Governance bei. Die Union sollte bestrebt sein, auch bei der Wahrnehmung ihrer globalen Verantwortung die Grundsätze guten Regierens (!!!) anzuwenden. Sie sollte darauf hinwirken, dass Wirksamkeit und Durchsetzungskraft der internationalen Organisationen gestärkt werden. • Die Kommission wird • · den Dialog mit den staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren in Drittländern intensivieren, wenn sie Rechtsvorschläge mit internationaler Dimension ausarbeitet; • · eine Überprüfung der internationalen Vertretung der Union dahingehend vorschlagen, dass sie mehr als bisher "mit einer Stimme" sprechen kann. Was ist zu tun – schliesslich… • Neuausrichtung der Institutionen • Die Organe der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten müssen gemeinsam eine umfassende politische Strategie erarbeiten, eine Neuausrichtung der EU-Politiken vornehmen und ihre Arbeitsweise umstellen. • • Die Kommission wird · noch entschlossener auf die Kohärenz der Politik und die Bestimmung langfristiger Ziele hinwirken; · der nächsten Regierungskonferenz Vorschläge unterbreiten, die darauf abstellen, die Verantwortung für die Durchführung der Politik wieder in die Hände der Kommission zu legen. • • Die Kommission fordert den Rat auf, seine Beschluss- und Entscheidungsfähigkeit bei unterschiedlicher Interessenlage der Beteiligten zu verbessern. Außerdem sollte der Rat eine engere Verknüpfung zwischen der Politik der EU und der Mitgliedstaaten herstellen. Wenn der Rat seiner politischen Verantwortung im Rahmen der Gemeinschaftsmethode gerecht wird, kann der Europäische Rat sich verstärkt der Bestimmung und Umsetzung langfristiger politischer Orientierungen zuwenden. • Der Rat und das Europäische Parlament sollten sich stärker auf die zentralen Elemente der Politik und auf die Überwachung ihrer Umsetzung konzentrieren. Das Parlament sollte die Anliegen seiner Wähler stärker in die politische Debatte einbringen. …nearly no comment… Zu guter Letzt noch ein Tip für die Praxis